Magazinrundschau
Das Chomsky-Problem
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
04.09.2012. Keine Revolution bei der Beschneidung bitte, wünscht sich der New Humanist. The New Republic weiß, warum Rupert Murdoch Mitt Romney nicht mag: der trägt keine Anzüge von der Stange. Rue89 stellt syrische Künstler vor. Das TLS liest Noam Chomsky. Im Guardian vermisst Colm Toibin Christopher Hitchens. Der Economist porträtiert den guten Hacker Chris Soghoian. In Japan machen Katzen Menschen reich, berichtet Wired.
ADN cultura (Argentinien), 31.08.2012
"Als erstaunlich optimistischer Pessimist erweist sich im Interview der französische Anthropologe Marc Augé: "Die Menschen leben heute in einer völlig übersteigerten Gegenwart, ein Zustand, der durch die Medien noch verstärkt wird. Wie in primitiven Gesellschaften oder in der bäuerlichen Welt verläuft die Zeit nicht mehr linear, sondern kreisförmig: Sie wird bestimmt von den aufeinanderfolgenden Spielzeiten der Sportarten, den Zyklen der Schuljahre, den Wahlperioden, etc. Trotzdem bin ich optimistisch und glaube nicht, dass alles verloren ist: Wissenschaft und Technik machen heutzutage außerordentliche Fortschritte. Die Leute denken immer, dass man sich eine neue Welt erst vorstellen muss, um sie schaffen zu können. Aber so ist das gar nicht: Revolutionäre Erfindungen wie die Anti-Baby-Pille oder das Internet sind keineswegs die Frucht politischer Imagination oder sonst irgendeiner Art von Utopie. Sie brauchen keine großen Erzählungen. Hoch lebe die Erbsünde: Eva ist es zu verdanken, dass der Mensch die Frucht vom Baum der Erkenntnis aß und zum Menschen wurde.Wenn wir wieder eine Zukunft haben möchten, müssen wir weiter von dieser Frucht essen, den Apfel dabei allerdings in gleich große Hälften teilen."
Gentlemen's Quarterly (USA), 01.09.2012

New Humanist (UK), 05.09.2012

Prospect (UK), 22.08.2012

Außerdem stellt Philip Ball jüngere linguistische Forschungsergebnisse über die kulturgebundene Komplexität und Adaptionsfähigkeit von Sprache vor.
Rue89 (Frankreich), 02.09.2012

Hier eine englisch untertitelte Episode aus "Top Goon", die Bachar el-Assad aufs Korn nimmt:
Guardian (UK), 03.09.2012
Colm Toibin hat "Mortality" gelesen, Christopher Hitchens letzten Band mit Essays und Schriften, und ach, er vermisst ihn einfach schrecklich: "Der letzte Abschnitt von 'Mortality' besteht aus fragmentarischen Notizen, die, wie der Verlag bemerkt, 'nicht fertig gestellt waren zum Zeitpunkt seines Todes'. Eines dieser Notate lautet: 'Wenn ich zum Glauben konvertiere, dann höchstens weil es besser wäre, dass ein Gläubiger stirbt, als dass es ein Atheist tut.' Er ist natürlich nicht konvertiert. Er blieb den Vorstellungen treu, die ihn sein Leben lang antrieben, und seiner Vorstellung von dem, was Worte tun können."
Weiteres: In Aufmacher beschreibt der Autor Francis Spufford seine Religiösität eher als eine Reihe von Gefühlen denn als eine Weltanschauung. Besprochen werden unter anderem Zadie Smith' neuer London Roman "NW", an dem ihr Schriftstellerkollege Adam Mars-Jones etliches auszusetzen findet, und Junot Diaz' Roman "This Is How You Lose Her", den Nicholas Wroe als "feministisch" beschreibt: "Für einen Hetero-Mann, behauptet Diaz, ist sein Verhältnis zu Frauen der Lackmus-Test seiner Humanität." Weiter gibt es Besprechungen von den Autoren John Burnside (hier) und Ursula Le Guin (hier).
Weiteres: In Aufmacher beschreibt der Autor Francis Spufford seine Religiösität eher als eine Reihe von Gefühlen denn als eine Weltanschauung. Besprochen werden unter anderem Zadie Smith' neuer London Roman "NW", an dem ihr Schriftstellerkollege Adam Mars-Jones etliches auszusetzen findet, und Junot Diaz' Roman "This Is How You Lose Her", den Nicholas Wroe als "feministisch" beschreibt: "Für einen Hetero-Mann, behauptet Diaz, ist sein Verhältnis zu Frauen der Lackmus-Test seiner Humanität." Weiter gibt es Besprechungen von den Autoren John Burnside (hier) und Ursula Le Guin (hier).
New Republic (USA), 13.09.2012

