Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
28.09.2006. Die NZZ beklagt anlässlich der Absetzung des "Idomeneo" den lokalpolitischen Dilettantismus im Berliner Milieu. Der Tagesspiegel fragt, warum Thomas Flierl die Opernintendantin zwei Wochen im Regen stehen ließ. Die FR sieht die Grundfesten des bürgerlich-westlichen Selbstverständnisses in Gefahr. Die taz zeigt sich überrascht von der plötzlichen Liebe der CDU zur Freiheit der Kunst. Im Spiegel ärgert sich Feridun Zaimoglu über Aufklärungsspießer. In der Zeit beklagt Navid Kermani die intellektuelle Auszehrung des Islam.

Tagesspiegel, 28.09.2006

Rüdiger Schaper vermutet politische Interessen hinter der "Idomeneo"-Affäre: "Kirsten Harms ist die erste Intendantin dieses Landes, die vor einer kaum konkreten Terrorbedrohung einknickt. Sie hat sich darüber mit Kultursenator Thomas Flierl nicht beraten, sondern ihm lediglich einen Brief geschrieben. Der lag zwei Wochen lang unbeachtet in der Kulturverwaltung. Man fasst es nicht: Offenbar war sich niemand in der Behörde der Brisanz des Schreibens bewusst. Der Verdacht drängt sich auf, dass Flierl die Intendantin - er selbst hat sie berufen - im Regen stehen ließ. Warum war er nicht bei der Pressekonferenz in der Oper? Mehr und mehr gerät die Deutsche Oper in Schieflage. Auch politisch. Die beiden anderen finanziell bedrängten Musiktheater Berlins wollen sich zum 'Idomeneo'-Fall nicht äußern. Jemand hat ein Interesse daran, dass Kirsten Harms bald nicht mehr zu halten ist. Und womöglich auch ihr Haus."

Thomas Flierl selbst erklärt im Interview mit Christiane Peitz, warum er die Absetzung des "Idomeneo" nicht richtig und nicht falsch findet: "Frau Harms' Entscheidung ist subjektiv verständlich, da sie die ihr vermittelten Bedrohungsszenarien für real halten musste. Aber objektiv ist die Entscheidung falsch."

Und noch zu einem anderen Thema: In einem Interview mit Christina Tilmann erklärt der britische Kunstritiker Mark Gisbourne, warum Berlin für internationale Künstler so attraktiv ist: "Nur zu sagen, dass man hier billig leben und Ateliers mieten kann, ist zu einfach. Das könnte man auch in Sofia oder anderswo. Es ist vielmehr diese Idee einer Stadt als offener Raum, der noch nicht definiert ist. Berlin ist etwas Besonderes, eine Stadt, die von ihrem Ruf lebt... Es geht dabei nicht nur um Geschichte, sondern um den bestimmten Spirit der Stadt. Die Stadt ist ziemlich aggressiv, eine Arbeiterstadt, ziemlich rau. Sie hat keine Ansprüche wie andere Städte, es gibt auch nicht so eine Abhängigkeit vom Lifestyle."

Berliner Zeitung, 28.09.2006

Birgit Walter hat die Proben bei der Deutschen Oper besucht und stellt fest, dass die Mitarbeiter hinter Harms stehen. "Doch warum hat Harms eine derart einsame Entscheidung getroffen? Warum hat sie sich nicht beraten, mit dem Regierenden Bürgermeister oder dem Kultursenator? 'Ja, was glauben Sie denn, ich habe mich über jeden Schritt beraten. Über meine Entscheidung wussten alle Bescheid, auch Thomas Flierl, auch Klaus Wowereit. Bis in die Presseformulierungen ist alles abgestimmt. Ich finde es seltsam, dass jetzt alle andere Einschätzungen treffen und empört sind.' Tatsächlich kamen beide Senatsmitglieder am Dienstag nach einer Senatssitzung zu der Einschätzung, es handle sich um 'keine konkrete Gefährdung', Wowereit nannte die Entscheidung falsch. Fassen wir zusammen: Innensenator Ehrhart Körting hat der Deutschen Oper alarmistisch empfohlen, die Oper abzusetzen, und danach erklärt, dass es nicht seine Entscheidung war. Der zuständige Senator hat die Verantwortung für die Sicherheit der Deutschen Oper abgegeben an die Intendantin. Er will sich nichts vorwerfen lassen." Regisseur Neuenfels und Dirigent Zagrosek haben sich auch nicht besser verhalten, so Walter.

