9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

August 2016

Die Fakultät gab nicht nach

31.08.2016. Die FAZ ist einverstanden mit der Steuernachforderung der EU an Apple: 13 Milllarden Euro, plus Zinsen. Überall wird über Burka, Burkini, Islam und Europa diskutiert. Ilija Trojanow lehnt in der taz den Begriff der Leitkultur ab - Multikulti ist ihm lieber. Manuel Valls wird kritisiert, weil er die Nacktheit der Brüste der Marianne als Sinnbild der Frauenfreiheit in der Republik sieht. In der Welt feiert Wolf Lepenies die Philipp-Schwartz-Initiative, die türkischen Wissenschaftlern helfen will. In der NZZ warnt Martin Pollack vor Jaroslaw Kaczynski.

Das unverhüllte Angesicht

30.08.2016. Im Perlentaucher warnt Martin Vogel, dass sich das Deutsche Patentamt der Beihilfe schuldig macht, falls es Rechtswidrigkeiten durch die VG Wort durchwinkt. Im Guardian untersucht Nick Cohen die Auswirkungen der sozialen Medien auf die Öffentlichkeit. Zeit online rätselt, was Thomas de Maizière von der Verschlüsselung will und was nicht. Netzpolitik warnt: Heute wird in Europa über die Netzneutralität entschieden. Die NZZ zeigt Gesicht..

Das Leben aller

29.08.2016. In der taz porträtiert Gabriele Goettle den Ulmer Notfallhelfer Helmut Schön. Edith Kresta betont in der taz, dass auch ein islamischer Feminismus Machtstrukturen aufdecken muss. Necla Kelek fordert in Chrismon, keine religiösen Eheschließungen anzuerkennen. Die FR erkundet die Ursprünge der amerikanischen Gun Culture. Die SZ verteidigt Europas Plätze. und die Welt streift durch die englischen Gärten des Capability Brown.

Ich bin, grundsätzlich, Konsument

27.08.2016. Das höchste Gericht Frankreichs hat das Burkini-Verbot aufgehoben. Die ehemalige französische Umweltministerin Corinne Lepage befürchtet auf huffpo.fr eine Spirale aus Provokationen, Verboten und Genehmigungen. Das Thema Burkini ist damit jedenfalls noch lange nicht erledigt, meint SpOn mit bangem Blick auf den französischen Wahlkampf. In der FR entdeckt der Sinologe Wolfgang Kubin Konfuzius als religiösen Denker. Murat Kayman, Koordinator des Moscheenverbands Ditib, erklärt in der taz, weshalb in Deutschland ausgebildete islamische Theologen nicht als Imame in Frage kommen. Und Abdel-Hakim Ourghi fordert in der FAZ eine Reformation des Islam.

Aleppo ist allein

26.08.2016. Günther Oettinger plant ein EU-weites Leistungsschutzrecht für Zeitungen. Kleinere Online-Anbieter wären der Kollateralschaden, aber der Qualitätsjournalismus soll dies Opfer wert sein. Weltweit wird über den Burkini an französischen Stränden diskutiert: Der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, lobt sich da seine Stadt, in der Differenz nicht nur respektiert, sondern  gefeiert werde. Für La Règle du Jeu sprechen allerdings ästhetische Gründe gegen den Burkini. In der FAZ loten  Marina und Herfried Münkler Abgründe und Untiefen der sozialdemokratischen Bildungspolitik aus.

Die Wirklichkeit ist provokativ genug

25.08.2016. Politico.eu fragt: Wie viele Bernie Sanders wird der französische Wahlkampf verkraften? Der Burkini ist ein Symbol der Freude und Gesundheit, schreibt seine Erfinderin Aheda Zanetti im Guardian. Deutschland macht jungen Muslimen kein Identitätsangebot, schreibt Bassam Tibi in der SZ. Der Tagesspiegel schildert einen  Kleinkrieg der sachsen-anhaltinischen Metropolen Magdeburg und Halle um die Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025.

