Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
20.01.2003. Atlantic Monthly untersucht in einem Dossier den Zustand der amerikanischen Nation. Die NYT Book Review feiert eine neue Biografie des pockennarbigen Herrn Beethoven. Im Nouvel Obs will Claudio Magris tanzende Mädchen mit Kant entschärfen. Outlook India stellt einen Star der New Economy vor: Infosys. Der New Yorker erklärt, warum George Orwell ein intellektuellen Held der Mittelklasse ist. The New Republic prangert die gefährliche Mode der Geländewagen an. Der Economist feiert Griechenland und die Türkei als Helden der EU.

The Atlantic (USA), 20.01.2003

Viel zu lesen gibt es diesmal im Atlantic. Ein ganzes Dossier hat das Blatt in Kooperation mit der New America Foundation zur wirklichen Lage der Nation zusammengestellt. Denn wenn auch die rituellen Präsidenten-Reden die Lage für "gut" oder "besser denn je" erklären, könne man sich trotzdem doch darüber einmal ernsthaft Gedanken machen, meint James Fellow (selbst Redenschreiber bei Jimmy Carter) in seinem Editorial. Er zumindest findet es einfach nur "bestürzend", wie veraltet und wirklichkeitsfern die Politik geworden sei.

Weiteres im Dossier: Jedediah Purdy etwa sieht in den USA eine neue Kultur des Verdachts entstehen, Gregory Rodriguez beklagt die verschwindend geringe Zahl von interethnischen Ehen, Margaret Talbot stellt fest, dass die Gefängnisse die kriminellen Energien ihrer Insassen noch steigern, Jonathan Rauch will die Rentner entmachten. Weitere Artikel widmen sich der Kluft zwischen schwarzen Frauen und schwarzen Männern, dem so ungleich verteilten Reichtum, der Bildung, dem Gesundheitssystem, der Umwelt und, und, und.

Lesenswert ist auch der Text von Christopher Hitchens (mehr hier), der sich der Debatte um den alliierten Luftkrieg widmet, die nun auch die USA erreicht hat, seit dort W.G. Sebalds berühmter Essay (mehr hier) über die Frage, warum die Deutschen die Zerstörung ihrer Städte vergessen haben, im New Yorker abgedruckt wurde. Zwar macht Hitchens auch bei Sebald - wie schon bei Thomas Mann - diese merkwürdige Kombination aus Arroganz und Selbstmitleid aus, für die Deutschen so berüchtigt seien (wie die Briten es offenbar gern fassen: "The Germans are either at your throat or at your feet"). Doch insgesamt gibt er ihm durchaus Recht: "Das Bombardierung Dresdens war so entsetzlich total, dass sie einen Victor Klemperer ebenso hätte töten können, wie sie ihn tatsächlich gerettet hat." Und etwas pathetisch meint er: "Patrioten wollen weder, dass ihr Land andere demütigt oder ermordet, noch, dass ihr Land gedemütigt oder gemordet wird. Deutschland hat beiderlei Schrecken im vollen Ausmaß erfahren, und Sebald erfährt diesen Widerspruch bis zu den Grenzen der Erträglichkeit."

Und Thomas Byrne Edsall hat eine interessante Entwicklung in der amerikanischen Politik erkannt: Nicht mehr das Einkommen sei die Schlüsselvariable bei Wahlen, sondern der Sex.
Archiv: The Atlantic

New York Times (USA), 19.01.2003

Er war klein, untersetzt, pockennarbig, wurde später schwerhörig, trieb vermutlich seinen Neffen in den Selbstmord, verfolgte Frauen, die ihn zurückwiesen, litt an chronischer Bronchitis, hatte einen Darmkatarrh und ein unausstehliches Temperament. Seine Wohnung war der "schmutzigste, unordentlichste Ort, den man sich vorstellen kann", wie Baron Tremont 1809 schrieb. Nebenbei komponierte noch großartige Musik. Ist es nicht erstaunlich? Jedenfalls gibt sich Michael Kimmelman Mühe, den New York Times-Leser mit Schmackes an den Gegenstand einer neuen Biografie heranzuführen: Ludwig van Beethoven (mehr hier und hier). Lewis Lockwood, "ein hervorragender Beethoven-Gelehrter und Harvard-Professor", hat dem deutschen Komponisten eine "umfassende, gemäßigte Biografie" gewidmet, die "alle Arten von spezialisierter und neuester akademischer Studien" zusammenfasst, lobt Kimmelman. "Das Buch wechselt zwischen Geschichten über das Leben des Komponisten und sein Milieu und einer Analyse seiner Musik, mit Schwerpunkt auf letzterem. Musik lesen zu können, ist zwar eine Hilfe, aber es gibt keine bessere Studie über Beethovens Kompositionen für ein größeres Publikum."