Zeit, 28.09.2006

Jens Jessen weiß, wie Kirsten Harms aus dem Idomeneo-Dilemma herausgekommen wäre: "Sie hätte auf der Inszenierung beharren können - und Polizeischutz anfordern müssen. Sie hätte die Gefährdung des Publikums öffentlich machen und den Zuschauern wie den Mitwirkenden überlassen können, ob sie sich dem Risiko aussetzen wollen. Damit hätte sie zugleich die Freiheit der Kunst verteidigt und die Probe darauf gemacht, was der Gesellschaft diese Freiheit wert ist."

Die Lage der Muslime in Deutschland wird ungemütlich werden, befürchtet Navid Kermani in einem pessimistischen Zwischenruf. Die weltweiten Anschläge durch Fundamentalisten werden nicht abreißen, der Islam selbst stecke in einer beispiellosen Krise. "Wie katastrophal etwa der Zustand der Theologie ist! Nehmen wir die Azhar-Universität in Kairo, die größte religiöse Institution des sunnitischen Islams... Das intellektuelle Niveau, auf dem innerhalb der zentralen religiösen Autorität der sunnitischen Muslime über Religion nachgedacht wird, dürfte von den meisten evangelischen Dorfgemeinden in der Schweiz übertroffen werden. Die intellektuelle Auszehrung dieses orthodoxen Islams - dessen einstige Beweglichkeit einen nur staunen machen kann -, dieser Niedergang einer hochstehenden religiösen Kultur ist es, die den Fundamentalismus erst ermöglicht hat. Der Fundamentalismus ist nicht entstanden in der Orthodoxie, sondern ist eine Antwort auf die Krise der Orthodoxie. Weil die Orthodoxie keine Antworten mehr gab, hat sich in den städtischen Mittelschichten der politische Islam herausgebildet."

In Kiew wird mit Macht in die Kunst investiert, berichtet Barbara Lehmann. Ein mit dem Präsidenten verbandelter Bankier will eine ukrainische Eremitage bauen, der Schwiegersohn des Expräsidenten Leonid Kutschma, Wiktor Pinchuk, hat eben sein Haus für zeitgenössische Kunst mit Glanz und Gloria eingeweiht. "Wir sind wie ihr seid!, lautet die Botschaft an die westlichen Besucher, nur hipper, cooler, reicher."

Weitere Artikel: Hanno Rauterberg beklagt, dass die deutschen Museen ihre wertvollen Archive sträflich vernachlässigen und verkommen lassen. Der Schriftsteller Matthias Altenburg hält die jüngsten Rufe nach Disziplin und Härte in der Erziehung für absurd. Zukunftschancen, also Ausbildungsplätze müssten her. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts Hans-Georg Knopp beklagt die Einsparungen in seinem Haus und fordert von der Politik, die Aufgabe der "kulturellen Integration Deutschlands in die globalisierte Welt" endlich zu erkennen. Christof Siemes nennt den geplanten Verkauf von Handschriften durch die Markgrafen von Baden und Baden-Württemberg eine "Schande für eine Bundesland, das dem Rest der Republik gern mit seinem Wohlstand und seiner Kultur auf die Nerven geht". Tobias Timm geht auf die Berliner Kunstmesse Art Forum. In einem Essay rät der "liberale Falke" und ehemalige Chefredakteur der New Republic, Peter Beinart, den USA, sich auf Reinhold Niebuhr und seine Forderung nach höheren moralischen Standards zu besinnen (hier die Vorlage aus der New York Times).

Acht Seiten widmen sich Musikalischem. Thomas Gross spricht mit dem Musikredakteur Simon Brougthon über seine CD "The Rough Guide To The Music Of Iran", die Bravheit von iranischen Rockbands und die einzige staatlich anerkannte Hip-Hop-Gruppe. Claus Spahn erklärt, wie der vor hundert Jahren geborene Komponist Dmitri Schostakowitsch gleichzeitig Stalinist und gegen Stalin sein konnte. Vorgestellt werden Alben von Madeleine Peyroux, den Scissor Sisters, Christine Schäfer (die "Anti-Anna-Netrebko"), Jimi Tenor und Francis Couturier, der Andrej Tarkowski ein Denkmal gesetzt hat. Im restlichen Feuilleton gibt es zwei Besprechungen, zu einer Ausstellung mit Installationen von Andreas Slominski im Frankfurter Museum für Moderne Kunst sowie zu Michel Gondrys "liebevollem" Film "Science of Sleep".

