Magazinrundschau
Junger Mann von göttlicher Natur
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
Magyar Narancs (Ungarn), 16.08.2018

New Yorker (USA), 03.09.2018

Außerdem: Ian Parker trifft Glenn Greenwald, der Russlands Einfluss auf die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 bezweifelt. Simon Schama schaut sich die historischen Pigmente in der Sammlung Forbes an. Judith Thurman denkt über das Genie von Leuten nach, die Dutzende Sprachen sprechen. Carrie Battan hört Nicki Minaj. Louis Menand liest Francis Fukuyamas Buch "Identity: The Demand for Dignity and the Politics of Resentment" und Anthony Lane sah Julien Farauts Filmdoku über den Tennisprofi John McEnroe.
El Malpensante (Kolumbien), 25.08.2018

HVG (Ungarn), 15.08.2018

Kam die Anordnung von oben? Árpád W. Tóta glaubt es nicht. "Viktor Orbán interessieren die Sozialwissenschaften nicht. Wahrscheinlicher sind untergeordnete Opportunisten, die mit diesem Vorhaben auf Anerkennung des Regimes hofft. Der Bildhauer, der 'nationale Stauten' macht, weil die auf jeden Fall übernommen werden, auch wenn sie wie Stuhlbeine aussehen. Der Journalist, der keinen originellen Satz schreiben kann und sich somit auf Denunzierungen spezialisiert, weil diese auch bei Polizeiberichten funktionieren. Der Regisseur, der auf die Bühne Pferde und Kreuze schiebt, weil die so ungarisch sind und weiß, dass er damit keinen Oscar und keinen Goldenen Bären erhalten wird - er hasst jene, die das schafften - aber er weiß auch, wenn er Federgras in den Misthaufen steckt, er das auch verkaufen kann: An den Staat. (...) Kleinliche, primitive Menschen, die zwar nicht laufen können, aber fürs Beinstellen reicht es gerade. (...) So erging es in den Dreißigern Jahren dem deutschen Atomphysiker, in den Fünfzigern Jahren dem russischen Kybernetiker. Und so erging es in beiden Regimen den Psychologen. Mit Machtinstrumenten ausgestattet, sich ins Fäustchen lächelnd machten jene neidischen nichtsnutzigen "Niemande" Existenzen kaputt und beriefen sich dabei stets auf Heimatliebe und Treue. Sie konnten dies tun, weil niemand gegen sie das Wort erheben und sagen konnte, dass es dem Vaterland schadet, wenn die Politik der Wissenschaft die Richtung vorschreibt."
Eurozine (Österreich), 27.08.2018
In einem bitteren Essay rekapituliert der ukrainische Philosoph Mykola Rjabtschuk, wie sehr der Prager Frühling die Menschen in der Ukraine, in Russland und in Georgien über Jahrzehnte inspiriert hat - und wie wenig Solidarität die Revolutionäre von Kiew oder Tiflis aus Tschechien und der Slowakei erhalten haben: "Mir ging auf, dass ich Milan Kunderas vielgerühmten Essay über die "Tragödie Mitteleuropas" nicht sorgfältig genug gelesen hatte. Mein idealistischer Blick auf die Region war weitgehend von seiner überzeugenden Forderung gerpägt, zu Europa zu gehören und in die Familie der freien europäischen Nationen zurückzukehren. Ich ignorierte Brodskys Kritik an Kunderas Position, obwohl er sie sehr scharfsichtig als zu essentialistisch im Hinblick auf den Westen und zu exklusiv im Hinblick auf den Rest beschrieb. Kunderas explizite Botschaft war: Wir, die Tschechen, (die Polen, die Ungarn) sind Europäer in Kultur und Geschichte; wir wurden vom Westen in Jalta betrogen und an Stalin verkauft, wir nahmen dies nicht hin und werden dies nie hinnehmen; wir gehören nicht zum sowjetischen Reich, denn wir Mitteleuropäer sind anders, wir sind wie die Westler, und deshalb verdienen wir die Freiheit. Ob all die anderen Nationen im Sowjetischen Reich auch Freiheit verdienten - selbst wenn sie keine Mitteleuropäer oder nicht einmal Europäer wären - sagt Kunderas Text nicht deutlich, aber implizit und wahrscheinlich unabsichtlich errichtete er eine Hierarchie von mehr und weniger europäischen Nationen und daher mehr und weniger freiheitsliebenden und - verdienenden. Wie der ukrainische Philosoph Wolodimir Jermolenlo treffend bemerkte, mag Kunderas Konzept 'befreiend für Mitteleuropa gewesen sein, aber für das Europa weiter östlich war es desaströs. Anstatt die Mauer zwischen Ost und West niederzureißen, verschob er sie nur weiter nach Osten.'"
Außerdem spricht der russische Historiker Juri Slezkine über sein Buch "Das Haus der Regierung", in dem er die Geschichten der sowjetischen Revolutionäre der ersten Stunde erzählt.
London Review of Books (UK), 30.08.2018

