9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2014

Naturphänomene und Technik

28.02.2014. Der Guardian empfiehlt Video-Chattern züchtige Kleidung: Bitte nicht die Fünf Augen beleidigen!  Die Schweizer Medienwoche reflektiert die Rolle der Medien beim Rücktritt Christian Wulffs. Man sollte die Interessen Putins nicht mit denen Russlands verwechseln, sagt Richard Herzinger in seinem Blog mit Blick auf die Ukraine - Adam Michnik sieht's in Le Monde ähnlich. Auf qantara.de tritt die Politiologin Elham Manea für den saudischen Dissidenten Raif Badawi ein, dem die Todesstrafe droht. Die Zeitungen streiten über die Frage, ob Tim Renner für die Berliner Kultur die richtige Besetzung ist. Und in Südkalifornien hat's geregnet.

Prägnanzqualität

27.02.2014. Die Presse aus Wien findet Thilo Sarrazins Tugendterror-Buch duchaus diskutabel, der Freitag durchaus nicht. In der Welt meditiert der Soziologe Wolfgang Sofsky anlässlich des Falls Edathy über die Dramaturgie des Verdachts. In der Zeit erzählt Peter Sloterdijk, wie er sich nach oben philosphierte. Aktuell: Tim Renner wird Kulturstaatssekretär in Berlin. Gigaom meldet: Amazon produziert eine Serie, die die BBC absetzen wollte, zusammen mit der BBC weiter, um auch was zum Senden zu haben. Im Freitag geht die Debatte um die eventuelle Relevanz von Blogs weiter.

Gern ins Schwitzbad

26.02.2014. Dumm gelaufen für Putin, meint Viktor Jerofejew in der FAZ. Ohne Sotschi hätte Russland in der Ukraine womöglich anders agiert. Bernard-Henri Lévy nimmt die ukrainische Opposition gegen Faschismus-Gerüchte in Schutz. Die New York Times denkt über die Aufstände in Venezuela nach. Google möchte nicht, dass wir Google Glass beim Autofahren absetzen, berichtet Reuters. Sascha Lobo prangert in Spiegel Online das Ausmaß der öffentlichen Abstumpfung angesichts des Geheimdienstskandals an. Und Stefan Niggemeier spießt die obszöne Selbstdarstellung der Bild anlässlich des Wulff-Films auf.

Protestantisierung der Verkehrsteilnehmer

25.02.2014. Glenn Greenwald bringt auf The Intercept neue Erkenntnisse über das segensreiche Wirken der Five Eyes Allianz, die sich neben der Terrorbekämpfung gern auch mit der Diffamierung ihrer Gegner befasst und hierzu eine Menge Geheimpapiere verfasst hat. Luke Harding kann im Guardian nur bestätigen, dass auf seinem Laptop seltsame Dinge geschehen. Die NSA hört jetzt aber nicht mehr die Kanzlerin ab, sondern nur noch ihre Minister, meldet Reuters. Die FAZ kämpft gegen Renaissancemaler auf der Museumsinsel. Und Europa braucht eine öffentlich-rechtliche Anstalt, meint Alem Grabovac in der taz.

Verdachtsarme Verfahren

24.02.2014. Nicht wieder die Fehler von 2004 machen!, ruft Mykola Rjabtschuk in der FAZ und hofft auf eine stärkere Stützung der Ukraine durch die EU. Religion ist für vieles gut, unter anderem zur Diskriminierung von Homosexuellen in einigen Bundesstaaten der USA, berichtet Gawker. Und Marokko will laut Standard jeden bestrafen, der für Frieden mit Israel ist. Die Pianistin Alice Herz-Sommer, die älteste bekannte Holocaust-Überlebende, ist im Alter von 110 Jahren gestorben. Wir binden einen Ausschnitt aus einer Dokumentation über sie ein.