104 Seiten zählt die stattliche Literaturbeilage zu der in einer Woche beginnenden Frankfurter Buchmesse. Gastland ist Indien. Martin Mosebach erzählt im Aufmacher, wie er am großen Opferfest auf dem Mount Abu teilgenommen hat. Die Verlegerin Urvashi Butalia beklagt den Mangel an Übersetzungen von Büchern, die in einer der 18 nichtenglischen Sprachen Indiens erschienen sind. Dann folgt Besprechung um Besprechung. Wir werten den Schmöker in den nächsten Tagen aus.

NZZ, 28.09.2006

Claudia Schwartz weiß weitere Einzelheiten über die Absetzung der "Idomeneo": "Vor allem trägt der Vorfall aber die Züge jenes typischen lokalpolitischen Dilettantismus, wie er im Berliner Milieu gang und gäbe ist: Innensenator Körting schürte gegenüber der Opernchefin nach einem anonymen Hinweis bei den Sicherheitsbehörden und einer durch das Landeskriminalamt festgestellten unspezifischen 'Gefährdungslage' Furcht, indem er erklärt haben soll, er fahre täglich gerne an der Westberliner Oper vorbei und wolle nicht erleben, 'dass sie nicht mehr da sei'. Körting habe ihr gegenüber dann zwei Lösungen vorgeschlagen, erklärte Harms: entweder die Inszenierung ändern oder sie absetzen. Im Übrigen soll der für Sicherheitsfragen zuständige Berliner Senator die Entscheidung über ein weiteres Vorgehen der Opernchefin überlassen haben."

Und Martin Meyer kommentiert: "Der islamistische Terrorismus ist eine Realität; vermutlich mit zunehmendem Mond. Ziele seiner Aktionen mögen nun auch der Vatikan sein oder die Stadt Rom - oder, Absetzung hin oder her, die Deutsche Oper zu Berlin. Hingegen liegt es ganz in unserer Hand, das vorherrschende Klima vorzutreiben mit vielerlei appeasement oder entschieden weiterhin den Standpunkt der Freiheit zu stärken. Schon hat der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland vermelden lassen, eine Karikatur oder eine Oper mache 'keinen großen Unterschied'. Das kann man durchaus auch als Drohung hören."

Weiteres: Einen Anflug von Aufbruch beobachtet Christian Gasser in der deutschen Comic-Branche. Besprochen werden die Ausstellung der Notizbücher Leonardo da Vincis "Experience, Experiment and Design" im Londoner Victoria and Albert Museum, Zadie Smith' Roman "Von der Schönheit", Walter Moers' "durch und durch alberne, durchaus komische" Hanswurstiade "Adolf", Moritz von Uslars Roman "Waldstein oder der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

Spiegel Online, 28.09.2006

Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu kann in der "Idomeneo"-Absetzung keinerlei Kapitulation vor dem Islamismus sehen, wie er im Interview mit Severin Weiland erklärt: "Papperlapapp. Was ich in diesem Deutschland, meinem Mutterland, gelernt habe, ist: Dass man bitte, bitte, bitte die Bodenhaftung nicht verlieren darf. Ich sehe im Grunde auf der einen Seite die üblichen Verdächtigen, die nur einen Grund suchen, um schon wieder beleidigt zu sein. Und auf der anderen Seite sehe ich die Aufklärungsspießer, die es ja sehr einfach haben und nun erklären, man sei vor den Islamisten in die Knie gegangen. Das ist doch Humbug... Es wird doch im Grunde genommen nicht über die Sache gestritten, über die Frage etwa, ob die Inszenierung angemessen war oder nicht. Es geht vielen darum, an der Intendantin ein Exempel zu statuieren."

TAZ, 28.09.2006

Tobias Rapp beschreibt die Debatte um die abgesetzte Mozart-Oper als Symptom eines Lebens "im Fall-out des Karikaturenstreits". Denn "stärker als irgendein Ereignis der letzten Jahre dürfte der Karikaturenstreit mit seinen Bildern vom Verbrennen dänischer Fahnen durch muslimische Spinner im europäischen Alltagsbewusstsein den Eindruck hinterlassen haben, dass es da draußen Leute gibt, die die Art und Weise bedrohen, wie man im Westen lebt und denkt. Es ist eine Erzählung, die ans Eingemachte geht, und dass muslimische Würdenträger ständig Entschuldigungen für Äußerungen fordern, über die man sich im Westen lieber streitet, verstärkt sie noch."

