Magazinrundschau
Lesen, aber nicht berühren
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
29.11.2011. Marokkaner sind genauso freiheitshungrig wie Tunesier, erklärt der Aktivist Hisham Almiraat in open Democracy. Aber ihre Eliten sind feige, fürchtet der marokkanische Journalist Driss Ksikes in Le Monde. Im Merkur verabschieden sich Karl Heinz Bohrer und Kurt Scheel. Die LRB reist nach Griechenland. El Pais Semanal unterhält sich mit dem Sohn des letzten spanischen Scharfrichters. Der New Yorker bescheinigt der Fantasyliteratur einen Sinn für Verlust.
Open Democracy | New Yorker | Rue89 | Espresso | Slate | Magyar Narancs | Guardian | Le Monde | New Statesman | Merkur | London Review of Books | El Pais Semanal | Economist | Elet es Irodalom
Open Democracy (UK), 25.11.2011

Zwei Tage vor den Marokkanern haben die Tunesier gewählt. Der Blogger und Aktivist Kacem Jlidi vergleicht die Lage in seinem Land mit der in Ägypten und stellt fest, dass die Ägypter es schwerer haben. Aber er erklärt auch, wie man die Leute zu den Wahlurnen bringt: mittels Bürgerengagement und neuer Technik. "Viele Aktivisten und neu geformte NGOs reisten durch das Land und trafen sich mit jungen Leuten und Frauen aus den ärmeren Schichten, um sie zum Wählen zu ermutigen. Zusätzlich nutzten sie die sozialen Medien, um Netzwerke von Familie und Freunden anzuregen, sich auch registrieren zu lassen und wählen zu gehen."
Außerdem: Abgedruckt ist ein Auszug aus Anya Lipskas Krimi "Where the devil can't go", der unter polnischen Immigranten in London spielt.
Le Monde (Frankreich), 25.11.2011
Die arabische Welt braucht einen zweiten Anlauf, schreibt der Journalist, Schriftsteller und Dramaturg Driss Ksikes, derzeit Chefredakteur der marokkanischen Ausgabe von Tel quel. Tocqueville habe gelehrt, dass selbst eine erfolgreiche Revolution noch keine Garantie für einen klaren Bruch mit der alten autokratischen Ordnung sei. Er zweifelt vor allem an den alten ökonomischen und intellektuellen Eliten der Länder, die es ganz gut in den alten Regimes ausgehalten haben. Wenn sie tatsächlich für eine modernisierte Politik stünden, müssten sie jetzt für ihre Ideen kämpfen, um sich gegen die kulturellen und religiösen Autokratien zu wehren. "Werden sie den Mut dazu aufbringen, den Willen? Ich bezweifle es stark. Und ich befürchte, angesichts dieser herrschenden Feigheit, dass die unserem Land versprochene Demokratie zu einem marktschreierischen Verkaufsslogan wird - wenn dies nicht schon längst der Fall ist - ohne kulturelle Verankerung, mit dem nur bei jedem Urnengang gewedelt wird. Der Berg der 'Empörten' hätte eine Maus geboren. Mehr nicht!"
New Statesman (UK), 28.11.2011

Lesen darf man jetzt auch Richard Evans' Aufmacher aus der letzten Woche, der den Briten erklärt, dass die Deutschen keineswegs ein "Viertes Reich" zu errichten wünschen, wie einige Kommentatoren behauptet haben, aber gern eine Inflation wie in den zwanziger Jahren vermeiden möchten.
Merkur (Deutschland), 01.12.2011

Bohrer zum Beispiel in seinem ersten programmatischen Essay: "Dieser Aufsatz mit dem Titel 'Die Ästhetik des Staates' hatte als Motto einen Satz von Albert Camus: 'Kein Volk kann außerhalb der Schönheit leben.' Das war durchaus polemisch gedacht, denn mir schien, dass diese bundesrepublikanische Gesellschaft, vor allem ihre Intelligenz, in der Tat außerhalb des Camusschen Prinzips lebte. Und so war der Aufsatz auch eine ironisch-utopische Parabel über 'Opulenz, Provinzialität und Konformismus' der alten Bundesrepublik und gipfelte in einer Charakteristik des grünen Milieus der berühmt gewordenen Reformuniversität Bielefeld."
Scheel schreibt über seine Arbeit am Text und am Autor: "Ich wollte unbedingt diesem Kreis edler Menschen angehören, das war meine 'Gesellschaft vom Turm' - und ich musste nun schmerzlich erfahren: Je mehr man einen Autor bewundert, umso frustrierender ist es, ihm nahezukommen. Es gibt Ausnahmen, die schönste in meinem Merkur-Leben war Robert Gernhardt... Merke: Geschätzte Autoren soll man lesen, aber nicht berühren."
Außerdem: Kathrin Passig geht der Frage nach, warum sich viele Zeitungen so schwer damit tun, ihre Artikel kommentieren zu lassen. Michael Rutschky widmet sich Fragen des erzählerischen Standpunkts von Tageszeitungsjournalisten. Jonathan Keates ergründet das Engländertum.
London Review of Books (UK), 01.12.2011

