Magazinrundschau
Hm, das ist komisch
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
10.01.2012. Werden Bücher bald eine Art Wiki von Autor und Übersetzer, fragt Il Sole 24 Ore. Rue 89 berichtet aus dem Tangokrieg in Buenos Aires. Wie wurde Luther populär? Mit Hilfe sozialer Netzwerke, weiß der Economist. In Guernica spricht die koreanische Dichterin Kim Hyesoon mit der Stimme des Außenseiters. Die Boston Review denkt mit Michael Nielsen über wissenschaftliche Evidenz nach. In Vanity Fair lässt Christopher Hitchens ein, zwei Dostojewskis fallen. Der New Yorker schildert den Einstieg Youtubes ins TV-Geschäft.
Il Sole 24 Ore (Italien), 08.01.2012

Wall Street Journal (USA), 31.12.2011
Nicholas Carr denkt darüber nach, was es für das Buch bedeutet, wenn der digitale Inhalt nicht mehr starr, sondern veränderbar ist. Eigentlich eine gute Sache, meint er, "Reiseführer werden ihre Leser nicht mehr in Restaurants schicken, die längst geschlossen sind oder in einst charmante Kneipen, die sich in Flohsäcke verwandelt haben". Aber was, wenn Verlage feststellen, dass die Leser eines Romans immer an einer bestimmten Stelle die Lektüre abbrechen. Werden sie den Autor zwingen, an diese Stelle das Wort "Sex" einzufügen?
Rue89 (Frankreich), 08.01.2012

Economist (UK), 07.01.2012

Vielleicht sollten die Rebellen es mit Musik als Verbreitungsmittel probieren. Wie wurde schließlich Luther populär? Nicht nur durch Pamphlete! Schon im 16. Jahrhundert waren soziale Netzwerke und Songs zur Verbreitung von Neuigkeiten populär, so der Economist: "Die Nachrichtenballade war, wie das Pamphlet, eine relativ neue Medienform. Sie verknüpfte eine poetische und oft übertriebene Beschreibung zeitgenössischer Ereignisse mit einer vertrauten Melodie, die leicht gelernt, gesungen und an andere weitergegeben werden konnte. Nachrichtenballaden waren oft Parodien, die absichtlich fromme Melodien mit säkularen oder sogar profanen Texten mischten. Sie wurden als gedruckte lyrics verbreitet, mit einem Hinweis, zu welcher Melodie sie gesungen werden sollten. Einmal gelernt, konnten sie durch gemeinsames Singen auch unter den Analphabeten verbreitet werden."
Außerdem: Eine neue Doppelbiografie über Ayaan Hirsi Ali und Aafia Siddiqui kontrastiert beider Lebensläufe in einer "unheimlichen Symmetrie" ähnlicher Lebensumstände, die zu völlig unterschiedlichen Konsequenzen führten, wie man dieser Besprechung entnehmen kann. Alte Violinen klingen besser als neue? Offenbar doch nicht zwangsläufig, folgt man diesen Darlegungen zu einer neuen Studie. Außerdem werden zwei neue Buchveröffentlichungen besprochen, die sich mit Muslimen in Europa befassen. Der Aufmacher singt ein derartiges Liebeslied auf den Londoner Finanzdistrikt, dass der Wirtschaftsjournalist Ian Fraser ihn im Blog Naked Capitalism als "intellektuell armselig" beschimpft.
Elet es Irodalom (Ungarn), 06.01.2012

Guernica (USA), 01.01.2012

Liu Xiaobos Essays, auf Deutsch unter dem Titel "Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass" erschienen, kommen nun auch auf Englisch heraus. Im Guernica Magazine ist vorab ein Text zu lesen, in dem der Friedensnobelpreisträger sehr kritisch Chinas Großmachtsfantasien betrachtet: "Wenn dem Aufstieg dieser großen Diktatur mit ihrer rapide wachsenden Wirtschaftskraft nicht von außen Einhalt geboten, sondern ihm vom internationalen Mainstream nur beschwichtigend gegenüber getreten wird, und wenn es den Kommunisten erneut gelingt, China auf einen desaströs falschen Weg abwärts zu führen, dann werden die Folgen nicht nur eine Katastrophe für das chinesischen Volk sein, sondern auch ein Desaster für die Verbreitung der liberalen Demokratie in der Welt."
Merkur (Deutschland), 05.01.2012

Wenn Europa nicht auseinanderbrechen soll, muss Deutschland die Hegemonie übernehmen, meint der Konstanzer Jurist Christoph Schönberger, aber diesmal bitte etwas umsichtiger: "Die Hegemonie in der Europäischen Union fordert von den deutschen Eliten und der deutschen Öffentlichkeit im Grunde etwas, das Deutschlands Lage in der Mitte Europas von ihnen schon immer verlangt hat: den Verzicht auf nationale Introvertiertheit; die aufmerksame Kenntnis, Beobachtung und Beeinflussung der europäischen Nachbarn; die Definition des eigenen Interesses unter Einbeziehung der Interessenlage der Partner; das Voraus- und Mitdenken für Europa insgesamt."
Außerdem: Rainer Hank plädiert für eine selbstbewusste Kleinstaaterei und gegen den Euro. Ekkehard Knörer liest Walter Boehlich. Auf Christian Demands programmatischen "Blick zurück nach vorn" haben wir bereits in der Feuilletonrundschau hingewiesen.
Boston Review (USA), 09.01.2012

Ebenfalls in der Boston Review: Claude S. Fischer, Soziologe aus Berkeley, bespricht das vielleicht am meisten rezensierte Buch der Saison: Steven Pinkers "The Better Angels of our Nature" (deutsch: "Gewalt - Eine neue Geschichte der Menschheit"). An die gute Nachricht, dass die Menschen weniger Gewalt ausüben denn je, will er glauben, aber nicht an Pinkers Erklärungen dafür.
Poetry Foundation (USA), 10.01.2012

Vanity Fair (USA), 10.01.2012

Außerdem: Salman Rushdies Nachruf auf Hitchens.
New Yorker (USA), 16.01.2012

Außerdem: David Remnick widmet Jodi Kantors neuem Buch (Leseprobe) über die Obamas eine ziemlich lange Besprechung dafür, dass das Buch im wesentlichen eine ausführlichere Darstellung ihres Obama-Porträts in der NYT ist und kaum etwas neues erzählt. Und David Denby sah im Kino Stephen Daldrys Verfilmung von Jonathan Safran Foers Roman "Extrem laut und unglaublich nah" sowie Cameron Crowes Film "We Bought a Zoo".
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