Ein jeder kann dich verkaufen

24.08.2016. Burka und Burkini versperren nach wie vor die Sicht aufs Sommerloch. Die Historikerin und Politikerin Esther Benbasssa lehnt das Burkini-Verbot in Libération mit laizistischen Argumenten ab. Die Berliner Zeitung macht die Beobachtung, dass in Freibädern inzwischen selbst für kleine Kinder ein informeller Kleidungszwang herrscht. Auch die deutsche Debatte um die Burka geht weiter: Die SZ findet, dass sowohl die islamische als auch die westliche Mode von Dolce und Gabbana nichts mit Freiheit zu tun haben. Im Standard kritisiert der spanische Journalist Ángel Sastre das Desinteresse der Medien für Syrien.

Kultur ist, wer wir sind

23.08.2016. Der Internationale Gerichtshof hat erstmals einen Islamisten wegen "Kulturzerstörung" veruteilt - ein historisches Urteil, so die taz. Überall wird über Burka und Burka-Verbot diskutiert: Sie ist gar kein religiöses Kleidungsstück, meint die Journalistin Meera Jamal in der SZ. Spiegel online kritisiert die linken Parteien, die bei diesem Thema einfach abwinken. Auch über den Burkini wird gestritten. Politico.eu lässt die Burkini-Erfinderin Aheda Zanetti zu Wort kommen, die mit diesem Badeanzug Keuschheit und Moderne verbinden will. Gawker macht zu - und rechtfertigt sich nochmal.

Alle schauen und er selbst schaut auch

22.08.2016. Wann sollte noch mal der Brexit kommen?, fragt der Guardian. Die taz wirft Erdogan vor, den syrischen Bürgerkrieg in die Türkei geholt zu haben. Die EU fördert keine freie Wissenschaft, sondern Populismus und Technokratie, beklagt die FAZ. Die SZ versucht, Facebooks erratisches Privatrecht zu verstehen. Die NZZ duscht im Permaregen der Information. Die FR sonnt sich in der Republik der Blicke.

Es ist Feudalismus pur

20.08.2016. In der FAZ beschreibt Bülent Mumay, wie in türkischen Gefängnissen Platz geschaffen wird. Auf Glanz und Elend plädiert Wolfram Schütte für ein Burka-Verbot. Beim Burkini an der Côte d'Azur setzt Politico lieber auf Voltaire als auf Rousseau. Im Standard will Pankaj Mishra eine neue Aufklärung, die alte bringt's nicht mehr. In der SZ opponiert Johannes Maria Schatz gegen die Macht der Theaterintendanten. Hans Stimmann erinnert der Welt an Hans Scharouns Masterplan für Berlin.

Kampfanzug des Islamismus

19.08.2016. In Europa wird über Religion gestritten - allerdings nur über die eine. Ilija Trojanow glaubt in der FAZ, dass der Salafismus nur mit einer milderen Form des Islams, dem Sufismus, bekämpft werden könne. Ebenfalls in der FAZ erklärt der CDU-Politiker Jens Spahn, warum die Burka seiner Ansicht nach keinen Platz in Deutschland hat - und ist sich einig mit einer Reihe von Autorinnen und Autoren wie Monika Maron und Bassam Tibi, die in einem Aufruf ein Verbot der Burka fordern. Außerdem: Überall wird Ernst Nolte gewürdigt.

Der plurale Wahrheitsbegriff

18.08.2016. In der Zeit macht Boris Schumatsky das "postmoderne Lebensgefühl" für Figuren wie Wladimir Putin verantwortlich. Nun wurde in der Türkei auch die die Schriftstellerin Asli Erdogan verhaftet - FAZ und NZZ berichten. Motherjones erklärt am Beispiel der Reportagen von Shane Bauer, wie Journalismus eigentlich funktionieren müsste. Die Amerikaner brauchen einen neuen New Deal, sagt Nancy Isenberg in der SZ.

Diesem einem Vernunftlicht

17.08.2016. In der FAZ berichtet Marius Ivaskevicius von seiner Reise in die Depressionszone der Ukraine. Die Berliner Zeitung hält in der Debatte um das Burka-Verbot fest: Demokratie lebt von gegenseitigem Ansehen. Die FR huldigt Pierre Bayle und der Toleranz. Die Welt prangert die Untätigkeit der Golfstaaten in der Flüchtlingsfrage an.

