Magazinrundschau
Was schmerzt? Was hilft?
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
07.07.2009. In Micro Mega protestieren italienische Intellektuelle gegen ein Gesetz, das illegale Immigration zum Verbrechen erklärt. In Al Ahram erklärt der Literaturprofessor Hamid Dabashi zum Iran: nicht die Demonstranten, sondern die Anhänger Ahmadinedschads sind Mittelklasse. Im Observator Cultural fragt Leo Butnaru: Warum lassen sich EU-Politiker in Moldawien dekorieren? In Dawn verzweifelt Arundhati Roy an der Demokratie. Das ging Oswald Mosley auch schon so, erfahren wir in Standpoint.
MicroMega (Italien), 02.07.2009

The Nation (USA), 20.07.2009

Times Literary Supplement (UK), 03.07.2009
In einem umfangreichen Hintergrund-Artikel empfiehlt Rosemary Righter Amir Taheris Buch "The Persian Night", der mit zahlreichen Mythen in der Geschichte des Iran aufräume. Selbst den Putsch der CIA gegen den demokratischen gewählten Premier Mohammed Mossadeq ziehe er in Zweifel: "1953, schreibt er, hatte der ach so große Demokrat Mossadeq, heillos mit dem Schah zerstritten, das Parlament aufgelöst, die Wahlen verschoben, das Kriegsrecht verhängt und regierte nur noch per Dekret. Nur unter Schwierigkeiten erhielt der Schah von den USA die Garantie, ihn zu unterstützen, sollte er Mossadeq des Amtes entheben; dann aber floh er aus dem Land, als Mossadeq seine Entlassung ablehnte. Zu der Zeit, schreibt Taheri, war die CIA, zusammen mit britischen Agenten, tatsächlich in eine Reihe schmutziger Machenschaften involviert, um die öffentliche Stimmung gegen den Premier zu wenden und Furcht vor einer kommunistischen Machtübernahme zu schüren. Aber wie die Prawda damals freudig meldete, vermasselten die USA den Job, denn ihre Pläne hingen von Mossadeqs Rücktritt ab und zerplatzen, als er ihn ablehnte. Die CIA kabelte nach Washington: Die Operation wurde versucht und ist missglückt."
Außerdem: Besprochen werden Alain de Bottons neues Buch "The Pleasures and Sorrows of Work", dem Toby Lichtig unter anderem entnimmt, dass das internationale Prekariat zwar leichter auszubeuten, aber auch schwerer zu kontrollieren ist, sowie David Watkins Studie "The Roman Forum".
Außerdem: Besprochen werden Alain de Bottons neues Buch "The Pleasures and Sorrows of Work", dem Toby Lichtig unter anderem entnimmt, dass das internationale Prekariat zwar leichter auszubeuten, aber auch schwerer zu kontrollieren ist, sowie David Watkins Studie "The Roman Forum".
Al Ahram Weekly (Ägypten), 02.07.2009

Observator Cultural (Rumänien), 05.07.2009
Was ist noch schlimmer als westlicher Kapitalismus? Ein Kapitalismus, der sich hinter Hammer und Sichel verbirgt. Der moldawische Journalist und Übersetzer Leo Butnaru schickt einen gepfefferten Brief aus Chisinau, der Hauptstadt Moldawiens, wo es nach den Wahlen am 7. April zu schweren Protesten gegen den Wahlsieg der Kommunisten kam. Butnaru erklärt, wie die Wahlen manipuliert wurden - einem Großteil der im Ausland arbeitenden Moldawier wurde es unmöglich gemacht zu wählen - und um welche Art von Regime es sich in Moldawien handelt: "Wir haben es hier mit einem Mutanten zu tun, der schwer zu beschreiben ist. Dieser märchenhafte Bastard, Kommuno-Kapitalismus, sieht besonders abstoßend aus im Spiegelkabinett eines mysteriöserweise weiterbestehenden, zurückgebliebenen Bolschewismus, mit dem die europäische Autokratie und Diplomatie weiterhin flirtet. Ich wüsste zum Beispiel sehr gern, warum letzten März seine Exzellenz, der frühere britische Botschafter in Chisinau, John Beyer, sich von Towarischtsch Voronin dekorieren ließ, von einem Diktator, Heuchler, Angeber und Verächter der europäischen Idee, einem eingefleischten Bolschewiken durch und durch, der vom 'multilateral entwickelten' Kapitalismus profitiert - um eine Phrase aus den alten Parteiprogrammen zu benutzen."
Beyer ist nicht der einzige, den Butnaru aufzählt: auch der Schweizer Sepp Blatter, Präsident der FIFA, Terry Davis, Generalsekretär des Europarats, der österreichische EU-Politiker Erhard Busek, Bulgariens Präsident Gheorghi Pirvanov und der kroatische Präsident Stjepan Mesic ließen sich Orden an die Brust heften. (Mehr über die Wahlen in der NZZ.)
Außerdem: Der in den USA lebende rumänische Schriftsteller Norman Manea, Susan Harris von "words without borders", die amerikanische Übersetzerin Susan Bernofsky und der Verleger Chad Post unterhalten sich über den Markt für Übersetzungen von Literatur und das Übersetzen an und für sich.
Beyer ist nicht der einzige, den Butnaru aufzählt: auch der Schweizer Sepp Blatter, Präsident der FIFA, Terry Davis, Generalsekretär des Europarats, der österreichische EU-Politiker Erhard Busek, Bulgariens Präsident Gheorghi Pirvanov und der kroatische Präsident Stjepan Mesic ließen sich Orden an die Brust heften. (Mehr über die Wahlen in der NZZ.)
Außerdem: Der in den USA lebende rumänische Schriftsteller Norman Manea, Susan Harris von "words without borders", die amerikanische Übersetzerin Susan Bernofsky und der Verleger Chad Post unterhalten sich über den Markt für Übersetzungen von Literatur und das Übersetzen an und für sich.
Standpoint (UK), 01.07.2009

