9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2017

Wir durften ihn kurz umarmen

28.02.2017. Deniz Yücel kommt in Untersuchungshaft. Die taz bringt Hintergründe. In der Welt protestiert Mathias Döpfner. Die Zeit porträtiert Ayn Rand, die Säulenheilige des amerikanischen Libertarismus. In der FAZ macht der niederländische Journalist Joris Luyendijk wenig Hoffnung auf einen europafreundlichen Ausgang der niederländischen Wahlen. In Frankreich wird anlässlich der Vermeer-Ausstellung im Louvre über Museen gestritten, die ihren Besuchern das Fotografieren untersagen.

Im Rahmen der Vorschriften

27.02.2017. Der Guardian porträtiert den Hedgefonds-Manager und Trump-Unterstützer Robert Mercer, der sein Geld nicht nur in Yachten steckt, sondern in Breitbart News und in die Leugnung des Klimawandels. In der Welt hält Thea Dorn fest, dass nicht nur Trump Weltbild über Wahrheit stellt. In der NYRB fürchtet Timothy Snyder bereits den günstigen Notstand. Die FAZ warnt vor faulen Heringen.

Ich will das Feuer sein

25.02.2017. Einen Angriff auf die demokatischen Ideale nennt die New York Times den Ausschluss etlicher Medien von einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Slate warnt davor, sich die Agenda von Trumps Strategen diktieren zu lassen. Auch die NZZ ahnt: Als rechter Leninist weiß Stephen Bannon Gelegenheit und Chaos für sich zu nutzen. Die FR glaubt, dass die USA auch ohne Trump den Mantel der globalen Führung hätten ablegen müssen. Und die FAZ fragt: Brauchen wir einen  Breitbandausbau für das menschliche Hirn?

Hashtag- und Sprachvorschriftsgetöse

24.02.2017. Stephen Bannon hat sich zum ersten Mal seit Trumps Amtsübernahme geäußert und beharrt auf seiner Düsternis, berichtet die Washington Post. Nicht Putin ist schuld an Hillary Clintons Niederlage, sondern Hillary Clinton, meint Keith Gessen im Guardian. Die FAZ ist fassungslos über die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal, die Opfer von Vergewaltigungen lieber als "Erlebende" bezeichnen möchte. Der Berliner Zeitung geht das Feuilleton aus, meldet die taz.

Revolutionäre Versatzstücke

23.02.2017. Aus Videoüberwachung wird Gesichtserkennung, aus Kontrolle Erzwingung von Wohlverhalten, fürchtet Sascha Lobo in Spiegel Online nach Ankündigung neuer Überwachungstechnik in Berlin. Zeit und und Zeit online zeigen, wie die Türkei nun auch in Deutschland Medienpolitik macht: brachial. Auch Emily Bell fordert in der CJR nun Google und Facebook auf, Journalismus zu finanzieren. Die Verharmlosung des Kommunismus befeuert den Rechtspopulismus, füchtet der Tagesspiegel. Die Zeit dagegen lechzt von ihrem gemütlichen Hamburg aus dann doch nach einer etwas prickelnderen Kapitalismuskritik.

Die Geheimdienste am Datentisch

22.02.2017. Religionsfreiheit hat eine Grenze, sie liegt dort, wo staatliche Neutralität in Frage gestellt wird, schreibt Ahmad Mansour in der Welt. Die FAZ geißelt die Willfährigkeit der EU bei der Speicherung von Flugdaten. Facebook und Google sollten etwas von ihren Gewinnen für investigativen Journalismus abgeben, findet Steven Waldman in der New York Times. Und politico.eu beschreibt die Angst der Iren vorm Brexit.

