Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
19.07.2003. Die SZ stellt ein Dossier zum 20. Juli zusammen. Die taz erklärt in einer Reportage aus dem Iran, wie man aus alkoholfreiem ein richtiges Bier macht. Die NZZ fragt: Was hätte Hannah Arendt zum Klonen gesagt? Wichtige Themen in allen Zeitungen: Die China-Ausstellung in Berlin und der Streit um das geplante Zentrum gegen Vertreibung.

FAZ, 19.07.2003

Regina Mönch nimmt im neu entfachten Streit um das Zentrum gegen Vertreibung Erika Steinbach vom Bund der Vertriebenen in Schutz gegen ihre reflexhaften Kritiker in Schutz: "Das Zentrum will Vertreibungen in Europa als Unrecht ächten, sucht deshalb auch das Gespräch mit anderen Gruppen, doch statt Beifall ernten seine Verfechter Misstrauen. Weil das Zentrum in Deutschland errichtet werden soll, wird ihm jeder europäische Blickwinkel von vornherein abgesprochen und 'nationale Nabelschau' (Grass) unterstellt. Schien es noch vor kurzem, als dürfe Erika Steinbach als Konservative dieses Projekt mittragen, weil sie sich mit dem Sozialdemokraten Peter Glotz verbündet hat, weht ihr jetzt ein schärferer Wind ins Gesicht. Die deutschen Kritiker des Zentrums werfen ihr vor, in die 'Erinnerungsexzesse' der fünfziger Jahre zurückfallen zu wollen. Beweise haben sie dafür keine."

Mark Siemons erzählt, wie in Berlin Herbert Marcuses Urne im Beisein von Angela Davis und Eva Quistorp bestattet wurde. "Das vom Berliner Senat bereitgestellte Ehrengab ist klein und quadratisch und direkt gegenüber der letzten Ruhestätte von Rudi Strahl, dem bekannten Komödiendichter der DDR, auf dessen Stein steht: 'Lasst uns die nächste Revolution in einem August beginnen'. Peter Marcuse, der Sohn, der mit seinem Polohemd so lässig gekleidet war wie der Rest der Familie, ergriff das Wort auf englisch, sprach leicht und unprätentiös. Es gehe bei dieser Zeremonie nicht um die Asche, sagte er: sein Vater sei ein materialistischer Mensch gewesen. Es gehe darum, 'weiterzumachen', wie er mehrmals auf deutsch wiederholte, mit dem, was Herbert wichtig gewesen sei: weitermachen mit der Befreiung und dem Widerstand, auch gegenüber dem, was zur Zeit in den Vereinigten Staaten geschehe. 'Keep on struggling', sagte Peter so leichthin, als lade er die Gemeinde zum Kaffeetrinken ein."

Weitere Artikel: Bei der Uraufführung von Jörg Widmann "musikantisch virtuose" BioTech-Oper "Das Gesicht im Spiegel" hat Eleonore Büning gelernt, dass Unsterblichkeit nicht jedermanns Sache ist. "Sogar künstliche Intelligenzen können im Angesicht der Ewigkeit auf destruktive Gedanken kommen." Nach dem Ausbooten von Daniel Libeskind fürchtet Dieter Bartetzko, dass New York wieder zu seinem Baustil zurückkehrt, den Siegfried Kracauer so beschrieb: "Die Hässlichkeit der New York City ist jedermann bekannt. Turmartige Ungetüme, die ihr Dasein dem ungezügelten Machtwillen raubtierhaften Untermehnertums verdanken, stehen dort wild und regellos nebeneinander." Der Großteil der US-Medien ist zwar aus ihrem "vaterlandstreuen Tiefschlaf" geweckt, doch hat Jordan Mejias beim Blättern durch amerikanische Zeitschriften noch die eine oder andere irritierende Hommage auf den "new American way of war" entdeckt. Kerstin Holm erklärt, warum der Terror in Tschetschenien eine Frauensache geworden ist.

