Magazinrundschau
In komfortabler Nostalgie
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
10.03.2015. Die größten Fiktionen werden heute von Unternehmen erzählt, nicht von Schriftstellern, behauptet Tom McCarthy im Guardian. In Telerama fordert der Mittelalter-Historiker Patrick Boucheron, sich in der Kritik der republikanischen Werte zu üben. Respublica analysiert den polnischen Streit um den oscarprämierten Film "Ida". Tablet besichtigt die "israelfreie Zone" Bradford in Britannien. Die NYT erklärt die Vorzüge von junk DNA.
Guardian (UK), 07.03.2015

Weiteres: Charlotte Higgins erklärt sich den derzeitigen Boom des politischen Theaters mit dem Ende theatraler Politik. William Dalrymple erinnert daran, dass es nicht die britische Krone war, die Indien unterwarf, sondern die East India Company, "ein gefährlich unreguliertes Privatunternehmen, mit einem kleinen Büro in London als Hauptquartier und in Indien von einem instabilen Soziopathen geleitet - Robert Clive".
Guernica (USA), 02.03.2015

Telerama (Frankreich), 08.03.2015

New York Review of Books (USA), 19.03.2015

Michail Chodorkowski schreibt seine Gefängniserfahrungen auf und befasst sich in einem ersten Artikel mit den Wärtern. Die Gefängnisse sind für ihn ein Schlüssel zum Verständnis Russlands: "Mit der Zeit wurde ich von einem normalen Opfer zu einem interessierten Beobachter. Ich habe bemerkt, dass die Gefängniswelt für viele eine terra incognita bleibt. Und doch sitzt in unserem Land einer von hundert im Gefängnis, jeder zehnte (heute vielleicht schon jeder siebte) aus der männlichen Bevölkerung verbringt mindestens einmal in seinem Leben Zeit im Gefängnis. Das Gefängnis hat eine schreckliche Wirkung auf die Mehrheit der Gefangenen und der Wärter. Und man weiß noch nicht, welche de beiden Gruppen stärker betroffen ist."
Svobodne forum (Tschechien), 03.03.2015

New Yorker (USA), 16.03.2015

Richtig finster liest sich Patrick Radden Keefes riesiger Artikel über die Frage, ob der Sinn-Fein-Chef Gerry Adams entgegen seinen Beteuerungen auch Mitglied der IRA war. Er war mehr als das, wenn man den mündlichen Zeugnissen einstiger führender Mitglieder der Truppe glaubt, findet Keefe heraus, er war sogar der Chef der IRA. Adams selbst bestreitet das vehement und weist nicht unzutreffend darauf hin, dass seine einstigen Weggefährten den von ihm getragenen Friedensprozess brüsk ablehnten. Anhand des IRA-Mords an der Hausfrau und Mutter von zehn Kindern Jean McConville, der laut Adams" ehemaligen Kumpanen von Adams selbst angeordnet wurde, entfaltet Keefe noch einmal das ganze Hass-Panorama dieses Konflikt, der heute ruhig gestellt, aber nicht ausgestanden ist. Adams hat der 2013 gegen ihn angestrengte und bald fallengelassene Strafprozess nicht geschadet: "Sinn Fein ist heute die populärste Partei in Nordirland. Laut Umfragen glauben die Hälfte ihrer Anhänger nicht an Adams" Behauptungen, er sei nie IRA-Mitglied gewesen. Aber es scheint sie nicht zu kümmern."
Außerdem: Jill Lepore denkt nach über Ungleichheit in den USA und ihre Ursachen. Thomas Mallon porträtiert Marios Varga Llosa und seinen ruhelosen Realismus.
Mustard (UK), 24.02.2015

Eurozine (Österreich), 24.02.2015

Tablet (USA), 06.03.2015

Magyar Narancs (Ungarn), 10.03.2015
Die Schriftstellerin und Theaterkritikerin Andrea Tompa hat sich mit Árpád Schilling, Regisseur und Gründer der unabhängigen Theatergruppe Krétakör, über dessen Produktion "Der Loser" unterhalten. Es geht in dem Stück um das Verhältnis von Politik und künstlerisches Schaffen. Das Interview ist von einer gewissen Spannung geprägt, da Tompa selbst vor kurzem von der Regierung für ihre schriftstellerische Tätigkeit ausgezeichnet wurde. Sie war von einer der letzten fachlichen Kommission vorgeschlagen worden und nahm darum die Auszeichnung an, nicht jedoch die damit verbundene Dotierung - aus Protest gegen die Kulturpolitik der Regierung. Dies hatte zur Folge, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in Ungarn ihre Auszeichnung ignorierten: "Schilling: Im Stück "Loser" ist die Annahme der Auszeichnung der Verrat - Árpád Schilling nimmt die Auszeichnung der Machthaber an und verkauft dadurch seine Seele. Es ist aber auch wahr, dass es in deinem Falle bei einer Ablehnung der Auszeichnung nicht zum Eklat gekommen wäre. Dennoch sagt die Macht mit dieser Auszeichnung: wir wissen, wer du bist, Andrea Tompa, wir kennen deine Meinung und sieh da, trotzdem zeichnen wir dich aus. So scheint alles in Ordnung zu sein. (…) Tompa: Ich sehe meine Sache anders. Ich wurde vom letzten Fachgremium vorgeschlagen. Das Geld nahm ich nicht an. Später, nachdem die Nachricht aus den öffentlich-rechtlichen Medien verbannt worden war, wurden meine Aussagen eigentlich erst interessant, denn es ging um Zensur, und meine Geste hatte sich selbst gerechtfertigt."
Oxford American (USA), 06.03.2015

New York Times (USA), 08.03.2015

Außerdem begleitet Azam Ahmed eine Woche lang die Afghanische Nationalpolizei bei ihrer Arbeit und stellt fest, dass es längst kein Krieg der USA mehr ist, den es zu führen gilt: "Dieser Krieg ist verloren. Die Taliban sind nicht ausgelöscht worden. Das Land ist nicht befriedet, die politische Zukunft bleibt zutiefst ungewiss, und die Todesrate war nie höher. Für die Regierung in Kabul geht es darum, die Bevölkerung davon abzuhalten, Jagd auf Aufständische zu machen. Die lokalen und nationalen Polizeikräfte sind die einzigen, die diesen Kampf gewinnen können."
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