Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Dezember 2008

Die Endfalle

31.12.2008. In der FR warnt Rolf Hochhuth: Wir sollen Russland nicht einfach auf Weisung der Amerikaner ein Drittel seines Territoriums (auch Ukraine genannt) wegnehmen! In der SZ schildert Stefan Weidner die Erfolge der Hamas vor der Bombardierung durch Israel. In der FAZ nehmen David Grossman und Fania Oz-Salzberger Stellung zum Gaza-Krieg. Die Zeit sondiert Poes poetologische Poesitionen. Und wir wünschen allen Perlentaucher-Lesern einen guten Rutsch!

Bands werden Protestlieder vortragen

30.12.2008. Die Welt sieht in der Krise eine Chance auf Poprevolte. In der Berliner Zeitung erklärt die erste Konzertmeisterin der Wiener Philharmoniker, Albena Danailova, wie sie dazu wurde. Für die FR besuchte Claudia Schmölders die europäische Internetbibliothek Europeana. Der taz stellt Natalie Zemon Davis Leo Africanus vor. Die französischen Blogs diskutieren über den linken und rechtsradikalen Stand up-Comedian Dieudonne, der einen Holocaustleugner vor 5.000 Zuschauern mit einem Preis für Frechheit auszeichnete.

Nicht reisefähig

29.12.2008. Zum Tode Samuel Huntingtons arbeiten sich die weihnachtsmüden Feuilletons nochmal an seinem Begriff des Clash of Civilisation ab: Er analysierte den identitären Diskurs und war selbst Teil davon, meint die taz. Das Religiöse ist nur die Verkleidung des Politischen, meint ausgerechnet die FAZ.

Die Cadillacs des Verlegers

27.12.2008. Die FR stellt die amerikanische, offensiv multi-ethnisch muslimische "Taqwacore"-Bewegung vor. In der NZZ wendet sich Dubravka Ugresic mit Grausen von nackten Füßen auf einem Cafehaus-Tisch ab. In der Welt erinnert sich Fritz J. Raddatz an einen noblen Emporkömmling. Die Berliner Zeitung freut sich, dass die New York Times den echten Stauffenberg heute etwas komplexer sieht als 1944. In der FAZ stellt Daniel Kehlmann seinen neuen Roman vor.

Sturmflut ohne Rettungsboote

24.12.2008. In der FR trinkt Cees Nooteboom einen Glühwein auf die Krise. Die Welt sieht Heinrich Breloer als Spielverderber, der die die "Buddenbrooks" aller Buffo-Elemente beraubt. In der SZ spricht sich Adolf Muschg gegen eine Verankerung der deutschen Sprache in der Verfassung aus. In der taz meint Paul Scheffer: Multikulti ist schwieriger als man denkt. Ach ja, und Frohes Fest!

Lebhafte Beziehungen zum Iran

23.12.2008. Die SZ will keinen Intendanten von der Fraktion Fettlebe, auch nicht Jürgen Flimm, auch nicht an der Berliner Staatsoper. Die FR hat herausgefunden: Jesus ist auch ein Perser. Die Welt fragt nach Josef. Die FAZ hat die Schnauze voll von der Bahn. In der Zeit verteidigt Michael Krüger den Autor Milan Kundera.

Umarmungen von jäher Wildheit

22.12.2008. Bitter registriert Zafer Senocak in der Welt die Kälte, mit der die Türken auf die Petition einiger Intellektueller zum Völkermord an den Armeniern reagieren. Im Tygodnik Powszechny konstatiert Stefan Chwin: Walesa ist der Preis dafür, dass die Polen keinen Havel haben. Kurz vor Schluss noch ein großes Theaterereignis: Jürgen Goschs Berliner Inszenierung der "Möwe" wird in allen Zeitungen groß und meist begeistert besprochen.

Der Kostümfilm zum Schloss

20.12.2008. In der FAZ meint Richard Ford: Egal ob Obama Erfolg hat oder nicht: die Rassisten werden es ihm nicht verzeihen. Die NZZ bringt eine vertrackte Statistik zur Tugend des Schlankseins in Japan. Im Spiegel spricht Christoph Schlingensief über seine Krankheit. In der Welt erklärt der Rechtsanwalt und Publizist Klaus Faber, warum er den Begriff der "Islamophobie" absurd findet. Heinrich Breloers "Buddenbrooks"-Verfilmung findet wenig Anklang.

