9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Religion

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9punkt - Die Debattenrundschau vom 13.03.2024 - Religion

Bevor der Fastenmonat Ramadan zum muslimischen Volksfest wurde, diente er als militärische Übung, klärt Hamed Abdel-Samad in der NZZ mit Blick auf den Koran auf: "Muslime sollten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Nahrung, Flüssigkeit und Geschlechtsverkehr verzichten. In einer Region, in der es im Sommer bis zu 50 Grad im Schatten werden kann, war dieses Fasten eine Art militärisches Überlebenstraining und eine Maßnahme der Selbstbeherrschung. In der gleichen Koransure (Sure 2) gibt es zwei Verse, die den Muslimen ihre religiösen Pflichten erklären. Im ersten Vers heißt es: 'Vorgeschrieben ist euch das Fasten.' Einige Verse später heißt es: 'Vorgeschrieben ist euch, zu kämpfen, auch wenn es euch widerstrebt.' Die Soldaten, die widerwillig in den Kampf zogen, sollten so abgehärtet werden, und Mohammed konnte sie besser steuern, indem er alles kontrollierte, was sie aßen, wann sie aßen, wann sie schliefen und aufwachten und was sie in ihren Schlafgemächern taten." Heute stehen Muslime vor allem unter Rechtfertigungsdruck, etwa weil Kinder im Unterricht mitunter dehydriert oder unterzuckert umkippen, so Abdel-Samed weiter: "Eine islamische Kultur, in der die Religion, ihre Symbole und Rituale wichtiger sind als das Wohl der Kinder, fördert nicht die Integration."
Stichwörter: Abdel-Samad, Hamed, Ramadan

9punkt - Die Debattenrundschau vom 12.03.2024 - Religion

Der Papst hat der Ukraine neulich vorgeschlagen, die weiße Fahne zu hissen und zu kapitulieren. Matthias Rüb beschreibt im Leitartikel der FAZ Franziskus' auch unter Diplomaten in der Kirche gefürchtetes Wüten im Porzellanladen: "Der Papst schlägt die Einladungen der politischen Führung und der Katholiken in der Ukraine hartnäckig aus, weil er nur dann nach Kiew reisen will, wenn er unmittelbar danach auch in Moskau empfangen wird. Dort wollen ihn aber weder Putin noch der orthodoxe Patriarch Kyrill treffen. Dem Papst sind die durch eine 'einseitige' Reise nach Kiew verletzten Gefühle der Täter offenbar mindestens so wichtig wie die Gefühle der Opfer, die ihn um ein Zeichen der sichtbaren Solidarität anflehen."

In der FAZ verteidgt Saba-Nur Cheema die Ramadan-Beleuchtung in deutschen Städten. Dabei attackiert sie auch Hamed Abdel-Samad, der die Lichterketten kritisierte (unser Resümee): "Wie in jeder Islam-Debatte fehlt auch jetzt der muslimische Kronzeuge nicht. In der NZZ stellt Hamed Abdel-Samad die These auf, das Sichtbarmachen des Islams im öffentlichen Raum würde zu einer Stärkung der Islamisten führen. Warum sollen Islamisten davon profitieren? Das ist genauso wahr wie der Gedanke, dass die Weihnachtsbeleuchtung christlich-fundamentalistische Evangelikale stärke." Cheema berät als Politologin das Innenministerium zu Muslimfeindlichkeit, ihren Bericht zu Muslimfeindlichkeit in Deutschland musste das Bundesinnenministerium neulich zurückziehen (unser Resümee).

9punkt - Die Debattenrundschau vom 11.03.2024 - Religion

Ziemlich skeptisch registriert Hamed Abdel-Samad in der NZZ die Ramadan-Beleuchtung in manchen deutschen Großstädten. "Andersgläubige mögen sich fragen, ob sie einen Fehler machen, weil sie friedlich sind, keine Ansprüche erheben, keine Weihnachtsmärkte angreifen und sich nicht laut genug über Rassismus beschweren. In Deutschland leben Menschen aus mehr als 150 Nationen. Würde jeder von ihnen die öffentliche, staatlich finanzierte Zurschaustellung seiner religiösen oder nationalen Symbole als Voraussetzung für seine Integration fordern, dann könnte der Staat keine anderen Aufgaben mehr erfüllen, weil er ständig damit beschäftigt wäre, die Seelen der Migranten zu massieren."
Stichwörter: Ramadan, Abdel-Samad, Hamed

