Magazinrundschau
Ich habe ein Leben
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
27.09.2011. The Morning Call berichtet von den erbarmunglsoen Arbeitsbedingungen bei Amazon. In Eurozine widerspricht Steve Sem-Sandberg dem Anspruch auf Authentizität in der Lagerliteratur. Le Monde vermisst die Linken auf der Seite der Unordnung. Telerama fährt mit der tunesischen Regisseurin Nadia El Fani Taxi. Im Espresso verteidigt Umberto Eco die italienischen Universitäten. Elet es Irodalom warnt vor dem ungarischen Volks- und Umerziehungsplan. Polityka meldet unfroh, dass junge Polen den Westeuropäern immer ähnlicher werden. Und die NY Times empfängt einen Marihuana rauchenden Dauergast mit viel Gepäck.
Morning Call (USA), 17.09.2011
Nirgends lässt es sich so bequem und billig shoppen wie bei Amazon.com. Was den online-Handel angeht, sind sie einfach die besten. So lange man nicht in Amazons Lagern arbeiten muss. Spencer Soper hat mit zwanzig Arbeitern gesprochen, die - geködert mit der Aussicht auf eine unwahrscheinliche Festanstellung - im Sommer bei über 40 Grad Hitze erbarmungslos immer höhere Quote machen mussten. Karen Salasky, die zuvor als Kellnerin und Sekretärin gearbeitet hatte, erzählt: "An einem heißen Junitag fühlte sie sich nicht gut. Ihre Finger kribbelten und ihr Körper fühlte sich taub an. Sie ging auf die Toilette. Ein ISS-Manager kam und fragte, ob sie okay sei. Sie sagte, nein. Man brachte sie in einem Rollstuhl in einen Raum mit Aircondition, wo Sanitäter sie untersuchten, während Manager ihr Fragen stellten und Notizen machten. 'Ich war wirklich sauer und sagte: Alles worum ihr euch kümmert, sind eure Quoten, nicht das Wohlergeben der Leute', sagte sie. 'Ich habe noch nie für einen Arbeitgeber gearbeitet, der Sanitäter draußen warten hatte, die sich um Hitzeopfer kümmern sollten.'" Die Hallen werden nicht gekühlt. Kurze Zeit später wurde Salasky gefeuert. "Ich habe immer bei Amazon gekauft", sagt sie, "ich werde nie wieder bei Amazon kaufen."
New Republic (USA), 22.09.2011

Eurozine (Österreich), 23.09.2011

Der französische Historiker Pierre Manent erklärt im Interview mit der polnischen Zeitschrift Res Publica Nowa (von Eurozine ins Englische übersetzt), was die europäische Idee wieder beflügeln könnte: innereuropäische Emigration, und das Gefühl einer nationalen Stärke, die es erst erlaubt, europäisch zu denken. Polen sagt er dabei eine wichtige Rolle voraus.
Telerama (Frankreich), 23.09.2011

Noch vor der "Jasminrevolution" und dem Sturz des Diktators Ben Ali, brachte die tunesische Regisseurin Nadia El Fani im Sommer 2010 mit ihrer Kamera einen gewagten Vorschlag unter die Menschen - die Einführung des Laizismus. Mathilde Blottiere präsentiert den daraus entstandenen Dokumentarfilm "Laicite inch'Allah", den die Filmemacherin anhand dreier Ausschnitte kommentiert. In den kleinen alltäglichen Begegnungen, die sie dokumentiert, ohne ihre Kamera zu verstecken, setzt die Filmemacherin auf Konfrontation: "Als ich das Thema Ramadan anspreche, stelle ich fest, dass der Taxifahrer gut reagiert. Ich schalte die Kamera ein und sage ihm, dass ich Atheistin bin. In Tunesien ist das eine subversives Bekenntnis, aber als Filmemacherin bin ich zu dieser Provokation bereit. Ich bin dazu da um der Gesellschaft den Kopf zu streicheln, sondern um sie gegen den Strich zu bürsten und neue Ideen voran zu bringen."
Jeremie Couston porträtiert die britische Schauspielerin und frühere Athletin Tilda Swinton, die in ihrem kreativen Langstreckenlauf meist ihrem Instinkt gefolgt sei: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich Karriere gemacht habe, aber ich habe ein Leben."
Le Monde (Frankreich), 24.09.2011

