Magazinrundschau

Grenze unserer Existenz

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
10.05.2016. Haper's lässt sich von Marine Le Pen erklären, warum auch Muslime den Front National wählen. Der New Yorker erklärt, warum auch weiße Arbeiter Donald Trump wählen. Wer ist heute eigentlich Establishment, grübelt The Nation. In Les inrockuptibles skizziert der Politikwissenschaftler Gaël Brustier die soziale Geografie der Nuit Debout. Die NYRB lernt Ex-NSA-Chef Michael Hayden als sowjetischen Apparatschik kennen. In Respekt macht Martin Simecka eine schlagende Beobachtung zur kränkelnden EU. Eurozine beschreibt die Rückkehr der Einflusssphären in die Politik. Und Peter Nadas verzichtet in Magyar Narancs auf das erregende !

Harper's Magazine (USA), 31.05.2016

Elisabeth Zerofsky hat den Front National bei den französischen Regionalwahlen im November beobachtet und eine interessante Beobachtung gemacht: Den FN wählen nicht nur eingesessene Franzosen, sondern auch Einwanderer. Das bestätigt ihr nicht zuletzt Marine Le Pen, die auch in den Banlieues Wahlkampf macht, in denen viele Muslime leben: "'Warum nicht?', sagt sie. Für viele Muslime sei die Religion nicht das 'ausschlaggebende Kriterium' für ihre Identität: 'Viele betrachten sich als Franzosen. Sie haben alltägliche Probleme - Steuern, Schulen für die Kinder, Sicherheit in ihren Vierteln - und auch sie sind Opfer des islamischen Fundamentalismus. Es gibt keinen Grund, warum sie keine Patrioten sein können, nur weil sie Muslime sind. Wissen Sie, es gibt ganze muslimische Staaten, die den Fundamentalismus bekämpfen.'" Etwas später unterhält sich Zerofsky mit dem FN-Unterstützer Ahmed Hamrouni, der Le Pens Auffassung bestätigt: "Hamrouni, Sohn eines algerischen Minenarbeiters, erzählt mir, er kenne mehr und mehr Muslime, die den FN wählen, auch wenn viele es nicht zugeben wollten. 'Alles hat sich seit dem 13. November geändert', sagt er. 'Es gibt ein Unwohlsein.' In Hénin-Beaumont habe es keine Gewalt gegeben, aber, sagt Hamouni, er merke eine Veränderung in der Art, wie die muslimischen Gemeinden betrachtet würden. Es scheine ihm, als sei der französische Sozialvertrag, der Wunsch, ungeachtet der Religion oder Herkunft zusammenzuleben, zerbrochen. 'Wer weiß', sagt er. 'Vielleicht kann der FN das Verhältnis verbessern.'"

New Yorker (USA), 16.05.2016

Wie kein anderer Republikaner, aber auch wie kein Demokrat hat Donald Trump die Herzen der weißen Arbeiterklasse gewonnen, die sich stärker deklassiert fühlt als jede andere Bevölkerungsgruppe im Land. Wie konnte das geschehen, fragt sich George Packer. Seine Beobachtung: Die republikanischen Konkurrenten haben mit ihrer Tea-Party-Frömmelei die Arbeiterklasse links liegen lassen, und die Demokraten "haben einen Widerwillen gegen die absteigenden Weißen. Abstrakte Sympathie mit der Arbeiterklasse als ökonomisches Objekt ist einfach, aber dieses Gefühl kann verschwinden beim Kontakt mit realen Mitgliedern dieser Gruppe, die oft verstörende Ansichten haben und mächtige Ressentiments - die nicht aussehen und sich nicht anhören wie Menschen, die urbane Progressive gern kennen würden. Das weiße männliche Privileg mag noch existieren in Amerika, aber diese Phrase klänge seltsam, um nicht zu sagen empörend gegenüber einem Sechzigjährigen, der als Grüßaugust bei Walmart in Südohio arbeitet. Die wachsende Bedeutung von Identätitspolitik bei der Linken stößt die weiße Arbeiterklasse, gescholten wegen ihrer verschiedenen Arten der Bigoterie (manchmal gerechtfertigt) noch entschiedener Richtung Trump."

