Magazinrundschau
Löwinnen, Schildmaiden und Walküren
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
15.08.2017. Die Europäer liegen am Strand, während die Amerikaner interessante Magazine machen. Beides ist schön. In Atlantic erzählt Kurt Andersen, wie die akademische Linke der Rechten die Munition für einen Kampf lieferte, der im Wahlsieg Trumps gipfelte. Harper's erzählt die Geschichte der weiblichen Seite von Rechts. Das New York Magazine untersucht den neuen Kulturstalinismus. Und Vanity Fair macht Wuuhuu!
The Atlantic (USA), 01.09.2017

Ebenfalls lesenswert: Der Text des ehemaligen New-Republic-Chefredakteurs Franklin Foer über seine Zusammenarbeit mit dem Facebook-Mitbegründer Chris Hughes, der die ehrwürdige Zeitschrift 2012 gekauft hatte und zunächst mit großem Enthusiasmus an die Erneuerung des Instituts ging, bis er sie als datengläubiger Techniknerd zu Tode modernisierte. Eines Tages tauchte er mit einigen Softwaringenieuren und Internetgurus in der Redaktion auf: "Sie sollten unserem Journalismus die coolen Features geben, die ihn auf dem Marktplatz herausragen lassen würden. Das kostete natürlich Geld, und dieses Geld sollte aus dem Budget kommen, mit dem bislang die großen Dossiers bezahlt wurden. Wir waren jetzt eine Tech-Firma, sagte er mir (er leugnet, dies gesagt zu haben). Und ich antwortete: 'Das klingt nicht wie die Art Firma, für deren Leitung ich qualifiziert wäre.' Doch doch, versicherte er. Zwei Monate später erfuhr ich von einem Kollegen, dass Chris meinen Nachfolger schon eingestellt hatte und dass der Nachfolger in New York Mittagessen abhielt, bei denen er Jobs bei der New Republic anbot." Foer und viele Kollegen kündigten - die New Republic ist seitdem ein Schatten ihrer selbst. Hughes ist ausgestiegen.
In diesem Zusammenhang könnte man noch auf Jeff Jarvis' Artikel in Medium verweisen - der New Yorker Journalismus-Professor will immer noch neue Geschäftsmodelle für den Journalismus finden - und hofft, neue Communities definieren zu können, die ihm diesen Journalismus abkaufen.
Harper's Magazine (USA), 01.09.2017

New Yorker (USA), 21.08.2017

Außerdem: Adam Davidson erkundet Trumps Auslandsgeschäfte. Dana Goodyear berichtet über die neue, viel schönere Erdbeere. Nathan Heller denkt über den Sinn von Demonstrationen nach. Mit Markus Hinterhäuser als neuem Direktor bekommen die Salzburger Festspiele frischen Wind, freut sich Alex Ross. Amanda Petrusich stellt das neue Album von Adam Granduciels Rockband "The War on Drugs" vor. Anthony Lane sah im Kino "Good Time" von den Safdie-Brüdern und Bertrand Bonellos "Nocturama". Garth Greenwell schickt eine Kurzgeschichte: "An Evening Out".
Magyar Narancs (Ungarn), 13.08.2017

Vanity Fair (USA), 09.08.2017
Vorab: Ohrwurm gefällig? Sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt:
Anlässlich der (zumindest von jener Generation, die in den späten 80ern und frühen 90ern als primäre Zielgruppe vor den Fernsehern saß) mit Spannung erwarteten Neuauflage der Disney-Cartoonserie "Duck Tales" befasst sich Darryn King mit Entstehung und Erfolgsgeschichte des Titelsongs aus dem Original von 1987. Der "Woohoo"-Song hat sich jedenfalls weltweit tief in die Synapsen des akustischen Gedächtnis eingebrannt und ist in der Youtube-Kultur zum vielfach zitierten, modifzierten, gewürdigten und parodierten Mem geworden. Komponist Mark Mueller "staunt immer wieder darüber, wie weitverbreitet seine Arbeit ist. 'Wenn die Leute erfahren, was für einem Beruf ich nachgehe, fragen sie mich immer, ob sie einen meiner Songs kennen. Manchmal ist es so, dass sie meine Pophits nicht kennen.' (Mueller war beispielsweise an Jennifer Paiges Nummer-Eins-Hit "Crush" aus dem Jahr 1998 beteiligt) 'Aber es spielt fast keine Rolle, wohin ich gehe: Die Leute kennen Duck Tales. Die Reichweite ist völlig unfassbar.' Jeff Pescetto, der Sänger des Stücks, sagt: 'Gerade erst vor kurzem spielte ich mit meiner Band in einem Club. Ein paar Typen aus England traten an mich heran und meinten, wir haben deine Stimme gehört und es war uns sofort klar, dass du der Typ bist, der 'Duck Tales' singt. Die waren völlig aufgeregt, mich zu treffen. Ich konnte es nicht glauben, dass sie meine Stimme erkannt haben.' 'Duck Tales' lief in mehr als 100 Ländern in 25 verschiedenen Sprachen. Es war die erste amerikanische Cartoonserie, die nach Ende des Kalten Kriegs in der Sowjetunion lief. In Ungarn bezeichnet man diejenigen, die in den früheren bis mittleren Achtzigern geboren wurden, als 'Duck-Tales-Generation' (Kacsamesék generáció)."
Für das auf dem Disney-Bezahlsender XD ausgestrahlte Re-Boot hat man den Song neu eingespielt:

