Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
14.11.2006. The Nation will die Meinungsseiten abschaffen. In Outlook India kritisiert der Historiker Irfan Habib die Kolonialisten. Der Guardian kritisiert nur die schlechten Kolonialisten. In Nepszabadsag sieht György Konrad immer noch das Gespenst der Fehde durch Südosteuropa ziehen. Elet es Irodalom singt ein Loblied auf die Sulzbergers. Folio geht shoppen. Foreign Policy auch: Schnittblumen und Kanonen bei Viktor Bout. Der Spectator sah die Zukunft des amerikanischen Konservatismus. Die New York Times kapituliert vor Londoner Taxifahrern.
The Nation (USA), 27.11.2006

Outlook India (Indien), 20.11.2006

Guardian (UK), 13.11.2006

Der Guardian druckt einen Auszug aus Patrick Süskinds demnächst erscheinendem Essayband "Über Liebe und Tod". Sind Eros und Thanatos wirklich Gegenspieler? "Wir können uns in Menschen hineinversetzen, die sich aus Liebe töten oder für die Liebe sterben. Wenn es nicht so wäre, wie könnten wir 'Die Leiden des jungen Werther', 'Anna Karenina', 'Madame Bovary' oder 'Effie Briest' ohne Bewegung lesen? Doch der Punkt, an dem die Empathie endet und das Interesse schwindet, sich regelrechter Widerwille regt, ist erreicht, wenn Eros sich stürmisch in die Arme von Thanatos stürzt, als wollte er sich mit ihm vereinen, wenn Liebe ihre höchste und reinste Form, ihre Erfüllung, im Tod zu finden sucht."
Weiteres: A.L. Kennedy liest betrübt "The Unpublished Spike Milligan", einen neuen Band mit Briefen, Tagebucheintragungen und Notizen von Spike Milligan, dem wohl depressivsten Komiker aller Zeiten. Geweint und frohlockt hat Simon Callow über Robert Aldrichs Weltgeschichte der Homosexualität "Gay Life and Culture".
DU (Schweiz), 01.11.2006

Saverio Lodato, der mit Camilleri zusammen das Buch "La linea della palma" ("Mein Leben") verfasst hat, in dem der Autor über die Lage Italiens unter Berlusconi kein Blatt vor den Mund nimmt, erzählt, wie es zur Zusammenarbeit kam: "Ich wollte ihn anspitzen. Ich wusste, dass er als junger Mann Kommunist gewesen war, aber nicht, ob er es immer noch war. Doch ich vermutete, dass ihm dieses hässliche, elende Italien missfiel. Natürlich hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wie er reagieren würde. Es wäre völlig legitim gewesen, nicht auf meinen Vorschlag einzugehen. Schließlich war er nicht verpflichtet, sich mit mächtigen Institutionen anzulegen, die ihn hofierten und hätschelten und alles taten, um ihn für sich zu gewinnen. Doch zu meinem großen Glück schien Camilleri nur auf die passende Gelegenheit gewartet zu haben. Als ich ihm meine Idee darlegte, ähnelte er einem Kater, der sich angesichts einer üppigen Portion gebratener Fischchen die Schnurrhaare leckt. Er schloss die Augen halb und grinste."
Nepszabadsag (Ungarn), 11.11.2006

