9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

August 2014

Der Umgang mit dem Abstieg

30.08.2014. Auf Slate.com hält Anne Applebaum mittlerweile einen Krieg mit Neurussland durchaus für möglich. In der NZZ beschreibt Serhij Zhadan, wie die Ukrainer dem zu entkommen versuchen. Netzpolitik.org beleuchtet den mageren Ertrag der BND-Überwachung. In der Berliner Zeitung springt Annett Gröschner von der Berliner Geister-S-Bahn. Die taz lauscht David Harveys Kapital-Vorlesungen auf YouTube. Und in Open Culture erklärt Meister Naomichi Yasuda, wie man korrekt Sushi ist.

Der Beweis dafür, dass Gott uns liebt

29.08.2014. Wolfgang Sofsky analysiert in seinem Blog die Strategie des "Islamischen Staats". China kritisiert tanzende Frauen, berichtet die FAZ. Die Creative Review präsentiert schon mal Entwürfe für den Union Jack ohne das schottische Blau. In der SZ hält Heinrich August Winkler an seiner Kritik der "revisionistischen Literatur" über den Ersten Weltkrieg fest, weil sie Hitler nicht erklären könne. Und: "Angelina e Brad adesso davvero sposi!" Mit Foto.

Die Leitern sind länger geworden

28.08.2014. Ungarn driftet in die Putinisierung, Europa schaut weg, schimpft die Welt. Das Budapester Nationaltheater ist nur noch ein chauvinistisches Propagandainstrument, findet der Standard. Le Monde schildert die gespaltenen Reaktionen auf die neue Kulturministerin Fleur Pellerin. Die taz sucht eine Erklärung für desaströse Politik des Emirats Katar. Die SZ rechnet doch noch ein bisschen ab mit Klaus Wowereit. Und keine Angst vor Roboterjournalismus.

Der Riese in der Mitte

27.08.2014. Die Berliner Zeitung findet freundliche Worte zum Abschied Klaus Wowereits. Osteuropa bringt einen Essay Boris Dubins, der Putin als Inkarnation russischer Verweiflung ansieht. Die NZZ erinnert an die Zeit, als Wien modern war. Huffpo.fr beschreibt die knallharte Agenda der Fleur Pellerin. In der FR fordert Klaus Harpprecht eine deutsche Antwort auf die französische Misere. In der Welt schreibt Monika Grütters einen Preis für Buchhandlungen aus.

Anstelle des Proletariats

26.08.2014. In der taz untersucht Isolde Charim die Strategie der religiösen Verbrämung schieren Sadismus beim "Islamischen Staat". Auch die New Republic denkt über dieses Thema nach, während Rue89 noch nach den einfachsten Informationen über die Terrorgruppe sucht. Die taz beleuchtet das deutsche Verhältnis zu den Armeniern. In der Berliner Zeitung erinnert Götz Aly an das Versagen des sozialistischen Internationalismus im Ersten Weltkrieg. Und die NSA hat noch eine Datenbank.

Eine Art politischer Urknall

25.08.2014. Ein britischer Rapper soll der Mörder James Foleys sein. Stimmt etwas am Multikultimodell Großbritanniens nicht, fragen die Medien. Aber auch am Multikultimodell Frankreichs stimmmt etwas nicht, meint die Welt. In der FAZ am Sonntag erklärt Fotograf Christoph Bangert, warum er es richtig findet, Standbilder aus dem Köpfungsvideo zu veröffentlichen. Die Deutschen sollten sich keine Illusionen über ihre Hauptschuld am Ersten Weltkrieg machen, rät Heinrich August Winkler in der FAZ. Nein, er, Winkler, solle  Deutschland nicht isoliert betrachten, meint Dominik Geppert in der SZ.