Für das auf dem Disney-Bezahlsender XD ausgestrahlte Re-Boot hat man den Song neu eingespielt:
New York Review of Books (USA), 17.08.2017

Kann gut sein, dass die Wohnungsnot in New York schon die Kriterien für eine humanitäre Krise erfüllt, bemerkt Michael Greenberg. Über sechzigtausend Einwohner sind in New York bereits wohnungslos, oft Familien mit Kindern. Trotz weitgehender Mieterrechte, trotz Bestandsschutz und Preisbremse kommt die Stadt nicht gegen die Spekulationen der Investmentfonds an: "Ein Gebäude in Crown Heights mit hundert preisgebundenen Wohnungen und Mieteinnahmen von 1,2 Millionen Dollar im Jahr kann heute für 40 Millionen Dollar verkauft werden - aber damit sich die Investition lohnt, müssen alle Mieter raus. Die Käufer sind meist Private Equity Fonds, die einen begrenzten Pool von Investorengeldern managen: Ein Fonds, der in Central Brooklyn Geschäfte macht, beschreibt sich selbst als Vermögensbeteiligungsfirma, die sich in der Neupositionierung von Mehrfamilienhäusern spezialisiert habe. Der aggressive Eintritt von hyperkapitalisierten Investoren auf dem Markt für die untere Mittelklasse hat nicht nur Central Brooklyn erreicht, sondern auch - wie ein Donnerschlag - die South Bronx, East Harlem, Washington Heights und jede andere Nachbarschaft mit Bestandsschutz. In den äußeren Bezirken gibt es damit einen neuen Eigentümertypus , der sich langwierige, rücksichtslose Räumungsverfahren und Mieterrauskauf leisten kann, wie es den früheren, meist individuellen Besitzern nicht möglich war."
Weiteres: Lang, aber ungeheuer gewinnbringend findet John Banville Rainer Stachs nun auch komplett auf Englisch vorliegende 3-teilige Kafka-Biografie. Lorrie Moore huldigt den Liedern Stephen Stills. Und Jessica Mathews fragt, warum sich Donald Trump jetzt doch auf Nordkorea statt auf den Iran einschießt.
Wired (USA), 09.08.2017

Außerdem: Nicholas Thompson schreibt über die Pläne von Kevin Systrom, dem Geschäftsführer von Instagram, das Internet wieder schön und schnuckelig zu machen. Issie Lapowsky fragt sich, warum die Social-Media-Konzerne Rassisten und Antisemiten nicht einfach den Stecker ziehen. Und Brian Barrett begeistert sich für die Smart-Home-Lösungen eines beliebten skandinavischen Möbelhauses.
New York Magazine (USA), 07.08.2017

New York Times (USA), 13.08.2017

Anlässlich einer fatal missglückten Initiation des Amerikaners Michael Deng in eine Bruderschaft seiner Universität, die mit dem Tod Dengs endete, berichtet Jay Caspian Kang von der tödlichen Suche nach asiatisch-amerikanischer Identität. Anders als Afroamerikaner, die das Erbe der Sklaverei verbindet, ist "Asian Americans" für Kang nur ein leerer Begriff. "Michael Deng und seine Brüder in der Verbindung kamen aus chinesischen Familien und waren in Queens aufgewachsen. Sie haben nichts mit mir gemeinsam - als jemand, der in Korea geboren wurde und in Boston und North Carolina aufwuchs. Wir teilen einige Stereotype - Tigermütter, Musikstunden und den unhinterfragten Marsch zum Erfolg, wie immer der definiert ist. Meine koreanische Erziehung, stellte ich fest, hat mehr gemein mit der von Kindern jüdischer oder westafrikanischer Immigranten als mit der von Chinesen oder Japanern in den Vereinigten Staaten, mit denen ich nur die Angst teile, dass wenn ich gegen die Wand gedrängt werde, es dem anderen neben mir höchstwahrscheinlich ebenso ergeht." Dass das Konzept "asiatisch-amerikanisch" existiert und Konsequenzen hat, wurde den meisten Amerikanern erst bewusst, als der chinesischstämmige Amerikaner Vincent Chin 1982 von Weißen erschlagen wurde, die japanische Importe für den Niedergang der amerikanischen Autoindustrie verantwortlich machten.
Außerdem: Caelainn Hogan erzählt von der schwierigen Situation krebskranker syrischer Kinder und ihrer Familien in einem Land im Krieg.
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