Der Umschwung im Bewusstsein zählt

22.02.2014. In der FAZ fragt Mykola Rjabtschuk, welche Rolle der russische Geheimdienst in Kiew spielt. Und: Wer beauftragte die Scharfschützen zu schießen? In der Welt meint Arkadi Babtschenko: Die Revolution in der Ukraine hat schon lange gesiegt. Im Guardian stellt Julian Barnes klar: Der Grad unserer Freiheit erweist sich nicht an den unbescholtenen Bürgern. Auch Edward Snowden schreib zum achtzigährigen Bestehen von Liberty. In der FR sieht Angelo Bolaffi keinen Zusammenhang zwischen deutscher Austeritätspolitik und antieuropäischen Ressentiments

Mit Trauerflor

21.02.2014. In Télérama erklärt Timothy Snyder, warum es in der Ukraine weniger Stalin-Nostalgie gibt als in Russland. Den Deutschen erzählt er im Spiegel, welche Rolle die Ukraine in ihrer Geschichte spielt. Die Gewalt in der Ukraine war schon immer präsent, schreibt Tanja Maljartschuk in der FAZ, und sie wuchs durch das ängstliche Schweigen der Bevölkerung. Die SZ mag der Opposition in der Ukraine nicht trauen. Und sonst: Warum Whatsapp? Und die Angst der Kultur vorm Freihandel.

Was ist unser Aufgegebenes?

20.02.2014. Facebook kauft Whatsapp - zum Preis von 64 Washington Posts. Mark Zuckerberg hat laut Techcunch eine einfache Strategie: Er strebt drei Millarden Nutzer an. Die App macht das Handy zur Wanze, wissen Experten laut WAZ. Wenn der Majdan geräumt wird, dann sollte auch Sotschi geräumt werden, findet BHL und ruft Martin Schulz zu den Barrikaden. Der erste Band der Notizen Martin Heideggers aus der Nazizeit ist nun erschienen: ein intellektuelles Desaster, meint die FAZ. In Frankreich wird weiter über Libération gestritten.

In einer Salatsauce

19.02.2014. Spiegel Online bringt einen Livestream vom Maidan und versucht, die Toten zu zählen. Lawblogger Udo Vetter ist fassungslos über das Verhalten der Staatsanwaltschaft im Fall Edathy. In der Welt meint Alan Posener: 90 Prozent fromme Amerikaner können nicht irren. Ebenfalls in der Welt will Adonis keine Revolution unterstützen, die religiös ist und erklärt die Militärdiktatoren zum geringeren Übel. Die NZZ porträtiert den indischen Autor Chetan Bhagat, der in die Politik strebt. Die FAZ bangt mit der französischen Datenschützerin Isabelle Falque-Pierrotin um einen Bürger, der den Internetunternehmen ausgeliefert ist.

Wie Perestroika in Zeitlupe

18.02.2014. Die NZZ inspiziert die Armee der Auftragsblogger, die in der Türkei Propaganda für die Regierung machen. Jaron Laniers Abrechnung mit dem Internet kommt in den Zeitungen weiter gut an. Jetzt kommt der Rechtspopulismus in die Städte, fürchtet Jean-Stéphane Bron, der einen Dokumentarfilm über Christoph Blocher gemacht hat, in Rue89. Malcolm Gladwell fürchtet in der FR, dass David in seinem Kampf gegen Goliath die Haager Konvention verletzte. An der Homophobie in Afrika ist eindeutig der Westen schuld, meint Kuratorin Koyo Kouoh in der SZ.

Männer, die ausschließlich weibliche Kinder zeugen

17.02.2014. Die Gegner Salman Rushdies haben eine Schlacht verloren, aber einen Krieg gewonnen, meint Kenan Malik in einem Essay zum 25. Jahrestag der Morddrohung gegen den Autor. Aus dem Ersten Weltkrieg kann man nun wahrlich kein Argument gegen die EU drechseln, findet Adam Krzeminski in der Welt. Durch viele Straßen Ungarns mag man nach einem Artikel György Dalos' in der NZZ kaum mehr schreiten. Die SZ empfiehlt deutschen Angsthasen die kontroverse Europa-Debatte in den Niederlanden.