Dämonisches Doppelspiel

21.02.2017. Großes Thema Sufismus. Auf Zeit online  plädiert der pakistanische Wissenschaftler Syed Qamar Afzal Rizwi für den Sufismus als Gegenpol zum islamistischen Extremismus. In Guardian und FAZ schreiben William Dalrymple und Ilija Trojanow über das Attentat auf den Sufi-Tempel in Sehwan Sharif, Pakistan. In Russland wird die "Beleidigung religiöser Gefühle" drakonisch verfolgt, berichtet politico.eu. In der taz kritisiert Mark Terkessidis die "kritische Weißseinforschung". Und der Tagesspiegel berichtet über eine spektakuläre Revolte der Technischen Universität Berlin gegen die Wissenschaftsverlage.

Im Interesse der erzählten Geschichten

20.02.2017. Wer ein Versagen der Aufklärung kritisieren will, kommt ohne ihre Instrumente nicht aus, sagt Kenan Malik im Observer an die Adresse postkolonialer Studenten und ihrer Kritik an der "Whiteness" von Kant und Platon. FR und SZ  sind fassungslos über die Jubelstimmung der Erdogan-Anhänger beim Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Oberhausen.  In Zeit online untersuchen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre das Bündnis von Kunst und Luxus.  Die New York Times sucht nach Wegen, Donald Trump abzusetzen.

All die Visionäre

18.02.2017. Peter Sloterdijk taucht für die NZZ tief ins neosophistische ZeitalterJulian Barnes denkt in der Welt über die Dehnbarkeit des Wahrheitsbegriffs schon zu Schostakowitschs Zeiten nach. Die SZ lernt den Kulturbegriff von Algorithmen kennen. Die Zeit verstrickt sich in den Widersprüchen Facebooks.

Also ging ich

17.02.2017. Es reicht nicht, über Trumps Performance bestürzt zu sein, meint das Editorial Board der New York Times - die Presse muss auch verstehen, wie sie von Trump benutzt wird. Die FAZ erzählt, warum die Franzosen Emmanuel Macron lieben - weil sie seine Frau Brigitte Trogneux lieben. Mark Zuckerberg verspricht uns in einem Manifest eine globale Community, die wir alle lieben werden.  Und nach 130 Sitzungstagen muss der Untersuchungsausschuss zur Geheimdienstaffäre feststellen, dass der BND die Snowden-Enthüllungen als Machbarkeitsstudie aufgefasst hat, resümiert die taz.

Mitten in der Zelle gab es ein Loch

16.02.2017. In der Zeit schildert ein ehemalige syrischer Häftling die grauenhafte Zustände in Baschar al-Assads Gefängnissen. Die New York Times fordert nach den jüngsten Enthüllungen über Trump und Russland einen Untersuchungsausschuss im Kongress. Die Berliner Zeitung erklärt, warum Deutsch als Fremdsprache im Goethe-Institut zur Zeit nicht so läuft. Slate.fr fragt sich, warum es nach einem schockierenden  Fall von Polizeigewalt in der Banlieue von Paris nicht zu Protesten kommt.

Was macht die Frauen stark?

15.02.2017. Ilija Trojanow  schildert in der taz die Folgen einer globalisierten Textilindustrie für Pakistan. Donald Trump ist trotz Putin-kritischer Äußerungen aus seiner Russland-Bredouille noch nicht raus, insistiert die New York Times. Slawomir Sierakowski hat in Project Syndicate  das Rezept gegen den Rechtspopulismus gefunden: Frauen. Correctiv.org möchte vom Erzbistum Köln wissen, in welche Aktien es investiert. In der NZZ fordert die Politologin Silja Häusermann die Linke auf, sich ihrer universalistischen Ideen zu besinnen.

Riesige Mengen an Dokumenten

14.02.2017. Im russischen Fernsehen werden ganz offen Szenarien zur Eroberung der Ukraine diskutiert, schreibt Andrej Kurkow in der FAZ. Der Guardian erzählt, wie lang der Antrag ist, den EU-Bürger ausfüllen müssen, wenn sie bleiben wollen: 85 Seiten.  Die Zeit erzählt, wie sich der BND in seinem eigenen Labyrinth verheddert, wenn es um die Aufklärung von Überwachungsskandalen geht.  Vice verlangt Eintritt in einen Londoner Privatklub.