Felicitas von Lovenberg gratuliert dem amerikanischen Schriftsteller Cormac McCarthy zum Siebzigsten, dem ein "tiefer, verstörender, elegisch schwelgerischer Pessimismus" im Blute zu liegen scheint. Rainer Blasius berichtet von zu Hans Rothfels.

Auf den von Bilder und Zeiten übriggebliebenen Seiten ist Patrick Roths Text "Im Augenblick" zu lesen, den er zum Dank für den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung vorgetragen hatte. Und Dietmar Polaczek erzählt in wünschenswerter Ausführlichkeit die Geschichte des Musikalischen Mai in Florenz. Und Wolfgang Werth stellt in der Frankfurter Anthologie Georg Werths "Hungerlied" vor.

Auf der Medienseite schildert Zhou Derong, wie chinesisches Fernsehen funktioniert: "Während im Westen nur eine schlechte Nachricht eine gute Nachricht ist, verfährt der Sender CCTV nach dem ungekehrten Prinzip (hier seine englische website). Und erfüllt dabei sogar eine historische Mission, nämlich die, auch die hartgesottensten Pessimisten optimistisch zu stimmen. Daher wird das chinesische Volk Tag für Tag mit Nachrichten über sozialistische Errungenschaften geradezu überschwemmt." Nach den Nachrichten gibt es aber "Xinwen Lianbo", das fünfzehnminütige Fernseh-Enthüllungsmagazin, das Missstände aus dem ganzen Land wie Korruption und Verbrechen gegen die kommunistische Rechtsstaatlichkeit ans Tageslicht befördert und anprangert. "Die Taktik heißt im Volksmund: 'kleines Schimpfen, große Hilfe'. Das heißt: Die Schuld schiebt man immer dem Zimmermann zu, nie seinem Werkzeug." Heike Hupertz freut sich über die gelungene amerikanische Fernsehproduktion "Queer Eye for the Straight Guy".

Besprochen werden die in Berlin gezeigte Kunstsammlung der chinesischen Kaiser aus Taipeh "Schätze der Himmelssöhne", der vierte "Werner"-Film und neue Platten, unter anderem die wiederentdeckten Comique-Opern von Aubers und Gretry und Klavierstücke von Berg und Adorno.

Und Bücher, darunter die Anthologie junger Dichter "Lyrik von Jetzt", Wolfgang Hilbigs Erzählungen "Der Schlaf der Gerechten", Klaus Schlesingers Erzählband "Die Seele der Männer" sowie Kinderbücher (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

FR, 19.07.2003

Die zehn Jahre Vorbereitung für die große China-Ausstellung im Alten Museum Berlin haben sich gelohnt, jubelt Ulrich Clewing. "Denn etwas Vergleichbares hat es hier zu Lande noch nicht gegeben, und bis eine solche Gelegenheit wiederkommt, werden wohl noch viele Wellen an die Strände des Südchinesischen Meeres schlagen: eine Schau mit mehr als 350 Spitzenwerken fernöstlicher Kunst aus dem Nationalen Palastmuseum Taipeh. Dieses Museum ist nicht irgendein Museum und die Sammlung nicht irgendeine Sammlung: Es ist das Beste vom Besten, das die chinesische Kunstgeschichte zu bieten hat, die ehemals kaiserliche Sammlung, eine über unzählige Generationen hinweg aufgebaute und gepflegte Kollektion mit Gemälden, Handschriften und Kunstgewerbe aus der Zeit von 4000 vor Christus bis ins frühe 20. Jahrhundert."

Antje Ravic Strubel hat den Roswitha-Preis bekommen, und Ina Hartwig hält eine Laudatio. "In ihren mittlerweile drei veröffentlichten Büchern - Offene Blende, Unter Schnee und Fremd Gehen - wird oft ein Schwindelgefühl an den Rändern der Identität erzeugt. (...) Gerade im Intimsten ist Strubels Begabung für erzählerische Neutralität bemerkbar: eine menschenfreundliche Neutralität. Im Unterschied zu den meisten Schreibern ihrer Generation ist Strubel eine betont psychologische Autorin. Denunziation ist ihr fremd, nicht aber die Entlarvung."

