Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2013

Grotesk, muffig und gleichzeitig frei

28.02.2013. Das Leistungsschutzrecht ist ein doppelter Sieg der Lobbyisten, meint Udo Vetter in seinem Lawblog: Google bleibt außen vor. Und die Zeitungen haben ein Instrument, mit dem sie Netzbürger einschüchtern können. Auch Justus Haucap, früherer Chef der Monopolkommission, sieht im Handelsblatt eine Abmahnwelle anrollen. Nüchtern blickt die Welt auf den entzauberten Papst. In der Zeit fordert der Roma István Forgács mehr Eigeninitiative von den Roma. Alle Zeitungen nehmen Abschied von Stéphane Hessel.

Dieser Nebel hat etwas überraschend Unkontrolliertes

27.02.2013. Die Zeitungen kriegen ihr Leistungsschutzrecht. Aber Google bleibt außen vor. Denn nach dem neuesten Entwurf bleiben Textsnippets erlaubt - nur was soll das Ganze dann noch?, fragen Netzpolitik, der Lawblogger Thomas Stadler, heise.de und Meedia. Warum paktieren die Öffentlich-Rechtlichen eigentlich so unanständig mit Springer und Burda?, fragt die taz. Die NZZ begrüßt die Neuübersetzung von John Stuart Mill. Die SZ feiert Roy Lichtenstein. Die FAZ bringt ein Manifest für das IT-Grundrecht.

Wo Klamaukverflachung droht

26.02.2013. Nun will die Koalition die von der Presselobby servierte Kröte doch noch schlucken: Am Freitag soll das Leistungsschutzrecht verabschiedet werden. Im Internet kursiert eine Art Plakatkampagne gegen das Vorhaben. Im Tagesspiegel beschreibt der bulgarische Autor Georgi Gospodinov das System aus Korruption und Selbstbetrug in Bulgarien.  Die SZ ist nicht zufrieden mit dem Oscar für "Argo". Die FAZ verfällt der aparten Traurigkeit des Martin Kippenberger.

Weiblichkeit in stummen Posen

25.02.2013. In der taz porträtiert Gabriele Goettle den Aktivisten Timo Lange, der eine Registrierungspflicht für Lobbyisten fordert. Frankreich diskutiert anlässlich der Césars über die Gagen seiner Schauspieler. Die Welt stellt die feministische aserbeidschanische Künstlerin Aidan Salachowa vor. Im NYRBlog entwickelt Colm Toibin Mitgefühl für die Mutter von Proust. Die FAZ hofft, dass der Kampf ums Leistungsschutzrecht nicht ausgestanden ist. Alles über die Oscars der Österreicher und auch einiger Amerikaner in der Presse, der New York Times und anderswo.

Kauder will prüfen lassen

23.02.2013. Spiegel online sagt leise Servus zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Anlass für eine Schimpfkanonade der FAZ über den Urheberrechtsvernichter Google. In der taz erklärt der Regisseur Kamboziya Partovi, warum ein schwaches Urheberrecht im Iran verbotenen Regisseuren nützt. In der NZZ huldigt Michail Schischkin Sergei Rachmaninow. In der Welt denkt Dan Diner über linken Antisemitismus nach. Die FR staunt über den Medienhansdampf Martin Kippenberger. In der SZ verficht Rick Smolan einen Big-Data-Humanismus.

Aus dem Schatten der heidnischen Götzen

22.02.2013. Die Welt setzt Jan Assmanns Begriff der "mosaischen Unterscheidung" den Begriff der "abrahamitischen Unterscheidung" entgegen. Die taz wundert sich, wie wenig welthaltig Martin Kippenberger war. Die NZZ sucht den Kommunismus im neuen China. Die SZ wirft Wolfgang Kraushaar vor, einen Generalverdacht gegen die Linke zu schüren. Die FAZ fordert die noch lebenden Haschrebellen auf, endlich zu sagen, was sie wissen.