Aus dem bewegten Leben des legendären russischen Balletttänzers Rudolf Nurejew (Bilder) hat Colum McCann einen gelungenen Roman gemacht, "wunderschön schwebend", wie Peter Kurth ganz hingerissen schreibt. McCann hat laut Rezensent das einzig Richtige getan, hat alle Formalia weggelassen und sich ganz auf die Persönlichkeit Nurejews konzentriert. "Die Bilder vom Wasser und Wetter, von Erinnerungen, Bewegung und Zeit, sind die Essenz von 'Dancer', weil sie die Essenz von Nurejew sind. Jeder in dem Buch wird in diesen Wirbelsturm hineingezogen."

Margo Jefferson hat D.H. Lawrence' "Studies in Classic American Literature" von 1923 noch einmal gelesen, und ärgert sich, das nicht eine Frau in dem Kanon vertreten ist. Und so stellt Jefferson ihre eigene Liste auf. Wo Lawrence mit Benjamin Franklin anfängt, beginnt sie mit "Susanna Rowson, deren Bestseller-Roman 'Charlotte Temple' 1791, im gleichen Jahr wie der erste Teil von Franklins legendärer 'Autobiography', herauskam." Weiter geht's mit Emily Dickinson und Harriet Beecher Stowe...

Außerdem: N. John Hall hat dem "unvergleichlichen" Sir Max Beerbohm (mehr hier) eine Biografie gewidmet. Valentine Cunningham findet harte Worte für den Künstler: Je mehr Hall ihn zitiert, schreibt sie, desto mehr entpuppt sich Beerbohm als "gemäßigter Meister des Trivial Pursuit". Lisa Zeidner bespricht wohlwollend William Gibsons neuen Roman "Pattern Recognition" (hier ein Auszug zum Hören). Daphne Merkin kann A.S. Byatts "A Whistling Woman" (erstes Kapitel), den vierten und letzten Roman über eine altakadmische Familie in Yorkshire nicht jedem empfehlen, doch wenn es sich auch manchmal etwas zäh lese, sei es doch ein Buch randvoll mit erstaunlichen Einsichten und bemerkenswerten Bildern.
Archiv: New York Times

Nouvel Observateur (Frankreich), 16.01.2003

Ein ziemlicher Gemischtwarenladen in dieser Woche. In einem Interview spricht der italienische Schriftsteller Claudio Magris über sein neues Buch "Deplacements" (La Quinzaine/Louis Vuitton), das Reiseberichte und Beobachtungen aus zwanzig Jahren versammelt, darunter Besuche der bayrischen Ludwig-Schlösser oder in Arnold Schönbergs Büro. Magris erzählt darin unter anderem von seiner Visite bei Martin Heideggers Sohn, von der er angenehm überrascht war ("Ich hatte einen sehr banalen Mann erwartet"). Den "Triumph der Massen- über die große europäische Kultur" beschreibt er dagegen so: "In den meisten westlichen Gesellschaften herrscht derzeit ein Übermaß an willkürlicher Dummheit. Es geht dabei nicht darum, dass man im Fernsehen nicht über Kant spricht. Sondern eher darum, dass, wenn man dort eine Mädchen zeigt, das tanzt oder sich auszieht, danach ein Philosoph zwei Minuten über Kant sprechen sollte." Ob das wirklich hilft?