Ein kleiner Haufen Nazi-Sperrmüll

19.12.2008. Die taz besucht das Rommel-Museum und schreitet über die Rommel-Brücke und wohnt im Rommel-Hotel in Marsa Matruh in Ägypten. In der NZZ erklärt der Musikjournalist Nik Cohn seinen zwangsläufigen Weg zum Gangsta-Rap. In der SZ übt Nadine Gordimer scharfe Kritik am künftigen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma. Und die FAZ konstatiert: China diskutiert nicht über die Charta 2008, China verhört.

Read This, Skip That

18.12.2008. Alle gratulieren dem "genial zuchtlosen" (so Gerhard Stadelmaier in der FAZ) Joachim Kaiser zum Achtzigsten. In der SZ wird das Kränzchen von Martin Walser persönlich geflochten. Die Welt bespricht Til Schweigers neuen Film, und erklärt, warum immer mehr Produzenten immer weniger Kritik wollen. Die NZZ beruhigt: Wer schon reich ist, der hat kaum was zu verlieren. Dem Tagesspiegel geht das Öl aus, nicht aber die geistige Mobilität.

Wenn wir das weiße Licht löschen

17.12.2008. In der Welt schreibt Sonja Margolina über die wiederkehrende Stalin-Begeisterung in Russland. In der FAZ protestiert Ulf Erdmann Ziegler gegen das Verbot der Glühbirne. Die NZZ feiert das Ilkhom-Theater aus Usbekistan. Die taz blickt sich auf dem Selberschreiber-Portal fanfiction.com um. Die Blogs berichten über den Holtzbrinck-Konzern, der seine Onlineredaktionen verschlankt und bei StudiVZ aufräumt. Das Wall Street Journal fragt: Gibt es bald ein Netz der schnellen Riesen und der langsamen Zwerge?

Inflation an Rechtsgutachten

16.12.2008. Die NZZ beschreibt die immer stärkeren Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. In der FR versichert Oliver Sacks: Musik hilft bei Demenz. Die Achse des Guten weiß, warum der Spiegel in seiner Schmidt-Geschichte ohne Schmidt-Zitat auskommen musste. Recht lau sind die Reaktionen auf Tom Cruises Stauffenberg-Film "Operation Walküre"und Heinrich Breloers "Buddenbrooks"-Verfilmung.

Alle Lustigkeit vermeidend

15.12.2008. Die NZZ stellt den koreanischen Blogger Minerva vor, der die Krise voraussagte und nun die koreanischen Börsianer in Angst und Schrecken versetzt. In der Welt sieht der Politologe Walter Russell Mead Barack Obama als den am wenigsten europäischen US-Präsidenten aller Zeiten. In der Wirtschaftswoche will der Soziologe Gerhard Schulze nicht in die Abgesänge auf den Kapitalismus einstimmen. Die FAZ betrachtet das Projekt eines "Hauses der Europäischen Geschichte" mit Skepsis.

Proustisches Konzil von Nicäa

13.12.2008. Die Kundera-Affäre? Nichts als Lügen, behauptet Antonin Liehm in der Welt. In der taz geißelt Michael Kleeberg den Snobismus der hiesigen Proustianer. Wo gibt es keine Zeitungskrise? Wo wird die Liebe in tausend Nuancen beschrieben? In Japan, meldet die NZZ. Warum Chinatown, Little India oder Klein-Istanbul Orte der Integration sein können, erklärt Robert Kaltenbrunner in der SZ. In der FAZ dreht sich alles um Charles Darwin.

Feind aller

12.12.2008. Die NZZ wundert sich: Dafür dass die Amerikaner weltpolitisch doch ziemlich unterwegs sind, haben sie ganz schön wenige Auslandskorrespondenten. Die taz hört schottischen Pop und findet ihn "aufgeladen und bereit". Die FR erkundet Griechenlands Willen zur Gewalt. In der SZ befasst sich der Literaturtheoretiker Daniel Heller-Roazen mit den Piraten. Die Welt informiert über polnische Einwände gegen ein "Haus der europäischen Geschichte".

Bruchstücke des Paradieses

11.12.2008. Die New York Review of Books publiziert die "Charta 2008", die von 300 chinesischen Intellektuellen unterzeichnet wurde. Die chinesische Polizei ist auch schon fleißig am Verhaften. Die Zeit redet mal Tacheles: Kino ohne Fernsehen ist hierzulande ein aufgeplusterter Subventionsbetrieb. Die NZZ kam in Thailand zu einer Entscheidung. Die SZ mahnt: Der Westen soll die Religionen einbinden. Sonst brechen sie aus.