Man hat uns Tier ins Fleisch gemischt

21.02.2013. Der frisch gekürte Börne-Preisträger Peter Sloterdijk interveniert in der Perlentaucher-Debatte zu Monotheismus und Gewalt. Der Kreisanzeiger aus Kirchheim meldet Zweifel an der Amazon-Reportage der ARD an. In Berlin werden die ersten Bauten der IBA von 1987 abgerissen, berichtet der Tagesspiegel. In der NZZ befürwortet die tunesische Autorin Hélé Béji einen Dialog mit den Islamisten. Die SZ denkt darüber nach, wie die Fernsehsender ihre Erfolgsquoten bei jüngeren Zuschauern aufbessern können. Alle trauern um Otfried Preußler.

Manet beim Denken zusehen

20.02.2013. Die taz und andere Zeitungen berichten über offizielle iranische Proteste gegen die Vorführung von Jafar Panahis Film "Pardé" bei der Berlinale. "Die Welle gegen Amazon rollt", titelt die FAZ, nachdem einige Kleinverlage und Blogger ihr Konto beim Konzern gelöscht haben. Es hat gewisse Vorteile, bestimmte Bücher digital lesen zu können, antwortet Ulrich Johannes Schneider in der FAZ auf den Internetkritiker Roland Reuß. Die SZ erkundet Vor- und Nachteile des Dark Web.

Tönendes Erz und klingende Bronze

19.02.2013. Die FAZ bringt einen Vorabdruck aus Wolfgang Kraushaars Buch "München 1970" über das Attentat auf ein jüdisches Altenheim und die Kooperation zwischen deutschen und palästinensischen Terroristen. Die Welt geht vor Alexander Tsymbalyuk  in die Knie. In der Berliner Zeitung legt Götz Aly ein gutes Wort für die Linkspartei ein. Die taz besucht die stark beschäftigte Sensenfrau Santa Muerte in Mexiko. Und WuV liefert den Anmerkungsapparat zu einer Pressemitteilung des Handelsblatts.

Dann erst stellt ein Sinn sich ein

18.02.2013. Die Berlinale-Resümees fallen alles in allem etwas mau aus - laut Welt steckt das Festival in der Datumsfalle, die FAZ sah Kino aus aller Welt, aber kein Weltkino. Bei aller politischen Korrektheit: Der taz graut vor einem Sexualleben, das reguliert ist wie ein Verkehrsgarten. In der SZ will Ingo Schulze Bertolt Brecht wieder politisch lesen. Die NZZ bewundert schwarze Frauen in Heldenposen, wie sie von afrikanischen Künstlerinnen in Szene gesetzt werden. Und style.com präsentiert die definitive Wintertracht.

Kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Drogen, viel Kaffee

16.02.2013. In der Welt macht sich Boualem Sansal keine Illusionen: auf den arabischen Frühling folgt ein islamischer Sommer. Der Kleinverleger Christopher Schroer geißelt in einem offenen Brief die Marktmacht von Amazon. In der FAZ wünscht sich der Wirtschaftswissenschaftler Philip Mirowski einen ergebnisoffenen Diskurs über den Kapitalismus. Die SZ sieht im Kapitalismus eher einen Gegenstand für Literaturwissenschaftler und Feuilletonisten. Die NZZ beklagt das Verschwinden der Ränder. Der Perlentaucher zieht eine Bilanz der Berlinale: Was bleibt, sind die starken Frauen.

Avantgarde, statt retrogarde

15.02.2013. In der Welt findet Antje Ravic Strubel die Sexismusdebatte in Deutschland mehr als überfällig.  Schwulenehe ist möglich, aber keine Ehe zwischen Postkolonialismus und Homosexualität, berichtet die taz aus Frankreich. Die  Berlinale-Seiten der Zeitungen und des Perlentauchers feiern ein Wiedersehen mit River Phoenix in "Dark Blood". Die NZZ hat herausgefunden: Die DDR lebt, zumindest im Jazz. Im NYRBlog rät Nicholson Baker, nicht übers Träumen zu schreiben, sofern man weiterträumen will. Die FAZ erzählt, wie Springteufel Berlusconi die italienische Politik ruiniert.