Vernünftiger ist, nur Millionär zu werden

16.08.2016. Früher war Internet wie LSD, heute ist es wie Prozac, klagt der Medientheoretiker Douglas Rushkoff in der SZ. In der New York Times erklärt Peter Thiel, warum das Klatschblog Gawker das Böse ist. In der Welt wünscht sich Zafer Senocak einen kulturell kreativeren Islam. Die Bild-Zeitung macht einen U-Turn und landet beim lieben Gott. Da suchen wir uns sofort eine kulturell kreativere Zeitung!

Paradoxer Kult des Echten

15.08.2016. Im Standard geißelt die türkische Autorin Ece Temelkuran die Mitschuld europäischer Politik an den türkischen Entwicklungen. Vanity Fair staunt immer noch sehr über die ideologische Verblendung der Brexit-Kampagne. Die taz porträtiert die junge Feministin Merle Stöver, die sich gern auch mal mit Laurie Penny und Judith Butler anlegt. In Spiegel online staunt der Ökonom Oliver Nachtwey über die modernen Linken, die so egalitär sind, außer, es geht um ihren Nachwuchs.

Glaubensbekenntnisse, ja Wahnsysteme

13.08.2016. In der Welt erzählt Deborah Feldman, die in einem Bestseller ihre Emanzipation vom orthodox-jüdischen Milieu beschrieb, was sie an Ayaan Hirsi Ali so schätzt.  Die SZ  hofft, das entfesselte Meinen im Netz mit Theodor W. Adorno bewältigen zu können. Libération erklärt, warum das Burkini-Verbot von Cannes nicht mit dem Argument des Laizismus verfochten werden kann. Le Monde fragt, was Russland mit seinem neuen Krim-Theater bezweckt. Das Ich ist wehleidig geworden, ächzt die NZZ.

Inmitten eines kollektiven Schlummers

12.08.2016. Die New York Times bringt ein Riesen-Dossier über den Zerfall der arabischen Welt. Die Welt fordert eine schärfere Antwort des Westens auf Putins neuerliches Spiel mit dem Feuer. FAZ und SZ diskutieren über vermeintliche oder tatsächliche Gefährdungen der Demokratie. Der Guardian fürchtet, dass die Trotzkisten für Labour ein "Übergangsprogramm" entwerfen. Ebendort schreibt Emily Bell eine Art Nachruf auf Ariana Huffington.

Der Prozess ist nicht transparent

11.08.2016. Im Focus kritisiert Necla Kelek die Bundesregierung, die den türkischen Staatsmoscheen der Ditib zu viel Raum gebe - ähnlich argumentieren einige Religionskritiker, die bei hpd mehr Säkularismus in Deutschland fordern. Der Freitag greift den Fall des Bloggers Dennis Cooper auf und beklagt, dass Google Recht in eigener Sache spricht.  Die Zeit geht den Vorwürfen gegen Jacob Applebaum nach und kann sie nicht bestätigen: Statt dessen findet sie einen Haufen Anarchisten, die sich aus Hass auf die Polizei lieber direkt attackieren.

Die elementare Geste der Gabe

10.08.2016. "Das sind die Panama Papers des australischen Flüchtlings-Gulags" - der Guardian veröffentlicht die "Naura Files", die Gewalt und sexuellen Missbrauch in Flüchtlingslagern enthüllen, und spart nicht mit klaren Worten über die australische Flüchtlingspolitik. In der SZ schreibt Najem Wali über Flüchtlinge in Lesbos. Überall ist heute von Facebook die Rede: Facebook stoppt Adblocker, Facebook stoppt Clickbaiting, Facebook stoppt Zeit online aber nicht, promovierte Mathematiker einzustellen, um bei Facebook vorzukommen.

Alles ist verrückbar

09.08.2016. Toleranz ist Verhandlungssache, meint der Philosoph Andreas Urs Sommer in der NZZ. Bei La Régle du Jeu streiten sich Bernard-Henri Lévy und Jean Daniel über die "neue jüdische Frage". Viel diskutiert wird John Olivers in seiner letzten Show gesungene Ode an den Lokaljournalismus. In der FR sucht Journalist und Filmemacher Osman Okkan eine Erklärung für die Treue der Deutschtürken zu Erdogan. In der SZ erinnert Bassam Tibi an die Entstehung des aufgeklärten Islams - vor etwa tausend Jahren.

Was will mein Volk?