Darüber zu reden, sei gut

15.02.2014. Die Ermittlungen gegen Sebastian Edathy waren verfassungswidrig, meint die SZ. Die FAZ hat im Prozess gegen buch.de gewonnen und will jetzt Entschädigung für positive Kritikerzitate von Klappentexten: 28.000 Euro für fünfzig Stück. Der Börsenverein warnt jetzt die Verlage: Vorsicht bei allen Kritikerzitaten! In der Welt gibt es wohl auch Homophile. Die Zahl von drei Millarden Zuschauern, die Putins Propagandashow aus Sotschi gesehen haben sollen, ist aus der Luft gegriffen, meint Blogger Host Müller.

Vollgerümpelter Dachboden

14.02.2014. Matthias Matussek hatte in der Welt sein Coming Out als "wohl Homophober". Johannes Kram antwortet im Nollendorfblog. Stefan Niggemeier findet, dass man das Antworten besser unterlässt. Urheberrechtsexperte Ilja Braun ruft in der SZ dazu auf, die Debatte um ein Grundeinkommen mit jener um ein Urheberrecht im digitalen Zeitalter zu verknüpfen. Die FAZ will nicht, dass BR-Klassik online geht. Und warum man De la Soul erst ab heute im Netz hören kann.

Funktionärshabitus

13.02.2014. Die Zeitungen sind sehr erschrocken: Über das Netz gibt es wirklich nichts Gutes mehr zu sagen. Jaron Lanier bestätigt es in der Zeit: Das Netz wird uns Hyperarbeitslosigkeit bringen. In der FAZ beklagt Shoshana Zuboff die willfährige Kooperation der Internetfirmen mit der NSA. In der taz mokiert sich Marko Martin über die Beflissenheit deutscher Literaten. Martin Schulz hat vor der Knesset ein paar sachliche Fehler gemacht, findet die Welt. Die FAZ verteidigt ihn. In der Zeit streiten Ulrich Beck und Alain Finkielkraut über Europa. Die jetzt bekannt gewordenen Gurlitt-Bilder sind die wertvollsten der Sammlung, sagen FAZ und SZ.

Die Norm im Tierreich

12.02.2014. Das EU-Parlament wird heute laut Spiegel Online gegen Asyl für Edward Snowden stimmen. Schuld sind die Sozialdemokraten. Ist es nun natürlich, einen Giraffenbullen an die Löwen zu verfüttern oder nicht? Die Welt widerspricht sich. In der SZ beschreibt Alex Capus nach dem Referendum die gespaltene Seele der Schweizer. Außerdem: ein neuer Stand in der Gurlitt-Affäre.

Einfach: nicht antworten

11.02.2014. In der FAZ denkt Thomas Hürlimann über Zulassungsschranken für Schweizer Referenden nach. Außerdem erklärt Juli Zeh in Sachen Internet-Überwachung, warum sie etwas zu verbergen haben will. In Eurozine denkt der ukrainische Autor Volodymyr Yermolenko über die zwei Seelen Europas nach. Die BBC bewundert die Intelligenz der Krähen. Und Libération ist in Aufruhr.

Mit Schneebällen gefüllt

10.02.2014. Die NZZ fragt sich nach dem Schweizer Votum gegen "Masseneinwanderung", ob sie einem "Dimanche noir" beigewohnt hat. Woody Allen wehrt sich in der New York Times gegen  Vorwürfe, er habe Dylan Farrow missbraucht. Die FAS regt an, auch mal über die Steuermoral des Staates und nicht nur seiner Bürger nachzudenken. Die taz zeigt Google die Grenzen des mitdenkenden Kühlschranks auf. Und The Intercept geht an den Start: das Magazin, mit dem Laura Poitras, Glenn Greenwald  und andere die Überwacher überwachen wollen.

Ein flüssiges Stück anderen Lebens

08.02.2014. Edwy Plenel enthüllt in Mediapart, warum Nicolas Sarkozy 2012 nicht wiedergewählt wurde: sein wichtigster Wahlkampfhelfer 2008 war Gaddafi. Der Freitag feiert Facebook allen Enttäuschungen zum Trotz als globalen Gegenwartsroman. Der deutsche Gegenwartsroman ist in der Tat bildungsbürgerlich brav, aber die Autoren können nichts dafür, meint Olga Grjasnowa in der Welt. Und in der NZZ erinnert sich Oleg Jurjew, was die Olympischen Spiele von 1980 der Sowjetunion brachten: Pepsi-Cola.