Weiteres: Kurz, aber dafür sehr gut besprochen wird die Autobiografie des Schriftststellers und Mitglieds der Academie Francaise, Jean d'Ormesson (mehr hier, Gallimard). Und in der Sektion Arts et Spectacles geht es vor allem um Musik. So stellt Oliver Toscer das Buch zweier Journalisten vor, die die Societe des Auteurs, Compositeurs et Editeurs de Musique (Sacem) unter die Lupe genommen haben. Die Institution - eine Art Entsprechung der deutschen Gema (hier) und "reich wie Krösus" - steht nach ihren Recherchen im Verdacht, sich "an der Musik zu vergreifen", sprich: in die Tasche insbesondere ihres langjährigen Geschäftsführers gewirtschaftet zu haben. Schließlich feiert der Nouvel Obs noch die Rückkehr des Rock. Autor Jacques Braunstein hat sich in New York, London und Paris umgesehen und festgestellt, dass Techno und PC die Gitarren keineswegs "endgültig zum alten Eisen" befördert hätten. Während in den Clubs noch elektronische Musik laufe, schlösse vielmehr eine "Horde genervter junger Leute ihre Verstärker wieder an".

New Yorker (USA), 27.01.2003

Louis Menand erklärt in einem ausführlichen Porträt, weshalb "nahezu die gesamte allgemeine Einschätzung" des Schriftstellers George Orwell (mehr hier) auf "einer Verdrehung dessen beruht, was er wirklich dachte und war". Menand zeichnet ein Bild von Orwell als einem "eigensinnigen" und widersprüchlichen Menschen, der "umso kälter und kritischer wurde, je näher man ihm kam". "Er war ein Intellektueller aus der Mittelklasse, der die Mittelklasse verabscheute und Intellektuelle verachtete ... Er predigte Solidarität, verhielt sich aber wie ein Dropout, und seine berühmtesten Arbeiten - 'Animal Farm' und der Essay 'Politics and the English Language' - waren Angriffe auf Menschen, die vorgaben, seine politischen Ansichten zu teilen. ... Doch nach seinem Tod hatte er plötzlich eine Armee von Fans - lauter Intellektuelle aus der Mittelklasse."

Weiteres: Seymour M. Hersh untersucht, was die amerikanische Regierung eigentlich über das pakistanische und nordkoreanische Atomprogramm weiß. So sei etwa laut eines streng geheimen CIA-Berichts von vergangenem Juni "auch heute nicht bekannt, ob Nordkorea wirklich mit dem Bau von Atomsprengköpfen begonnen hat. Der Bericht enthielt ... einzelne und einander widersprechende Einschätzungen von CIA, Pentagon, dem State Department und dem Department of Energy bezüglich der Anzahl an Sprengköpfen, die Nordkorea in der Lage gewesen sein könnte zu bauen, und er lieferte keinerlei Übereinstimmung darüber, ob das Pjöngjang-Regime derzeit welche produziert."

Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Jon" von George Saunders und ein natürlich fiktives, dafür "überraschend sentimentales" Testament von Saddam Hussein.

Besprechungen: John Lahr stellt neue Theaterproduktionen in London vor, und David Denby begeistert sich für Colin Farrell, den Hauptdarsteller in Roger Donaldsons Film "The Recruit" ("hat alles zum Star"). Den Thriller "Narc" von Joe Carnahan fand er ebenso "berührend" wie "atemberaubend".

Nur in der Printausgabe: ein Bericht aus Harvard über "freie Meinungsäußerung für alle", eine Reportage über einen Ausbrecherkönig, ein Porträt von Matthew Barney und seinen "Cremaster"-Zyklus (mehr hier) sowie Lyrik von Elizabeth Alexander, Carl Phillips und Kevin Young.
Archiv: New Yorker

Outlook India (Indien), 27.01.2003

Die Titelgeschichte befasst sich mit der indischen, in Bangalore beheimateten Wirtschaftswunder-Firma Infosys, einem Software-Produzenten, der alle Zusammenbrüche der New Economy nicht nur souverän überstanden hat, sondern noch immer jährliche Zuwachsraten aufweist, von denen der Rest der Welt nur träumen kann. Die Gründe klingen wie im Märchen: "Infosys wurde von seinen Gründern stets mit einem fanatischen Willen betrieben, niemanden zu betrügen: wir werden nicht bestechen, wir werden unsere Steuern bezahlen und wir werden unsere Gewinne mit allen unseren Angestellten teilen." Das Erstaunliche: sie haben sich bis heute daran gehalten. Nach wie vor bietet Infosys seinen Bediensteten Saunas und Jacuzzis und behandelt sie wie Familienangehörige. Die andere Seite der Medaille: Leistungs-Messung und -Überwachung in geradezu Orwellscher Manier, Spezialisierung der Arbeiter auf winzigste Gebiete. Grund zur Klage freilich sieht offenbar keiner.