Eine Lektion, die nie hätte vergessen werden dürfen

13.02.2017. Populismus ist eine Tendenz, die den Demokratien immer schon innewohnt, meint der Politologe Peter Graf Kielmansegg in der FAZ, während sein Kollege Jan-Werner Müller in der SZ warnt, es sich mit dem Protest zu einfach zu machen. In Le Monde will der Liberale Guy Sorman ein Grundeinkommen nur zulassen, wenn Sozialtransfers abgeschafft werden. In Britannien müssen Journalisten zusehends kuschen, wenn sie nicht ins Gefängnis wollen, fürchtet der Telegraph. Die NZZ ist entsetzt über den Zustand der arabischen Welt.  Und Nick Cohen warnt im Observer vor Verrückten, Zynikern und Kriechern.

Als ginge uns das Herannahen der Katastrophe nichts an

11.02.2017. Politico.eu geht den engen Verflechtungen der religiösen Rechten in Amerika und Russland nach, die im "World Congress of Families" gegen Abtreibung und Homoehe agitieren. Auch Hitler wurde anfangs als ein Clown gesehen, warnt der Historiker Richard Evans in Slate. "Wir sind schuld", ruft Mircea Cartarescu in der FAZ - und meint damit uns Bürger der EU. Und in der taz erklärt der ehemalige Népszabadság-Redakteur Gergely Márton, warum es eigentlich die Deutschen sind, die die Abwicklung seiner Zeitung finanzierten.

Sprunghaft ansteigende finanzielle Belastung

10.02.2017. Im Kunstblog musermeku.org erklärt Museumsleiter Roland Nachtigäller vom Marta in Herford, warum es heute für Museen immer schwieriger wird, Ausstellungen zu organisieren und zu dokumentieren - wegen des Terrors der Bildrechte. Und sollten Künstler aus der VG Bildkunst auszutreten, falls ihnen an ihrer Sichtbarkeit gelegen ist? In Berlin steht das Neutralitätsgesetz, das etwa Lehrpersonen an Schulen religiöse Symbole untersagt, nach einem Gerichtsurteil zur Debatte. In der NZZ fürchtet Michael Hagner, dass die Wissenschaften zu den ersten Opfern Trumps gehören.

60 Prozent an Google, 40 Prozent an Facebook

09.02.2017. Wer waren die Opfer?, fragt die Zeit, nachdem bekannt wurde, dass Baschar al Assad Tausende Menschen hat hinrichten lassen. Wer sich in Europa über Trumps "Muslim Ban" aufregt, sollte ich auch mal die europäische Flüchtlingspolitik ansehen, meint die taz. Der Netzökonom beschreibt wie Google und Facebook Werbeinnahmen anziehen - nämlich wie ein schwarzes Loch.  Und wer die geplante Verfassungsänderung in der Türkei ablehnt, muss wohl Terrorist sein, so sieht es laut Bülent Mumay in seiner FAZ-Kolumne jedenfalls die Regierung.

Im Licht einiger Fackeln

08.02.2017. Alain Badiou verkündet in nonfiction.fr seinen Abschied von der Philosophie und verknüpft ihn mit einem dringlichen Plädoyer gegen die Natur. Gestern fand mal wieder ein Prozess zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger statt. Der Richter fand das Gesetz ziemlich schlecht. Und dann ist noch die Frage, wie lang ein kurzer Textabschnitt ist, berichtet horizont.net. Die Berliner Zeitung staunt über die Ahnungslosigkeit deutscher Richter in punkto Internet. Auch Kanada hat Einreisebeschränkungen bei muslimischen Ländern, schreibt Ayaan Hirsi Ali in der Welt.