Weitere Artikel: Daniel Kothenschulte weiß, warum die Popkomm nach Berlin zieht. "Köln ist uncool geworden." Oliver Pfohlmann beschäftigt sich mit dem Buchkritiker Herrmann Hesse, der trotz seiner Weigerung zum Verriss nicht den Bezug zur politischen Realität verloren hat. "Soll es denn dazu kommen, daß Mut dazu gehört für einen Deutschen, ein gutes englisches Buch besser zu finden als ein schlechtes deutsches?" Er wusste noch nichts von Harry Potter. Rüdiger Zill war auf dem Gedenkkolloqium für Herbert Marcuse, dessen Urne nun nach Berlin heimgekehrt ist. Christoph Schröder hing an den Lippen des Shakespeare-Experten Klaus Reichert, als der in Frankfurt seine Abschiedsvorlesung über die Zukunft der Geisteswissenschaften hielt. Renee Zucker sinniert in Zimt über den geistigen und körperlichen Verfall der Generation Golf. Kurz gemeldet wird, dass eine Rentnerin vielleicht einen Jackson Pollock für fünf Dollar gekauft hat und dass die Pulitzerpreisträgerin Carol Shields gestorben ist.

Auf der Medienseite lästern Stefan Behr und Matthias Thieme ein wenig über das prollige Neun Live, die 100 000 Euro Frage und den reaktivierten Jörg Draeger. Erwähnt wird auch, dass der russische TV-Moderator Wladimir Kara-Mursa aus Protest gegen die Abschaltung des regierungskritischen Fernsehsenders TWS eine Arbeit als Hausmeister angenommen hat.

Besprochen werden Bernstein- und Janacek-Musiktheaterpremieren bei den Bregenzer Festspielen, Stefan Hantels neues Kapitel der Weltmusik "Bucovina Club", und Bücher, darunter Robert Franks Band mit Fotografien aus "London / Wales" sowie Nikolai P. Anziferows morphologisches Poesiealbum "Die Seele Petersburgs".

Im Magazin, das diesmal ganz der Kunst des Urlaubmachens gewidmet ist, hält der Franzose Daniel Goeudevert, ehemaliger Ford- und VW-Manager und "Germanophiler", mit seiner Abneigung über den abgesagten Italien-Urlaub des Kanzlers nicht hinter dem Berg. "Nach Schröders Rückzieher fand ich auch die weitere Intervention von Otto Schily sehr traurig. Er ging zum Mikro und sagte: Ja, wenn der Kanzler nicht mehr nach Italien reist, gibt es doch noch andere Länder - Frankreich, Portugal oder Spanien. Wunderbar, er hat das Problem nicht verstanden - und er ist der Innenminister. Ist das nicht typisch deutsch? Da habe ich mich unter den Armen gekratzt."

Außerdem: Bernd Hauser reist ins Herz der Finsternis, pardon, ins Herz der Republik, in fünf Dörfer am ehemaligen Zonenrand. Thomas Wolff porträtiert den Kulturbotschafter Hyde Flippo, der seit vierzig Jahren US-Touristen die Vorzüge Deutschlands näher bringt. Jörg Hunke stellt Familie Hundt vor, die seit mehr als vierzig Jahren Urlaub im gleichen Dorf im Harz machen. als Zugabe gibt es Einführungen in die wichtigsten deutschen Dialekte: Berlinerisch, Hessisch, Schwäbisch, Kanak-Sprak, Pfälzisch, Bayerisch, Ruhrdeutsch und Plattdeutsch.

