9punkt - Die Debattenrundschau
Kriegsregime im Frieden
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
10.09.2014. Wollen nach den Schotten auch die Katalanen gehen? Der morgige katalanische Nationafeiertag soll es erweisen, berichtet die Welt. In der taz findet die amerikanische Staatssekretärin Catherine Novelli kein Argument für das Freihandelsabkommen. Die NZZ fragt sich, was junge Briten in den Dschihad treibt. Götz Aly sucht mit Eli Halévy nach dem Urprung des Sozialismus im Krieg. Der Springer Verlag steigt beim europäischen Ableger von Politico ein, meldet turi2. Und nach wie vor gibt's Ärger beim Spiegel.
Efeu - Die Kulturrundschau
vom
10.09.2014
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Europa
Nicht nur viele Schotten, auch viele Katalanen wollen Unabhängigkeit - allerdings wehrt sich die spanische Zentralregierung gegen ein Referendum, berichtet Michael Ebmeyer in der Welt. Am 11. September steht der 300. Jahrestag der der großen Niederlage im Spanischen Erbfolgekrieg an, die Katalonien zu einem Teil Spaniens machte - heute katalanischer Nationalfeiertag. Und die 300-Jahr-Feier soll den Anstoß für die kommende Lossagung von Spanien geben, "und zwar in Gestalt eines gigantischen V - wie via (Weg), voluntat (Wille), votar (wählen) oder auch victòria (Sieg). Eine Million Menschen, so hoffen die Organisatoren, werden in den Straßen Barcelonas gemeinsam dieses V bilden. Dabei tragen alle entweder gelbe oder rote T-Shirts und ordnen sich so an, dass das Riesenzeichen auf den Luftbildern die Streifen der Senyera (der katalanischen Flagge) trägt."
In der FR denkt Andrej Kurkow über Vertrauen nach und warum man es manchmal allen Risiken zum Trotz einfach haben muss. Vertrauen etwa für den neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der gerade eine Vielzahl geheimer Erlasse seiner Vorgänger aufgehoben hat, die bestimmten Personen Privilegien zusicherten: "Ich weiß nicht, ob die neue ukrainische Staatsführung diese Erlasse auch öffentlich gemacht hätte, wenn nicht Krieg wäre. Diese jüngsten Entscheidungen von Präsident Petro Poroschenko haben mein Vertrauen in ihn gestärkt. Und ich will mir gar nicht die Frage stellen, ob das alte System der Korruption wiederhergestellt wird, wenn erst Frieden und Stabilität im Land eingekehrt sind!" Patrick Bahners resümiert in der FAZ einen Vortrag Timothy Snyders in New York ebenfalls zum Thema Ukraine..
In der FR denkt Andrej Kurkow über Vertrauen nach und warum man es manchmal allen Risiken zum Trotz einfach haben muss. Vertrauen etwa für den neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der gerade eine Vielzahl geheimer Erlasse seiner Vorgänger aufgehoben hat, die bestimmten Personen Privilegien zusicherten: "Ich weiß nicht, ob die neue ukrainische Staatsführung diese Erlasse auch öffentlich gemacht hätte, wenn nicht Krieg wäre. Diese jüngsten Entscheidungen von Präsident Petro Poroschenko haben mein Vertrauen in ihn gestärkt. Und ich will mir gar nicht die Frage stellen, ob das alte System der Korruption wiederhergestellt wird, wenn erst Frieden und Stabilität im Land eingekehrt sind!" Patrick Bahners resümiert in der FAZ einen Vortrag Timothy Snyders in New York ebenfalls zum Thema Ukraine..
Internet
Ebook-Verleger Friedel Muders kauft für seinen Verlag Fuego systematisch Rechte an Backlist-Titeln auf und erklärt im Gespräch mit Henry Steinhau in irights.info, warum das manchmal ganz schön schwer ist: "Beispielsweise liegen die Rechte von verstorbenen Autoren bei den Nachlassverwaltern, die man erst finden muss. Einige ältere Autoren sind extrem langsam und vorsichtig bei den Verträgen. Bei ausländischen Autoren, zu denen wir Kontakt suchen, müssen wir auch die deutschen Übersetzer in die Rechteklärung einbinden."
Geschichte

Außerdem: Der Historiker Hagen Schulze ist tot. Florian Stark schreibt den Nachruf für die Welt. Roman Bucheli besucht für die NZZ die Ausstellung "Krieg! Juden zwischen den Fronten 1914-1918" im Jüdischen Museum in München.
Politik
US-Staatssekretärin Catherine Novelli kann in einem ziemlich scharf geführten taz-Interview über das TTIP-Abkommen nicht recht erklären, wozu wir dieses Abkommen eigentlich brauchen und vor allem, warum wir für Investorenschutzklauseln unsere Rechtssprechung an geheim tagende Schiedsgerichte auslagern sollen. Ihr einziges Argument: "Die Klauseln gegen Diskriminierung von Unternehmen sind auch wichtig, wenn man mit anderen Staaten verhandelt. Die Schwellenländer sagen nämlich: Wenn ihr Investorenschutzklauseln nicht bei den Industrieländern vereinbart, solltet ihr sie auch nicht von uns fordern. Damit beginnt eine Abwärtsspirale, die wir nicht wollen."