Die neue Ausgabe des Magazins widmet sich dem Thema Innovationen. Adam Gopnik berichtet über haptische Forschung und sogenannte "Knuddel"-Shirts, die einem das Gefühl einer warmen Umarmung geben: "Das Studium der haptischen Intelligenz führt zu tiefreichenden Fragen über unser körperliches Selbstverständnis. Wir sind ganz in unserer Haut, weil sie eine Grenze unserer Existenz darstellt: Wir erleben die Welt als wir selbst. Wir können uns unterscheiden von unseren Augen und Ohren, die Information, die sie uns vermitteln als Information erkennen, aber nur unser Tastsinn vermittelt uns das Gefühl, konstante Wesen zu sein. Vielleicht gibt es keine spezifisch haptische Kunst, weil wir dem Tastsinn nicht entkommen können. Wir können die Augen schließen, die Ohren bedecken, aber wir tun dergleichen mit unseren Händen. Unsere Haut können wir nicht verschließen. Der Tastsinn ist zu wichtig, um nicht einfach nur zu sein. Was wir sehen, wollen wir haben, was wir hören, interpretieren wir, aber was wir berühren, sind wir. Das Leben ist der Juckreiz, den wir nicht zu stillen wissen."

Weitere Artikel: D. T. Max stellt einen animierten Roboter vor, der Kindern das Programmieren beibringt. Lizzie Widdicombe erkundet das Phänomen der steigenden Zahl von Wohn- und Arbeitsgemeinschaften in unseren Städten. Alexandra Lange trifft den niederländischen Landschaftsdesigner Adriaan Geuze, der den Park ganz neu denkt. Adelle Waldman erinnert an den ersten Romancier, Samuel Richardson. Hua Hsu vergleicht Drakes neues Album mit den Alben von Kendrick Lamar und Kanye West. Peter Schjeldahl schreibt über die Nicole-Eisenman-Retrospektive im New Museum. Und Anthony Lane sah im Kino Yorgos Lanthimos' "The Lobster" sowie Anthony und Joe Russos "Captain America: Civil War". Lesen dürfen wir außerdem Akhil Sharmas Erzählung "A Life of Adventure and Delight".
Archiv: New Yorker

The Nation (USA), 30.05.2016

Alle sind heute gegen das "Establishment" - von Trump bis Bernie Sanders. Aber wer ist das eigentlich, das "Establishment", fragt sich der Historiker Michael Kazin. "Wenn bei den Demokraten ein geschicktes Establishment die 2016er Kampagne gesteuert hat, war es bemerkenswert erfolglos. Warum sonst konnte Bernie Sanders genauso viel Geld für den Wahlkampf einsammeln wie Hillary Clinton? Und wie konnte er eine Reihe von Wahlbezirken gewinnen, in denen Strategen essenziell sind, die wissen, wie man das System bearbeitet? Und wenn man als Clinton-Unterstützer gleich als Büttel der Wall Street dasteht, warum wurde Clinton dann von Organisationen wie dem Congressional Black Caucus, Planned Parenthood, Human Rights Campaign und der Service Employees International Union unterstützt? Diese Gruppen wären der Kern einer kämpfenden, kulturell diversen sozialdemokratischen Partei, die Sanders gern aus den Demokraten machen würde. Andererseits ist die Vorstellung absurd, Sanders, der seit hundert Jahren einzige bekennende Sozialist im Parlament, sei Teil einer Clique von Washington-Insidern."
Archiv: The Nation

Les inrockuptibles (Frankreich), 07.05.2016

Der Politikwissenschaftler Gaël Brustier spricht im Interview mit Camille Desbos und David Doucet über die Pariser Bewegung "Nuit Debout", über die er gerade ein Buch veröffentlicht hat. Sein Befund: "'Nuit Debout' ist meiner Wahrnehmung nach im Gegensatz zum Mai 68 keine Massenbewegung ... Ich denke, dass die soziale Geografie nicht mehr die gleiche ist wie 68, bekanntlich haben die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen nicht mehr das gleiche Gewicht, ebensowenig deren Engagement. Es ist viel schwieriger, in einer Gesellschaft wie der unseren eine Massenbewegung zum Laufen zu bringen, zumal 'Nuit debout' zu einem bestimmten Thema startete (die Reform des Arbeitsrechts), was notwendig war, aber nicht alle soziale Wut des Landes aufgreifen kann. Im Grunde kann man, sofern man eine nützliche Debatte herbeiführen will, zweifellos sagen, dass 'Nuit Debout' die erste post-marxistische soziale Bewegung ist."