TAZ, 19.07.2003

Ludwig Blohm berichtet in seiner informativen Iran-Reportage (Landeskunde) im tazmag detailreich vom Alltag und den Wünschen der desillusionierten Bevölkerung. "Meinst du, hier hätte sich irgendetwas verändert, nur weil die Frauen jetzt ein bisschen mehr Haare zeigen dürfen?" fragt unser Freund Akbar, leicht gereizt. "Weißt du, wieviele Leute hier im Gefängnis sitzen, bloß weil sie ihre Meinung gesagt haben? Die Mullahs betrachten dieses Land als ihr Eigentum - glaubst du, das wollen sie je wieder hergeben? Jetzt komm bloß nicht mit Chatami?". Außerdem gibt es praktische Tipps, wie man als Deutscher zu anständigem Bier kommt. "Man kauft das islamische, alkoholfreie Bier und lässt es, mit Zucker und Hefe versetzt, nachgären. Danach kommt der Kronkorken wieder drauf. Die dazu erforderlichen Apparate gibt es im Bazar in erstaunlichen Mengen zu kaufen."

Cristina Nord beschreibt fasziniert, wie es Reinhard Jirgl (Bücher) in seinen "Unvollendeten" gelungen ist, sich ganz ohne weinerliche Selbstgerechtigkeit mit der Vertreibung der Deutschen auseinanderzusetzen. "Bei Jirgl entsteht aus den Fragmenten der eigenen Vita und der seiner Vorfahren ein präzises, dichtes Kunstwerk. Aus der Sprache holt er heraus, was diese an Möglichkeiten bereithält. Dazu gehören die experimentelle Ortografie und Interpunktion, ein streckenweise dem Mündlichen entlehnter Stil und eine Collagetechnik, die innere Rede, Artikel aus dem Neuen Deutschland, Echos vergangener Dialoge und mythologische Fragmente montiert und darüber hinaus ein Herz für Kalauer hat. Erstaunlich daran ist, dass sich dieser komplizierte Aufbau dem Erzählfluss nicht in den Weg stellt, sondern ihn beschleunigt."

Im Feuilleton beäugt Robert Misik skeptisch Robert Kaplans Weltbeherrschungsprosa "Zehn Regeln fürs Management der Welt", die in der Printausgabe des neuen Atlantic Monthly (und in einem Online-Interview) zu lesen waren. Jan Engelmann drehte Däumchen auf dem Berliner Ehrenkolloquium für Herbert Marcuse, das eher Nostalgietrip als Diskussionsrunde war.

Besprechungen widmen sich Henning Mankells neuem Kurt-Wallander-Krimi "Vor dem Frost" sowie Jeannette Eggerts und Uli Gaulkes Filmdokumentation "Heirate mich - Casate conmigo".

Auf der Medienseite bemerkt Maike Dimar, dass die linke Symbolik im Dienst von Radical Chic und Kapitalismus untergeht. Und Christian Rath freut sich, dass im Internet weiterhin direkt auf aktuelle Zeitungsartikel verlinkt werden darf. Wir freuen uns mit.

Im tazmag erforscht Sebastian Heinzel die Welt der selbstgemachten Aufkleber, die anonym und ohne (Werbe-)Botschaft die Straßen der Großstädte zieren. Dazu ein Überblick zu den Erscheinungsformen der Straßenkunst. Silke Burmester erzählt, wie die vergangen sieben Monate waren, die sie auf einem Atoll in der Südsee (mehr zum Ort) verbracht hat. Alles findet in Gruppen statt, Individualismus wird nicht gelebt. Man fischt, tanzt, macht Sport, arbeitet - immer mit anderen. Keiner schert aus." Wie verlockend! Helmut Höge stellt die Früchte seiner Beschäftigung mit der Kunst des Wäschewaschens vor, indem er Fotos deutscher Amateure mit zahllosen chinesischen Texten (hier der Überblick) zum Thema kombiniert. Etwa Tschiang Tschings Kommentar, ihres Zeichens Mao-Witwe: "Schmutzige Wäsche zu waschen ist kein Verbrechen, sondern ein notwendiger Akt, der noch in hundert Jahren immer wieder getan werden muss!"

Schließlich Tom.