9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.02.2024 - Religion

Der Rapper Ghali hatte auf dem Popfestival von Sanremo den "Völkermord" in Gaza beklagt, Roberto Sergio, Chef des öffentlich-rechtlichen Senders RAI, hatte daraufhin seine Solidarität mit Israel erklärt, erhielt Todesdrohungen und steht nun unter Polizeischutz, berichtet Matthias Rüb, der in der FAZ nicht nur auf die Verwerfungen in Italien, sondern auch auf das Verhältnis des Vatikans zu Israel blickt. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hatte "das Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen als unverhältnismäßig kritisiert und angesichts von 30.000 Toten sein 'Entsetzen über dieses Gemetzel' geäußert hat. Es gebe 'eine allgemeine Einschätzung, dass es so nicht weitergehen kann und dass andere Wege gefunden werden müssen', sagte Parolin, der seine scharfe Kritik am Vorgehen Israels im Gazastreifen gewiss nicht ohne die Zustimmung von Papst Franziskus geäußert hätte. (…) Papst Franziskus hat sich in den rund elf Jahren seines Pontifikats deutlich mehr um den Dialog mit dem Islam bemüht als um eine weitere Annäherung an das jüdische 'Brudervolk', und dieser Umstand widerspiegelt sich in der Haltung zum Konflikt zwischen dem jüdischen Staat und den muslimischen Palästinensern."

Ruhrbaron Thomas Wessel kommt indes auf den Weltgebetstag der Frauen (WGT) zurück (Unser Resümee), eine internationale Frauen-NGO, die den Terror gegen Juden gern beschweigt. Nach dem 7. Oktober hat zumindest das deutsche Komitee seine Liturgie angepasst, allerdings mit "fatalem" Ende, so Wessel: "'Wir beten für Jüdinnen und Juden, die sich hier in Deutschland nicht sicher fühlen …' Die Fürbitte am Ende des Gottesdienstes ist neu, umso beschämender, dass sich im epischen Vorwort  -  das sich selber in einen liturgischen Rang aufschwingt  -  kein einziges Wort findet, das Mitgefühl ausdrücken würde für die, die Hamas in Israel hingeschlachtet hat und zu Tausenden verletzt. Die 'Terrorakte' werden eingangs 'unfassbar und grausam' genannt und 'scharf verurteilt', nirgends aber ein Moment der Erschütterung, kein Gedanke an Angehörige, keine Bitte für die, die in Angst vergehen um ihre Liebsten, von Hamas als Geisel genommen. Ebensowenig ein mitfühlendes Wort für palästinensische Familien, die Hamas in die Schusslinie zwingt, dazu verurteilt, todesgeilen 'Märtyrern' als Schutzschild zu dienen. Stattdessen liest man beim WGT von 'jüngsten Ereignissen', die vor 'besondere Herausforderungen' stellten, ein 'Bedeutungsrahmen' habe sich 'verschoben', das Beten müsse 'kontextualisiert' werden, es benötige 'Einordnung' … Derart kalt ist dieses liturgische Vorwort, dass es die 'Sehnsucht' blamiert, die es beschwört. Reine Selbst-Rechtfertigung."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 08.02.2024 - Religion

Der Schriftsteller Navid Kermani ist nach Äthiopien gereist und denkt in der Zeit über das orthodoxe Christentum nach, das dort so viele Menschen anspricht: "Man kann sich erheben über eine Frömmigkeit, die nur aus Praxis zu bestehen scheint, und sollte sich gleichwohl fragen, warum die Menschen in Äthiopien in die Kirchen strömen, jeden Tag, egal wie beschwerlich der Weg ist - während das Christentum in Westeuropa Sonntag für Sonntag an Bindungskraft verliert. Und blickt man in das junge Gesicht des 85-jährigen Aba Tisfa, lässt man sich umfangen von der Schönheit in den Kirchen, der Schönheit der Natur und der Schönheit des Menschenwerks und sieht, spürt und hört man die Inbrunst, mit der Menschen ihrem Glauben nachgehen, ohne dass sie den Fremden scheel ansehen, kommt einem unsere moderne, aufgeklärte Gläubigkeit ganz schön alt vor - egal in welcher Religion."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.02.2024 - Religion

Neueste Untersuchungen zuigen, dass es in der Evangelischen Kirche Deutschlands, die übrigens nur zögerlich kooperierte, auch nicht so viel weniger sexuellen Missbrauch gegeben hat als in der katholischen. Für den in der FAZ schreibenden Religionssoziologen Detlef Pollack durchaus ein überraschendes Ergebnis, "denn die Strukturen der beiden Kirchen sind grundverschieden. Die evangelische Kirche ist demokratisch verfasst. Fast alle Leitungsämter, von der Bischöfin bis zum Präses der Synoden, werden demokratisch gewählt, die Hierarchien sind flach, weithin herrscht ein kollegiales Verhältnis zwischen den Hauptamtlichen vor, man versteht sich als Gemeinschaft, seit 1972 haben Frauen Zugang zu allen geistlichen Ämtern. Das ist bekanntlich in der katholischen Kirche mit ihrer männlich dominierten klerikalen Machthierarchie anders. Die gängige Behauptung, der Missbrauch sei ein Ausdruck der klerikalen Machthierarchie in der katholischen Kirche, muss also überdacht werden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 29.01.2024 - Religion

