Magazinrundschau
Bach war ein Arbeiter
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
15.03.2011. MicroMega bringt die ergreifende Rede des Historikers Angelo d'Orsi gegen den Niedergang Italiens. Das TLS behauptet, Englisch als lingua franca werde bald von Übersetzungsprogrammen abgelöst. Der New Yorker beschreibt zwei Möglichkeiten, eine Schreibblockade zu lösen. In Le Monde beschreibt Agnes Heller die Fronten des ungarischen Kulturkampfes. The Atlantic bringt eine Reportage über den digitalen Samisdat in Nordkorea. In Elet es Irodalom erklärt Bela Tarr: Ich bin kein Wichtigtuer!
MicroMega (Italien), 12.03.2011

Times Literary Supplement (UK), 09.03.2011
Kerstin Hoge stellt das Buch "The Last Lingua Franca" des britischen Wissenschaftlers und Publizisten Nicholas Ostler vor, das sich mit der Frage beschäftigt, ob Englisch in einer Welt, in der digitale Technologien billig und allgegenwärtig sind, als Verkehrssprache überlebensfähig ist beziehungsweise überhaupt noch gebraucht wird. "In Anerkennung der beispiellosen geografischen Ausdehnung des Englischen trifft Ostler eine strikte Unterscheidung zwischen Englisch als Muttersprache und Englisch als lingua franca bzw. Kommunikationsinstrument für Nicht-Muttersprachler. Diese Unterscheidung führt zu zwei Fragen bezüglich der Zukunft des Englischen. Die erste lautet: Wird sich Englisch, angesichts seiner Verbreitung als Muttersprache, in eine Reihe eigener Sprachen aufspalten wie Latein in den romanischen Sprachen? Und die zweite: Wird es auch weiterhin eine breit genutzte Verkehrssprache bleiben und möglicherweise seinen Einfluss noch steigern? Ostler beantwortet beide Fragen mit einem entschiedenen Nein." Englische Muttersprachler würden einander auch weiterhin weltweit verstehen, allerdings meint Ostler: "Innovationen in der Übersetzungs-Technologie werden die Notwendigkeit einer globalen Verkehrssprache beseitigen."
Kritisch besprochen wird außerdem eine neue Anthologie englischer Lyrik: ?The Cambridge History of English poetry", herausgegeben von Michael O?Neill.
Kritisch besprochen wird außerdem eine neue Anthologie englischer Lyrik: ?The Cambridge History of English poetry", herausgegeben von Michael O?Neill.
New Yorker (USA), 21.03.2011

Weiteres: John Lancester stellt das ultimative Kochbuch des ehemaligen Microsoft-Entwicklers Nathan Myhrvold vor, das von Warenkunde über Kücheneinrichtung und die richtige Zubereitung von Spiegeleiern bis hin zu Molekulartechniken wirklich alles behandelt - außer Desserts: "Modernist Cuisine" mit 2438 Seiten zu 625 Dollar. Anthony Lane sah im Kino den Actionthriller "Battle: Los Angeles" von Jonathan Liebesman und die Sci-Fi-Komödie "Paul" von Greg Mottola.
Le Monde (Frankreich), 14.03.2011
Warum attackiert die ungarische Regierung ausgerechnet die Philosophen?, fragt Agnes Heller: "Wir erleben einen 'Kulturkampf', eine Offensive der Macht gegen die Intellektuellen." Und dieser Kulturkampf ist nur die Begleitmusik zu einigen sehr konkreten politischen Maßnahmen: "Die Regierung führt eine Menge Reformen ein, die die Nerven rechtsbewusster Intellektueller reizen. Zum Beispiel indem sie von der Verfassung vorgesehene Gegenmächte schwächt, die Macht konzentriert, Einzahlungen an private Rentenversicherungen verstaatlicht, die Unabhängigkeit der Zentralbank einschränkt, nachträglich in Kraft tretende Gesetze einführt - und so weiter."
The Atlantic (USA), 01.04.2011

