Magazinrundschau
Meine Kassen, meine Lieben
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
20.10.2009. In Sinn und Form erinnert sich Fritz Mierau an seine Reise nach Koktebel. Die London Review of Books liest ein Überlebens-Manual für Kassiererinnen. Im Nouvel Obs fragt Yasmina Reza nach der Legitimation der Polanski-Richter. In der New York Review of Books hat Timothy Garton Ash eine Aufgabe für einen brillanten jungen Historiker. Die Blätter berichten über die Blogosphäre in Afrika. Der New Statesman glaubt nicht, dass de Gaulle Nepal regieren könnte. In Nepszabadsag plädiert Andras Gerö für die Monarchie in Ungarn. In Eurozine bewältigt Arne Ruth die schwedische Vergangenheit im Vergleich zur schweizerischen.
Sinn und Form (Deutschland), 07.10.2009

Auszüge lesen darf man außerdem aus einem Text von John Carey über John Donne und aus einem Gespräch, das Ralph Schock mit Christoph Hein führte. Nur im Print: Texte von Hans Magnus Enzensberger, Michail Ryklin, Giwi Margwelaschwili, Emine Sevgi Özdemir u.a.
London Review of Books (UK), 22.10.2009

Weitere Artikel: Sehr genau nimmt sich David Runciman die Thesen des Buchs "The Spirit Level" von Richard Wilkinson und Kate Pickett vor, das im Kern behauptet, dass Ungleichheit auch in reichen Ländern die Lebensqualität für alle so sehr senkt, dass ihr Gleichheit in ärmeren Ländern oft noch vorzuziehen ist. Mit Interesse hat Jenny Diski ein Buch über die Geschichte des amerikanischen Umgangs mit der Menstruation gelesen ("The Modern Period: Menstruation in 20th-Century America"). David Bromwich rechnet mit einem immerzu kompromissbereiten Barack Obama ab. Nicolas Pelham beschäftigt sich mit der Tunnel-Wirtschaft von Gaza. William Feaver besucht die Frank-Auerbach-Ausstellung "Recent Pictures".
Espresso (Italien), 15.10.2009

Tygodnik Powszechny (Polen), 18.10.2009

"Sobocinski hört das Bild. Ja, er hört es - bevor er es sieht. Bevor er auf spektakuläre Weise zum führenden polnischen Kameramann wurde, gehört er zu den bekanntesten polnischen Jazzmusikern". Lukasz Maciejewski feiert den 80. Geburtstag von Witold Sobocinski, der durch Filme mit Andrzej Wajda, Krzysztof Zanussi oder Roman Polanski berühmt wurde. Und es gibt einen autobiografischen Essay von Herta Müller.
Economist (UK), 16.10.2009