Sanft summende Volksgemeinschaft

10.12.2008. In der SZ fragt der indische Historiker Dipesh Chakrabarty, ob sein Land überhaupt fähig ist zu einer professionellen Sicherheitspolitik. In der taz lässt sich Ilija Trojanow von einem Investmentbanker erzählen, was er zu Geld machte: "Kolossale Berge von Hühnerscheiße". Die FAZ fragt nach den Ursachen für die immer häufigeren Massenunruhen in China. Die Berliner Zeitung ist empört über Volker Schlöndorffs Äußerungen zum DDR-Filmerbe.

Inmitten der Blumen von Nizza

09.12.2008. In der NZZ hat Bora Cosic eine wunderhübsche Passage von Gombrowicz über den jungen Le Clezio gefunden: "Seine Romane atmen einen undurchdringlichen Dämmer äußerster Verzweiflung, während er selber, ein junger Gott in Badeslips..." Na, und so weiter. Wir zitieren auch die Passage aus Le Clezios Rede über das Internet. Auch die Feuilletons beschäftigen sich mit seiner Rede. Und neu: Die ganze SZ ist online - exklusiv beim Perlentaucher!

Die Grundlage für die Bilanzierungstricks

08.12.2008. In der taz macht der Keynes-Biograf Reinhard Blomert Ronald Reagan und den Neoliberalismus für die Finanzkrise verantwortlich. Im Observer prangert Orlando Figes die russische Razzia  bei Memorial und den Diebstahl von Dokumenten an. In der Welt erinnert Victor Zaslavsky an die 15.000 "lokalen Aktivisten", ohne die das Massaker von Katyn nicht möglich gewesen wäre. Die FR verteidigt die Berliner Tagung "Feindbild Muslim - Feindbild Jude", die nach der Verwandtschaft von Antisemitismus und "Islamophobie" fragt.

Der Kapitalismus hat so viele Gestalten

06.12.2008. Es ist Samstag. Den deutschen Feuilletons wird ganz feierlich, und sie lesen Geburtstagsmessen. John Milton wird 400. Elliott Carter wird 100. Alle gratulieren Noam Chomsky zum 80.. Und Jorge Semprun gibt zum 85. zwei Interviews in taz und Welt. Er spricht über die Krise und das Böse. In der NZZ erklärt Alexander Kluge, was ihn an Marx eigentlich interessiert.

Per Kabel ins Kino fließen

05.12.2008. Die NZZ twittert und bloggt iranisch. Die Welt geht ins digitale Kino und blickt Tierversuchsgegnern ins Hirn. Im Tagesspiegel warnt Wolfgang Schivelbusch vor der regressiven Sehnsucht nach dem Staat. In der taz rät Jane Birkin zu schmerzlosen Lifting-Techniken. Aber niemand toppt die journalistische Ethik des FAZ-Feuilletons.

Altmodische Korrespondenztheorie

04.12.2008. Soll ein Bekenntnis zur deutschen Sprache in die Verfassung aufgenommen werden? Unsinn, findet die SZ. Warum denn nicht, die anderen machen's doch auch, meint die Welt. In der Zeit regt sich Klaus Harpprecht über Peter Sloterdijks "Theorie der Nachkriegszeiten" auf: ein "Schwadroneur in Schwarz-Weiß-Rot".

Gleichsam natürliches Ziel

03.12.2008. Kiran Nagarkar, Autor von "Gottes kleiner Krieger", macht den westlichen Medien in der SZ den Vorwurf, sie hätten sich in der Berichterstattung über Mumbai nur für die weißen Opfer interessiert. Der Tagesspiegel untersucht das Bild des Terroristen im Bollywood-Kino. Und die Berliner Zeitung findet: Das Internet ist ganz schön wild. Gottseidank gibt es aber die Printpresse.

Nichtrealist zu sein

02.12.2008. In der Welt beschreibt der Asienexperte Hermann Kulke die konfliktuelle Komplizenschaft zwischen Islamisten und Hindunationalisten in Indien. Die SZ hat sich in ein Märchenschloss in Dubai zum deutsch-arabischen Kulturdialog einladen lassen. Außerdem erzählt sie die Geschichte der Juden in Indien. In der FR erklärt Herfried Münkler die Weltlage. Hinzu kommt die Lage in Ost-Sibirien.

Schokoladentorten

01.12.2008. Aravind Adiga schreibt in der FAZ über die Attentate von Bombay, die er als Angriff auf die Buntheit, Toleranz und Offenheit der Stadt sieht. In der Berliner Morgenpost erzählt der Berliner Galerist Andreas Osarek, wie er die Terrornacht im Taj Mahal erlebte.  Für die FR analysiert Hans Christoph Buch die Lage im Kongo. Und alle Feuilletons haben sich bei Elfriede Jelineks Spektakel über das Massaker von Rechnitz in München recht gut unterhalten.