NZZ, 19.07.2003

In der Debatte um die Gentechnologie erinnert Ludger Lütkehaus an Hannah Arendt und ihre Natalitätsphilosophie. Darin hat Arendt nämlich bereits auf die "jeden Kalküls spottende Unberechenbarkeit als Signum jedes wirklichen Anfangs" hingewiesen, wie Lütkehaus zitiert: "'Es liegt in der Natur eines jeden Anfangs, dass er, von dem Gewesenen und Geschehenen her gesehen, schlechterdings unerwartet und unerrechenbar in die Welt bricht. Die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses ist allen Anfängen und allen Ursprüngen inhärent.' Die Besonneneren unter den Vertretern der Biotechnologie haben denn auch beizeiten für das Genom-Projekt die Grenzen der Möglichkeit ins Auge gefasst. In der Tat: Dass jedes anfängliche Wesen, jedes Menschenkind - auch ein allenfalls geklontes - ein inkarniertes Überraschungsmoment ist, durfte bei aller Allwissenheit schon der Schöpfer erfahren. Man wird nicht hinter seine Erfahrungen zurückfallen wollen."

In Literatur und Kunst widmet sich Christian Saehrendt dem Kunststreit, der im Sommer 1933 unter den Nationalsozialisten ausgetragen wurde. "Gegen eine verengte völkische Kunstauffassung, wie sie vom 'Kampfbund' Rosenbergs vertreten wurde, versuchten Anhänger moderner Kunst, einen 'Nordischen Expressionismus' vornehmlich der Brücke-Maler zu protegieren. Anhänger moderner Kunst, einen 'Nordischen Expressionismus' vornehmlich der Brücke-Maler zu protegieren."

Alice Biro erzählt die Geschichte des Tessiner Baumeister Domenico Trezzini (mehr hier), der als erster Architekt für Peter den Großen Sankt Petersburg baute. Sibylle Omlin zeichnet ein Porträt der Hamburger Künstlerin Hanne Darboven (mehr zum Besipiel hier). Hanno Helbling macht sich grundsätzliche Gedanken über die "Vergänglichkeit der Bibel", das selektive Lesen und das vorgeprägte Deuten von Bibelstellen.

Besprochen werden die Aachener Ausstellung "Ex Oriente", Francesca Zambello einschlagende Einspielung der "West Side Story" bei den Bregenzer Festspielen und Bücher, darunter Anonimo Triestinos Roman "Das Geheimnis", der Briefwechsel von Rudolf Bultmann und Friedrich Gogarten, der von Herta Wolf herausgegebene Essayband "Paradigma Fotografie" und Jean Solers Studie "L'invention du monotheisme" (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

SZ, 19.07.2003

Der Jahrestag des Hitler-Attentats vom 20. Juli hat die SZ zu einem kleinen, aber feinen Schwerpunkt veranlasst. Der jüngste Sohn des Attentäters Graf Claus Schenk von Stauffenberg bestreitet im Interview, dass sein Vater zu Beginn ein Anhänger Hitlers war. "Als mein Vater von der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erfahren habe, in einer Übungspause, während der Rast, da habe er seinen Kaffebecher auf einen Stein geknallt und gesagt: 'Hat es das Schwein also doch geschafft!' Daraus aber nun eine frühzeitige Opposition abzuleiten, wäre genauso falsch. " Dazu lesen wir einen Auszug aus der heutigen Gedenkrede von Hildegard Hamm-Brücher, der vollständige Text soll morgen im Netz stehen. Felicitas von Aretin präsentiert außerdem erste Ergebnisse ihrer Befragung der Enkelgeneration des 20. Juli.

Axel Timo Purr schildert die Logik der ethnischen Massaker in Ruanda, Burundi und im Kongo. Er erklärt auch, warum Spenden nicht immer hilfreich sind. "Die Gelder helfen die Armee zu vergrößern und Parteimilizen auch in kleinen Dörfern zu bewaffnen. Zur gleichen Zeit beginnt sich immer schneller das Rad der Propaganda zu drehen. Über die nun liberalisierten Medien, vor allem aber über die freien Radiosender werden rassistische Hasstiraden gegen Tutsis verbreitet."