Nouvel Observateur (Frankreich), 16.10.2009

New York Review of Books (USA), 05.11.2009
Timothy Garton Ash hat einen ganzen Stapel Bücher über 1989 in Europa weggelesen. Alles interessante Bücher, die auch alle etwas Neues zum Thema beitragen. Und doch fehlt ihm etwas. "Es ist keine Kritik an diesen Autoren, wenn ich sage, dass ich nach der Lektüre von einem anderen Buch geträumt habe: einer globalen, zusammenschauenden Geschichte über 1989, die noch geschrieben werden müsste." Ash hat auch eine Vorstellung von dem Autor: "Die Zeit ist reif für einen brillanten jungen Historiker - der viele Sprachen spricht; der sich sowohl in die Machthaber wie auch in die sogenannten gewöhnlichen Leute einfühlen kann; ein namhafter Autor; unkündbar angestellt, aber mit nur wenigen Lehrverpflichtungen; finanziell großzügig ausgestattet für seine ausgedehnten Forschungen auf verschiedenen Kontinenten; ein Stachanowist in seinen Arbeitsgewohnheiten; mönchisch im Privatleben - der dieses notwendige, nahezu unmögliche Meisterwerk schreibt: eine Art Wagnersches Gesamtkunstwerk der Zeitgeschichte. Mit Glück könnte es zum 30. Jahrestag 2019 fertig sein."
Brillant findet Stephen Greenblatt Hilary Mantels Roman "Wolf Hall" über eine der unsympathischsten Gestalten der Weltgeschichte: über Thomas Cromwell, den Führer der protestantischen Partei am Hofe Heinrich VIII. Als Referenzgröße fällt Greenblatt höchstens Stalins Oberscherge Beria ein: "Cromwell war ein Meister der machiavellistischen Realpolitik. Er hatte eine besondere Gabe dafür, Menschen in ihr Verderben zu locken, indem er ihnen die Begnadigung durch den König in Aussicht stellte, wie etwa Robert Aske, den Führer der katholischen Pilgrimage of Grace. Man sollte meinen, ein gebrochenes Versprechen hätte ausgereicht, um den Trick zu ruinieren, aber er funktionierte wieder und wieder, so sehr waren die Leute darauf geeicht, dem Wort eines Prinzen zu vertrauen."
Weiteres: James Bamford versucht, eine Schneise durch das Dickicht der Yottabytes von Daten zu schlagen, die der amerikanische Nachrichtendienst NSA bisher weltweit gesammelt hat. Jerome E. Groopman diagnostiziert, was der Medizin von heute fehlt.
Brillant findet Stephen Greenblatt Hilary Mantels Roman "Wolf Hall" über eine der unsympathischsten Gestalten der Weltgeschichte: über Thomas Cromwell, den Führer der protestantischen Partei am Hofe Heinrich VIII. Als Referenzgröße fällt Greenblatt höchstens Stalins Oberscherge Beria ein: "Cromwell war ein Meister der machiavellistischen Realpolitik. Er hatte eine besondere Gabe dafür, Menschen in ihr Verderben zu locken, indem er ihnen die Begnadigung durch den König in Aussicht stellte, wie etwa Robert Aske, den Führer der katholischen Pilgrimage of Grace. Man sollte meinen, ein gebrochenes Versprechen hätte ausgereicht, um den Trick zu ruinieren, aber er funktionierte wieder und wieder, so sehr waren die Leute darauf geeicht, dem Wort eines Prinzen zu vertrauen."
Weiteres: James Bamford versucht, eine Schneise durch das Dickicht der Yottabytes von Daten zu schlagen, die der amerikanische Nachrichtendienst NSA bisher weltweit gesammelt hat. Jerome E. Groopman diagnostiziert, was der Medizin von heute fehlt.
Point (Frankreich), 15.10.2009

Blätter f. dt. u. int. Politik (Deutschland), 01.10.2009

New Statesman (UK), 19.10.2009

Der Autor Will Self ekelt sich vor dem Leichenfeld London, das mit Hühnerknochen übersät ist auf die man ständig drauftritt. Nachdem er das festgestellt hat, marschiert er ins nächste Kentucky Fried Chicken: "Ich bestelle männlich zwei Hühnerstücke mit Pommes und einem kleinen Eimer Sprite. Ich bekomme zwei Hühnerbrüste - zumindest glaube ich, dass es Hühnerbrüste waren; sie könnten genauso gut die alten Arschbacken eines indonesischen Kinderarbeiters sein."
Nepszabadsag (Ungarn), 17.10.2009