Das ist ein Schock für alle traditionsliebenden Inder (und alle indische Traditionen liebenden Nicht-Inder): "Der Sari stirbt". Behauptete jedenfalls der Mode-Experte Garry Newman auf dem letzten "International Fashion Festival" in Delhi. Und tatsächlich, stellt der Artikel fest: In der Stadt, auf dem Land und vor allem im Süden Indiens, wo die traditionelle Kleidung bis vor kurzem noch allgegenwärtig war, verschwinden die Saris aus dem Straßenbild. Man trägt entweder die islamisch inspirierten Salwar-Anzüge oder, wie die meisten jungen Inderinnen, gleich westliche Kleidung.

Ein höchst ansteckender Virus ist nun auch mit voller Wucht in Indien gelandet: der Ketchup-Song. Vorgestellt werden außerdem neuere Werke der indischen Kunst, die auf ungewohnt explizite Art mit Erotik umgehen. Es gibt einen Ausblick auf die interessantesten der für das neue Jahr angekündigten Bollywood-Filme, besprochen - und zwar sehr positiv - wird ein Buch zweier britischer Autorinnen über das Bollywood-Kino.
Archiv: Outlook India

Spiegel (Deutschland), 20.01.2003

Eine Exkursion ins ewige Eis der Antarktis verheißt diese Woche der verführerisch bläulich schimmernde Spiegel-Titel. Es geht, zum einen, um Wissenschaftler, die unter extremen Bedingungen zu neuen Erkenntnissen über alte Fragen kommen wollen, zum anderen um antarktischen Exklusiv-Tourismus.
Und sonst: Beinahe live dabei gewesen scheint der Spiegel bei der etwas dubiosen Verhaftung eines jemenitischen Scheichs und vermeintlichen Bin-Laden-Finanziers: "Er habe nur gute Kontakte zur Hamas, antwortete der Scheich vorsichtig. Doch Scharif ließ nicht locker - ob nicht ein bisschen auch an al-Qaida fließen könne? Irgendwie muss der Festgenommene da verdächtig gezuckt und sonderbare Andeutungen gemacht haben." Bei der Beweislage: Viel Spaß vor Gericht.

Erzählt
wird außerdem die ziemlich traurige Geschichte der mit linken Maximen angetretenen und an der Schlechtigkeit der Welt ebenso wie ihrer eigenen Naivität gescheiterten Bank-Gründerin Marlene Kück. Was so beginnt: "Sie vergibt Kredite an kleine und mittlere Unternehmen, die sozial ausgerichtet sind, ökologisch, demokratisch, die in strukturschwachen Gebieten Arbeitsplätze schaffen, die Frauen fördern. Ihre Bank soll eine gute Bank sein." - kann, leider, nicht gut enden. Mist gebaut, erfahren wir, hat auch VW: wird's zu kalt, springen die kleinen Vierzylinder-Motoren nicht mehr an.

Wunderbar ergänzen, weil diametral widersprechen, würden sich das Interview, das man mit Ex-CIA-Chef James Woolsey geführt hat (Tenor: Saddam ist Hitler) und die flammende Polemik John le Carres gegen die "Bush-Junta". Für letztere muss man zahlen, aber auf englisch gibt es sie hier.
Archiv: Spiegel