Geht es wirklich abwärts mit der Presse? Lesen wir nur noch den Blödsinn, den wir lesen wollen, hüstel, statt des Qualitätsmaterials, das wir lesen sollen? Reporterveteran James Fallows betrachtet Gawker und Fox News und kommt - nach vielen Gesprächen und überreiflicher Überlegung - zu dem Schluss: Nein, früher war's kein Stück besser. Und diese neuen Jungs haben alles in allem ziemlich gute Ideen. "'Die Linken lieben es, über den Verfall der Logik und wissenschaftlicher Methoden zu reden', sagt [Gawker-Gründer] Nick Denton. Eins seiner Beispiele: Al Gores Buch 'The Assault on Reason' über die Irrationalität des öffentlichen Lebens mit Passagen wie dieser: 'Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas beschreibt, was gerade geschieht, als 'Refeudalisierung der öffentlichen Sphäre'.' 'Aber was, wenn die Antwort auf eine falsche Erzählung nicht Fakten sind?', fragt Denton. 'Oder Habermas? Vielleicht ist die Antwort auf eine fehlerhafte Erzählung eine andere Erzählung. Man ändert die Story.' Genau das, meint er, haben Jon Stewart und Stephen Colbert getan. Sie überprüfen nicht die Fakten von Fox News oder versuchen sie direkt zu widerlegen oder sie mit den Mitteln von Fox zu bekämpfen. Sie verändern die Story nicht, indem sie die Realität verbiegen - ihre Stärke ist gerade ihr Vertrauen in Fakten - oder eine fiktive Erzählung verbreiten, sondern indem sie die Fakten auf eine Art präsentieren, wie es niemand zuvor getan hat.'"
Außerdem: Joshua Hammer beschreibt die Arbeit der - gut beschäftigten - Bombenentschärfungskommandos rund um Berlin. Und Caitlin Flanagan weiß, warum "gute" amerikanische WASP-Mütter Amy Chua nicht ausstehen können.
Elet es Irodalom (Ungarn), 11.03.2011

Guardian (UK), 12.03.2011
Was haben Mendelssohn, Nina Simone und die "Gremlins II" gemeinsam? Johann Sebastian Bach, wie Nichoals Kenyon in seinem Artikel über die Überzeitlichkeit des Komponisten weiß. "Bach nimmt in jeder Zeit ein anderes Gesicht an, und wir haben keine Zauberkräfte, um sagen zu können, welches richtig und welches falsch ist. Richard Wagner war verdutzt über 'das nahezu unerklärliche mysteriöse Phänomen ... diesen Meister, ein erbärmlicher Kantor und Organist, der von einem kleinen thüringischen Dorf ins nächste zog ... und so unbekannt blieb, dass es ein Jahrhundert dauerte, bevor seine Werke vor dem Vergessen gerettet wurden...' In einem hatte Wagner recht: Bach war ein Arbeiter ... Er ist nicht nur die Apotheose unserer Vorstellung vom Komponisten als Handwerker, sondern auch unserer Vorstellung vom Komponisten als Idealist, als einem Strebenden nach etwas Jenseitigem."
Janet Todd las zwei Bücher von Umberto Eco und Orhan Pamuk über das Schreiben und gelesen werden: "Confessions of a Young Novelist" und "The Naive and the Sentimental Novelist". Adam Newey stellt einen Band mit 1000 Gedichten vor, die Glyn Maxwell ausgesucht hat.
Janet Todd las zwei Bücher von Umberto Eco und Orhan Pamuk über das Schreiben und gelesen werden: "Confessions of a Young Novelist" und "The Naive and the Sentimental Novelist". Adam Newey stellt einen Band mit 1000 Gedichten vor, die Glyn Maxwell ausgesucht hat.
Magyar Narancs (Ungarn), 03.03.2011
Der Dirigent Ivan Fischer hatte sich in der FAZ sehr kritisch zur ungarischen Politik geäußert. Nun sind seinem Budapester Festivalorchester wie vielen anderen Kulturinstitutionen die Subventionen drastisch gekürzt worden. Ferenc Laszlo sprach mit Ivan Fischer anlässlich seiner Berufung zum Leiter des Berliner Konzerthauses ab 2012/13 und fragte ihn, was die Kürzungen für die ungarische Kulturszene bedeuten: "Die Kultur Ungarns und insbesondere Budapests ist ein kostbarer Schatz und ein herausragendes gesamteuropäisches Gut... Ich sehe es als meine persönliche Aufgabe an, in Berlin möglichst vielen zu erklären, dass die ungarische Kultur internationale Unterstützung verdient, denn ihre Erhaltung ist für das gesamte Europa wichtig. Ich bin nämlich davon überzeugt und halte diese Idee bei weitem nicht für abwegig, dass der ungarischen Kultur mit einer Art Marshall-Plan unter die Arme gegriffen werden müsste. Darüber werde ich mich auch in Deutschland zu Wort melden."
London Review of Books (UK), 17.03.2011

Weitere Artikel: Stephen W. Smith versucht zu erklären, was in der westlichen Wahrnehmung des Genozids in Ruanda bis heute katastrophal falsch läuft - mit fatalen Auswirkungen: der Diktator Paul Kagame wird vom Westen noch immer hofiert. Jenny Diski liest Stanley Fishs Untersuchungen zur von ihm heiß geliebten Fernsehserie "The Fugitive". Peter Campbell besucht die Ausstellung "Jan Gossaert's Renaissance" in der Londoner National Gallery.
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