Magazinrundschau
Die dem Käse innewohnende Schlechtigkeit
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
11.03.2008. Vanity Fair enthüllt eine skandalöse Geheimoperation der Bush-Regierung. Tygodnik Powszechny vermisst die französische Poesie eher nicht. In der NYRB findet Nicholson Baker sogar den Vandalismus in Wikipedia hinreißend. Edwy Plenel kündigt die neue Online-Zeitung Mediapart an. L'Espresso denkt über die Bösartigkeit von Käse nach. Expert Sibir untersucht den Kunstmarkt in Sibirien. Dem indischen Tiger macht ein fauler Zahn zu schaffen, weiß der Economist.
New York Review of Books (USA), 20.03.2008

Weiteres: Die drei hochrangigen US-Diplomaten William Luers, Thomas R. Pickering und Jim Walsh plädieren dafür, Irans Atomprogramm zu internationalisieren. Michael Tomasky analysiert den bisherigen Vorwahlkampf der Demokraten unter besonderer Berücksichtigung der Super-Delegierten, die Barack Obama wohl noch ein Super-Problem bescheren können. Martin Filler widmet sich Renzo Pianos Bau des Los Angeles County Museum of Art (Lacma). Besprochen werden Alan Greenspans Erinnerungen "The Age of Turbulence" und Peter Careys Roman "His Illegal Self" (den Cathleen Schine nur in dem Sinne klein nennen möchte, wie auch Bienen oder Uranmengen klein sind).
Mediapart (Frankreich), 10.03.2008
Am 16. März ist es soweit: An diesem Tag startet in Frankreich die neue Online-Tageszeitung Mediapart. Unter der Ägide des ehemaligen Chefredakteurs von Le Monde, Edwy Plenel, entstand ein Projekt, das über eine Art Netzabo allein von seinen Lesern finanziert werden soll. Es wird sich zeigen müssen, ob diese Rechnung aufgeht. Auf der derzeitigen Projektseite gibt Plenel jedenfalls einen kurzen Überblick über Entstehungsgeschichte, Personal und Pläne und erklärt, warum man sich für diese Finanzierungsform entschieden hat. "Im Klartext: Mediapart ist eine Journalistenzeitung, deren Kapital von ihrem Gründungsstab, der selbst überwiegend aus Journalisten besteht, kontrolliert wird. Ohne wem auch immer eine Strafpredigt halten zu wollen, erlauben wir uns einfach zu betonen, dass in der aktuellen Tageszeitungslandschaft eine solche strukturelle wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht gerade häufig ist."
Tygodnik Powszechny (Polen), 09.03.2008

Vanity Fair (USA), 01.04.2008

Alessandra Stanley hält Christopher Hitchens These natürlich für blödsinnig, dass Frauen nicht witzig sein könnten, gibt aber zu, dass er mit seiner seltsamen Ansicht nicht allein dasteht: "Der Humor von Frauen ist ein heikles Thema seit die erste einen Witz machte: Sarah, Genesis, weit über ihr Alter hinaus schwanger, kündigt an, ihren Sohn Isaak zu nennen. Das ist Hebräisch für Gelächter."
Caffe Europa (Italien), 09.03.2008
Von 1909 bis 1926 erschien das monatliche Magazin Lucciola ("Glühwürmchen" oder "Straßenmädchen"), ein schillerndes Projekt früher Feministinnen in dem damals noch stark ländlich und katholisch geprägten Italien, wie Francesco Roat berichtet. "Jede einzelne Ausgabe in schöner Schrift gedruckt, zum größten Teil von Frauen zusammengestellt (es gab aber auch männliche Beiträger), die ihre Beiträge mit einem Pseudonym unterzeichneten, war ein etwa 300 Seiten starkes Heft, das mit Zeichnungen, Fotografien, Drucken, Skizzen, Karten und schließlich Stickereien angefüllt war. Lucciola hatte aber auch einen umfangreichen Literatur- und Kulturteil zu bieten. Und es gab Reportagen und Rubriken wie etwa 'Referendum' - in der Debatten über Mode, sozial-kulturelle Werte und auch Politik angestoßen wurden - oder jene mit dem Titel 'Buchempfehlungen von Straßenmädchen', in der natürlich nicht nur Liebesromane behandelt wurden."
Spectator (UK), 08.03.2008