Dawn (Pakistan), 04.07.2009
Auch Arundhati Roy hat ihre Probleme mit der Demokratie: Gibt es ein Leben nach der Demokratie, fragt sie in einem Essay, der vermutlich das Vorwort zu ihrem neuen Buch "Listening to Grashoppers" ist. Und kommen sie ihr jetzt nicht mit blöden Sprüchen wie: Dann geh doch nach Somalia. Die Frage "soll nicht nahelegen, dass wir auf ältere, diskreditierte Modelle totalitärer oder autoritärer Regierung zurückfallen sollen. Sie soll vielmehr nahelegen, dass das System der repräsentativen Demokratie - zuviel Repräsentation, zu wenig Demokratie - eine strukturelle Anpassung nötig hat. Die Frage ist, was haben wir aus der Demokratie gemacht? In was haben wir sie verwandelt? Was geschieht, wenn die Demokratie verbraucht ist? Wenn sie ausgehöhlt und von jeder Bedeutung entleert ist? Was geschieht, wenn jede ihrer Institutionen in etwas Gefährliches ausgewuchert ist? Was geschieht in dem Moment, in dem Demokratie und Freier Markt zu einem einzigen räuberischen Organismus verschmolzen sind, getragen von einer einzigen dünnen Idee, die fast auschließlich um die Idee der Gewinnmaximierung kreist? Ist es möglich, diesen Prozess umzudrehen? Kann etwas, das mutiert ist, sich wieder zurückverwandeln in das, was es einmal war?"
Ts ts ts, die Juden haben die gläubigeren unter den Muslimen mal wieder geschlagen, informiert uns Tazeen Javed. "In Israel lebende orthodoxe Juden haben eine neue 'koschere' Suchmaschine namens Koogle gestartet, die es ihnen erlaubt, im Cyberspace zu surfen, ohne jemals unbekömmlichen Bildern oder dem Glauben abträglichen Texten begegnen zu müssen, die Gefahren der Subversion und der Versuchung in die Schranken weisend. Koogle folgt den religiösen Standards, die von Rabbis aufgestellt wurden, und will orthodoxen Juden helfen, auf dem festgelegten Pfad zu bleiben. Offensichtlich eine Stichelei gegen Google, will Koogle verbotenes Material herausfiltern und seine Konsumenten mit koscheren Bits und Stückchen aus dem Netz versorgen. Dies sollte unseren religiöseren muslimischen Brüdern einen Anstoß geben, eine Halal-Suchmaschine zu erfinden, oder sogar etwas noch besseres: einen Halal-Browser. Dieser Halal-Browser könnte das Netz scannen und in Big-Brother-Manier zum Segen der gläubigen und tugendhaften Nutzer agieren."
Ts ts ts, die Juden haben die gläubigeren unter den Muslimen mal wieder geschlagen, informiert uns Tazeen Javed. "In Israel lebende orthodoxe Juden haben eine neue 'koschere' Suchmaschine namens Koogle gestartet, die es ihnen erlaubt, im Cyberspace zu surfen, ohne jemals unbekömmlichen Bildern oder dem Glauben abträglichen Texten begegnen zu müssen, die Gefahren der Subversion und der Versuchung in die Schranken weisend. Koogle folgt den religiösen Standards, die von Rabbis aufgestellt wurden, und will orthodoxen Juden helfen, auf dem festgelegten Pfad zu bleiben. Offensichtlich eine Stichelei gegen Google, will Koogle verbotenes Material herausfiltern und seine Konsumenten mit koscheren Bits und Stückchen aus dem Netz versorgen. Dies sollte unseren religiöseren muslimischen Brüdern einen Anstoß geben, eine Halal-Suchmaschine zu erfinden, oder sogar etwas noch besseres: einen Halal-Browser. Dieser Halal-Browser könnte das Netz scannen und in Big-Brother-Manier zum Segen der gläubigen und tugendhaften Nutzer agieren."
Nepszabadsag (Ungarn), 04.07.2009
Die Linksliberalen sind in Ungarn gescheitert, meint die Kulturwissenschaftlerin Eszter Babarczy. Der Grund: Der Ungar sei anders gestrickt, sei subjektiver (auch in seiner Intoleranz), weshalb neoliberale Lösungsmodelle bei ihm nicht greifen. Vielmehr sollten die beiden grundlegenden Fragen - 1. Was schmerzt? 2. Was hilft? - orts- und zeitgebunden beantwortet werden: "Hinter jeder großen - politischen oder philosophischen - Idee steckt die Tatsache, dass fähige und bewanderte Leute in ihrer eigenen kleinen Gemeinschaft diese Fragen beantworten konnten und die kleinen, divergierenden Ideen auf eine gemeinsame - zur Lösung führenden - Schiene bringen. Jede Antwort ist nur zu einem Zeitpunkt an einem Ort gültig, danach nie wieder. Die ungarischen Liberalen, glaube ich, sollten weniger amerikanische Freiheitsrechte verkünden, als vielmehr die Frage beantworten, was hilft, wenn es schmerzt, dass wir immer unzivilisierter, hemmungsloser und grober miteinander umgehen, dass wir immer weniger fähig sind, gemeinsame Regeln aufzustellen und dann einzuhalten. Die ungarische Linke sollte die Frage beantworten, was hilft, wenn es schmerzt, dass man sich kaum noch als Mensch fühlen kann, weil man mit wenig Geld und bescheidenen Ambitionen zurechtkommen will, weil einem Familie und Arbeit wichtiger sind als die Karriere, und es deshalb weder für einen Jeep noch einen Urlaub in Spanien reicht. Die sozialdemokratische (und überhaupt die demokratische) Bewegung in Frankreich war vor allem deshalb erfolgreich, weil es ihr gelang, die Würde und die Selbstachtung des kleinen Mannes, der in die unteren Regionen des rasenden Kapitalismus gedrängt worden war, wiederherzustellen. Deshalb lautet mein Vorschlag [an unsere Demokraten]: sie sollten zum Beispiel Victor Hugo lesen und die Publicity einfach mal vergessen."
Le Monde (Frankreich), 06.07.2009
Es ist Zeit für eine radikale Umkehr, meint der ehemalige amerikanische Radsportler Greg LeMond in seiner Kolumne zur diesjährigen Tour de France. Der dreimalige Gewinner der Tour schreibt über das Ereignis, das eigens von einer Zeitung geschaffen wurde, damit sie darüber berichten konnte (mehr hier): "Ich will mir die Tour ansehen können, ohne mich zu fragen zu müssen, wer sauber ist und wer schummelt, was am Sportler liegt oder am Medikament eines berühmten italienischen oder spanischen Arztes... Wann sagt man endlich: 'Es reicht!'? Der Radsport hat in ein paar Jahren einen Großteil seiner Glaubwürdigkeit verloren, für die er so lange gearbeitet hat. Es ist nicht zu spät, die Richtung zu ändern und sie sich zurückzuerobern. Aber das ist nicht Job der Medien. Es sind die Fahrer, die Sportchefs, die Organisatoren und das Publikum, die diesen Wandel fordern müssen."
London Review of Books (UK), 09.07.2009