Ebenfalls zu lesen ist ein langes Gespräch mit dem Historiker Henry Rousso über dessen jüngstes Buch "Face au passé, essai sur la mémoire contemporaine". Roussos These: Die Opfer der Geschichte appellieren eher an Wissen und Bewusstsein als an Anerkenntnis.

Nepszabadsag (Ungarn), 08.05.2016

Im Interview mit Sándor Zsigmond Papp spricht der Autor Krisztián Grecsó über sein neues Buches "Jelmezbál" (Kostümball, Magvető, Budapest, 2016. 296 Seiten) und seine Interpretation des Familienromans angesichts der veränderten Familienstrukturen im 21. Jahrhundert: "Ich ging davon aus, dass die Familie ein Theater ist, in dem jede und jeder ein Hauptdarsteller ist. Eine Geschichte hat so viele Perspektiven, wie Menschen, die diese erlebten. Jeder Charakter hat seine eigene Welt, das eigene Märchen, das eigene Drama. Dafür suchte ich eine Struktur, oder die Jacke zu den Knöpfen. (...) Ich versuche in meinem Buch die Präsenz einer neuen Wirklichkeit zu greifen. Die Witwenstraßen ohne Männer, die Kaffeefahrten, die vor der Wirklichkeit in Sekten flüchtenden Jugendliche. Der Familienroman ist so zerbrochen wie die Wirklichkeit."
Archiv: Nepszabadsag

New York Review of Books (USA), 26.05.2016

Durchaus interessante Einblicke in die Welt der Geheimdienstler hat Charlie Savage mit den Erinnerungen des früheren NSA-Direktors Michael Hayden gewonnen, doch empfehlen will er die Lektüre von "Playing the Edge" nicht: Hayden habe zur Wahrheit ein so taktisches Verhältnis wie ein sowjetischer Apparatschik. Zum Beispiel wenn es um das Gesetz geht, mit dem nach Edward Snowdens Enthüllungen die Befugnisse der NSA beschränkt werden sollten: "Am Morgen der entscheidenden Abstimmung veröffentlichte das Wall Street Journal einen Beitrag von Hayden, der das Gesetz in schrecklichsten Farben ausmalte. Titel: 'Nur ISIS kann diese Reform gut finden'. Der Chef der Republikaner, Mitch McConnell, drängte alle Senatoren, Haydens Text zu lesen, und brachte ihn sogar ins offizielle Protokoll ein. Später blockierten republikanische Senatoren den Gesetzesvorschlag per Filibuster. Im Juni 2015 jedoch, zwei Wochen nachdem der USA Freedom Act endlich verabschiedet worden war, erklärte Hayden bei einem Live-Interview mit dem Wall Street Journal, dass die Reform nicht der Rede wert sei: 'Wenn mir jemand sagt: Diese Snowden-Sache wird für euch in den nächsten zwei Jahre ein Albtraum. Aber wenn alles, was man von euch verlangt, dieses kleine Programm 215 zu den amerikanischen Metadaten sein wird - und ihr habt übrigens immer noch Zugang zu ihnen, ihr müsst nur zum Gericht und euch die Daten von den Telefongesellschaften geben lassen, statt sie selbst zu speichern. - Also dann würde ich nach zwei Jahren sagen: Wenn es weiter nichts ist. Cool!'"

Außerdem zu lesen sind die Notizen, die sich Joan Didion Mitte der siebziger Jahre zum Prozess gegen Patty Hearst machte und in denen sie ihr eigenes Aufwachsen im kalifornischen Reichtum anspricht.