Weitere Artikel: Die Journalistin Chen Yuhu hält die Berliner Ausstellung mit den Schätzen aus dem chinesischen Kaiserpalast für ein Eigentor Taiwans. "Wenn Taiwan die Schau so sehr am Herzen liegt, so mag man sich fragen, warum beharrt es dann so starrsinnig auf seiner Unabhängigkeit von China?" Jens Bisky hat die erstaunliche Schau trotzdem gefallen. Bernhard Dotzler kommentiert in der Reihe Briefe aus dem 20. Jahrhundert ein Schreiben von Max Bense an Gottfried Benn aus dem Jahr 1935. Alex Rühle macht sich über die Leichtgläubigkeit der Medien lustig. Steffen Kraft gratuliert dem feinen, realistischen Erzähler Cormac McCarthy zum Siebzigsten. "tost" schreibt zum Tod der kanadischen Schriftstellerin Carol Shields. Gemeldet wird, dass das Guggenheim Museum eine Filiale in Taiwan plant.

Auf der Medienseite gibt uns Stefan Winterbauer einen Einblick in die ausufernde Macht der Internet-Suchmaschine Google und die wachsende Kritik am undemokratischen Googlepol. (Einen halb kritischen halb bewundernden Artikel über Google fanden wir neulich auch indem Microsoft gehrenden Magazin Slate.) Von Hans-Jürgen Jakobs, Christopher Keil und Klaus Ott erfahren wir, dass der Investorenpoker um ProSieben in eine neue Runde geht.

Besprochen werden die Münchner Uraufführung von Jörg Widmanns Oper "Das Gesicht im Spiegel", Francesca Zambellos Inszenierung von Bernsteins "West Side Story" bei den Bregenzer Festspielen, der neue Werner-Film "Gekotzt wird später", und Bücher, darunter Logan Pearsall Smiths philosophische Prosastücke und Aphorismen "Trivia", die erstaunlichen "Gesammelten Interviews" von Diether Roth und die von Eckhard Henscheid selbst gelesene Hörversion seiner Erzählung "Poschiavo - Graz einfach".

In der SZ am Wochenende fährt Gunter de Bruyn (Bücher) die Krumme Spree hinab, von der Beeskower Platte auf verschlungenen Wasserwegen ins Abseits. "Es blieb also bei den riesigen, ungeteilten, neuerdings mit Windrädern bestückten Äckern, die sich von einem Dorf bis zum anderen erstrecken, in windigen Trockenzeiten Sandstürme erzeugen und im Frühjahr und Winter auf den Betrachter ermüdend wirken. Im Sommer aber, wenn EU-geförderter Raps mit dem Gelb seiner Blüten auch an trüben Tagen Sonnenhelle verbreitet oder Wolken von Roggenpollen kilometerweit über die silbergrüngrauen, wellenförmig bewegten Flächen der Ähren geweht werden, wird die Einförmigkeit zu einem Naturerlebnis besonderer, nämlich technisch erzeugter Art."

Außerdem widerspricht Jürgen Todenhöfer in einem langen Plädoyer allen Behauptungen, der Irak-Krieg hätte im Nachhinein ja doch etwas gebracht. "So bleibt es dabei: Der Irakkrieg war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg." Nikolaus Piper weiß, was die gebeutelten Gewerkschaften brauchen: die Abkehr von ihren gesellschaftlichen Missonsgedanken. Susanne Bittorf berichtet, wie in Südafrika die Geschichte der jüdischen Immigranten zum Thema wird. Wäis Kiani berät uns, wie man mit den fünf Arten des weiblichen Wahnsinns zurechtkommt. Und Juha Päätalo hat sich mit einem entspannten Flavio Briatore über die Psychologie der Nacht und die Sehnsucht nach Arbeit unterhalten.