Espresso (Italien), 03.07.2009

Nouvel Observateur (Frankreich), 02.07.2009

Economist (UK), 03.07.2009

Außerdem besprochen: das Buch "Schiwagos Vermächtnis" (Website) von Vladislav Zubok über die Generation der sowjetischen Intelligentsia im "silbernen Zeitalter" zwischen Stalins Tod und der Kälteperiode ab Breschnew und ein Essay (Website des Verlags), in dem der Historiker Archie Brown der Frage nachgeht, wie der Kommunismus den Erfolg haben konnte, den er hatte. In einem weitere Artikel geht es um den nach 238 Tagen nun wohl feststehenden Sieg des Comedian Al Franken im Kampf um den Senatsposten von Minnesota (wo man mit Sinn für Humor auf das Gezerre reagierte: "Eine Kleinstadt war so gelangweilt von der Angelegenheit, dass sie schon Pläne machte, den Gewinner in einem Wettrennen zweier Schweinchen, die auf die Namen der Kontrahenten getauft wurden, zu bestimmen.") Und natürlich: Ein Nachruf auf Michael Jackson.
Outlook India (Indien), 13.07.2009

In weiteren Artikeln geht es unter anderem um das jüngsten Statistiken abzulesende Verblassen der Erinnerung an die berühmten Liebespaare vergangener Jahrzehnte, um das Aufkommen nicht-mythisch grundierter Romanzen im aktuellen Kino, um die Macho-Helden des tamilischen Kinos und um tabuisierte Liebesbeziehungen im Bollywood-Film. Außerdem: ein großes Interview mit dem Star und Herzensbrecher Saif Ali Khan (bekannt etwa aus "Kal Ho Naa Ho").
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