Elet es Irodalom (Ungarn), 10.11.2006

ES-Chefredakteur Zoltan Kovacs kritisiert den Unternehmer Gabor Szeles, Mehrheitseigentümer von Magyar Hirlap, einer der wichtigsten Tageszeitungen Ungarns, weil er Chefredakteuren und führenden Publizisten gekündigt hat, um die politische Linie der Zeitung seinem Geschmack anzupassen. "Die New York Times ist eine der Zeitungen mit dem größten Ansehen weltweit, aber das ist auch das Verdienst der Eigentümer. Für sie ist die Presse mehr als nur ein Geschäftsunternehmen, mehr als nur ein Instrument politischer Einflussnahme... Macht ist für sie nicht das Ziel, sondern ein Mittel, um dem Gemeinwohl zu dienen. Die New York Times fördert Aufdeckung statt Verschweigen, Solidarität statt Komplizenschaft. Die Interessen der Familie Sulzberger und der Gesellschaft widersprechen sich nicht - auch wenn in Streitfällen Arthur Sulzberger immer das letzte Wort hat."
Weiteres: Der Verfassungsjurist Istvan Lövetei plädiert im Interview dafür, das Versammlungsrecht in der ungarischen Verfassung zu reformieren und bezahlte Demonstrationen zu verbieten. Andras B. Vagvölgyi findet es richtig, dass die Aufsichtsbehörde ORTT den privaten Fernsehsender Hir TV zu einer Geldstrafe verurteilt hat, weil er die Unruhen in Budapest mehrmals als "Revolution" bezeichnete. Der Novellenband "Transit" der jungen Autorin Noemi Kiss wird als Revolution des weiblichen Schreibens gepriesen (hier ein Text von Kiss über eine Reise in die Bukowina) und "Endlich eine gute Ehe", der 1929 entstandene Roman des völlig vergessenen Schriftstellers Akos Molnar, als Wiederentdeckung der Saison gefeiert.
Times Literary Supplement (UK), 10.11.2006

al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 08.11.2006
"Zeitbomben" bedrohen die ägyptische Filmindustrie, berichtet Ayhab al-Hadri. Gemeint sind die Erben von Berühmtheiten. So scheiterten jüngst zwei Filmprojekte über den Musiker Muhammad Abdul Wahab und den Sänger Farid al-Atrash an den Protesten von Angehörigen, die ein weitgehendes Mitspracherecht bei der Produktion der Filme einforderten. "Dieses Problem wird sich erst mit einem Wandel des arabischen Denkens lösen", so Hadri, "wenn sich nämlich die Erkenntnis durchsetzt, dass Stars keine Engel sind - und dass man sie nicht wie Esel behandeln sollte, die Goldtaler zum Wohle ihrer Erben und anderer Profiteure auswerfen. Erst dann wird es für diese Art von Filmdramen auch ein interessiertes Publikum geben, welches dem kreativen Schaffen neue Horizonte eröffnet, statt der Zensur eine weitere Tür aufzustoßen."
Hani Nasira stellt das Buch "Die Moderne - Zwischen Pascha und General" des ägyptischen Professors für Philosophie Ali Mabrouk vor, der die Geschichte der Modernisierung der arabischen Gesellschaften seit der französischen Besetzung Ägyptens 1798 nachzeichnet. Der Druck zur Modernisierung ging laut Mabrouk lange Zeit entweder von der staatlichen Gewalt, dem Pascha, oder von äußeren Mächten, den Generälen, aus: "Deshalb wurde Modernisierung in der Gesellschaft als etwas Aufgezwungenes wahrgenommen, als ein Element der Repressionen des Staates. So wurde die Frage der Modernisierung zu einem Teil der politischen Kämpfe, beschäftigte aber die Bereiche der Kultur und des Wissens nur insoweit, wie es die Politik erforderlich machte. Dies war auch der Grund, weshalb die Moderne nicht zu einer bestimmenden Größe in den Kämpfen um die gesellschaftlichen Verhältnisse werden konnte."
Hani Nasira stellt das Buch "Die Moderne - Zwischen Pascha und General" des ägyptischen Professors für Philosophie Ali Mabrouk vor, der die Geschichte der Modernisierung der arabischen Gesellschaften seit der französischen Besetzung Ägyptens 1798 nachzeichnet. Der Druck zur Modernisierung ging laut Mabrouk lange Zeit entweder von der staatlichen Gewalt, dem Pascha, oder von äußeren Mächten, den Generälen, aus: "Deshalb wurde Modernisierung in der Gesellschaft als etwas Aufgezwungenes wahrgenommen, als ein Element der Repressionen des Staates. So wurde die Frage der Modernisierung zu einem Teil der politischen Kämpfe, beschäftigte aber die Bereiche der Kultur und des Wissens nur insoweit, wie es die Politik erforderlich machte. Dies war auch der Grund, weshalb die Moderne nicht zu einer bestimmenden Größe in den Kämpfen um die gesellschaftlichen Verhältnisse werden konnte."
Gazeta Wyborcza (Polen), 11.11.2006