Etwas überrascht zeigt sich Arno Frank in der tazzwei von der plötzlichen Liebe einiger Unionspolitiker und Unionspolitikerinnen zur Freiheit der Kunst: "Heißt es doch in einem Gesetzentwurf der Union zum 'besseren Schutz religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen' wörtlich: 'Nach dem Willen der Abgeordneten soll eine solche Beschimpfung künftig nicht erst dann strafbar sein, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören', denn: 'Zahlreiche Spielfilme und Bühnenstücke ließen zunehmend jegliches Maß an Toleranz und Achtung vor der religiösen Überzeugung anderer vermissen.' Kunstfreiheit? Nicht bei 'durch Form und Inhalt besonders verletzende Äußerung der Missachtung'!"

Weiteres Katrin Bettina Müller schreibt aus Graz vom Festival Steirischer Herbst und Tilman Baumgärtel berichtet in einer "Mail aus Manila" über politisch motivierte Morde in der philippinischen Metropole.

Besprochen werden Michel Gondrys Film "Science of Sleep" (den Andreas Busche "groß, schön und entwaffnend naiv" findet), Naomi Kleins und Avi Lewis' aktivistischer Dokumentarfilm "The Take - Die Übernahme" (von dem Bert Rebhandl nicht so begeistert ist) und Kutlug Atamans Spielfilm "Zwei Mädchen aus Istanbul".

Und Tom.

FR, 28.09.2006

Christian Thomas sieht die Absetzung des "Idomeneo" in Berlin an "den Grundfesten des bürgerlich-westlichen Selbstverständnisses seit der europäischen Aufklärung" rühren. "Nicht erst seit dem Berliner 'Idomeneo'-Eklat besteht eine Erkenntnis darin, dass der Islamismus ein schrecklicher Gleichmacher ist. Er verhängt über den Globus eine Weltinnenpolitik der Angst, mit der ein Weltgeist der Intoleranz zu sich selbst findet. Eine weitere Erkenntnis besteht nun darin, dass die Deutsche Oper Berlin ihren Glauben an eine historische Mission verspielt hat. Beides, den Glauben wie die Mission, könnte man als eine so heilige wie profane Pflicht sehen. Sie bestünde darin, gerade die Bühne als Ursprungsort nicht nur bürgerlicher, sondern überhaupt abendländisch-zivilisatorischer Selbstverständigung heroisch zu verteidigen."

"Der Eindruck von Klaustrophobie und Depression, den die Gesellschaft vermittelt, scheint im Theater derzeit nur chice Klischees hervorzubringen"" resümiert Renate Klett ihre Eindrücke vom 40. Belgrade International Theatre Festival.

Weiteres: Martin Altmeyer berichtet von der Dresdener Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie. Johanna Wolff war beim Frankfurter Kinderfilmfest Lucas und in der Kolumne Times Mager widmet Julia von Sternburg sich Geschmacksfragen. Gemeldet wird außerdem der Tod der großen Theaterschauspielerin Hortense Raky.

Besprochen werden die Ausstellung "I Like America" in der Frankfurter Kunsthalle Schirn, die Uraufführung von Bruno Mantovanis Opernerstling "L'Autre Cote" im Rahmen des Straßburger Musica-Festivals, Oliver Stones Film "World Trade Center" ("Nicht nur ein Wahnsinnskitsch, sondern der Marsch durch die Apokalypse, umdefiniert zum Reinigungsbad", stöhnt Rüdiger Suchsland), Michel Gondrys Film "Science of Sleep" (für Daniel Kothenschulte der "zärtlichste Film der Saison") und Frank Coracis Film "Klick".

Welt, 28.09.2006

Eckhard Fuhr ist mit der einmütigen Reaktion gegen die Idomeneo-Absetzung sehr zufrieden. "Unser kulturelles Selbstbewusstsein scheint, so paradox das klingt, stärker zu sein, als wir selbst oft glauben." Manuel Brug zweifelt an der Hauptstadttauglichkeit von Kirsten Harms und glaubt, dass ihre Zukunft nun am Erfolg ihrer ersten eigenen Regiearbeit, Alberto Franchettis "Germania", am 15. Oktober hängt. Im Interview mit Reinhard Wengierek betont der Festivalorganisator Stefan Schmidtke das wachsende Interesse an internationalen Theaterfestivals in islamischen Ländern und erinnert sich zur Abwechslung mal an einen positiven Dammbruch: Die erstmalige Aufführung von "Nathan der Weise" in Kairo vor zwei Jahren.

