Magazinrundschau - Archiv

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5 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 02.06.2015 - Svobodne forum

Anlässlich des Brünner Versöhnungsmarsches, mit dem rund dreihundert Tschechen der gewaltsamen Vertreibung der Deutschen vor 70 Jahren gedachten, schreibt Pavel Šafr: "Das tschechisch-deutsche Zusammenleben war jahrhundertelang eine Geschichte der gegenseitigen Bereicherung und auch des Ringens miteinander. Die böhmischen Länder aber waren in kultureller Hinsicht vollkommen, als drei Gruppen in ihnen lebten: Tschechen, Deutsche und Juden. Die deutsche und die jüdische Kultur trugen wesentlich zu unserem kulturellen Erbe bei, deutsche und jüdische Familien gestalteten dieses Land mit. Hitler vernichtete die Juden, und Stalin half den Tschechen, die Deutschen zu vertreiben. Das Ergebnis war eine jahrzehntelange landschaftliche Verödung, vor allem aber eine moralische Verödung der tschechischen Gesellschaft. Verkommene Werte, ein kultureller Niedergang und eine ideelle Verschiebung des Landes hin zur östlichen Peripherie Europas. Eine sowjetisierte, gleichgeschaltete und vereinheitlichte Gesellschaft, eine Masse Arbeitender." Šafr ist klar in seinem Urteil: "Die Vertreibung der Deutschen war ein großes Verbrechen."

Magazinrundschau vom 19.05.2015 - Svobodne forum

Auf der Prager Buchmesse berichtet der ägyptische Bohemist und Havel-Übersetzer Khalid Biltagi von Václav Havels hohem Ansehen in Ägypten. Havels Essay "Die Macht der Machtlosen" habe in der ägyptischen Gesellschaft sehr positive Resonanz erfahren und durchaus die politischen Aktivisten beinflusst. Auch andere oppositionelle Literatur sei in der Vergangenheit zu haben gewesen, darunter George Orwells Klassiker "1984": ""Er wurde dieses Jahr auf der Buchmesse in Kairo vom Kulturministerium neu herausgegeben, gleichzeitig aber wurde ein junger Student - wohl irrtümlich - für zwei oder drei Tage verhaftet, weil man den Roman bei ihm gefunden hatte", schildert Biltagi die Paradoxien des gegenwärtigen Ägypten."

Magazinrundschau vom 10.03.2015 - Svobodne forum

Seit der Samtenen Revolution tun sich die Tschechen mit der Rückgabe von im Kommunismus enteigneten Kirchengütern schwer. Im atheistischsten Land Europas ist das 2012 beschlossene Restitutionsgesetz in der Bevölkerung höchst unbeliebt. Anlässlich des Streits um das Grundstück des nordböhmischen Klosters Osek (in dem pikanterweise bis zur Enteignung deutsche Mönche lebten) schlägt Jan Jandourek eine Bresche für die Kirchen: "Es geht hier nicht um eine klassische Restitution, sondern um Wiedergutmachung von begangenem Unrecht. Die Kirchen, vor allem die katholische, erhalten schätzungsweise ein Drittel des vom kommunistischen Regime gestohlenen Besitzes zurück. (…) In dieser sogenannten Restitution ist nicht enthalten der entgangene Gewinn, den die Kirchen im Laufe von 40 Jahren erwirtschaftet hätten und von dem sie nicht viel hatten, denn die Gehälter der Geistlichen waren unterdurchschnittlich und ihre historischen Bauten in einem schlimmen Zustand - manche sind für immer zerstört. Der Verlust wird auf 150 Milliarden Kronen geschätzt. (…) Die Kirchen haben Anrecht auf die Rückgabe ihres Eigentums - ob es Gott nun gibt oder nicht."

Magazinrundschau vom 03.03.2015 - Svobodne forum

Miroslava Němcová, Politikerin der liberal-konservativen Partei ODS, warnt eindringlich vor dem Entstehen einer Oligarchie in Tschechien: "Wir müssen scharf beobachten, was bei uns zu Hause geschieht. Unter der medialen Oberfläche vollzieht sich ein allmählicher, aber umso gefährlicherer Wandel der gesellschaftlichen Ordnung. Beginnen wir mit dem höchsten Staatsamt, dem Präsidenten. Seine Umgarnung Russlands und Chinas entfernt uns mit jedem Schritt und jeder Äußerung von dem Wertegefüge, das wir zur Vereinfachung den Westen nennen. (…) Auf Regierungsebene wiederum gibt es eine prinzipielle Bedrohung: die Beherrschung des Staates durch Agrofert. Andrej Babiš besitzt Zeitungen und Radiosender, ist Vorsitzender seiner Partei. Er hat Einfluss und Macht in Politik und Wirtschaft. Sein Unternehmen Agrofert schöpft Milliarden aus Subventionen und öffentlichen Aufträgen aus dem Staatshaushalt, und seine Stiftung kauft (Pardon, unterstützt) eine wachsende Anzahl von Sportlern und Künstlern. (…) Das Land wendet sich in Richtung Osten. Big Business wird gestärkt, Gewerbetreibende und die Mittelschicht werden geschwächt."

Magazinrundschau vom 17.02.2015 - Svobodne forum

Im Oktober 2013 errang die populistische Partei Ano ("Aktion unzufriedener Bürger") des Milliardärs Andrej Babiš auf Anhieb die zweitmeisten Stimmen. Nachdem Babiš nun auch ein großes Medienunternehmen gekauft hat, zu dem zwei der wichtigsten tschechischen Tageszeitungen Mladá fronta dnes und Lidové noviny gehören, schlägt die im November gegründete Journalistenvereinigung Free Czech Media Alarm. Mit Verweis auf eine Untersuchung kritisieren sie in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten Sobotka die geänderte Berichterstattung in beiden Zeitungen: "Eine sichtbare Auswirkung der Eigentümerschaft von Vizepremier Andrej Babiš ist in beiden Zeitungen die starke Zunahme von Artikeln, die seine Aktivitäten positiv zeichnen. Auch die Menge neutraler Berichte, die seine Sichtbarkeit auf der politischen Bühne verstärken, hat sich auf eine Weise erhöht wie bei keinem anderen Politiker der tschechischen Gesellschaft. Kritische Informationen über den Vizepremier wurden hingegen nach seinem Einstieg in das Medienunternehmen - und besonders nach seinem Einstieg in die Regierung - nach und nach reduziert. Herr Ministerpräsident, eine solche Situation, in der der stellvertretende Vorsitzende der Regierung und Vorsitzende einer Regierungspartei Schlüsselmedien besitzt, mit dem ganz offensichtlichen Ziel, das eigene Bild in den Medien zu beeinflussen, ist zutiefst unethisch."