9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

September 2014

Und was macht Deutschland?

30.09.2014. Wird die Demokratie-Bewegung in Hongkong international Solidarität bekommen, fragt Jonathan Mirsky im NYRBlog, und antwortet selbst: Wohl kaum! Auch den Arabern hätte man gar nicht erst Hoffnung auf Demokratie machen dürften, meint Götz Aly in der Berliner Zeitung. Was nützt Sharing, wenn man die Reichen nicht enteignen kann, fragt Evgeny Morozov in der FAZ. Seltsamerweise gibt es da aber gerade in der Musik neue Modelle, informiert die spex. Und bei Pippi Langstrumpf stirbt der "Negerkönig".

Sind wir jetzt die Amerikaner Europas?

29.09.2014. Die FAZ am Sonntag glaubt nicht, dass Kinderschutz durch verschärfte Zensur zu erreichen ist. Rue89 erklärt die Proteste von Hongkong. Techcrunch löst den Nahostfonlilkt. Die FAZ fürchtet mit dem Philosophen Thomas Metzinger, dass die Amerikaner uns per Internet zur Kolonie machen. Carta flaniert durch eine neue Mall in Berlin und kriegt eine Depression. Die SZ hat keine Angst von Heinz Bude.

Das Dresdner Porzellannashorn

27.09.2014. Kann es sein, dass es ein soziales Netz geben kann, das nicht böse ist? Nicht wie Facebook? Jedenfalls reden alle über Ello. Und die ersten zweifeln schon. Auch die Terrorbande "Islamischer Staat" sorgt für Debatten. Pierre-André Taguieff wendet sich in der huffpo.fr gegen Versuche, den Islamismus weißzuwaschen. Die SZ bekämpft Obamas Krebs-Metapher. Die Briten bereiten sich unterdessen seelisch auf Neil MacGregors große Deutschland-Ausstellung in London vor.

Versicherungspolice für ein besseres Leben

26.09.2014. Für Google wird's in Europa enger. Leicht gereizt antwortet der Konzern unter dem Titel "Dear Rupert" auf einen offenen Brief von Rupert Murdochs News Corp. an die EU, der behauptet, dass Google die Meinungsfreiheit gefährde. EU-Kommissar Günther Oettinger verspricht laut Spiegel Online schärfere Maßnahmen gegen den Konzern. In Frankreich schreiben Muslime nach dem Mord an Hervé Gourdel: "Auch wir sind dreckige Franzosen". In der FR spricht die Osteuropahistorikerin Marci Shore über das Ende des Kommunismus. Und ist Veganismus weiblich?

Bereits wieder Vorkriegszeit

25.09.2014. Clemens Setz hat sich für die Zeit die Snuff Videos des Islamischen Staats angesehen. Außerdem wirft Arundhati Roy einen kritischen Blick auf Mahatma Gandhi. In der taz setzt Najem Wali seine Korrepondenz mit einer Irakerin fort. In Spiegel Online spricht Navid Kermani über seine Irak-Reise. Im Tagesspiegel warnt Michail Schischkin vor Appeasement. Und wer sagt, dass Print nicht triumphieren kann? Die Tage Wolfgang Büchners als Chefredakteur des Spiegel scheinen laut turi2 gezählt zu sein.

Und der lästige Pollenflug

24.09.2014. Nach dem schottischen Referendum fängt das Durcheinander in Großbritannien erst an, meint Jonathan Freedland im Blog der NYRB. Le Monde erzählt, warum die Jury des Prix Fémina nicht mehr im vornehmen Pariser Hôtel Meurice tagt. Le Monde wirft auch einen Blick auf die französischen Gefallenendenkmale des Ersten Weltkriegs. Der Tagesspiegel fordert mehr deutsche Solidarität mit der Türkei angesichts des vom "Islamischen Staat" ausgelösten Flüchtlingselends.

In jedem Ego tickt die Zeitbombe

23.09.2014. In der Berliner Zeitung klagt Peter Sloterdijk, der große alte Mann der deutschen Philosophie, über die ich-süchtige Jugend. Und so geht's nun auch noch im Journalismus zu, sekundiert die taz. Das Darmstädter Echo wird halbiert. Die französische Huffpo veröffentlicht eine Reisewarnung: Meiden Sie die meisten Länder Afrikas. Henryk M. Broder fürchtet in der Welt, dass der Islamismus mit dem Islam zu tun hat.