Kunst bewegt! Jennifer Wilton meldet, dass der britische Komiker Sacha Baron Cohen alias Ali G mit seiner Figur des trotteligen kasachischen Reporters Borat Sagdiyev den echten Präsidenten Nursultan Nasarbajew irritiert. Ein 40 Millionen Dollar teurer, staatsfinanzierter Film um den heldenhaften kasachischen Krieger Mansur soll das Image wieder aufpolieren. "Flankierend werden während Nasarbajews USA-Besuch in dieser Woche Werbespots über Kasachstan im US-Fernsehen laufen. Der kasachische Präsident will den 'Fall Borat' zudem bei seinem Gespräch mit US-Präsident George W. Bush anschneiden. Der Sprecher des kasachischen Außenministeriums, Yerzhan Ashykbayev, beeilte sich zu versichern, dass die Spots nicht unmittelbar mit dem Treiben des britischen Komikers zu tun hätten. Man verstehe durchaus, dass es sich bei der Figur Borats um Satire handele. 'Aber warum musste sich Mr. Cohen Kasachstan als Heimat seines Helden aussuchen?'"

Weitere Artikel: Klaus Honnef hofft, dass die neue digitale Leica M8 die Zukunft des traditionsreichen Kamerabauers sichert. Stefanie Schneider erklärt, warum Neo Rauch "ein schöner Maler" ist und fragt sich schließlich, ob er gar zum ersten "Globalisierungsmaler" wird.

Die Besprechungen widmen sich dem Kino, Michel Gondrys Film "Science of Sleep", der amerikanische Oktoberfest-Streifen "Beerfest", die Komödie "Klick" mit Adam Sandler sowie die Verfilmung von "TKKG - Das Geheimnis um die rätselhafte Mind-Machine", bei der es pisagerecht um eine Lernmaschine geht.

SZ, 28.09.2006

"Auch Selbstzensur diskriminiert pauschal alle, die an Allah glauben", findet Christopher Schmidt. "Denn nur die hier lebenden Moslems könnten sagen, was über ihre inneren Ufer tritt. Alles andere führte zu bodenlosen Spekulationen wie: Können wir Lessings 'Nathan' noch zeigen, dessen Sultan Saladin in München als öliger Waffenschieber auf der Bühne steht? Und was ist mit dem beliebten Weihnachtsmärchen 'Der kleine Muck' (mehr hier)? Dessen Titelheld ist immerhin ein zwergwüchsiger Orientale in der Fremde, der sich grausam rächt an einer Welt, wo man Weihnachten feiert, Theater spielt und einen wie ihn missachtet."

Außerdem dokumentiert die SZ die recht fantasievolle Bewertung der Aufführung durch das Berliner LKA: "Gemäß einer islamwissenschaftlich gestützten Bewertung des BKA ist nach islamischer Auffassung die Abbildung des Propheten Mohammed streng untersagt. Die Neuenfels-Inszenierung könnte in muslimischen Kreisen zu Assoziationen mit existenten Enthauptungsvideos der militanten irakischen Islamisten führen. Dies könnte als Aufruf zur Enthauptung des Propheten Mohammed bzw. zur Vernichtung des Islam verstanden werden." Reinhard J. Brembeck wirft einen Blick auf 400 Jahren Operngeschichte, findet aber kaum Opern, die auf den Islam Bezug nehmen.

Weiteres: Stefan Koldehoff berichtet aus Rom vom Prozess gegen den Kunsthändler und Antikenschmuggler Giacomo Medici, der mit geheimnisvollen Schätzen um sein Strafmass feilscht. Rainer Gansera schreibt vom Filmfestival in San Sebastian. Christof Rapp gratuliert dem Philosophen Günther Patzig zum achtzigsten Geburtstag, und Martin Mosebach lässt uns in Teil 16 seines indischen Tagebuchs heute an einem Besuch bei den Toten Delhis teilhaben.

