Magazinrundschau
Den Sklaven aus sich herauspressen
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
13.09.2011. Dem arabischen Frühling droht schon der Herbst, fürchtet die NYRB. In Open Democracy erklärt Andrei Kontschalowski, warum Palasttüren immer so niedrig sind. In der Boston Review erklärt Noam Chomsky: Wer sich mit der Macht verbündet, ist kein Intellektueller mehr. Prospect feiert die unkontrollierbaren Bronte-Schwestern. The Australian bewundert die weiße Hitze Christopher Hitchens. Der Economist blickt auf die neuen Billy-Regale und sieht keine Bücher mehr drin stehen.
New York Review of Books (USA), 29.09.2011

Außerdem: Mohsin Hamid liest zwei Bücher über Pakistan, die ihn auch nicht gerade optimistisch stimmen. Nicholson Bakers "House of Holes" ist genau der Roman, den Teenager lesen sollten, ermuntert Elaine Blair ängstliche Eltern: "Sie können sicher sein, egal zu welcher Szene Ihre Kinder masturbieren, sie werden Frauen nicht als Objekte sehen."
Open Democracy (UK), 09.09.2011

Hier noch ein Interview mit Kontschalowski, dass der Filmhistoriker Ian Christie im Juni mit dem Regisseur führte: Teil 1, Teil 2. Absolut lesenswert! Im zweiten Teil erinnert er sich an die sechziger Jahre unter Kosygin. Es war nicht mehr wie im Stalinismus, "aber man muss das verstehen: Wir lebten in einer auf den Kopf gestellten Gesellschaft. Was die Kommunistische Partei angeht, konnte man nichts ändern. Jeder wusste das und niemand wäre in der Öffentlichkeit aufgestanden und hätte gesagt: 'Kameraden, ich würde gerne fragen, ob die Politik und Kultur der Kommunistischen Partei wirklich richtig sind.' Wegen einer so unschuldigen Frage wäre man für verrückt und undankbar erklärt worden. Leute wie Brodsky wurden wirklich für verrückt gehalten, weil sie keinen Sinn für Selbstschutz hatten. Darum wurden sie groß, weil sie Courage hattten. Wir hatten keine Courage, weder Tarkowski noch ich. Und ich wollte auch keine haben, warum zur Hölle? Ich wollte keinen Ärger, ich wollte nur Filme machen."
The Nation (USA), 26.09.2011

Außerdem: James Longenbach schreibt über die Briefe von T.S. Eliot.
Outlook India (Indien), 19.09.2011

Hier die Hitler-Parodie aus "Sholay":
Prospect (UK), 24.08.2011
Die Brontes sind zurück - und zwar im Kino. Gleich zwei große Neuverfilmungen gibt es in diesem Jahr. Da ist zum einen Cary Fukanagas Version von Charlotte Brontes "Jane Eyre", zum anderen Andrea Arnolds gerade in Venedig gezeigte Fassung von Emily Brontes "Wuthering Heights" mit einem schwarzen Heathcliff. Für kein Wunder hält Matthew Sweet die neue Bronte-Aktualität in den gegenwärtigen härteren Zeiten, denn die Schwestern taugen, anders als Jane Austen, kaum für nostalgisch-kuschelige Zugriffe: "Mit der Ausnahme von 'Shirley' - dem einen Roman von Charlotte, den keiner liest - ist das Werk der Brontes mehr an leidenschaftlichen Individuen als an Gesamtbildern der Gesellschaft interessiert, in denen diese sich bewegen. 'Jane Eyre' und 'Wuthering Heights' weigern sich, die Art Sozialpanorama zu sein, auf die Eliot, Dickens oder Gaskell abzielten. Die Bücher der Brontes dagegen sind rauh, gefährlich, individualistisch, unkontrollierbar - und die Familie, die sie hervorgebracht hat, teilt manche dieser Eigenschaften."
Australian (Australien), 07.09.2011

Guardian (UK), 10.09.2011
In einem Text, der sich wie das Vorwort zu seinem neuen Essayband liest, ist Christopher Hitchens überzeugt, dass neben religiösem Fanatismus noch etwas anderes die Freiheit und Freizügigkeit der Gesellschaft bedroht: Humorlosigkeit. "Die Menschen, die niemals regieren dürfen, sind die Humorlosen. Unmögliche Selbstgerechtigkeit verbinden sie mit Langeweile und Eintönigkeit." Hier noch mal sein Essay über die Kunst und Wissenschaft des Blowjobs.
Blake Morrison schreibt über die "Brontemania", die mit zwei Neuverfilmungen von "Wuthering Heights" und "Jane Eyre" neuen Zunder bekommen hat. Schon bei Erscheinen sorgten die zwei Romane für Furor, so Morrison: "Es wird leicht vergessen wie radikal die beiden Schwestern ihren Zeitgenossen erschienen. 'Wuthering Heights' zog die vehementesten Kritiken nach sich und war für einen Kritiker sogar Anlass zu fragen: 'Wie ein Mensch sich an einem solchen Buch versuchen könne, ohne Selbstmord zu begehen' und ein anderer beklagte sich: 'Unter all den Figuren des Dramas gibt es keine, die nicht zutiefst hassenswert wäre.'"
Weitere Artikel: Nicholas Wroe schreibt über den englischen Tenor Ian Bostridge, der gerade "A singer's notebook" veröffentlicht hat. Über die Beziehung zwischen Facts und Fiction berichtet die Schriftstellerin Anna Funder und erzählt warum ihre Lektoren jeden von ihr beschriebenen Mojito überpüfen.
Blake Morrison schreibt über die "Brontemania", die mit zwei Neuverfilmungen von "Wuthering Heights" und "Jane Eyre" neuen Zunder bekommen hat. Schon bei Erscheinen sorgten die zwei Romane für Furor, so Morrison: "Es wird leicht vergessen wie radikal die beiden Schwestern ihren Zeitgenossen erschienen. 'Wuthering Heights' zog die vehementesten Kritiken nach sich und war für einen Kritiker sogar Anlass zu fragen: 'Wie ein Mensch sich an einem solchen Buch versuchen könne, ohne Selbstmord zu begehen' und ein anderer beklagte sich: 'Unter all den Figuren des Dramas gibt es keine, die nicht zutiefst hassenswert wäre.'"
Weitere Artikel: Nicholas Wroe schreibt über den englischen Tenor Ian Bostridge, der gerade "A singer's notebook" veröffentlicht hat. Über die Beziehung zwischen Facts und Fiction berichtet die Schriftstellerin Anna Funder und erzählt warum ihre Lektoren jeden von ihr beschriebenen Mojito überpüfen.
Espresso (Italien), 08.09.2011