Von der erdabgewandten Seite des Mondes

14.02.2013. "Semlerpedia: ein Schatz, ein Strom von Anekdoten, Analysen, zu jedem Thema mindestens ein Titel des dazugehörigen Standardwerks." Die taz trauert um Christian Semler, auch die anderen Zeitungen würdigen den 68er und großen Journalisten. Anderes Thema des Tages: Der Gerichtstermin in Sachen Suhrkamp, der zwar nur zu einer Verschiebung des Prozesses führte, aber trotzdem zu großen Kommentaren Anlass bietet. In der Zeit spricht Joschka Fischer über 1968.

Friedrich Christian Delius kickte mit

13.02.2013. Götz Aly erinnert in der Berliner Zeitung an alle Arbeiter, Arbeitslose, Kleinrentner, verarmten Bauern, Dienstboten, Mägde, die ... äh... Nazis waren. In der NZZ zieht der Theologe Jan-Heiner Tück eine keineswegs nur positive Bilanz des Pontifikats Benedikts XVI. Die SZ kritisiert die Schavan-Entscheidung der Uni Düsseldorf als jakobinisch. Gizmodo hat herausgefunden, dass der Iran eine neue Technik nutzt, um Kampfflieger in den Himmel zu schicken: Photoshop. Slate.fr teilt die jüngst gefundene Primzahl durch 1.Alle Zeitungen feiern Jafar Panahis Film "Closed Curtain".

Dann geht das gestelzte Elend weiter

12.02.2013. Die Berlinale-Seiten der Zeitungen befassen sich Călin Peter Netzers rumänischem Wettbewerbsfilm "Child's Pose" und mit Jane Campions Mystery-Thriller "Top of the Lake". In seinem Blog lästert der Regisseur Dietrich Brüggemann über die Berliner Schule. Die FAZ ist ergriffen vom Rücktritt  Benedikts XVI. - Martin Mosebach würdigt noch mal seine konservative Mission, so auch The Onion. Im Perlentaucher bekommt Klaus Müller, inspiriert von Karl Leonhard Reinhold sowohl  Vernunft als auch Religion unter einen Hut. Außerdem stellt sich heraus: Der Perlentaucher hat die zweitwichtigsten Literaturseiten im Netz. Die drittwichtigsten hat die FAZ.

Hält aber nur bis morgen

11.02.2013. Die FAZ fragt: Warum liest das neue Politbüro in China Tocqueville? Außerdem rät der Historiker Valentin Groebner angesichts des stets nur unfertigen Internets zu Buch und Zeitschrift. Die NZZ kritisiert die Angst der Museen vor Ruhe. Der Konzertagent Berthold Seliger wundert sich über die Honorarvorstellungen der ARD. Slate.fr ruft 2013 zum Jahr des Pferdefleischs aus. In der Welt wirft Kurt Biedenkopf der Uni Düsseldorf Feigheit vor. In der SZ zieht Anne Wizorek die Möglichkeit in Betracht, dass Männer Hirn haben.

Gefühl für den Raum

09.02.2013. In der NZZ erklärt der lettische Regisseur Alvis Hermanis, warum man im globalen Theater viel weniger versteht als gemeinhin geglaubt wird. Im Tagesspiegel formuliert Thomas Arslan sein filmisches Credo. In der Welt lobt der polnische Schriftsteller Zbigniew Mentzel die therapeutische Wirkung von Börsenspekulationen. In der taz philosophiert Schorsch Kamerun über die einkaufbare Sichtbarkeit von Künstlern. In der SZ erklärt Jürgen Vogel den Geschlechterkampf für beendet.

Akademisch-politische Kumpanei

08.02.2013. Die Welt besucht Luthers Sterbehaus. Die NZZ fordert - im Sinne Europas - Gerechtigkeit für Richard III.! In Faust Kultur will Detlev Claussen nichts wissen von einer Verteidigung Annette Schavans. Die taz diagnostiziert eine gewisse Betretenheit in Akademikerkreisen. Die SZ findet: Klagen ist auch nicht der richtige Weg. Paris Match weiß, welches Gesicht der Ursprung der Welt hat.