Besprochen werden Mark Neveldines Film "Crank", Michel Gondrys Film "Science of Sleep - Anleitung zum Träumen" (inklusive Interview mit dem Regisseur), Naomi Kleins und Avi Lewis' Dokumentation "The Take", Michael Thalheimers "drastische" "Orestie" am Deutschen Theater in Berlin, die umfangreiche Präsentation französischer Kunst im Rahmen von "Art France Berlin", und Bücher, darunter Reza Aslans "Kein Gott außer Gott. Der Glaube der Muslime von Mohammed bis zur Gegenwart" (Ralf Elger zufolge allerdings ein "geschwätziges Werk", das gelegentlich sogar seinen Verstand beleidigt hat.) - mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr.

FAZ, 28.09.2006

Niklas Maak besucht die Ausstellung über Picassos Spätwerk in der Wiener Albertina und zeigt sich besonders beeindruckt von den skizzenhaft ausgeführten großen Gemälden: "Die Farbe führt einen Krieg gegen die Konturen: Schwarze Linien, die als Leitplanken der Figuration die Körper abgrenzen, werden von der rasenden Farbe überrollt, die Körper selbst sind oft unentwirrbare kubistische Knäuel, die an das sagenhafte Wesen aus Platons Gastmahl erinnern, das zwei Köpfe hatte und vier Beine und zur Strafe von Zeus in zwei Hälften zersägt wurde, in Männer und Frauen, die seither die andere Hälfte suchen."

Weitere Artikel: Der ungarische Autor Attila Bartis schreibt eine sehr persönliche Betrachtung über die Äußerungen Ferenc Gyurcsanys und über den Tod seines Vaters, eines Helden von 1956, kurz nach der Wahl des Ministerpräsidenten. Gina Thomas berichtet über die Versteigerung von Aquarellen Hitlers in einem Hotel in Cornwall. Regina Mönch glossiert die Eröffnung einer Lobbyzentrale für die Tabakindustrie in Berlin, in der diese sich besonders korrekt und freudlos präsentierte. Patrick Bahners findet es in einem Bericht über Wolfgang Schäubles Islamkonferenz ein bisschen zuviel des Guten, dass mit Necla Kelek und Seyran Ates gleich zwei Islamkritikerinnen eingeladen waren. Jürgen Kesting schreibt zum Tod der amerikanischen Baritons Thomas Stewart. Oliver Jungen gratuliert dem Philosophen Günther Patzig zum Achtzigsten. Arnold Bartetzky fürchtet, dass Weißenfels an der Saale seine Altstadt ruiniert.

Im Rahmen zwischenzeitunglicher Höflichkeiten bringt die FAZ außerdem einen Auszug aus einem demnächst als Buch erscheinenden Gespräch zwischen Hans-Werner Kilz, dem Chefredakteur der SZ, und Antje Vollmer.

Auf der Kinoseite schreibt Paul Ingendaay über die große Lubitsch-Retro beim Filmfestival in San Sebastian. Die Filmemacher und Filmhochschulprofessoren Hartmut Bitomsky und Thomas Schadt unterhalten sich mit Michael Althen und Peter Körte über die Chancen des Nachwuchses unter den schwierigen Marktbedingungen der Gegenwart. Auf der Medienseite empfiehlt Oliver Jungen die heute auf Phoenix laufende Dokumentation "Jugend im Iran". Und in der Reihe "Weltempfänger" schreibt Gudrun Sailer, Redakteurin beim deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan in Rom, über das international sehr erfolgreiche katholische Radio Maria.

Besprochen werden ein Ben Hur-Spektakel des französischen Regisseurs Robert Hossein im Pariser Stade de France, ein Berlioz-Konzert der Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle zum Jubiläum der Alten Oper in Frankfurt.

Auf der letzten Seite veröffentlicht die FAZ eine Protesterklärung internationaler Kunsthistoriker gegen den Plan des Landes Baden-Württemberg, mittelalterliche Handschriften zu verkaufen, damit die Familie von Baden ihr Schloss in Salem renovieren kann: "Nicht zuletzt dank Dostojewski bleibt Baden-Baden, die frühere Residenz des markgräflichen Hauses, weltbekannt als Sitz des heute unbedeutenden Spielkasinos, aber wer hätte gedacht, dass die Regierung von Baden-Württemberg sich als die größte Spielerin von allen erweisen würde?" Andreas Kilb schreibt ein Profil über die unglückliche Intendantin der Deutschen Oper Berlin, Kirsten Harms. Und Oliver Tolmein berichtet über Bestrebungen im Bundestag, den Ethikrat zu einem reinen Gutachtergremium zu machen.