Im westukrainischen Drohobytsch beginnt das Internationale Bruno-Schulz-Festival, bei dem der polnisch-jüdische Schriftsteller geehrt wird. "Erst langsam entsteht in der Stadt ein Kreis von ukrainischen Schulz-Forschern. Die bisherige Vernachlässigung des Erbes führte unter anderem dazu, dass einzigartige Wandgemälde des Künstlers durch Mitarbeiter des Yad Vashem illegal entfernt wurden. Während des Festivals wird endlich eine Gedenktafel für Bruno Schulz enthüllt - an der Stelle, wo er vor 64 Jahren von einem Gestapo-Offizier erschossen wurde."
Folio (Schweiz), 06.11.2006

Außerdem besucht Burkhard Strassmann das offiziell chaotische Lager von Amazon in Bad Hersfeld, Sabine Kobes, Textchefin der Gala, berichtet über die Shoppinggewohnheiten von Promis und Hollywood-Diven, Anja Jardine über einen Besuch beim Maßschneider, Mikael Krogerus unterhält sich mit shoppenden Teenagern, und Herbert Cerutti bietet kleine Kulturgeschichten des Shopping-Mobiliars: der Plastiktüte, des Einkaufwagens, der Registrierkasse und der Rolltreppe.
Und in der Duftnote ruft der weltbeste Parfumkritiker Luca Turin in einem leidenschaftlichen offenen Brief den Vorsitzenden der Coty Inc. Dr. Harf auf, die Kreationen des legendären Parfumeurs Francois Coty wieder aufzulegen: "Wem etwas an Parfum liegt, kennt seine Meisterwerke: L'Origan, Ambra Antique, L'Aimant, Chypre, Emeraude. Leider sind alle außer Emeraude und L'Aimant verschwunden, und was erhalten blieb, hat mit den ursprünglichen Düften wenig gemein. ... Bringen Sie die Coty-Klassiker in ihrer ursprünglichen Formel neu heraus!" Vor Schreck ist den angesprochenen Herren die Biografie von der Website gerutscht. Das ist nicht nötig. Wir bestellen Chypre sofort!
Foreign Policy (USA), 01.11.2006

London Review of Books (UK), 16.11.2006

Weitere Artikel: Michael Wood ist verblüfft von Jack Nicholsons kranker schauspielerischer Leistung im neuen Scorsese-Film "The Departed": Nicholson spiele seine Gangster-Figur als "Psychopathen, der vorgibt, ein Witzbold zu sein", oder mehr noch, als einen, "der so tut, als würde er nur so tun". Und Andrew O'Hagan amüsiert sich blendend bei der Lektüre des vom britischen Innenministerium herausgegebenen Informationshandbuchs für Anwärter auf die britische Staatsangehörigkeit, "Life in the United Kingdom: A Journey to Citizenship".
Economist (UK), 10.11.2006

Und der Economist empfiehlt den Besuch der außergewöhnlichen Ikonen-Ausstellung "Holy Image, Hallowed Ground: Icons from Sinai" (im Getty Museum in Los Angeles), die den umstrittenen Versuch unternimmt, die Besucher in eine Atmosphäre klösterlicher Andacht eintauchen zu lassen.
Point (Frankreich), 09.11.2006