Aus Sicht der Beschlussabteilung

23.08.2014. Das Bundeskartellamt hat die Beschwerde der Zeitungsverleger gegen Google abblitzen lassen. Blogger kommentieren, in den Zeitungen ist noch nichts. Warum ist in Deutschland so wenig Empathie für die Demokratiebewegung in der Ukraine zu spüren, fragt Ralf Fücks in der FAZ. Paris erhob sich vor siebzig Jahren gegen die Besatzer - und hat damit trotz allem das Schicksal Frankreichs verändert, meint der Regisseur Jonathan Hayoun in der huffpo.fr. Und der Streit beim Spiegel eskaliert.

Von göttlichen Quellen inspiriert

22.08.2014. Der Streit um Amazon geht weiter, unter anderem im Perlentaucher. In der taz, die heute ein ganzes Dossier zum Thema bringt, erklärt Sonja Vogel, warum Ebooks teuer sein müssen. In der Berliner Zeitung bekennt sich Juli Zeh zum Anti-Amazon-Aufruf. SZ und FAZ beklagen, dass die Digitale Agenda der Bundesregierung mit keinem Wort auf die fatale Rolle der Geheimdienste eingeht. In der NZZ wendet sich Roland Reuß gegen die smarten Technikgeräte.

Und dann kommen wir

21.08.2014. Die Ermordung des Journalisten James Foley hat überall Entsetzen ausgelöst. Wer Screenshots aus dem Video zeigt, sitzt der Propaganda der Gotteswütigen bereits auf, meint Mashable. In der taz erklärt Johannes Thumfart, warum das Ebook ein ganz eigenes und ein sehr schönes Medium ist. Die NZZ staunt über den neuen Blick Boliviens auf sich selbst. Die Krise beim Spiegel hält auch alle anderen Medien in Atem. Die FAZ hat sich mit einem Kämpfer des "Islamischen Staats" getroffen, der keine Zweifel an seinen Absichten zulässt.

Das Werk der revolutionären Intelligenzija

20.08.2014. Der "Islamische Staat" reagiert offenbar mit Enthauptungen amerikanischer Journalisten auf die Interventionen des Westens - verschiedene Medien berichten. Slate.fr führt in den "Islamismus des Schreckens" ein, der die Gründerväter des Islamismus an Gewalt noch weit übertrifft. In der Welt insistiert der Historiker Leonid Luks, dass es in Russland sehr wohl eine Tradition der Freiheit gibt. Zeit online fragt: Was bringt die "Digitale Agenda" der Bundesregierung?

Die was auf ihrem Blog raushauen

19.08.2014. In der FR beklagt sich Philosoph Robert Pfaller: Ausnahmslos alles, was Spaß macht, wird steht unter Verdacht. Im Focus ruft Daniel Kehlmann nach den Kartellbehörden gegen Amazon - Buchreport fasst die deutsche Debatte zum Thema zusammen. Heise.de bringt Neues über die Kolonisierung des Internets durch die Geheimdienste. Die taz erzählt, wie der Putinismus nun noch die Geschichte der Gulags kapert. Ebenfalls in der taz freut sich Merve-Verleger Thomas Lamberty über eine neue Generation von Selberdenkern.

Immens viel Gedrucktes

18.08.2014. Die Piratenpolitikerin Julia Reda erzählt in ihrem Blog, wie sie Peter Sunde von der Pirate Bay im Gefängnis besuchte. In der taz spricht Frank Bösch über den überwachten Menschen. Schlimm, dieses Internet, stöhnt Thomas De Maizière in der FAZ - selbst in seinen Gesetzfindungsprozess mischt es sich ein. Juden haben in Europa keine Zukunft mehr, meint Henryk M. Broder in der Welt. In der FR würdigt Wilhelm von Sternburg den Autor Wolfgang Leonhard. Überall auch Nachrufe auf Peter Scholl-Latour.

Unter dem Schutz des Systems

16.08.2014. Die Welt beschreibt, wie die deutschen Dichter einst im Volke sich selbst fanden. Die SZ erlebt gerade Ähnliches bei schottischen Dichtern. Die taz sucht das subversive Subjekt und findet es im Palais Royal. Die NZZ propheizeit: In der Stadt der Zukunft sind wir alle Immigranten. In der Berliner Zeitung fragt Viola Roggenkamp, was KZ, Nazis und Hitler eigentlich mit dem Judentum zu tun haben?