Respekt (Tschechien), 08.05.2016

Martin Šimečka macht sich Sorgen um die europäischen Demokratien und zieht einen interessanten Vergleich: "Ich dachte früher, die Natur der Dinge habe gesiegt, als das kommunistische Regime unter dem Druck der Wahrheit zusammenbrach. Aber was ist, wenn die gleiche Natur der Dinge es ermöglicht, dass die Demokratie unter dem Druck der Lüge zusammenbricht? Der Kommunismus hatte zum Schluss nicht mehr genug Kraft und Willen, die Wahrheit zu unterdrücken. (…) Damals habe ich es nicht so stark empfunden, aber heute weiß ich, wie das Regime unter jedem niedergeschriebenen wahren Satz der Dissidenten ein Stück weiter zusammenbrach. Und ich erinnere mich an die damaligen Verteidiger des Regimes, die mich zu polizeilichen Verhören vorluden. Sie waren ohne Energie und ideenlos - und auch wenn sie die Amtsmacht über mich hatten, besaß ich doch Überlegenheit. Das Problem der demokratischen EU besteht darin, dass sie einen Status quo repräsentiert, und es ist, als würden ihr die Energie und die Ideen fehlen, um sich gegen Populisten, prorussische Trolle und eingefleischte Faschisten zu verteidigen."
Archiv: Respekt

Eurozine (Österreich), 06.05.2016

Was genau kennzeichnet eigentlich das aktuelle Verhältnis Europas zu Russland? Ist es wirklich nur ein Wertekonflikt? Carl Henrik Fredriksson fürchtet bei Eurozine, dass noch mehr im Spiel ist, nämlich eine Neuordnung des geopolitischen Schachbretts, die von Europa noch gar nicht verstanden worden ist. Durch Putin sei ein an die Restauration von 1815 gemahnendes Denken wieder ins Spiel gekommen, das durchaus auch westeuropäische Intellektuelle infiziert, schreibt Fredriksson: "Die alten Ideen kommen wieder in Mode. Die Rede von 'legitimen Interessen' und 'Einflusssphären' ist das neue Schema, nicht nur in Russland, und die Ereignisse in der Ukraine haben gezeigt, dass die Unverletzlichkeit der Grenzen und das 'Prinzip der gleichen Rechte und Selbstbestimmung der Völker' keineswegs selbstverständlich sind. Die Restaurierung alter (Super-)Machtstrukturen, die im Herbst der Nationen von 1989 untergegangen waren, sind Teil einer politischen Agenda geworden, die die europäische Ordnung nach dem Kalten Krieg auf den Kopf stellen will. Oder sogar schon gestellt hat."
Archiv: Eurozine

Open Democracy (UK), 03.05.2016

Ein sehr übles Schickssal bereitet die Ukraine ihren internen Flüchtlingen von der Krim und aus dem Donbass-Gebiet, schreibt Vitalii Atanasov: "Die Regierungsorgane haben langsam reagiert, und wenn doch, dann in viel zu geringem Maß. Hätten NGOs und Freiwillige nicht für humanitäre Hilfe gesorgt, dann wären die Flüchtlinge ganz auf sich gestellt gewesen. Das einzige, was die ukrainische Bürokratie zustande brachte, war die Einschränkung der Grundrechte der Flüchtlinge, vor allem, was das lokale Wahlrecht und soziale Ansprüche angeht. Statt dessen machten Politiker die Bevölkerung des Donbass für den Konflikt verantwortlich. Auch Medien zeigten die Flüchtlinge zunächst in schlechtem Licht und vermeiden das Thema heute ganz. Dadurch sind sie heute zu einer Klasse von Unterprivilegierten geworden. Ohne Rechte sind sie Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt."
Archiv: Open Democracy