Die Gemeinschaft zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche in Moskau und der Christlich-Orthodoxen in Konstantinopel, die in der Hierarchie über Moskau steht, erklärte Moskau für aufgehoben, nachdem Konstantinopel der ukrainischen Kirche Eigenständigkeit gewährte, schreibt der Historiker Ekkehard Kraft in der NZZ. Zum härtesten Mittel, der Exkommunikation, wollen aber beide Kirchen nicht greifen. "Die nicht involvierten anderen orthodoxen Kirchen haben bisher jeden Positionsbezug in dem Konflikt vermieden. Selbst jene, die Moskau nahestehen, wie das Patriarchat von Antiochia (mit Sitz in Damaskus) und die serbische Kirche, (...). Deutlich geworden ist aber in jedem Fall, dass sich zwei Modelle für die orthodoxe Kirche gegenüberstehen: Moskaus antiwestlicher, rückwärtsgewandter Traditionalismus mit seiner Vorliebe für ein autoritäres System in engem Schulterschluss mit der Staatsmacht. Auf der anderen Seite das Ökumenische Patriarchat, fernab jeder politischen Macht, das der modernen westlichen Welt und der liberalen Demokratie nicht feindselig gegenübersteht und sich den wichtigen Fragen der Zeit nicht verschließt."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.01.2024 - Religion

Im FR-Gespräch skizziert der Historiker Thomas Großbölting die spezifischen Phänomene, die den Missbrauch in der evangelischen Kirche von jenem in der katholischen Kirche unterscheiden: "Für die evangelische Kirche macht die Forum-Studie eine gewisse nonchalante Machtvergessenheit aus samt einer organisierten Verantwortungslosigkeit. Niemand weiß am Ende, wer wofür zuständig und verantwortlich ist. Das begünstigt Machtmissbrauch in hohem Maße. Ein zweites Spezifikum ist die Vorstellung einer evangelischen Geschwisterlichkeit, in der so etwas wie sexualisierte Gewalt denklogisch keinen Platz haben darf. Missbrauchsopfer stören da nur die schöne Harmonie."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 26.01.2024 - Religion

Reinhard Bingener hat sich für die FAZ über die Studie des Verbundes ForuM zu sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche gebeugt. Die Zahlen sind weitaus niedriger als bei der katholischen Kirche, doch die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein, hält er fest: "Die Wissenschaftler des Verbundes ForuM, dem mehrere universitäre Forschungseinrichtungen angehören, sagten bei der Vorstellung ihrer Studie, dass sie nur die 'Spitze der Spitze des Eisbergs' identifiziert hätten. Sie beklagten sich über fehlende Zuarbeit der evangelischen Landeskirchen für die 3,6 Millionen Euro teure Studie, die von der EKD in Auftrag gegeben und aus Kirchenmitteln bezahlt wurde. Ihnen seien fast nur Disziplinarakten zur Verfügung gestellt worden, nicht wie zuvor vereinbart die Personalakten. ... Ein ForuM-Wissenschaftler sagte, hochgerechnet lägen die Zahlen der evangelischen Kirche vermutlich auf dem gleichen Niveau."

Der Betroffenenvertreter Detlev Zander kritisiert im Interview mit Spon nicht nur die schlechte Aktenlage, sondern fragt auch, wer die Angaben der Landeskirchen eigentlich kontrolliert hat. "Vertuschung wird in der Studie gar nicht thematisiert. Kein Verantwortlicher wird mit Namen genannt. Wer waren denn die Bischöfe zum Tatzeitpunkt? Stellt irgendwer sein Amt zur Verfügung? Es sind die Betroffenen, die gerade die Verantwortung übernehmen und im Beteiligungsforum versuchen, Reformen anzuschieben."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.12.2023 - Religion

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In einer Streitschrift fordert der Kirchenrechtler Thomas Schüller eine klare Trennung von Kirche und Staat, schreibt der Soziologe Armin Pfahl-Traughber auf hpd. "Ausgangspunkt der Betrachtungen in dem Buch sind die zahlreichen, von Finanz- bis Missbrauchsskandalen reichenden Vorkommnisse. Sie führten mit zu einer kontinuierlichen Austrittswelle wie einem massiven Vertrauensverlust. Daher fragt der Autor, ob zugunsten der Kirchen bestehende Sonderrechte noch zu rechtfertigen seien: 'Trotz des augenscheinlichen Bedeutungs- und Vertrauensverlustes der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland wird ihnen vom Staat … noch zu (zu) großer Spielraum bei der Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten eingeräumt, insbesondere was die Themenbereiche Arbeitsrecht und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch angeht.'"
Stichwörter: Sexueller Missbrauch