Economist (UK), 17.01.2003

Es kann einem manchmal vorkommen, meint der Economist, als hätte die EU ein wahres Sendungsbewusstsein entwickelt und verkünde nunmehr unverdrossen die frohe Botschaft "ihrer Zauberkraft, Frieden und Stabilität zu schaffen, wo immer sie auch hinkommt". Doch dieser blauäugig anmutende "Optimismus" könnte auf Zypern tatsächlich bestätigt werden. Denn sowohl dort als auch in der Türkei sei man nun der Meinung, dass der Zypern-Konflikt von entscheidender Bedeutung für einen türkischen EU-Beitritt sein werde. Darüberhinaus wäre "die weitere Auswirkung einer Zypern-Einigung für Europa enorm. Sie könnte die Türen zu einer dauerhaften Versöhnung zwischen der Türkei und Griechenland öffnen, an einem Ort, an dem sich das christliche Europa an der islamischen Welt reibt. Nicht nur die neue türkische Regierung scheint begierig, diese Chance zu ergreifen, Griechenland ist genauso eifrig bei der Sache. Anstatt die EU-Mitgliedschaft des griechischen Zypern als eine Möglickeit zu sehen, die Türkei zu beschämen oder auszubremsen, vermeidet die griechische Regierung Triumphalismus und ist zu einem der leidenschaftlichsten Anwälte einer türkischen EU-Mitgliegschaft geworden. George Papandreu, der griechische Außenminister, sieht die deutsch-französische Versöhnung innerhalb der EU als Vorbild für Griechenland und die Türkei."

Der Economist mag im Allgemeinen nicht viel für die Boulevardpresse übrig haben, doch die jüngsten Übergriffe auf die höchsten Lords findet er "witzig": Die Sun ließ bei hohen Würdenträgern, die nach öffentlichem Ermessen zu nachsichtig mit Kriminellen umgehen, einbrechen - um die Lords in puncto Unsicherheit zu sensibilisieren.

Ein sehr interessanter Special Report befasst sich mit der Frage, warum die Entertainment-Industrie sich so schwer mit Inhalten tut und sich in betriebswirtschaftlichen Formalismen erschöpft. Springender Punkt: der unglückliche Umgang der "Anzugträger" mit den "Pferdeschwänzen", den kreativen Köpfen.

In einem Dossier verschafft der Economist dieses Mal einen Überblick über den Iran und gelangt zu dem Schluss (wie schon im Eröffnungsartikel zu lesen ist), dass das Modell der "Theodemokratie" versagt habe und dass der Iran sich langfristig zwischen Gottesmacht und Staatsmacht entscheiden müsse.

Weitere Artikel: George Bush ist eine Sphinx, so glatt wie undurchdringlich, behauptet der Economist nach der Lektüre von zwei kürzlich erschienen Biografien. Außerdem erfahren wir, wie ein sozialpädagogisches Handy aussehen könnte, das den Nutzer zur Diskretion erzieht, dass, obwohl im Nordkorea-Konflikt alle Beteiligten miteinander reden wollen, von Gesprächen aber weit und breit nichts zu sehen ist, und dass die US-Regierung in puncto Schadstoffausstoß jetzt unter Druck gerät, und zwar im eigenen Land.

Nur im Print: Artikel über den deutsch-französischen Motor in Europa, die deutsche Irak-Politik und die Welt nach Vaclav Havel.
Archiv: Economist

New Republic (USA), 20.01.2003

Gregg Easterbrook schreibt sehr ausführlich über die Popularität der großen Geländewagen, der SUV ("sport utility vehicle"). Anlass ist Keith Bradshers Buch "High and Mighty" (Auszug), das in einer offensichtlich sehr detaillierten Recherche erzählt, wie die Autioindustrie diese Wagen an den Mann brachte, obwohl sie mehr Unfälle versuursachen und mehr Benzin verbrauchen als normale Autos. "Bradshers Buch bringt eine deprimierende Chronik über die Desinformation der Autoindustrie zu Sicherheitsmängeln und darüber, wie der Kongress dabei kollaborierte." Easterbrook führt auch die "Road Rage", den Krieg auf den Straßen, der in den USA zum Schlagwort wurde, auf übermächtige Geländewagen zurück. Deutsche Produzenten spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle: "Porsche bringt gerade einen Geländewagen mit 450 PS heraus, der in 5,6 Sekunden von null auf 60 Meilen beschleunigt - Rennwagengeschwindigkeit. Mit diesem Missverhältnis zwischen extrem aggressiver Beschleunigung und dürftiger Sicherheit stellt das Produkt ein Todesurteil für viele Porsche-Kunden dar. Wir erwarten einen Bevölkerungsschwund bei jener Art Leuten, die Porsche-Geländewagen kaufen."