Economist (UK), 10.09.2011

New Yorker (USA), 19.09.2011

Weiteres: Ariel Levy bespricht zwei neue Bücher zur Geschichte der sexuellen Revolution in Amerika: Christopher Turners Studie zu Wilhelm Reich "Adventures in the Orgasmatron: How the Sexual Revolution Came to America?, in der es um Reichs "verlockende" Vorstellung geht, guter Sex führe automatisch zu einer guten Gesellschaft, und Deborah Lutz' "Pleasure Bound?, in dem die Autorin versucht, jenseits der landläufigen Auffassung, die Viktorianer seien hoffnungslos in Repression steckengeblieben, die "bebende dunkle Seite" der viktorianischen Gesellschaft einzufangen. David Denby sah im Kino Steven Soderberghs Thriller "Contagion". Außerdem zu lesen ist die Erzählung "Starlight" von Ann Beattie.
Times Literary Supplement (UK), 08.09.2011
John Calder stellt Laure Adlers Interviewband mit Maurice Nardeau vor, ein "Homme des lettres" und die vielseitigste Person in der Pariser Literaturwelt nach dem Krieg. Nardeau, der gerade seinen Hundertsten feierte, erzählt von seinem Leben und seiner Leidenschaft für alles Schriftliche: "Auf die Frage, was man brauche, um ein 'richtiger Verleger' zu werden, antwortete Nardeau, dass man vor allem organisieren können müsse, obwohl er selbst immer allein hat arbeiten müssen, mit zwei bis drei Leuten und ganz ohne Geld, denn alles, was er anfing, machte Verlust. Aber das war egal: Nardeau war jedes Mal zufrieden, ein neues Talent ans Licht gebracht zu haben. Für Verleger, die er bewunderte, zählte nicht der Profit. Er hatte Freude daran zu tun, was er gern tun wollte und war stolz darauf, anders zu sein als alle anderen."
Außerdem: Rachel Polonsky liest zwei Studien zur Entwicklung der "Orientalistik" in Russland als akademische Disziplin.
Außerdem: Rachel Polonsky liest zwei Studien zur Entwicklung der "Orientalistik" in Russland als akademische Disziplin.
Boston Review (USA), 01.09.2011

New York Times (USA), 10.09.2011
107 Essays auf gut 780 Seiten findet man in Christopher Hitchens Band "Arguably" versammelt (hier Ian Parkers Hitchens-Porträt im New Yorker). Über Politik - zum Beispiel zum Irakkrieg, Afghanistan, Uganda und den Iran -, Gesellschaft und Bücher. Alle geschrieben unter dem Einfluss einer Dosis Alkohol, die die "meisten Menschen verkrüppeln würde", so der penible Bill Keller, der in der Book Review vorführt, wie man einen Autor gleichzeitig lobt und verreißt, so dass man auf jeden Fall auf der sicheren Seite steht: "Ich finde Hitchens ist einer unserer stimulierendsten Denker und unterhaltsamsten Autoren, selbst wenn er - oder vielleicht gerade wenn er - provoziert."
Außerdem: Negar Azimi beschreibt die - vielversprechende! - Verwirrung, die seit dem arabischen Frühling auf dem ägyptischen Buchmarkt herrscht. Besprochen werden u.a. Nuruddin Farahs Roman über somalische Piraten "Crossbones", Hisham Matars Roman "Geschichte eines Verschwindens", Robin Wrights Buch über den arabischen Frühling "Rock the Casbah", Nigel Cliffs Buch über Vasco da Gamas "Heiligen Krieg" und Thomas L. Friedmans und Michael Mandelbaum Buch "That Used to Be Us".
Im Magazin gibt's eine Diskussion von Michael Ignatieff, David Rieff, James Traub, Paul Berman, Scott Malcomson und Ian Buruma über den Irakkrieg, die um einiges spannender geworden wäre, hätte Christopher Hitchens (wie in der Slate-Runde 2004) dabei sein können.
Außerdem: Negar Azimi beschreibt die - vielversprechende! - Verwirrung, die seit dem arabischen Frühling auf dem ägyptischen Buchmarkt herrscht. Besprochen werden u.a. Nuruddin Farahs Roman über somalische Piraten "Crossbones", Hisham Matars Roman "Geschichte eines Verschwindens", Robin Wrights Buch über den arabischen Frühling "Rock the Casbah", Nigel Cliffs Buch über Vasco da Gamas "Heiligen Krieg" und Thomas L. Friedmans und Michael Mandelbaum Buch "That Used to Be Us".

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