9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Oktober 2014

Diesmal ging die Reise nach Cupertino

31.10.2014. Spanien schafft jetzt auch ein Leistungsschutzrecht und lässt "Google bluten", berichten mehrere Medien. In Großbritannien werden unterdessen neue Straftatbestände für Netzsperren geschaffen, berichtet der Guardian. Aber immerhin: Ungarn verzichtet auf die Internetsteuer, so aktuelle Meldungen. Libération erzählt, warum Asia Bibi gehenkt werden soll. In The Baffler streiten Thomas Piketty und David Graeber. Die Krautreporter erzählen, wie Apple Journalisten gefügig macht. Und neu: Die FAZ schafft einen Kulturkorrespondenten für ganz Europa.

Neben uns die Sintflut

30.10.2014. Kulturpolitik ist eine anstrengende Sache, stöhnt Tim Renner in der Welt. Die Presse berichtet über die "Culture Wars" über den Geschichtsunterricht an amerikanischen Schulen. Ein Video über sexuelle Belästigung macht eine Riesenkarriere im Netz - und wird jetzt des Rassismus verdächtigt, berichtet die New Republic. Der "sowjetische Leichnam" ist "als Zombie auferstanden in der Gestalt von Putin", sagt Vladimir Sorokin in der Zeit. Das Handelsblatt macht kühne Reformvorschläge für das öffentlich-rechtliche Fernsehen.

Die Vorzüge der Leibeigenschaft

29.10.2014. Das Problem der arabischen Staaten mit der IS-Miliz ist, dass sie ihre Ideologie zumeist teilen, meint der Guardian. FAZ und SZ fröstelt es in der russischen Kulturwelt. Die Welt fürchtet, dass sich die Tierrechtsethik als die Idiotie erweist, die sie sei. Günther Oettingers Vorschlag für eine Art europäisches Leistungsschutzrecht stößt in der FAZ auf Sympathie, aber nicht in zeit.de. Und Helen Epstein warnt im NYRBlog vor Ebola-Panik.

Natürliches Gebären ist auch nicht so toll

28.10.2014. In der Berliner Zeitung beschwört Götz Aly die humane Wärme der DDR-Erziehung.  In Libération macht Alain Badiou auch kein Omelett, ohne Eier zu zerschlagen. Laut Handelsblatt will EU-Kommissar Günther Oettinger ein europäisches Urheberrecht. Und Google soll bezahlen. In der Huffpo.fr begrüßt Caroline Fourest die Niederlage der Islamisten in Tunesien.

Gemeinschaftsbeete und Einzelbeete

27.10.2014. Die Welt fragt, warum die Zahl der Hinrichtungen im Iran steigt. In der taz denkt Laura Poitras über die Option der Rückkehr zum Analogen nach. In der SZ erklärt der Schriftsteller Sergej Lebedew die gruselige Ergebenheit der Russen gegenüber Putin. Das Niemanlab berichtet, dass Springer und die New York Times gemeinsam drei Millionen Dollar in eine Plattform für zahlbare Artikel investieren. In der FAZ kritisiert der Kabarettist Dieter Nuhr Medien, die Salafisten Raum geben. Und wir binden ein Videogespräch zwischen Lawrence Lessig und Edward Snowden ein.

Der Bote mit den explosiven Exklusivinformationen

25.10.2014. Mit der Digitalen Agenda will die Bundesregierung die Anonymität im Netz abschaffen, stellt die FAZ fest. Ello und die Schweiz haben hingegen den Standortvorteil von Anonymität und Datenschutz erkannt. Wo im Mittelalter Judenpogrome stattfanden, kaufen die Menschen heute weniger Aktien, berichtet die Welt. In der taz gewährt Vamik Volkan Einblick in die Psychologie von Selbstmordattentätern. Und Frank Golczewski rät der Ukraine, die russischen Propagandalügen nicht auch noch zu bestätigen. 

