9punkt - Die Debattenrundschau

Folgen der Maschine

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
18.01.2018. Nun bringt auch die Zeit noch ein Pro und Contra zu Simon Strauß - Ergebnis: Er mag ja nerven, aber muss man ihn deshalb bei der AfD einsortierten? Drei taz-Autorinnen inspizieren den unklaren #MeToo-Fall Aziz Ansari und fordern künftig ein klares "Ja heißt Ja". Netzpolitik resümiert den Widerstand von immer mehr Universitäten gegen den Elsevier-Verlag. In der NZZ wirft Bassam Tibi der deutschen Islamwissenschaft Kulturrelativismus und einen umgekehrten Orientalismus vor.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 18.01.2018 finden Sie hier

Medien

Die Zeit bringt ein Pro und Contra zum Vorwurf gegen den FAZ-Redakteur und Romanautor Simon Strauß, sein romantischer Ästhetizismus ähnele dem Gedankengut der Rechten. Was genau "rechts" an Strauß sein soll, kann Antonia Baum auch nicht festmachen, doch raunt er ihr zu viel und überhaupt geht ihr das Männbündische an Strauß auf die Nerven: Wenn der Erzähler in Strauß' Buch "seine geistigen Bezugsgrößen zitiert, so sind es ausschließlich Männer, er sehnt sich nach Heldentum und Geheimbünden, bis er selbst einen für die Handlung des Buches zentralen Pakt mit einem Mann schließt, der ihn 'führen will'. Hier erinnert der Roman an die Wirklichkeit, an jene fast besoffene, George-Kreis-hafte Strauß-Verliebtheit einiger seiner männlichen Fans in den Feuilletons und natürlich an den zentralen Strauß-Förderer Jürgen Kaube, der einem absoluten Männerparadies vorsteht, nämlich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo der Feuilletonredakteur Simon Strauß die Seiten mit AfD-Sorgen in Proseminar-Sprache vollschreibt."

Ijoma Mangold findet die Debatte dagegen geradezu denunziatorisch. Was genau habe der Mann denn verbrochen? "Erstens: Strauß hatte vor Jahren Götz Kubitschek in einen Salon eingeladen, den er zusammen mit anderen Autoren führte. Das war bevor die Qualitätsmedien alle nach Schnellroda für eine Kubitschek-Homestory pilgerten. Strauß wird das zur Last gelegt. ... Zweitens: Simon ist der Sohn von Botho Strauß ... Drittens hatte Simon Strauß im Dezember in einem Feuilleton-Aufmacher der FAZ die Erfolge der AfD damit erklärt, dass über Monate hin keine andere Partei in der Lage gewesen sei, 'vernünftige Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik' zu üben. Dieser Satz ist eine Tatsachenbehauptung - es sei denn, man ist der Meinung, dass jeder, der Merkels Flüchtlingspolitik kritisiert, bei der AfD einsortiert gehört."
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Wissenschaft

Leonhard Dobusch resümiert in Netzpolitik den Diskussionsstand zu Open Access an deutschen Universitäten: Über 180 Forschungseinrichtungen sind seit Anfang des Jahres ohne Vertrag mit dem Verlagsriesen Elsevier. "Mehr noch, zahlreiche namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben herausgeberische Tätigkeiten für Elsevier eingestellt." Mit den Elsevier-Konkurrenten SpringerNature und Wiley fand man bei den sogenannten DEAL-Verhandlungen bereits Kompromisse in Richtung Open Acess, nicht so mit Elsevier. Falls sich Elesevier nicht bewegt, so DEAL-Verhandler Bernhard Mittermaier in einerm Gespräch, das Dobusch zitiert, "werden weitere Eskalationsstufen folgen: weitere Einrichtungen werden Verträge kündigen, Herausgeber werden in regelmäßigen Abständen zurücktreten. Schließlich wird DEAL Elseviers finales Angebot an die Einrichtungen, inklusive aller finanzieller Details, offenlegen. Spätestens wenn die Vereinbarungen mit Wiley und Springer Nature abgeschlossen sind, wird Elsevier den Offenbarungseid antreten müssen. Wenn sich bis dahin kein Fortschritt zeigt, müssen wir annehmen dass Elsevier lieber auf Umsätze in Deutschland verzichtet als ihr Geschäftsmodell in Frage zu stellen."
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Religion

Der Althistoriker Volker Menze antwortet in der NZZ auf den Kirchenrechtler Martin Grichting, der beklagt hatte, Christen ergehe es in den heutigen säkularen Gesellschaften genauso übel wie einst im alten Rom. Aber erstens, so Menz, wurde das Christentum in Rom zur Staatsreligion und zweitens: "Die Verquickung von Kirche und Staat, die mit Konstantin begann, kann kaum als eine besonders glückliche Fügung für religiöse Minderheiten angesehen werden: Nichtchristen, Juden, aber auch Christen, die nicht den staatlich sanktionierten Glaubensdoktrinen folgten, wurden diskriminiert und verfolgt."
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Ideen

In der deutschen Islamwissenschaft herrschen Schriftgläubigkeit, Vorurteile über die Ahistorizität des Islams, Relativismus und häufig auch ein umgekehrter Rassismus, schreibt Bassam Tibi in einem Essay für die NZZ: "Die kulturrelativistische deutsche Islamwissenschaft ..  eskamotiert alle Probleme und Sachlagen. Dies geschieht zugespitzt durch den Islamwissenschafter Frank Griffel, der in der Süddeutschen Zeitung ernsthaft schrieb: 'Der Islam kannte keine Reformation und keine Aufklärung. […] Dabei hatte der Islam beides gar nicht nötig. Sein Unglück war der Westen.' Empörender und für Muslime beleidigender geht es wohl kaum in der Umkehrung des Orientalismus."
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Europa

Spiegel-online-Kolumnist Sascha Lobo hat zwar in jüngsten Dokumenten der SPD keine Spur davon gefunden, aber wie wär's, wenn sie an ihre alte Tugend anknüpft, "Folgen der Maschine gesellschaftlich zu bewältigen" und eine progressive Vision zu entwickeln, "die digitalen Fortschritt nicht primär als Regulierungsfrage, Bedrohung oder bloß als weiteres Instrument im Werkzeugkoffer betrachtet, sondern als Chance".

Geradezu verzweifelt klingt hingegen Wolfram Schütte, der im Perlentaucher zusehen muss, wie die SPD-Führung von der CSU/CDU vorgeführt wird und wie die Süddeutsche Zeitung dabei assistiert.
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Gesellschaft

Gleich drei taz-Autoren gehen auf die Frage ein, ob der in den USA bekannte US-Comedian Aziz Ansari bei einem Date übergriffig geworden sei - von Gewalt ist in dem Text einer 23-Jährigen namens Grace bei babe.net zwar nicht die Rede. Die "journalistisch unsaubere" Geschichte (so die taz-Autorinnen) hat aber ein eher trübes Licht auf die #MeToo-Debatte geworfen. Und so geht es los, das Stochern in Details: "Wenn man der Geschichte und ihren Details Glauben schenkt, hat Grace jedoch nonverbal zu verstehen gegeben, dass sie keinen Sex mit Ansari will. Und ist dann doch immer noch einen Schritt weitergegangen, bis sie sich letztendlich dazu durchringen konnte, die Wohnung zu verlassen und in ein Taxi zu steigen." Die taz-Autorinnen plädieren nach Sichtung aller Unwägbarkeiten der Geschichte für eine klare "Ja heißt Ja"-Regelung nach schwedischem Modell.
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Stichwörter: #metoo, Metoo, Schwedisches Modell