James Meek übermittelt detaillierte Reiseeindrücke aus Griechenland und zeichnet darin in vielen Begegnungen mit Einheimischen ein bedrückendes Bild. Aber winzige Hoffnungsschimmer gibt es auch: "Stefanos Vostanis, der Barbour-Jacken tragende, englisch erzogene 28-Jährige, der die Catsacoulis Ölabfüllanlage seiner Familie leitet, gibt mir ein Ouzoglas voll mit Öl aus Lesbos - mild und golden, nicht wie das pfeffrige, grünliche Öl aus Kreta. 'Ich glaube, dass es in den nächsten zehn Jahren eine Umverteilung der Ressourcen geben wird', sagt er. 'Wer in einem Laden arbeitet, wird den Laden schließen und sich auf die Dinge konzentrieren, bei denen das Land einen Wettbewerbsvorteil hat. Das ist hoffnungsvoll. Natürlich, wenn man viele Jahre in einem Bekleidungsgeschäft gearbeitet hat, ist es hart, von dort zu den Oliven zu gehen.'"
Weitere Artikel: Anlässlich von Stephen Kings neuem Roman "11.22.63", in dem ein Zeitreisender das Attentat auf Kennedy zu verhindern versucht, blättert sich der Historiker Colin Kidd durch kanonische und entlegene Theorien zur Ermordung des US-Präsidenten. Michael Wood verteidigt George Clooneys neuen Film "The Ides of March" gegen dessen amerikanische Kritiker. Andrew O'Hagan amüsiert sich prächtig bei der Lektüre des augenzwinkernden Militärsachbuchs "The Official ARRSE Guide". Julian Bell zeigt sich sehr von den Gemälden Claude Lorrains beeindruckt, die derzeit in Oxford ausgestellt werden :

El Pais Semanal (Spanien), 28.11.2011

Economist (UK), 26.11.2011

Weitere Artikel: "Im Vergleich mit den Anti-Piraterie-Gesetzen anderer Länder ist SOPA in der Tat drakonisch", berichtet dieser Artikel über den Stop Online Piracy Act (mehr), der in den USA gerade vor dem Kongress diskutiert wird. Die "Verschwundenen" aus der Zeit der Junta-Regierung Argentiniens beschäftigen auch die Gegenwartsliteratur des Landes, wie dieser Überblicksartikel nachzeichnet. Einen Überblick über den Stand der Dinge in der offenbar recht prosperierenden islamischen Comedy bietet dieser Artikel.
Besprochen werden "IQ84", der neue Roman von Haruki Murakami, ein Buch über den Aktivist Cesar Chavez, eine Ausstellung im Van Gogh Museum Amsterdam, die dem Einfluss der frühen Fotografie auf die Malerei des 19. Jahrhunderts nachgeht, sowie ein umfassender Prachtband über chinesische Keramik (siehe auch diese Website).
Elet es Irodalom (Ungarn), 25.11.2011

New Yorker (USA), 05.12.2011

Weiteres: James Surowiecki schreibt über die "katastrophale Sturheit" Europas und die vermeidbare Euro-Krise. George Packer porträtiert einen Arbeitslosen, der in der Occupy-Bewegung Anschluss fand. Und Anthony Lane sah im Kino "Shame" von Steve McQueen und Julia Leighs Drama "Sleepping Beauty".
Rue89 (Frankreich), 27.11.2011

Espresso (Italien), 28.11.2011

Slate (USA), 28.11.2011

Magyar Narancs (Ungarn), 17.11.2011

Guardian (UK), 28.11.2011
In der Literatur kann man Erfolg einfach nicht voraussagen, meint Umberto Eco im Interview: "Mir hat man immer vorgeworfen, ich sei zu gebildet und philosophisch, zu schwierig. Dann schrieb ich einen Roman, der überhaupt nicht gebildet war und Alltagssprache benutzte, "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana". Von all meinen Romanen hat sich dieser am schlechtesten verkauft. Vielleicht schreibe ich für Masochisten."
Weitere Artikel: Roy Greenslade fragt Andrew Rashbass, Chef der Economist Group, warum der Economist so erfolgreich ist, während rings um ihn herum die Magazine sterben, und wie er es mit dem Internet hält. John Banville liest einen schlecht geschriebenen, aber dennoch faszinierenden Roman von Michel Schneider über Marilyn Monroes Beziehung zu ihrem Psychiater. Nicholas Wroe porträtiert John Grisham. Und Jonathan Glancey pickt sich für die Serie "Mein Lieblingsfilm" den Laurel-und-Hardy-Klassiker "Way Out West" heraus. Was wir zum Anlass nehmen, Ihnen eine der schönsten Tanzszenen der Filmgeschichte zu zeigen:
Weitere Artikel: Roy Greenslade fragt Andrew Rashbass, Chef der Economist Group, warum der Economist so erfolgreich ist, während rings um ihn herum die Magazine sterben, und wie er es mit dem Internet hält. John Banville liest einen schlecht geschriebenen, aber dennoch faszinierenden Roman von Michel Schneider über Marilyn Monroes Beziehung zu ihrem Psychiater. Nicholas Wroe porträtiert John Grisham. Und Jonathan Glancey pickt sich für die Serie "Mein Lieblingsfilm" den Laurel-und-Hardy-Klassiker "Way Out West" heraus. Was wir zum Anlass nehmen, Ihnen eine der schönsten Tanzszenen der Filmgeschichte zu zeigen:
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