Auch das einfache Volk fand Gefallen am Balewudscherln

24.10.2014. Nun gerät auch noch das Internet über eine Steuer in den Würgegriff der ungarischen Zensoren, fürchtet die taz. Es ist Zeit, die PKK als Alliierten anzusehen, ruft Bernard-Henri Lévy in der New Republic. Die Zeitungen der VG Media kuschen vor Google, aber nicht vor den kleineren Suchmaschinen, schreibt Lawblogger Thomas Stadler. In der Welt setzt Wolf Lepenies Hoffnung in die tunesische Demokratie. Und die NZZ macht sich Sorgen um das Wienerische.

In der gegenwärtigen Situation fatal

23.10.2014. Laut Slate hat das Google-Auto ein "schmutziges Geheimnis": Es kann nur innerhalb von Google Maps fahren. Eine rote Ampel, die es nicht kennt, wird konsequent überfahren. Die taz fragt: Ist die Empörung über die IS-Miliz ungerecht? Die VG Media gibt gegenüber Google klein bei. Ihre Zeitungen wollen auf die Klicks von Google vorerst nicht verzichten. Andere Medien fordern mehr Vertrauen in folgende drei Player: Gott, Kultur und Journalismus.

Auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten

22.10.2014. Die SZ staunt über die Logistik von Amazon. Der postkoloniale Faschist Dieudonné gründet in Frankreich eine Partei, denn der Front national ist ihm nicht mehr antisemitisch genug, berichtet Médiapart. Die Hauptquelle der Gewalt in der Welt ist nicht der Krieg, sondern die Familie, schreibt Björn Lomborg in der Welt. Die NZZ beschreibt die pikierten Mienen der grauen Eminenzen des Dschihad angesichts der Erfolge der IS-Miliz. Die NZZ schildert auch die immer schwierigere Arbeit freier Kriegsreporter. Und Spiegel online wird zwanzig und hält Rückschau.

Er prosumiert nicht nur Netzinhalte

21.10.2014. In der NZZ fordert die tunesische Philosophin Zeineb Ben Saïd-Cherni ein emanzipatorisches Gedächtnis. Spiegel Online läuft mit der Bundesregierung der Digitalisierung hinterher. Die taz hat ein Land gefunden, in dem noch weniger Kinder geboren werden als in Deutschland: Südkorea. Die FAZ will die NRW-Warhols behalten.

Beten, Töten, Beten, Töten

20.10.2014. In der FR spricht Gerd Koenen über die Psychologie des Terrorismus und die neue Qualität der IS-Miliz. In Frankreich graut es dem Premier und den Zeitungen vor dem Polemiker Eric Zemmour, der das Vichy-Régime verteidigt - und damit Erfolg hat. In deutschen Zeitungen herrscht große Empörung über die Idee des "Social Freezing". In der SZ spricht der Hongkonger Kulturtheoretiker Oscar Ho über die Proteste seiner Studenten.

Jeder weiß, der es wissen will

18.10.2014. Was wird aus dem Museum der Moderne in Berlin? Vielleicht nichts, meint die FAZ. Die taz porträtiert Karen Duve, die in ihrem neuen Buch "Warum die Sache schiefgeht" das Ende der Menschheit ansagt. In Nonfiction.fr erklärt der Sinologe Nicolas Idier, warum Simon Leys besser ist als Orwell. Russland ist vom Westen keineswegs gedemütigt worden, insistiert Anne Applebaum in Slate. Die Süddeutsche präsentiert sich samstags jetzt als eine Art Sonntagszeitung.

Dégooglisons Internet!

17.10.2014. Die Vergewaltigungen und Versklavung von Frauen durch die IS-Bande ist vor allem wirtschaftlich lukrativ, meint die Feministin Monika Hauser in der taz. Libération stellt eine Open-Source Initiative vor, die zu jedem Alpha-Service im Netz von Google oder Facebook Alternativen sucht. Berlin ist ein Failed State, ruft der Ex-Pirat Christopher Lauer in der Welt, und es liegt auch an den Medien. In der NZZ warnt der Medizinhistoriker Robert Jütte vor Ebola-Panik. Im Telegraph kritisiert John Grisham die drakonischen Strafen der USA für das Betrachten von Kinderpornografie.