Spectator (UK), 14.10.2006

War der Prozess gegen Saddam Hussein fair? Das kümmert Alasdair Palmer einen Dreck: "Ein Prozess ist besser als eine sofortige Hinrichtung. Und es gibt eine Sache, die noch schlimmer ist als die sofortige Hinrichtung eines früheren Staatsoberhauptes, das ein Massenmörder war: seine Freilassung. Das ist natürlich eine Option, die ein 'fairer Prozess' offen halten muss. Und es ist der Grund, warum Prozesse gegen Massenmörder niemals fair sein sollten."
New York Times (USA), 13.11.2006
Jim Windolf ist einfach hingerissen von Stephen Kings Gruselmärchen "Lisey's Story" (Auszug), eine "Ode an Schwesternschaft und Blut". Das überrascht den Leser, der zu Beginn der Rezension erfährt, dass die Hauptperson in dem Roman eigentlich Liseys Mann ist, der verstorbene Pulitzerpreisträger Scott Landon. "Stephen King hat über Zombies geschrieben, Vampire und das Ende der Welt. Er hat ein mörderisches Auto, einen mörderischen Hund, einen mörderischen Clown und ein mörderisches Handy erfunden. Aber wenn er Ihnen wirklich Angst einjagen will, holt er das fürchterlichste Monster von allen hervor, diese zitternde Masse aus Ego und Unsicherheit - den Schriftsteller."
Nathaniel Rich hat keinen Gefallen gefunden an Will Selfs neuem Roman "The Book of Dave" (Auszug). "Self überlegt, was wäre, wenn die englische Gesellschaft in 500 Jahren nicht von der jüdisch-christlichen Theologie, sondern von den unflätigen Schimpfreden eines hasserfüllten Londoner Taxifahrers aus dem 21. Jahrhundert geprägt wäre." Diese Vision missfällt Rich nicht nur, er versteht sie auch nicht, denn Selfs Held spricht einen Cockney-Dialekt, der einem Amerikaner den letzten Nerv raubt: "Mi awdas R onle 2 tayk U sarf 2 Wyc, ware U R 2 B landid. Eye no nuffing uv oo U R aw wot U av dun, mayt, so folla ve rools uv mi ferre an Eyel giv U no aggro." Hugh.
Weitere Besprechungen: James Traub nennt Anatol Lievens und John Hulsmans Bush-Kritik "Ethical Realism" eine "perverse Errungenschaft neokonservativer Theorie und Praxis". Elena Lappin stellt nach der Lektüre von Jeffrey Goldbergs Buch "A Muslim and a Jew Across the Middle East Divide" (Auszug) fest: "Der Nahe Osten wird ein großes Gefängnis bleiben, solange es keine Bücher über die Freundschaft zwischen Juden und Arabern gibt, die Araber geschrieben haben." Charles Taylor stellt Nick Rennisons (natürlich) unautorisierte Biografie über Sherlock Holmes vor.
Nathaniel Rich hat keinen Gefallen gefunden an Will Selfs neuem Roman "The Book of Dave" (Auszug). "Self überlegt, was wäre, wenn die englische Gesellschaft in 500 Jahren nicht von der jüdisch-christlichen Theologie, sondern von den unflätigen Schimpfreden eines hasserfüllten Londoner Taxifahrers aus dem 21. Jahrhundert geprägt wäre." Diese Vision missfällt Rich nicht nur, er versteht sie auch nicht, denn Selfs Held spricht einen Cockney-Dialekt, der einem Amerikaner den letzten Nerv raubt: "Mi awdas R onle 2 tayk U sarf 2 Wyc, ware U R 2 B landid. Eye no nuffing uv oo U R aw wot U av dun, mayt, so folla ve rools uv mi ferre an Eyel giv U no aggro." Hugh.
Weitere Besprechungen: James Traub nennt Anatol Lievens und John Hulsmans Bush-Kritik "Ethical Realism" eine "perverse Errungenschaft neokonservativer Theorie und Praxis". Elena Lappin stellt nach der Lektüre von Jeffrey Goldbergs Buch "A Muslim and a Jew Across the Middle East Divide" (Auszug) fest: "Der Nahe Osten wird ein großes Gefängnis bleiben, solange es keine Bücher über die Freundschaft zwischen Juden und Arabern gibt, die Araber geschrieben haben." Charles Taylor stellt Nick Rennisons (natürlich) unautorisierte Biografie über Sherlock Holmes vor.