Der erste Hinweis auf Stammzellenforschung

22.09.2014. Die Seelen unschuldiger Schulkinder werden immer effizienter geschützt - so zum Beispiel in den USA, wo laut Boingboing bestimmte Bücher nicht mehr in den Schulunterricht sollen, und in Indien, wo die Schüler lernen sollen, warum Kühe wirklich heilig sind. In der taz ist Katajun Amirpur empört über die mangelnde Würdigung muslimischen Protests gegen den Islamismus. Die FAZ erkundet die katalanische Stimmung nach der Niederlage des schottischen "Ja".

Akte der Destruktion ohne Hintersinn

20.09.2014. Großbritannien reinstalliert Schottland, das in seinem "Nein" laut FAZ zu banaler Vernunft kam. Gehört Deutschland zum Westen? In der Welt erinnert Wolf Lepenies an französische Zweifel in dieser Sache. Während Apple, U2 und Herbert Grönemeyer gegen das Streaming von Musik kämpfen, zeigt Kutiman auf Youtube, wie kreativ man klauen kann. Blogger Wolfgang Sofsky will in den islamistischen Snuff Videos keinen Willen zu Symbolik erkennen. Necla Kelek skizziert in der NZZ den Unterschied zwischen Christentum und Islam.

Die roten Teufel vom Proletenklub

19.09.2014. Die taz hat Zweifel an der Geschichte von den angeblich geplanten Exekutionen des ISIS in Australien. In Frankreich möchte man die Terrorbande "Islamischer Staat" künftig umbenennen. Im Guardian entwickelt Chelsea Manning Ideen zur Bekämpfung der Terroristen. Ebenfalls im Guardian fühlt sich Michaeil Schischkin in Putins Angst ein. Die Schotten haben sich für die Abhängigkeit entschieden. Und auch die Ampelmännchen tanzen nun bei Rot.

Sanfte Deformation des Netzes

18.09.2014. In der Zeit warnen Hamed Abdel-Samad und Paul Berman vor dem "Islamischen Staat", dessen religiöse Obszönitäten auf andere Islamisten beflügelnd wirkten - während die westlichen Intellektuellen schlafen. Heute stimmen die Schotten ab: Die FAZ kann ihre Genervtheit über die Engländer durchaus nachvollziehen. Der Herr der Fünf-Augen-Allianz will allerdings eine ganze Union. Die Welt ist entsetzt: Ein ungarischer Oberzensor soll EU-Kommissar für Kultur werden. Sascha Lobo zieht in Spiegel Online eine vernichtende Bilanz der NSA-Affäre.

Nur Dreieinhalb-Minuten-Songs

17.09.2014. Die deutschen Feuilletons beschäftigen sich heute nochmal mit dem schottischen Referendum. Alle sind für "Nein". Martha Nussbaum wischt alle Argumente für das Burka-Verbot vom Tisch, meint die NZZ, bis auf eins. Die NZZ macht sich auch Sorgen um Japans mangelnde Aufarbeitung der Vergangenheit. Und weiter Streit beim Spiegel, Streichungen bei FAZ und Libeŕation.

Das Riesenglas Nutella aus dem Westpaket

16.09.2014. Die Schriftsteller Irvine Welsh und John Burnside äußern sich in Spiegel online und der NZZ recht unterschiedlich zum schottischen Referendum. The Criterion berichtet über einen Kulturkampf um Ayaan Hirsi Ali in Yale. Der FAZ graut's vor dem Revisionismus des japanischen Premiers Shinzo Abe. Die SZ setzt sich mit Brendan Simms' Europa-Ideen auseinander. Die FAZ will laut Handelsblatt angeblich 150 bis 200 von 900 Stellen streichen.