Apostasie, Ehebruch und Hexerei

16.10.2014. Die Zeit sieht den Suizid Udo Reiters als Provokation für Befürworter, aber auch für die Gegner der Sterbehilfe. Die NZZ analysiert den Retro-Kitsch in der russischen Speiseeis-Produktion. Vice erinnert daran, dass in Saudi Arabien in diesem Jahr bereits 59 Menschen geköpft wurden. Komponisten, die für die ARD arbeiten, sträuben sich gegen Creative-Commons-Lizenzen in dem Sender, berichtet Netzpolitik. Dafür wollen die Sender aber einen Jugendkanal, den der Perlentaucher aber ablehnt.

So etwas wie Schmerz um die untreue Geliebte

15.10.2014. Wir brauchen mehr Whistleblower, ruft Lawblogger Thomas Stadler, denn die Parlamente bringen's nicht. Rue89 erklärt, was Wirtschaftsnobelpreisträger Jean Tirole gegen Google hat und was nicht. Die FAZ will kein Recht auf Beihilfe zum Suizid. Die New York Times schafft ihre Schachkolumne ab, Garry Kasparow ist aber nicht traurig. Google übersetzt für uns Joseph Brodskys Spottgedicht über die ukrainsche Unabhängigkeit, über das laut FAZ im russischen und ukrainischen Netz gestritten wird.

Spenden können in Bitcoins entrichtet werden

14.10.2014. Die SZ ist traurig: Ganz so weit, auch Homosexualität anzuerkennen, geht der neue Papst offenbar nicht. Caroline Fourest graut's in huffpo.fr vor den Scharia-Familiengerichten in Großbritannien. In der taz fühlt sich Ulrich Beck "von der Wirklichkeit überrollt". In der FAZ erklärt Neil MacGregor, warum es Zeit wird, dass sich die Briten mit den Deutschen auseinandersetzen. Propublica beschreibt, wie Telekom-Konzerne gegen Netzneutralität mobilisieren. In der New Republic ruft BHL: Schande über die Türkei.

Wegweiser nach Rostow am Don

13.10.2014. Jaron Lanier kritisiert in seiner Friedenspreisrede die Idee des offenen Netzes. Die Medien loben seinen hinreißenden Auftritt. Der Perlentaucher ist nicht einverstanden mit seinen Thesen. Kein Abwesender ist anwesender als Edward Snowden: In New York feiert Laura Poitras' Film über ihn Premiere, berichtet zeit.de. Der New Yorker interviewte ihn per Video. Die NZZ erinnert an den Rücktritt Nikita Chruschtschows. Und die taz erzählt, wie russische Soldaten wider Willen in die Ukraine geschickt wurden.

Embedded vom Schreibtischstuhl aus

11.10.2014. Der BND interessiert sich auch für die Kontakte der Kontakte der Kontakte der Kontakte von Verdächtigen, meldet Zeit digital. Die Sharing-Ideologie des Internets befördert eine Zweiklassengesellschaft, befürchtet Jaron Lanier in der Welt. Google hadert mit der vom EuGH auferlegten Rolle als Zensor seiner Suchergebnisse, berichtet der Tagesspiegel. Alle sind einverstanden mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Malala Yousafzai und Kailash Satyarthi. Genau daran stört sich die taz.

Die Zeit des Wunschdenkens ist vorbei

10.10.2014. Die taz stellt die ausländischen ISIS-Milizionäre in die Tradition von internationalen Brigadisten wie Lord Byron und Giuseppe Garibaldi. Der Psychiater Norbert Nedopil definiert in der Welt die Grenze zwischen Wahn und Fanatismus. Russland ist keine ein wenig defekte Demokratie, stellt Jerzy Mackow im Tagesspiegel klar. Und die taz besucht die kulturell verödete Stadt Mostar.

Vorschnell geurteilt - typisch Internet!

09.10.2014. Im Guardian plädiert der Nordirland-Chefunterhändler Jonathan Powell für Verhandlungen mit ISIS: rein militärisch waren Terroristen noch nie zu besiegen. Dounia Bouzar beschreibt in der NZZ die Rekrutierungspraxis islamischer Extremisten. Jeff Bezos hat doch etwas vor mit der Washington Post, stellt die FAZ fest. Die SZ bemängelt die unpragmatische Gründlichkeit der Taskforce zur Untersuchung der Gurlitt-Sammlung. Überall in Deutschland werden Asylbewerberheime geschlossen oder abgerissen, berichtet die Zeit.