Archiv: New Republic

Times Literary Supplement (UK), 17.01.2003

Ziemlich dünn diesmal, das TLS: Samuel Hynes stellt etwas ermüdet den zweiten Band von Bevis Hilliers auf drei Teile angelegten Biografie über den Dichter und Entertainer John Betjeman vor. Zum Poet Laureate hat es Betjeman in diesem Band offenbar immer noch nicht geschafft, Hynes zumindest findet die Gedichte aus dieser mittleren Phase "aufgeblasen und affektiert", wenn er auch feststellt, dass Betjeman inzwischen neben seinen unterhaltsamen inzwischen auch einige erfreulich melancholische Züge trage.

Theodore Rabb feiert die Ausstellung zu Albrecht Dürer im British Museum und natürlich den Künstler selbst, den ersten Bestseller einer Apokalypse. "Niemand zuvor hat beim Druck solche Flüssigkeit erreicht, solche Komplexität der Details, solche Sicherheit über Perspektive, Licht und Schatten", schwärmt Rabb und betont mit Blick auf Michelangelo und Leonardo ebenso wie auf heutige Künstler, dass Dürer bewiesen habe, dass ein Künstler sich sehr wohl seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren kann, wenn er nur etwas Geschäftssinn besitzt.

Jerry Fodor würde sich gern über die von Gregory L. Murphy in seinem "Big Book of Concepts" verkündete gute Nachricht freuen, dass die Wissenschaft auf dem Weg zur Erkenntnis einen guten Schritt voran gekommen sei, bezweifelt sie aber. Und Sydney Anglo bescheidet Richard Cohen anlässlich seines Buches über die Geschichte der Fechtkunst, dass Enthusiasmus und Wissen so wenig einen Historiker ausmacht, wie ein Schwert einen Kämpfer.

Express (Frankreich), 16.01.2003

Ganz hinten, auf den letzten Seiten hat sich in der heutigen Ausgabe des Express eine klitzekleine Besprechung einer neuen historischen Studie über die Vichy-Regierung versteckt. In "La justice du pire - Les cours martiales sous Vichy" (Payot) nimmt Virginie Sansico ein dunkles Kapitel französischer Justizgeschichte in den Blick. Ein Grund mehr sie ganz an den Anfang zu stellen. Erfreulicher sind vierzig Jahre deutsch-französische Freundschaft, die der Express mit einer Reportage aus Ludwigsburg feiert, wo das deutsch-französische Institut seinen Sitz hat.

Zur Bücherschau: Eine Art Zeitreise ist Peter Brooks neu erschienene Autobiografie mit dem Titel "Oublier le temps". "Vom Himmel aus betrachtet ähneln die Flugbahnen von Peter Brook unkoordinierten Sprüngen von einem Kontinent auf den anderen und von einer Kultur zur anderen" - in solchen Bildern schwelgt Laurence Liban nach der Lektüre des Buches. Er ist begeistert von dem kleinen Band "voller Humor, gespickt mit scharfsichtigen Porträts und bissigen Dialogen". Das Buch komme ganz und gar nicht altklug daher, sondern blicke sehr weise hinter die Kulissen eines Kapitels englisch-französischer Theatergeschichte. Erst kürzlich hat Peter Brook Hamlet in den Bouffes du Nord wiederaufgenommen.

Europa widmet der italienische Schriftsteller Claudio Magris seinen Band "Deplacements". "Das neue Europa müsste in seiner ganzen Diversität auf die eine oder andere Weise eine vereinte Nation darstellen, nicht ein wildes Archipel aus Nationen und Bevölkerungsgruppen, die davon besessen sind, ihre eigene Nationalität zu wahren", schreibt er. Es handelt sich um die Chronik einer europäischen Reise, die bereits in Corriere della Sierra zwischen 1985 und 2000 erschienen war. Außerdem: Thierry Gandillot porträtiert den Schriftsteller Jean Echenoz , dessen neuer Roman "Au piano"(einen Auszug lesen Sie hier) eine Hommage an Iabel Delmark ist.

Weitere Artikel: Ein Nachruf von Jean-Pierre Dufreigne auf den französischen Filmemacher Maurice Pialat. Und: Erst kommt das Fressen, dann die Moral - das wussten schon ganz große französische Schriftsteller wie Alexandre Dumas. Ein Bändchen beschäftigt sich nun mit den kulinarischen Vorlieben französischer Schreiberlinge.
Archiv: Express