Sonst würden wir die Krise kriegen

15.09.2014. In Le Monde erklärt die schottische Autorin A.L. Kennedy, warum sie für das schottische "Ja" stimmen würde, wenn sie nicht dummerweise in London wohnte. Die SZ erkundet den Ursprung des Schottenrocks aus dem Geist der Moderne. In Dänemark sprach Herta Müller Klartext über Putin. In einem Video können wir sehen, wie deutsche Ingenieure aus allen Wolken fallen:  NSA und GCHQ kennen ihre Passwörter.

Jungs und ihre Spielzeuge

13.09.2014. Die taz versucht sich eine Zukunft vorzustellen, in der jeder eine Smartdrohne in der Tasche hat. Und sie denkt über die Reinheit von Kulturen nach. In der Welt hofft Shoshana Zuboff immer noch, dass Apple den Überwachungskapitalismus wegwischt. Der FAZ fällt auf, dass das "Recht auf Vergessen" starke Ähnlichkeit mit Zensur haben kann. Der Tagesspiegel sähe die Angst vor dem neuen Antisemitismus gern etwas tiefer gehängt, denn: Berlin ist nicht Weimar.

Lippenstiftglanz aus der Hollywood-Ära

12.09.2014. In der Welt wirft der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz der Bundesregierung Sabotage des Parlaments vor. Atlantic rechnet mit amerikanischen Äpfeln ab - red, aber nicht delicious. Unter der Überschrift "Schafft den Online-Journalismus ab" feiert die FAZ zwanzig Jahre Zeitungen im Netz. In der Welt warnt Alan Posener vor europäischen Konsequenzen eines schottischen Ja. In faustkultur fürchtet Sadiq Al-Azm, dass es für einen zivilen Entwicklungsprozess in Syrien zu spät ist.

Verwirrt, zweifelnd, schweigend

11.09.2014. In Zeit online erledigt Schriftsteller Günter Hack das Internet mit den Mitteln des Marxismus. Die FAZ bedauert, dass der Onlinejournalismus nicht schon vor zwanzig Jahren zahlbar gemacht wurde. Kein Internet ist aber auch keine Lösung, meint die FR. Und die Medien waren im Ersten Weltkrieg auch nicht unbedingt Qualitätsgaranten, konstatieren Historiker bei Slate.fr. Michel Onfray twittert gegen Gender Studies, Rue89 wehrt sich. Leon de Winter graut's in der Welt vorm Islam.

Kriegsregime im Frieden

10.09.2014. Wollen nach den Schotten auch die Katalanen gehen? Der morgige katalanische Nationafeiertag soll es erweisen, berichtet die Welt. In der taz findet die amerikanische Staatssekretärin Catherine Novelli kein Argument für das Freihandelsabkommen. Die NZZ fragt sich, was junge Briten in den Dschihad treibt. Götz Aly sucht mit Eli Halévy nach dem Urprung des Sozialismus im Krieg. Der Springer Verlag steigt beim europäischen Ableger von Politico ein, meldet turi2. Und nach wie vor gibt's Ärger beim Spiegel.

Ich fordere Intelligenz!

09.09.2014. Im Tagesspiegel lernt Timothy Snyder Putin mit Orwell verstehen. Juri Andruchowytsch, Eva und Jens Reich, Karl Schlögel und andere Autoren richten einen Aufruf an die europäische Zivilgesellschaft, die Ukrainer nicht im Stich zu lassen. Die Briten blicken inzwischen doch betreten nach Rotherham, meldet die NZZ. In der taz hofft der syrische Intellektuelle Kamal Allabwani auf eine Säkularisierung Syriens - mit Hilfe Israels. Die Schweiz zeigt Mut und prüft, ob Snowden einreisen darf, meldet Netzpolitik.

Auf 99 Prozent der Landfläche

08.09.2014. In der New Republic erklärt der schottische Autor Angus Roxburgh, warum er für die Unabhängigkeit stimmt. Die NZZ plant offenbar einen radikalen Relaunch - erklärt Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod persönlich. Das Handelsblatt probiert neue Varianten freier Meinungsäußerung, die außerdem noch Geld bringen. Der Freitag erklärt, wie Katar es schafft mit absolut jedem und dessen ärgsten Feinden (außer mit den Sklaven auf den Baustellen) Freundschaft zu schließen. Außerdem: Neues über die Kooperation zwischen NSA und BND.