Overhead an Daten

15.08.2014. Stoppt den Islamischen Staat!, ruft Navid Kermani in der Berliner Zeitung. Radikaler Pazifismus jetzt!, ruft dagegen Rupert Neudeck in der taz. Der New Yorker berichtet aus Ferguson, Missouri, wo sich die Polizei als Armee aufführt. Der Whistleblower Bill Binney erklärt im ORF, warum die Geheimdienste auf der Krim und im Irak  versagten. 

Rückwärtsverteilung der Schuld

14.08.2014. Gibt es etwas am Islam, das diese Religion besonders gewalttätig und unfähig zur Selbstreflexion macht? Nein, meint Kenan Malik in seinem Blog. In der Zeit spricht Herfried Münkler über die neue Unübersichtlichkeit in den Kriegen. Thomas Knüwer kann in seinem Blog nicht in den Abgesang dreier FAZ-Redakteure auf die Zeitung einstimmen. Stiftungsfinanzierter Journalismus ist auch keine Lösung, meint Jens Rehländer in Carta. Und in der Zeit traut Jens Jessen den Kritikern Christopher Clarks keineswegs über den Weg.

Die entgegengesetzte Lesart

13.08.2014. In der Welt antwortet Ralf Fücks von den Grünen auf den Kulturpessimismus des Peter Sloterdijk. Der Guardian porträtiert Maryam Mirzakhani, die erste Frau, die die Fields-Medaille erhielt. In der SZ fragt der russsiche Abgeordnete Boris Wischnewskij, ob sich Putin ins Aus manövriert hat. In der Welt empfiehlt Carl Djerassi jungen Akademikerinnen das Einfrieren von Eizellen. Der Standard fragt, warum Facebook islamistische Snuff-Videos zeigt und nackte Brüste zensiert.

Die schönsten Backrezepte des Nordens

12.08.2014. Die SZ lässt über TTIP-Verhandlungen und den deutschen Subventionsbetrieb debattieren. Im Guardian erklärt Friedensaktivistin Lindsey German, warum mit Fug für die Palästinenser, aber nicht für die Syrer protestiert wird. David Carr trauert in der New York Times um das Zeitungsgenre. Jeff Jarvis will dagegen personalisierten Journalismus. Amazon hält die Feuilletons weiter in Atem. In der Welt prangert Karl Schlögel den "Urbizid" in der Ostukraine an.

Dieser Balanceakt

11.08.2014. In der SZ erklärt Ulrich Beck, wie man Israel richtig kritisiert. Im Tagesspiegel wütet Harald Martenstein gegen Dieter Graumann, der in seiner Deutschlandkritik jedes Maß verliere, und darum ist in Israel auch kein Friede. Amazon ruft die Leser auf, gegen Hachette zu protestieren, während 900 Autoren in der New York Times einen Aufruf gegen Amazon publizieren. In Russland stirbt man noch als Untertan, schreibt Boris Schumatzky in der FAZ.

Küken, die in eine Richtung gucken

09.08.2014. In der Welt stürmt der ukrainische Autor Taras Prochasko durch die drei Europas. Die FAZ fragt, welchen Begriff China eigentlich von seiner Kultur hat, die es dem Westen so gern entgegensetzt. In der SZ beschriebt Elif Shafak die Türkei als ein in geistige Ghettos zerfallendes Land. Der Berliner Zeitung kommt die bitte Erkenntnis: Muslimische Terrorgruppen terrorisieren in erster Linie die Muslime. Im Tagesspiegel fürchtet Priya Basil, ihr ultimatives Passwort zu verlieren. Und Zeit Online fragt: Ist das Internet das neue Somalia?