In Adam Shatz' Augen kommt Benjamin Netanjahu noch viel zu gut weg in Anshels Peffers durchaus kritischer Biografie des israelischen Ministerpräsidenten, der sein Geschäft als Werber begann: "Wir sind genau wie Du', sagte Sara Netanjahu zu Trump. Die Medien hassen uns, aber die Leute lieben uns.' Sie liegt zur Hälfte richtig: Ihr Mann bleibt beliebt unter israelischen Juden. Aber zu Trumps 'Leuten' gehören sehr wenige amerikanische Juden, und Israels Alianz mit ihm hat die Kluft zwischen amerikanischen Juden und dem jüdischen Staat vergrößert. Die meisten amerikanischen Juden, selbst einige liberale, waren bereit, die Menschenrechtsverletzungen gegen die Palästinenser zu ignorieren oder zu rationalisieren. Aber sie sind nicht bereit, den Krieg gegen Immigranten auszuhalten, den Bann gegen Muslime oder die Erosion der amerikanischen Demokratie."
Weiteres: Susan Pedersen bespricht zwei Bücher über den Kampf der Sufragetten ums Frauenwahlrecht. Tariq Ali liest in Sujatha Gidlas Familiengeschichte "Ants among Elephants" vom Kampf um gegen den Kastensystem und um soziale Mobilität.
Elet es Irodalom (Ungarn), 24.08.2018

Quietus (UK), 25.08.2018

Wer sich davon überzeugen will: Ab 3:49 hat die umwerfende Silvana Mangano in Giuseppe de Santis' 1949 entstandenem Film ihren großen Auftritt:
Und Stamp weiter: "Als ich später dann in Rom war - ich glaube, ich arbeitete da gerade ein bisschen für Fellini - und ich die Villa Condoti runterging, sah ich sie auf einmal. Und auch wenn sie seitdem älter geworden war, gab es da absolut kein Vertun. Sie befand sich in Gesellschaft eines Typen namens Piero Tosi, der bei Fellini für die Kostüme zuständig und überhaupt einer der größten Modemenschen der Stadt war. Er rief 'Terence, Terence, Silvana, schau, das ist mein Freund Terence!' Und sie sah zu mir rüber und wandte sich auf Italienisch zu Tosi, dass ich wunderbar in Pier Paolos Film passen würde. Dann sprach sie mich auf Englisch an und fragte mich, ob ich denn mit Pasolinis Werk vertraut sei. Nein, antwortete ich. Sie sagte: 'Das ist ein wunderbarer Filmemacher, der gerade einen neuen Film dreht und du würdest bestens passen.' Ich fragte, ob sie auch mitspiele, da sagte sie 'si, si, certo.' Sie erzählte Pasolini von mir, der schließlich für ein Treffen nach London flog. Er sprach kein Wort Englisch, aber der Produzent, ein Neffe Viscontis, übersetzte für uns. Wir trafen uns im 'Claridge's', was mich sehr verwunderte, wo er doch so ein linker 'alle Menschen sind gleich'-Typ war. Er erklärte mir, dass 'Teorema' die Geschichte eines jungen Mannes von göttlicher Natur erzählt. Er kommt in ein bourgeoises Haus und verführt die Frau, den Mann und den Sohn. Da sagte ich bloß: 'Das kriege ich hin.'" Wer mehr über "Teorema" lesen will, hier noch ein Filmgespräch beim British Film Institute aus dem Jahr 2013 mit Stamp.