Fremde unter uns

06.09.2014. Die NZZ sorgt sich um die wenigen kritischen Intellektuellen Russlands, die sich inzwischen recht gehässige Aktionen gefallen lassen müssen. Die SZ fragt: Was wollen deutsche Museumsleiter bei einer Apparatschik-Tagung in Petersburg? In seinem Blog fragt sich Kenan Malik, warum die Schotten eigentlich die Queen und das Pfund behalten wollen. Bei der Trauerfeier für Frank Schirrmacher in Frankfurt verneigte sich Hans Ulrich Gumbrecht vor einem Machtmenschen von Balzac'schem Format. Slate weiß: Je mehr uns Facebook manipuliert, umso mehr werden wir es lieben.

Wahnsinn des Eigendünkels

05.09.2014. Im NYRBlog beschreibt Tim Judah die jüngste Niederlage der Ukraine gegen die Separatisten und Russland. Die NZZ bekämpft den "Islamischen Staat" mit Hegel. In Libération erklärt die Feministin Geneviève Fraisse, was sie am Gender-Begriff so stört. Die Welt zieht eine vernichtende Bilanz der stadtebaulichen Arbeit Michael Müllers, der als Regierender Bürgermeister für Berlin kandidiert. Chaotisch ist in Berlin auch der Umgang mit Flüchtlingen, so die Berliner Zeitung.

Statt die schöne Seele zu spielen

04.09.2014. Der Horror der islamistischen Snuff Videos treibt heute viele Medien um. Für Slavoj Zizek in der New York Times drücken sie eigentlich das Unterlegenheitsgefühl der Islamisten aus. Die FR hofft dagegen, dass der Pazifismus Horizonte der Hoffnung eröffnet. In Deutschland herrsche unterdessen ein Gemütszustand selbstzufriedener Aufmüpfigkeit, als dessen perfekter Ausdruck die AfD gelten könnte, meint Richard Herzinger in der Welt. Die Libération bezweifelt, ob sie so europäisch denken kann wie Bernard-Henri Lévy.

Das letzte Symptom einer sterbenden Ideologie

03.09.2014. Der "Islamische Staat" hat ein zweites Snuff Video von der Enthauptung eines Journalisten lanciert. The Daily Dish hofft dennoch, dass die Terrororganisation bald kollabiert. Bernard Henri Lévy fordert, dass Frankreich seine Auslieferung zweier Kriegsschiffe an Russland stoppt. Deutsche Zeitungen empören sich über Uber. In der Wirtschaftswoche beschreibt Bettina Röhl den Konstruktionsfehler, der den Spiegel ins Wanken bringt. Mit dem Politico-Gründer Frederick J. Ryan Jr. installiert Jeff Bezos einen Reagan-Anhänger in der Washington Post, berichtet die New York Times. Die SZ zeigt, wie die Konfuzius-Institute Sinologen auf der ganzen Welt korrumpieren.

Das Blattgold, die großen Säle

02.09.2014. Mit der Politik der offenen Lüge hat Wladimir Putin vor zehn Jahren in Beslan angefangen, schreibt Sergej Lebedew in der SZ . In der Berliner Zeitung erzählt Götz Aly, wie sich der Antisemitismus im Ersten Weltkrieg breitmachte. Der Tagesspiegel wirft der ARD vor, ihre Ukraine-Berichterstattung zu manipulieren. In der französischen Huffpo fürchtet Caroline Fourest, dass Baschar Al Assad der große Profiteur des "Islamischen Staats" sein wird.

Auf reformistischem Wege zum Sozialismus

01.09.2014. Polnische Intellektuelle fordern in der Welt einen Boykott französischer Waren, falls Paris doch noch Kriegsschiffe an Russland verkauft. In der taz staunt der  polnische Historiker Wlodzimierz Borodziej über Putins Interpretation des Hitler-Stalin-Pakts. Die NZZ schildert die komplizierten Frontverläufe im Streit um Amazon und Hachette und vermisst den Streit der Inellektuellen. Französische Medien machen sich Sorgen über die Sozialisten: sind sie etwa alle Eduard Bernsteins?