Das Internet in Teilen ersetzen

08.08.2014. So gut wie alle Medien befassen sich irgendwie mit Israel, Hamas und dem Antisemitismus, den der Guardian vor allem auf dem Kontinent verortet, ohne Großbritannien zu vergessen, wo ein Abgeordneter seinen Wahkreis zur "Israel-freien Zone" erklärt. In Frankreich fordern linke Intellektuelle um Régis Debray Sanktionen gegen Israel.Die NZZ macht sich Sorgen um junge Tunesier, die lieber in Syrien als auf dem Weg nach Europa sterben. Die Zeit hofft auf die App Firechat, mit der man ein Netzwerk jenseits des Internets - und der Gotteskrieger des Islamischen Staats - formen kann.

Die Kosten einer Groteske

07.08.2014. In der FAZ lotet Friedrich Wilhelm Graf die Gewalt von Religion aus. Was wird aus Freiheit in Zeiten digitaler Überwachbarkeit, fragt Netzwertig. Die NZZ warnt vor einem "postsowjetischen Verbotsreflex" in der Ukraine. Die SZ malt sich die Folgen einer Unabhängigkeit Schottlands für das dann bleibende Mittelbritannien aus. Wurde der russische Menschenrechtsaktivist Timur Kuaschew ermordet, fragt die taz.

Das Monster zieht an dieser Nabelschnur

06.08.2014. Patrick Cockburn steht in der LRB kurz davor, alle Hoffnung für Syrien und Irak aufzugeben - den Gotteskriegern des IS stehen keine Gegenkräfte gegenüber. BHL hält dagegen an der Richtigkeit des westlichen Engagements für Libyen fest. In Frankreich versuchen Angestellte zum ersten Mal, ihre Zeitung - den Nice-Matin - per Crowdfunding zu retten. Gibt es einen zweiten Snowden, fragen sich Medien nach neuen Enthüllungen von The Intercept. In der SZ erklärt die ukrainische Autorin Larisa Denisenko, warum es so schwer ist, die Sowjetunion los zu werden.

Der letzte Witz großen Formats

05.08.2014. Hundert Jahre später gewinnen die Briten den Ersten Weltkrieg zum zweiten Mal. Simon Jenkins ist es im Guardian allerdings ein bisschen peinlich. Der Tagesspiegel ist begeistert vom bleibenden Widerstandsgeist der Polen. Google streicht im Namen des "Rechts auf Vergessen" zum ersten Mal einen Link auf Wikipedia, berichtet der Guardian. Techdirt findet das absurd. Die FAZ staunt über den Pazifismus des Handelsblatts.

Wenn Ihr Nachbar auf der anderen Straßenseite...

04.08.2014. Zwei Fragen, die Amos Oz in der Deutschen Welle stellte, bewegen Medien in den USA und Frankreich. Yahoo erhebt Verfassungsbeschwerde gegen das Leistungsschutzrecht, meldet Netzpolitik. Netzpolitik berichtet auch über die Weigerung Glenn Greenwalds, vor dem NSA-Ausschuss des Bundestags auszusagen. Die taz freut sich über die Wiedergeburt des Marxismus an unerwartetem Ort: den USA. Die NZZ bringt Péter Esterházys beim Pride-Festival in Budapest gehaltene Rede über Toleranz.

Willkommen, Schriftstellerchen

02.08.2014. In der taz übermittelt Najem Wali schlechte Nachrichten aus Bagdad. Hélène Cisoux wünscht sich von Künstlern etwas mehr Dekonstruktion. Slate beobachtet fassungslos Putins neuen Schlag gegen russische Blogger; in Hongkong helfen auch gern die Triaden bei der Einschüchterung von kritischen Websites, weiß die SZ. In der NZZ fordert Peter Esterhazy von den Ungarn mehr Toleranz.

Resonanzschleifen

01.08.2014. Das "Recht auf Vergessen" löst weiterhin eine Menge Kopfzerbrechen aus. Inzwischen protestiert gar ein Verfassungsrichter in einer nicht öffentlichen Stellungnahme - irights.info lässt sie diskutieren. In der Berliner Zeitung erzählt die türkische Autorin Ece Temelkuran, wem man heute traut und wem nicht. Was macht Ebook aus Text, fragt der Freitag.