Abgedruckt ist ein Auszug aus Martin Rowsons Buch "The Dog Allusion", dem der Spectator die schöne Überschrift "Wenn Gott seine Existenz bewiese, würde ich immer noch nicht an ihn glauben" verpasst hat.
Gazeta Wyborcza (Polen), 08.03.2008

Economist (UK), 08.03.2008

Weitere Artikel: In einer Technologie-Beilage geht es unter anderem um die Frage, ob die Wikipedia nach möglichst großer Vollständigkeit oder möglichst großer Seriosität streben sollte. Vorgestellt werden Forschungen, die herausfanden, dass man auf Websites besser neue Artikel als beliebte Artikel ganz nach oben stellt. Besprochen werden unter anderem die Ausstellung mit Gemälden des späten Tizian in Venedig, Michael Burleighs "enttäuschendes" Buch "Blut und Empörung: Eine Kulturgeschichte des Terrorismus" und Michio Kakus populärwissenschaftliche Studie über die "Physik des Unmöglichen" - in dem man erfährt, dass außer dem Perpetuum Mobile und Hellsehen eigentlich gar nichts physikalisch undenkbar scheint.
Espresso (Italien), 07.03.2008

Nouvel Observateur (Frankreich), 06.03.2008

Expert Sibir (Russland), 03.03.2008
"Anfang der 90er Jahre war der sibirische Kunstmarkt einer der lebendigsten in Russland. Doch nach dem Crash im Jahr 1998 hat sich vieles verändert", schreibt die Journalistin Sofia Goldberg. Mit dem Crash spielt sie auf die Rubelkrise von 1998 an. In ihrem umfassenden Artikel "Die unverkäufliche Kunst" spricht Goldberg mit mehreren sibirischen Galeristen über den Status quo des Kunstmarktes in einer der reichsten Regionen Russlands. Trotz des großen Wirtschaftspotentials ist die Kunstszene hier, mehrere tausend Kilometer von Moskau entfernt, sehr wenig entwickelt. "Um das Überleben ihrer Galerien zu sichern, sind die Galeristen entweder auf Mäzene angewiesen oder auf Einnahmen aus einer Nebentätigkeit, die mit Kunst wenig zu tun hat, wie zum Beispiel die als Kleinunternehmer. Bei ihrer Arbeit gehen die Galerien nach dem traditionellen Salonprinzip vor." Die Gründe für die Kunstmarktflaute in Sibirien sind aber laut Goldberg "nicht nur auf den Mangel an Kapital oder Interesse für zeitgenössische Kunst" zurückzuführen. "Den Galeristen, die in erster Linie ihre Mission als Kulturträger im Blick haben, fehlt es unter anderem auch an dem Bewusstsein dafür, dass Kunstwerke gewinnbringend sein könnten", meint Goldberg.
New York Times (USA), 09.03.2008

Für einen anderen Artikel des Dossiers porträtiert Joe Nocera das Milliardärsehepaar Herb und Marion Sandler, die den Washington-Post-Journalisten Paul Steiger mit der Gründung von ProPublica beauftragten das ist ein journalistisches Experiment, das noch von sich reden machen wird: ProPublica wird zwanzig Reporter anstellen, um als Non-Profit-Organisation investigativen Journalismus zu betreiben. Die Sandlers sind untypische Mäzene, so Nocera; "Sie wählten einen Weg - investigativen Journalismus - den wenige andere Philanthropen beschritten haben. Statt das Geld jemandem zu geben, der sich bei ihnen gemeldet hat, haben sie den ersten Schritt getan... 30 Millionen Dollar für die ersten drei Jahre mit der Perspektive, dieses Engagement zu verlängern oder gar auszuweiten. Es ist eben hart für Philanthropen aufzufallen, wenn man nicht bereit ist, eine Menge Geld in die Hand zu nehmen, sagen die Sandlers."