In dieser Geschichte gibt es keine Großmut

08.10.2014. In der Welt stellt Ian Buruma fest: Chinas Herrscher waren immer autoritär, aber selten so gesetzlos und korrupt wie heute. In der NZZ schildert Roberto Simanowski, wie flexibel Hongkongs Universitäten auf die Proteste reagierten. Netzpolitik fürchtet, dass die Netzneutralität dem Breitbandausbau geopfert wird. Twitter will offenlegen dürfen, wie es seine Nutzer überwachen lassen muss. In der Libération verweigert Edwy Plenel religiöse Antworten auf soziale Fragen. Die FAZ berichtet aus der Kurdenmetropole Diyarbakir.

Das infantile Stadium des sozialen Wandels

07.10.2014. Die Medienjournalisten kennen zwar keine Details zur Gruner-und-Jahr-Übernahme, aber raten können sie: Die Schätzungen über die Kaufsumme gehen von 100 Millionen Euro bis zum hohen dreistelligen Betrag. In Frankreich tobt eine seltsame Kontroverse um den Philosophen Marcel Gauchet, der zugleich in Le Monde erklärt, warum er kein Rebell ist. Antje Vollmer nimmt in der taz Wladimir Putin in Schutz.

Sich wieder selbst zu spüren

06.10.2014. Die Basler Zeitung zeichnet das Psychogramm der FAZ, die einst fast soviele Auslandskorrespondenten hatte wie die NZZ. Die FAS deckt ein großes Problem der Kirchen auf: Wohin mit all dem Geld? In der Welt attackiert Hamed Abdel-Samad die Islamverbände. Der Guardian erklärt, warum Separatismus rational sein kann. Und Miriam Meckels Burn Out wird jetzt verfilmt. Und aktualisiert: Bertelsmann übernimmt Gruner und Jahr vollständig.

Den Morgen gewinnen

04.10.2014. In Hongkong gehen die Proteste weiter. Organisierte Schläger versuchen die Demonstranten einzuschüchtern, berichten die Medien. Wir bringen Bilder und Links. Peking freut sich unterdessen auf eine immer "objektivere" China-Berichterstattung der Deutschen Welle, und die SZ kann das mit Dokumenten belegen. Slate macht sich Sorgen um die ungarische Demokratie. In der NZZ erklären zwei ukrainische Historiker, warum es in der Politik so gefährlich ist, historisch zu argumentieren.

Die Intelligenz reibt sich selbst auf

02.10.2014. Hongkong brodelt weiter. Seit den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens hat sich Peking keiner solchen Herausforderung mehr konfrontiert gesehen, meint die FAZ. Der Streit zwischen Google und den in der VG Media organisierten Verlagen eskaliert: Google listet aus. Die Verlage fühlen sich erpresst. Und wir setzen Links. Die NZZ-Debatte über den Islam geht weiter: Man weiß mittlerweile, dass der Islam sehr wohl intellektuell lebendig ist, betont Islamwissenschafter Ulrich Rudolph in Antwort auf Necla Kelek.

Das altmodische Wagnis, den Dingen Namen zu geben

01.10.2014. Heute ist Nationalfeiertag in China. In Hongkong wandten Studenten der offiziellen Zeremonie den Rücken zu. Twitter und Facebook wimmeln vor Bildern. Die FAZ informiert über Desinformationstechniken der Zentrale. Le Monde erzählt, wie man Online-Medien in Frankreich auch kaputt machen kann: mit der Mehrwertsteuer. Die SZ durchleuchtet die NS-Vergangenheit ihrer frühen Redakteure. Die Zeit versucht zu verstehen, warum sich junge Frauen von den IS-Marodeuren angezogen fühlen. Und Springer hat jetzt keine Angst mehr vor Big Data, sondern sammelt selbst, freut sich Kai Diekmann in Wien.