Eine quasi schon bestehende Welt

07.02.2013. Die Welt träumt von einer Tanzmetropole namens Berlin. Der Freitag verortet den deutschen Film zwischen Überproduktion und Desinteresse des Publikums. Stefan Niggemeier erklärt, warum man in Deutschland keine Bücher über eine langjährige Krimireihe der ARD mit sechs Buchstaben schreiben darf. In der Zeit macht sich Hans-Ulrich Wehler Sorgen über die wachsende Ungleichheit in Deutschland. Der SZ fehlen im Berlinale-Wettbewerb die Weltpremieren und Meisterwerke.

Dass hier keine Gesichter zu sehen sind

06.02.2013. In der NZZ erklärt John Burnside, warum er sich zu jener Minderheit von Briten zählt, die sich als Europäer fühlen. Die Welt kritisiert die Aberkennung von Annette Schavans  Doktortitel als infam. Abschreiben kann auch eine Tugend sein, findet die FAZ - sofern man bei Meyerbeer abschreibt. Im Perlentaucher fragt Bernhard Lang: Warum hat Mose nicht getanzt? Und Lukas Förster blickt auf die Berlinale. Die SZ kann den Kummer der Professoren über ihre Besoldung verstehen. Und die FR erschrak bei Max Ernst.

Durchschnittsnatur von gutem Willen

05.02.2013. In der taz liest Micha Brumlik Marx über Lincoln und findet, dass die Lektüre eher gegen Marx als gegen Lincoln spricht. Die NZZ staunt unterdessen über die hippe Zeitschrift Jacobin, die dem Marxismus Sinnlichkeit einhauchen will. In der FR erklärt der Sinologe Kai Vogelsang, warum die chinesische Geschichte umgeschrieben werden muss. The Nation befasst sich ausführlich mit Thomas Bernhard und Siegfried Unseld, Buzzfeed mit kalifornischen Techniken der Entkaterung. Und Stefan Niggemeier findet die neue Google-Bildersuche dreist.

Geradezu zärtliches Verständnis

04.02.2013. Das Wall Street Journal berichtet über ein Buch von Google-Chef Eric Schmidt, der China als die gefährlichste Macht im Netz beschreibt. Jan Assmann macht keinen wirklichen Rückzieher, meint die Presse in einem Bericht über die Debatte um Monotheismus und Gewalt.  Die Welt berichtet über Stephen Kings E-Book gegen Waffen. Die SZ fordert mehr Feinfühligkeit in der politischen Debatte. Die FAZ ist enttäuscht: Google hat sich in Frankreich aus dem Leistungsschutzrecht freigekauft.

Zurück in die Zukunft, Teil IV

02.02.2013. Claude Lanzmann erzählt der taz, wie er die Nazis austrickste. In der SZ sucht Jörg Scheller vergeblich nach Arnold Schwarzeneggers semantischem Kern. Ahmad Mansour denkt in der FAZ über Ehrenmorde nach. Die NZZ widmet sich dem Judentum. Und in der Welt stellt die Ethnologin Ingrid Thurner fest, dass die jahrzehntelangen Anstrengungen zur schriftsprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter nach hinten losgegangen sind.

Die Weihen des Offiziellen

01.02.2013. Die Welt erinnert sich mit Rainer Fetting wärmstens an das New York der siebziger Jahre. Im Perlentaucher definiert der Konstanzer Soziologe Bernhard Giesen monotheistische Gewalt als Reaktion auf die "Beleidigung Gottes". Die NZZ annonciert eine linguistische Revolution in der Schweiz. Die taz singt mit Heino Rammstein. Die SZ fordert mehr Mut von Beamten. Die FAZ fordert mehr Stellen für Provenienzforschung in Bayern.