Eurozine (Österreich), 19.10.2009

"Um echte Universalität in das europäische Projekt einzubauen, sind länderübergreifende Provokationen unerlässlich", verkündet der Journalist Arne Ruth, der die Erinnerungen der Schweiz und Schwedens an ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg vergleicht. Die Schweizer kommen dabei deutlich besser weg als die Schweden, muss man sagen. Was seine Hauptthese angeht, erläutert er sie an einem Beispiel, das er 1997 als Chefredakteur von Schwedens auflagenstärkster Morgenzeitung Dagens Nyheter erlebte: Die Zeitung hatte eine investigative Reportage veröffentlich, "die wenig Aufsehen erregte: über die Zwangssterilisation von etwa 60.000 Schwedinnen, die meisten arme Frauen, zwischen den 1930ern und den Mitt-1970ern. Es gab eine akademische Dissertation zu dem Thema, die höflich übergangen worden war. Nachdem wir die Geschichte als erste Zeitung veröffentlicht hatten - recherchiert und geschrieben von dem in Polen geborenen Maciej Zaremba - dauerte es eine Woche, bis das Thema in den schwedischen Medien Schlagzeilen machte. Mehrere Tage hielten alle still. Inzwischen wurde Schweden von Journalisten aus der ganzen Welt überschwemmt, darunter gefeierte amerikanische Anchormen. Ein später veröffentlichter Bericht des schwedischen Außenministeriums stellte fest, dass die Geschichte zwei Drittel aller internationalen Berichte über Schweden in diesem Jahr dominierte. Der verantwortliche schwedische Minister wurde mit der Frage nach einer Kompensation für die Opfer auf CNN konfrontiert. Schwedische Medien, meine Zeitung eingeschlossen, hatte diese Frage bis dahin noch gar nicht berührt; angesichts des internationalen Publikums musste sich der Minister entschuldigen."
Guardian (UK), 17.10.2009
Schwungvoll verteidigt Booker-Preis-Gewinnerin Hilary Mantel das Genre Historischer Roman gegen die Kritik, es sei schon von Natur aus "eskapistisch. Als wäre die Vergangenheit eine gefederte Zufluchtsstätte, ein von Streitigkeiten und lautstarken Debatten abgeschirmtes Nest, ihre Ereignisse überzogen von einem pinkfarbenen Schimmer. Aber so sehen moderne Autoren - jedenfalls in der Regel - den Gegenstand ihrer Beschreibung nicht. Wenn überhaupt, dann trifft genau das Gegenteil zu. Die Beschreibung vergangener Ereignisse bringt einen auf gegen Ereignisse und Mentalitäten, die, sollten Sie vorhaben, sie zu beschreiben, sie an die Grenze dessen bringen, was Ihre Leser aushalten. Die Gefahr, der sie begegnen müssen, ist nicht die grübchenbewehrte Schüchternheit der Vergangenheit, es ist ihre Obszönität."
Außerdem: Nicholas Wroe unterhält sich mit dem Dichter und Herausgeber der Literaturzeitschrift Arete, Craig Raine.
Außerdem: Nicholas Wroe unterhält sich mit dem Dichter und Herausgeber der Literaturzeitschrift Arete, Craig Raine.
Elet es Irodalom (Ungarn), 09.10.2009

New York Times (USA), 18.10.2009
Daniel J. Goldhagen hat eine Art weltgeschichtliche Betrachtung über Genozide und Verbrechen an der Menschheit (Auszug) geschrieben, die für ihn, anders als etwa bei Hannah Arendt, durchaus als eine Methode rationaler Politik gesehen werden und ihre Quelle häufig in Nationalismen finden, schreibt James Traub. Genozide verhindern könnte man laut Goldhagen besser ohne die UNO als mit ihr: "Er überschüttet die UNO mit Verachtung. Gründungsprinzipien wie Souveränität und die Nichteinmischung dienten als Schutzschild für Führer im Sudan und anderen Ländern, die ihre eigenen Bevölkerungen abschlachten, wie er zurecht bemerkt. Er würde die UNO auflösen und statt dessen eine Organisation vonDemokratien zu schaffen, welche Interventionen koordinieren. Er fragt sich allerdings nicht, wieviele Mitglieder eine solche Organisation hätte."
Außerdem in der Sunday Book Review: August Kleinzahler bespricht Robin D.G. Kelleys große und offenbar sehr lesenswerte Biografie über Thelonious Monk (Auszug).
Außerdem in der Sunday Book Review: August Kleinzahler bespricht Robin D.G. Kelleys große und offenbar sehr lesenswerte Biografie über Thelonious Monk (Auszug).
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