Nur die Repräsentierten

07.02.2017. Die taz referiert einen Terre-des-femmes-Bericht über Frauen in Deutschland, die Opfer von Genitalverstümmelung sind - etwa 48.000, und 9.000 Mädchen sind gefährdet. In der Wiener Zeitung besteht Isolde Charim darauf, dass eine plurale Gesellschaft  säkulare Räume braucht, ohne Kopftuch und ohne Kreuz. Laut SZ weiß Facebook, was Sie über Ihren Chef denken, auch wenn Sie es nicht schreiben. Und die NZZ liest in Bukarest ein Transparent, das auch Westeuropäer mal zur Kenntnis nehmen sollten: "Europa, wir stehen ein für deine Werte. Mit Liebe, Rumänien."

Wunden des Stolzes und der Zusammengehörigkeit

06.02.2017. In der NZZ geißelt Serhij Zhadan die europäische Indifferenz gegenüber der Ukraine. Die Zeit staunt über die unverdrossen demonstrierenden Rumänen. Nick Cohen analysiert im Observer, wie aus natürlichen Alliierten Europas Gefangene des Trumpismus wurden.  Das Spiegel-Cover mit Trump als köpfendem Taliban sorgt für Diskussionen bis in die Washington Post. NZZ, taz und SZ reagieren eher ablehnend. In Britannien wird über die Gewaltexzesse des Privatschulsystems diskutiert.

Gerade wenn die Zeit drängt, muss man nachdenken

04.02.2017. Nicht Großbritannien wird bei den Brexit-Verhandlung der Bittsteller sein, weiß die taz. Außerdem erklärt sie, warum es sich auch nach 150 Jahren noch lohnt, Karl Marx zu lesen. Der Kampf gegen Fake News wird im Klassenzimmer gewonnen, glaubt der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski im Tagesspiegel. Nach Trumps Wahlsieg mahnt Slavoj Žižek in der NZZ zu Besonnenheit und Introspektion. "Auch Abwarten ist Handeln", warnt hingegen Dan Diner in der Welt. Und die SZ sucht schonmal nach den erfolgversprechendsten Protest-Strategien.

Der Widerstand ist keine Eintagsfliege

03.02.2017. Politico staunt über die innovative Skrupellosigkeit von Marine LePens Social-Media-Kampagnen. Mit Massenprotesten gegen Korruption retten die Rumänen gerade die europäischen Ideale, meldet die Welt. Warum gelten Rechte eigentlich als bürgerlich, fragt die NZZ. Trump macht China great again, spottet der Guardian. Abbas Khider fühlt sich wie in einer Irrenanstalt, und Trump-Gegner Jonathan Safran Foer ermuntert: Wir sind die Mehrheit.

Der Autokrat will gar nicht überzeugen

02.02.2017. In The Dissident prangert Jean-Pierre Bekolo die französische Politik der Frankophonie in Afrika an. In der FR wirft Martin Gehlen einen traurigen Rundblick durch die arabische Welt ein paar Jahre nach dem arabischen Frühling. Die britischen Parlamentarierer haben gegen ihre Überzeugung pro Brexit gestimmt, und der Guardian fragt sich, wessen Performance kläglicher war, die von Labour oder die der Tories. Die SZ enthüllt den Sinn der Lüge in der Autokratie.

Ein Bild von frierenden Damen und Herren

01.02.2017. In der Welt macht Hamed Abdel-Samad auf die vielen Einreiseverbote in muslimischen Ländern aufmerksam.  Die Zeit erklärt zugleich, warum Saudi-Arabien und Ägypten zu Donald Trumps Einreiseverbot beflissen schweigen. Le Monde fragt sich nach weiteren Enthüllungen des Canard enchainé, wann sich François Fillon zu Ende demontiert hat. Die NZZ erzählt, wie der marokkanische König den Islam domestiziert. Und in der FR ruft Heinrich August Winkler die EU zum Handeln auf.