Wenn man als Suche "tnr buzzfeed" bei Google eingibt, findet man als erstes nicht Marc Tracys Artikel über Buzzfeed, sondern den Tweet von Buzzfeed über diesen Artikel, und das ist in etwa das, was Tracy meint, wenn er sagt, dass Buzzfeed wohl das twitterangemessenste neue Medium ist. Berühmt wurde Buzzfeed mit Bilderstrecken wie "Basset Hounds Running". Aber nun gibt es auch einen Politikteil, der Millionen Unique Visitors erreicht - mit den allerneuesten Techniken des über Twitter gestreuten Boulevardjournalismus. Erfunden wurde Buzzfeed von Jonah Peretti, einem der Väter der Huffington Post. Und er engagierte den Politico-Blogger Ben Smith als Politikchef, einen fast schon pathologischen News-Junkie: "Und so begannen die beiden ihr Experiment und kombinierten die Gier des einen nach dem neuesten politischen Stoff mit dem dogmatischen Populismus des anderen, für den die Viralität eines Artikels Gradmesser seiner Perfektion ist."
Schwerwiegender als die beiden obigen Artikel ist Paul Starrs Besprechung dreier Bücher, die fragen, ob Amerika eine Oligarchie geworden sei (und diese Frage mehr oder weniger bejahen). Hinzuweisen ist außerdem auf Timothy Snyders Besprechung dreier Bücher, die sich mit Kriegsverbrecher- und stalinistischen Schauprozessen nach dem Zweiten Weltkrieg befassen.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 30.08.2012

Times Literary Supplement (UK), 03.09.2012
David Hawkes liest neue Bücher von, mit und über Noam Chomsky, "How the World Works" und "The Science of Language", und stellt kulturkritisch fest, dass der große Widerspruch in Chomskys Denken bleibt: "Tatsächlich ist das 'Chomsky Problem' der grundlegende Widerspruch des kapitalistischen Zeitalters. Mit der Aufhebung des Wucherverbots in der europäischen Frühmoderne wurde das Geld zu einer autonomen Macht, die eigene Beteiligungen erwirbt und Forderungen erhebt, als wäre es lebendig. Geld verhält sich wie ein lebendes Wesen, wenn es das bestimmende Merkmal des Lebens annimmt: die Fähigkeit, sich zu reproduzieren. Aber Geld ist nicht Teil des natürlichen Universums. Niemand kann einen finanziellen Wert berühren oder schmecken. Geld ist nur ein Zeichen für entfremdetes menschliches Lebens, und Kapitalismus ist der Name, mit dem wir den Prozess unserer eigenen Verdinglichung bezeichnen. Chomsky versteht, dass dieser Prozess der Ursprung des quasi-metaphysischen Übels ist, das er in seinen politischen Arbeiten beschreibt. Aber er will nicht anerkennen, dass er auch die ideologische Bedingung der Methoden ist, die er in seiner Wissenschaft praktiziert."
Economist (UK), 01.09.2012

Sehr bezeichnend findet dieser Artikel die sich bereits abzeichnende Wahlkampfstrategie von Barack Obama: "Die Tatsache, dass der Präsident bereits frühzeitig und so erbarmungslos auf die 'negative Karte' setzt, macht offenkundig, wie sehr er es nötig hat, dass dieser Wahlkampf sich um Romneys Schwächen statt um seine eigenen Leistungen dreht. Ein Mann, der vor vier Jahren noch die Hoffnung versinnbildlichte, kommt nun in Charlotte mit einer Kampagne an, der es bislang nur darum ging, Angst zu erzeugen."
Weitere Artikel: Insbesondere das frühe World Wide Web der Neunziger ist mangels Archivierung für spätere Forschungen nahezu komplett verloren, mahnt dieser Artikel, der sich um den drohenden Gedächtnisverlust der digitalen Kultur sorgt. Vielleicht könnte eine neue Speichertechnologie dabei helfen? Dieser Artikel verspricht sich jedenfalls einiges für die Zukunft von phasenwechselnden Speicherchips. Von Experimenten mit Laserwaffen wird hier berichtet (mit den Allmachtsvorstellungen aus der Science Fiction lassen sich diese Prototypen indessen schwerlich in Vereinbarung bringen, wird entwarnt). Außerdem: Ein Nachruf auf Neil Armstrong.
Wired (USA), 01.09.2012

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