Magazinrundschau
Herz aus Bronze
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
21.02.2012. Einen Krieg gegen Frauenrechte diagnostiziert The New Republic in den USA. Wer nackte Frauen aufs Titelbild einer Zeitschrift bringt, soll sich nicht beschweren, wenn er im Knast landet, findet Rue89. In Elet es Irodalom erklärt die Historikerin Mirta Núñez Díaz-Balart, warum die Wunden aus der Franco-Diktatur nie verheilen konnten. In Eurozine sehen Stephen Holmes und Ivan Krastev wenig Gemeinsamkeit zwischen den Protesten in Russland und in der arabischen Welt. In der London Review of Books schäumt Edward Luttwak über eine Übersetzung: die Ilias ohne den 10. Gesang? Ohne den Helm mit den Hauern vom weißzahnigen Schwein? Unmöglich!
New Republic (USA), 01.03.2012

Außerdem: Die vielgerühmte Durchlässigkeit der amerikanischen Gesellschaft ist inzwischen nur noch ein Mythos, stellt Timothy Noah fest, nachdem er sich durch einige Studien gearbeitet hat.
Rue89 (Frankreich), 19.02.2012
Ein gewisses Verständnis hat Thierry Brésillon in seinem Blog Tunisie libre in rue89 für die Inhaftierung zweier Journalisten in Tunesien. Sie hatten ein Foto des Fußballers Sami Khedira gezeigt, der seine nackte Freundin umarmt. Der Chefredakteur der Zeitung Ettounsiya wurde daraufhin wegen Verstoßes gegen die guten Sitten in Untersuchungshaft gesteckt. "Was soll das Foto einer nackten Frau auf Seite 1 einer Zeitung? Und genauer: Warum ist die Ver- oder Entschleierung des weiblichen Körpers die entscheidende Frage für die tunesische Gesellschaft? Um den Ursprung dieser Passion zu verstehen, muss man Frantz Fanon wiederlesen, der im 'Jahr V der algerischen Revolution' über den Eifer der Kolonisatoren zur Enthüllung der Algerierinnen schreibt: 'Wenn wir die algerische Gesellschaft in ihrem Kontext, in ihrem Widerstandswillen treffen wollen, dann müssen wir die Frauen erobern.' Die Entschleierungszeremonien (in denen Musliminnen öffentlich ihren Schleier ablegten, d. Red.) wie etwa im Mai 1958 waren das Symbol eines von Frankreich in einer rückständigen Gesellschaft eroberten Terrains. Dieses Terrain musste man 'zivilisieren' und dem Zugriff des algerischen Nationalismus entziehen."
Il Sole 24 Ore (Italien), 19.02.2012

Le Monde (Frankreich), 18.02.2012
Der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun unternimmt einen - literarischen - Versuch, sich in den Kopf des syrischen Präsidenten Bachar Al-Assad zu versetzen. Nach Überwindung von „mindestens sieben Absperrungen“ ist er drin: „Sein Kopf ist nicht besonders groß. Er ist voller Stroh, Stecknadeln und Rasierklingen. Warum, weiß ich nicht. Sein Gehirn ist ruhig. Kein Stress, keine Nervosität. Ich weiß nicht,woher er diese Ruhe nimmt.“ Eine Erklärung liefert Jelloun, indem der Assad Folgendes denken lässt: „Mein Vater hat mich gelehrt, dass man in der Politik ein Herz aus Bronze haben muss. Ich habe meinem angewöhnt, niemals zu brechen. Keine Gefühle, keine Schwäche. Denn ich riskiere meinen Kopf und das Leben meiner gesamten Familie. Die Gauner, die Syrien verwüsten bekommen nur, was sie verdienen. Man redet vom ,arabischen Frühling’! Was soll das? Wo ist ein Frühling in Sicht? Es ist doch nicht so, dass nur weil ahnungslose Hetzer öffentliche Plätze besetzen, die Jahreszeiten Rhythmus und Richtung gewechselt haben. Bei mir wird das, was sie ,den Frühling’ nennen, nicht stattfinden.“
Zu lesen ist außerdem die Sammelbesprechung einer Biografie, eines Essays und eines Romans über Sir Arthur Conan Doyle, dessen Held Sherlock Holmes Rezensentin Elisabeth Roudinesco als „freudianischen Ermittler“ feiert.
Zu lesen ist außerdem die Sammelbesprechung einer Biografie, eines Essays und eines Romans über Sir Arthur Conan Doyle, dessen Held Sherlock Holmes Rezensentin Elisabeth Roudinesco als „freudianischen Ermittler“ feiert.
Elet es Irodalom (Ungarn), 17.02.2012

Eurozine (Österreich), 17.02.2012

Magyar Narancs (Ungarn), 16.02.2012

La vie des idees (Frankreich), 16.02.2012

London Review of Books (UK), 23.02.2012

Weiteres: Stephen Sedley legt im Widerspruch zu Jonathan Sumptions Vortrag vom vergangenen November (hier dazu mehr), der darin eine zunehmende Einmischung der Judikative in die britische Legislative ausmacht, dar, warum davon keine Rede sein könne. Christian Lorentzen überlegt als überzeugter Nichtwähler in der kommenden US-Präsidentschaftswahl schon auch aus nostalgischen Gründen gegen Mitt Romney zu stimmen. Charles Nicholl begibt sich zur Klärung der Frage, ob der frühe Renaissancemaler Andrea del Castagno tatsächlich ein Mörder gewesen ist, in staubige Archive. Rosemary Hill schreibt kurz und bündig über David Shrigleys Ausstellung "Brain Activity" in der Hayward Gallery in London.
New York Times (USA), 19.02.2012
Seit zwei Jahren ist in Frankreich das umstrittene Hadopi-Gesetz in Kraft, das illegale Downloads überwacht und nach der Three-Strikes-Regel sanktioniert. Glaubt man Eric Pfanner, dann wirkt es: "Studien zeigen, dass der Reiz der Piraterie verblasst, seit das Gesetz in Kraft ist, das von Musik- und Filmindustrie gepriesen wird und bei Anwälten des offenen Netzes verhasst ist. Digitale Verkäufe, die in Frankreich nur langsam starteten, haben jetzt erheblich zugenommen. Die Einnahmen der Musikindustrie stabilisieren sich." Es profitiert vor allem Itunes, dessen Verkäufe in Frankreich stark zugenommen haben. Pfanner zitiert Jérémie Zimmermann von La Quadrature du Net, der sagt, dass zum Download nun allerdings auch andere Software genutzt wird, die von Hadopi nicht überwacht werden kann.
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