08.08.2016. Arno Widmann wird siebzig: Im Perlentaucher singen ihm Schüler, Freundinnen und Weggefährtinnen ein Ständchen. In der SZ beobachtet unterdes Yavuz Baydar mit Schaudern, wie Tayyip Erdogan seinem Volk die Todesstrafe zurückgibt. In der FAZ inspiziert Jeremy Adler die Verfasstheit der Briten. Die NZZ freut sich über die Aufwertung des öffentlichen Raums durch PokemonGo. Und die Welt lernt von Deirdre McCloskey die ganze simple Kunst des Reichwerdens.

Füttere die Krähe

06.08.2016. Im Freitag denkt die Philosophin Bettina Stangneth über Attentate, das Böse und die Konsequenz der Selbstinszenierung nach. In Libération fragen Geoffroy de Lagasnerie und Edouard Louis, ob Überwachung und Repression alle Mittel sind, die Frankreich im Kampf gegen den Terror aufbringen kann. In der taz stellt Sineb El Masrar fest: Das Recht auf Kopftuch zu fordern, hat nichts mit Feminismus zu tun. In der FAZ erinnert Bülent Mumay daran, wie Erdogan die Apparate säubern ließ, um sie mit Gülen-Leuten zu besetzen. Und die SZ fragt: Wo sind eigentlich die Misthaufen geblieben?

Im Zweifel gegen den Nutzer

05.08.2016. Die SZ huldigt dem Mut des chinesischen Anwalts Zhou Shifeng, der gerade in einem Schauprozess zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Im Freitag attackiert Correctiv-Autor Marcus Bensmann über Putins nützliche Idioten in der EU. In der NZZ wünscht Robert Harrison den heutigen Gesellschaften weniger Genialität und mehr Weisheit. In Glamour erklärt Barack Obama, warum er Feminist ist. Im Esquire bekundet Clint Eastwood seine Sympathie für Donald Trump.

Wir sprechen von Editieren

04.08.2016. Zeit und taz beobachten fassungslos, wie tatenlos der Westen die Katastrophe von Aleppo heraufziehen lässt. Die New York Times berichtet über das IS-Kommando EMNI, das internationale Anschläge koordinieren soll. Ian Buruma dechriffiert in der Welt die einstudierten Manierismen von Populisten. Und die Scheicha von Katar erklärt in der Zeit, was sie unter der Freiheit versteht.

Eine Art elitejournalistischer Komment

03.08.2016. Wie gut, dass die Putschisten nicht die Oberhand gewinnen konnten, ist sich Bülent Mumay in der FAZ sicher. Aber nun verhält sich die Regierung, als hätte sie selbst geputscht. Im Blog von Wolfgang Michal erklärt Lutz Hachmeister, wie schwer es sein kann, eine Information in deutsche Medien zu bringen. Vor allem, wenn sie deutsche Medien betrifft. Die Amerikaner sind zwar reif für den Sozialismus, sagt die Occupy-Aktivistin Sarah Leonard in der Welt. Aber was ist das überhaupt? Auch im Sozialismus wird man jedoch nicht gehört werden, wenn man nicht "beschleunigte Seiten" für Google schreibt, ist sich das Niemanlab sicher.

Alles ein isoliertes Ereignis

02.08.2016. Nick Denton, Gründer von von Gawker, hat persönliche Insolvenz angemeldet, meldet Politico. Sein Erzfeind Peter Thiel, der Denton durch Finanzierung von Prozessgegnern in den Ruin trieb, lässt sich unterdessen das Blut junger Menschen spritzen, weiß inc.com. In der FAZ  findet Navid Kermani trostreiche Worte zur Lage Deutschlands im aktuellen Chaos. The Daily Beast fragt: Wie putinistisch ist Julian Assange?

Der byzantinische Mythos

01.08.2016. Assad kann nun mit der gemäßigten Opposition endgültig aufräumen, schreibt die Presse - niemand außerhalb Syriens interessiert sich für Aleppo. Nach Auschwitz sollte der Papst Ruanda besuchen, meint die taz - dort hat die katholische Kirche einiges zu klären. Im Standard denkt Kulturwissenschaftler Wolfgang Müller-Funk über die Rede von der Dekadenz des Westens nach. Die größten Opfer des Brexit werden diejenigen sein, die für ihn stimmten, meint politico.eu.