Linkiesta (Italien), 09.05.2016

In Italien sorgt der Fall der Fortuna Loffredo für ein allgemeines Erschrecken in den Medien. Das sechsjährige Mädchen war vor zwei Jahren aus dem Fenster eines neapolitanischen Palasts gestürzt, wie jetzt bekannt wurde (mehr hier). Ihr Fall verweist auf ein große, düstere, aber auch populäre Szenerie von sexy aufgemachten Kindern als Schlagersängern - Mädchen und Jungen, die "Neomelodici" singen, neapolitanische Schlager mit einer ganz eigenen Tradition. Flavia Perina vermutet bei linkiesta.it, dass der Tod Fortunas nur die Spitze des Eisbergs in einer vielleicht von der Mafia organisierten pädophilen Szene ist: "In unserer Kultur, die sich zurecht über den Horror der Kindsbräute in Pakistan oder den Emiraten aufregt, werden diese 'kindlichen sexy Mädchen' - Trashprodukte eines Marktes des Missbrauchs und einer verdorbenen Kindheit, aber auch eines an Dickens gemahnenden Universums von Kinderarbeit - nicht nur toleriert, sie werden sogar zu Pop-Phänomenen. Man muss nur mit dem Suchbegriff 'baby neomelodici' auf Youtube klicken, um sich des Ausmaßes des Phänomens bewusst zu werden. Dahinter versteckt sich eine ganze Industrie mit zwielichtigen Unternehmern, Talentwettbewerben, speziellen Websites und CDs."

Selbst wenn man nicht italienisch versteht, gibt dieser Dokumentarfilm bei Youtube einen faszinierenden Einblick in diese Szene:

Archiv: Linkiesta

Magyar Narancs (Ungarn), 21.04.2016

Im Gespräch mit Gábor Köves erklärt Péter Nádas u.a., was das Schriftbild für ihn bedeutet und welche Rolle die Satzzeichen dabei haben. "Im 'Buch der Erinnerung' - so erinnere ich mich - gibt es noch Ausrufezeichen und Fragezeichen, doch ihre Anzahl ist stark limitiert. In den 'Parallelgeschichten' gibt es sie überhaupt nicht mehr. Sie sind nutzlose akademische Zusätze, die im Mündlichen so nicht existieren. Frage ich jetzt danach? Nein, es ist eine Aussage, ob ich danach frage. Es liegt in der Intonation. Wenn ich durch die Sprachmusik einen Satz nicht so konstruieren kann, dass er eindeutig eine Frage oder ein Ausruf ist, dann gibt es immer noch die Möglichkeit des schriftstellerischen Kommentars. Die Dialoge forme ich eher durch diese Kommentare als mit Hilfe der akademischen Interpunktion. Die Schrift ist auch ein Bild, Schriftbild eben, und es ist unnötig, das Bild selbst, die Seite, mit Schriftzeichen unübersichtlich erregend zu gestalten. Ich brauche die Erregung in einer anderen Dimension, nicht im Schriftbild. Das Schriftbild muss ruhig sein, damit der Leser überhaupt in seine eigene andersartige Erregung hineinklettern kann."
Archiv: Magyar Narancs

Das Filter (Deutschland), 06.05.2016

Künstlerisch ist es um Jean-Michel Jarre, der die elektronische Musik in den 70ern mit seinen heute insbesondere auch für die Pop- und Technomusik wegweisenden LPs "Oxygene" und "Equinoxe" nach vorne brachte, seit den 80ern ruhig geworden. Erst seit kurzem entdecken Elektro-Acts den französischen Komponisten und Schüler von Pierre Schaeffer als einen ihrer Urahnen wieder. Für Das Filter haben sich Thaddeus Herrmann und Ji-Hun Kim sehr ausführlich mit Jarre unterhalten, der dabei munter Anekdoten zum Besten gab. Die elektronische Musik, erfahren wir dabei, war auch ganz buchstäblich ein Kind des Radios: "Menschen experimentierten dort und begannen, mit Oszillatoren, Filtern und deutschen und französischen Klanggeneratoren Musik zu machen. Die dort vorhandene Technik, die gar nicht zum Musik machen gedacht war, wurde quasi geklaut, beziehungsweise übernommen. Wir haben uns Technologien angeeignet, die zuvor nur in der Welt der Radiosender existierten. ... Ich hatte Freunde, die bei Radio France arbeiteten. So bekam ich einen Schlüssel für das Studio, da bin ich nachts hin, um Musik zu machen. Komplett illegal. So sind meine ersten Platten entstanden. Das war gelebter Underground (lacht). Wir hatten keine andere Wahl, selbst mein eigener EMS war unglaublich teuer."
Archiv: Das Filter