Dackel in allen Lebenslagen

07.02.2014. Netzpolitik beschuldigt Martin Schulz, der gestern in der FAZ vor einem technologischen Totalitarismus warnte, der Heuchelei. Die Welt erinnert einen Tag vor Sotschi an die Verfolgung der Tscherkessen. In der FAZ diskutieren vier ukrainische Autoren über die Lage ihres Landes. Rue89 porträtiert den Philosophen Jean-Claude Michéa, der sowohl bei gewissen Fraktionen der Linken als auch beim Front national en vogue ist.

Unstete Politikperformance

06.02.2014. Das Folkwang Museum hat eine Balthus-Ausstellung mit Polaroids eines pubertierenden Mädchens abgesagt. Schadet nichts, Balthus ist eh schlechte Kunst, meint die Welt. Die Berliner Zeitung wittert dagegen Selbstzensur. In der taz verteidigt die Religionswissenschaftlerin Sarah el-Tantawi die Sehnsucht der Ägypter nach dem Militär. In der FAZ warnt der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz vor einem digitalen Totalitarismus, möchte aber auch gerne technologischen Anschluss halten. Im Guardian protestieren mehr als 200 Schriftsteller gegen die Menschenrechtsverletzungen in Putins Russland.

Das Recht auf eine Revolution

05.02.2014. In der FAZ fordert der ehemalige BGH-Richter Wolfgang Nešcović eine radikale Kontrolle der Geheimdienste. Die österreichische Gema fordert eine Vergütungspflicht für Hyperlinks, mit denen Videos eingebettet werden, meldet futurezone. Die Bibel ist kein Unterdrückungsinstrument, ruft die feministische Theologin Claudia Janssen in der taz allen Schwulenhassern zu. Und in der Welt fragt Henryk M. Broder die deutsche Friedensbewegung: Über wieviel Leichen willst du gehen?

Untauglich gewordene Oppositionen

04.02.2014. In Le Monde formulieren Alain Finkielkraut und Daniel Cohn-Bendit  glasklare Gegenpositionen zu Europa. Elisabeth Roudinesco greift in huffpo.fr den französischen Streit um die Gender-Theorie auf und fragt, ob ein neuer Faschismus aufzieht. Wie stirbt ein Huhn besser: auf dem Gnadenhof oder als Suppenhuhn? In der Welt wird über Tierrechte gestritten. Die NZZ erkundet die Position der Medien zum Schweizer Referendum über "Masseneinwanderung". Die taz versucht per Akzelerationismus, die Linke wieder zukunftsfähig zu machen.

Bessere Mischung

03.02.2014. Warum kriegen die Muslime eine Islamkonferenz, während alle anderen Einwanderer keine Konferenz kriegen?, fragt Monika Maron in einem Text, den Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner in letzter Minute kippte und den dann die Welt am Sonntag brachte. Der Tagesspiegel interviewt Olivier Roy zur Verführungskraft des Salafismus. Im Guardian attackiert Timothy Garton Ash die britische Ukraine-Politik. Andrew Sullivan denkt in The Daily Dish über die Vorwürfe Dylan Farrows gegen ihren Adoptivvater Woody Allen nach. Alice Schwarzer beklagt in ihrem Blog die Verletzung ihres Steuer(hinterzieh)geheimnisses.

Automatisch vollintegriert

01.02.2014. Selbst bei einem Sieg hätte die syrische Opposition nach all den Toten nur Grund zu weinen, schreibt Khaled Khalifa in der taz. Google meldet Patente an, mit denen es sich demnächst der Polizei andienen könnte, berichtet das FAZ.Net. Der Guardian zeigt jetzt im Video, wie der britische Geheimdienst Festplatten mit Snowden-Leaks zerstören ließ. Auf Lampedusa treffen sich heute Menschenrechtsgruppen, um die europäische Flüchtlingspolitik anzuprangern, meldet Micromega.