Gesellschaft
Henry Tuck, Berater für Extremismusbekämpfung und Sicherheit am britischen Institute for Strategic Dialogue, erklärt in der NZZ, wie geschickt die Terrormiliz IS im Netz junge Briten ködert. Warum sie sich ködern lassen, bleibt weiterhin nebulös: "Die Motive dieser meist jungen Leute sind so unterschiedlich wie ihre soziale Herkunft. In der Regel bestens vertraut mit der westlichen Gesellschaft und Kultur, finden sie dennoch in der hiesigen Lebensform keine Erfüllung. Solchen verunsicherten und entwurzelten Menschen können extremistische Gruppierungen ein Gefühl der Zugehörigkeit und einen - freilich pervertierten - Lebenssinn vermitteln. Dass Orientierungslosigkeit und Langeweile ein bedeutender Motivationsfaktor sind, beweist nicht zuletzt die Bedeutung, welche die jungen Rekruten dem schieren Abenteuer zumessen: Wenn sie ihre Fotos unter Hashtags wie "#FiveStarJihad" ins Netz stellen, würde das eher zu einer Halbstarken-Gaudi passen als zu einem blutigen Glaubenskrieg."
Wer nach Erklärungen für die Anziehungskraft von Terrororganisationen sucht, wird vielleicht bei Erich Mühsam fündig. Arno Widmann las für die FR dessen 1907 formulierte Verteidigung des politischen Terrors: "Erich Mühsam nennt ausdrücklich Emil Henry, der Bomben in Cafés warf. Ihm war völlig gleichgültig, wen er tötete. Aber, so Mühsam "sein von sozialer Wut bestimmtes künstlerisches Wollen befahl, und er tat, was er tun musste". Das Amalgam von sozialer Wut und künstlerischem Wollen rechtfertigt noch das Ungeheuerlichste. Man glaubt in Mühsams Gewaltfantasien ein Stück jener Energien wieder zu entdecken, die Europa in den Ersten Weltkrieg, den Mühsam bekämpfte, trieben."
Außerdem: In der FAZ berichtet Andreas Platthaus von einer recht bedrückenden Diskussionsveranstaltung mit Günter Grass und Avi Primor über den Ersten Weltkrieg und den heutigen Antisemitismus.
Wer nach Erklärungen für die Anziehungskraft von Terrororganisationen sucht, wird vielleicht bei Erich Mühsam fündig. Arno Widmann las für die FR dessen 1907 formulierte Verteidigung des politischen Terrors: "Erich Mühsam nennt ausdrücklich Emil Henry, der Bomben in Cafés warf. Ihm war völlig gleichgültig, wen er tötete. Aber, so Mühsam "sein von sozialer Wut bestimmtes künstlerisches Wollen befahl, und er tat, was er tun musste". Das Amalgam von sozialer Wut und künstlerischem Wollen rechtfertigt noch das Ungeheuerlichste. Man glaubt in Mühsams Gewaltfantasien ein Stück jener Energien wieder zu entdecken, die Europa in den Ersten Weltkrieg, den Mühsam bekämpfte, trieben."
Außerdem: In der FAZ berichtet Andreas Platthaus von einer recht bedrückenden Diskussionsveranstaltung mit Günter Grass und Avi Primor über den Ersten Weltkrieg und den heutigen Antisemitismus.
Medien
Der Springer Verlag steigt beim europäischen Ableger von Politico ein, meldet turi2 unter Bezug auf verschiedene Quellen. Das erste europäische Medium im Internet wird also keine rein amerikanische Gründung sein: "Beide Seiten wollen, wie sie in einer Pressenotiz kurz mitteilen, "fundierte Berichterstattung über europäische Politik bieten". Die Anteile an dem Joint-Venture liegen bei 50:50. Die Zentrale für politico.eu soll in Brüssel sitzen."
Turi2 berichtet auch über neuerliche Konvulsionen beim Spiegel. Demnach wollen die Ressortleiter partout nicht Wolfgang Büchners Projekt einer Verschmelzung von Print und Online mittragen. In einem Brief schreiben sie zu Büchners "Vorschlag zur raschen Einführung gemeinsamer Ressortleitungen Print/SpOn": ""Alle sollen alles können, und alle sollen alles müssen, unabhängig von Qualifikation und Kompetenzen". Dadurch seien "bewährte Arbeitsweisen in der Redaktion sowie die journalistische Qualität der eingeführten Produkte gefährdet"." Das Internet gefährdet bewährte Arbeitsweisen!
Turi2 berichtet auch über neuerliche Konvulsionen beim Spiegel. Demnach wollen die Ressortleiter partout nicht Wolfgang Büchners Projekt einer Verschmelzung von Print und Online mittragen. In einem Brief schreiben sie zu Büchners "Vorschlag zur raschen Einführung gemeinsamer Ressortleitungen Print/SpOn": ""Alle sollen alles können, und alle sollen alles müssen, unabhängig von Qualifikation und Kompetenzen". Dadurch seien "bewährte Arbeitsweisen in der Redaktion sowie die journalistische Qualität der eingeführten Produkte gefährdet"." Das Internet gefährdet bewährte Arbeitsweisen!
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