Espresso (Italien), 21.09.2011

Elet es Irodalom (Ungarn), 23.09.2011

Magyar Narancs (Ungarn), 15.09.2011

Polityka (Polen), 23.09.2011

New York Review of Books (USA), 13.10.2011

Max Rodenbeck berichtet in einer Reportage aus Libyen über die offenbar recht gute Behandlung, die Gaddafis gefangene Offiziere durch die Rebellen erfahren. Der selbst unter Gaddafi gefolterte Fathy Sherif erklärt das so: "'Genau wegen ihrer eigenen Grausamkeit werden wir ihnen einen absolut fairen Prozess machen', sagt Sherif und fügt hinzu, dass jedes Gericht sie sowieso zum Tode verurteilen wird."
Besprochen werden außerdem Pauls Hendricksons Porträt "Hemingway?s Boat" und Jonathan Rabans Buch "Driving Home". Auf George Soros' Artikel zur Eurokrise haben wir ja schon in der Feuilletonrundschau verwiesen.
New York Times (USA), 25.09.2011
Tom Bissell hat Neal Stephensons neuen Roman "Reamde" gelesen. Der Plot ist, wie Bissell versichert, komplett absurd und es kommen Online-Rollenspiele, eine afrikanische Waise, ein chinesischer Hacker, ein britischer Dschihadist und manches mehr darin vor. Höchst unterhaltsam und informativ findet Bissell das, manchen Schwächen zum Trotz. Am schönsten ist aber seine grundsätzliche Beschreibung des Romanciers Stephenson: "Sagen wir, Romanautoren sind wie unangekündigte Besucher. Während Norman Mailer und Saul Bellow männlich an der Tür pochen, klopfen Jonathan Franzen und Zadie Smith recht höflich... Neal Stephenson allerdings umweht ein vager Marihuana-Duft, und er hat eine Menge Koffer dabei. Vielleicht kann er ein paar wenige Tage Unterschlupf finden? Zwei Wochen später ist er immer noch da. Und du wirst ihn nicht los. Nicht, weil er unangenehm wäre, sondern weil er so interessant ist. Dann wachst du eines Morgens auf und er ist weg. Du bist ein bisschen erleichtert, aber du vermisst ihn auch. Und du wünschtest, er hätte das Zeug, das er raucht, zurückgelassen, denn alles, was einem Menschen erlaubt, sechs 1000-Seiten-Romane in zwölf Jahren zu schreiben, ist das Gesundheits- und Knastrisiko wert."
Weitere Artikel: Maureen Dowd schreibt sehr freundlich über Roger Eberts Autobiografie, Christopher Hitchens bespricht Christopher Turners Wilhelm-Reich-Buch "Adventures in the Orgasmotron". In seiner "Reading Life"-Kolumne widmet sich Geoff Dyer der Kunst des Signierens von Büchern.
Fürs Magazine schickt Robert F. Worth eine lange Reportage aus Libyen, in dem sich die Überzeugungen nach der Niederlage Gaddafis verdächtig schnell ändern: "In allen Militärlagern, die ich besuchte, fand ich Uniformen und Stiefel der Soldaten, die sie in dem Moment von sich geworfen hatten, in dem sie ihre Sandalen und Dschellabas überstreiften und in ihre Privatwohnungen flüchteten. Sogar die Gefangenen der Rebellen, mit denen ich in den improvisierten Gefängnissen sprach, hatten ihre alte Identität aufgegeben oder sie jedenfalls modifiziert: 'Ich habe mein Gewehr kein einziges Mal abgefeuert', sagten sie. 'Ich habe es nur des Geldes wegen getan'. 'Ich habe für sie gekämpft, weil ich ihren Lügen geglaubt habe.'"
Und online ist ein ellenlanges, unbearbeitetes Interview zu lesen, in dem Nicholas Kristof versucht, Irans Präsidenten Mahmud Achmadinedschad zu konkreten Aussagen zu bewegen.
Weitere Artikel: Maureen Dowd schreibt sehr freundlich über Roger Eberts Autobiografie, Christopher Hitchens bespricht Christopher Turners Wilhelm-Reich-Buch "Adventures in the Orgasmotron". In seiner "Reading Life"-Kolumne widmet sich Geoff Dyer der Kunst des Signierens von Büchern.

Und online ist ein ellenlanges, unbearbeitetes Interview zu lesen, in dem Nicholas Kristof versucht, Irans Präsidenten Mahmud Achmadinedschad zu konkreten Aussagen zu bewegen.
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