9punkt - Die Debattenrundschau

Verdachtsarme Verfahren

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
24.02.2014. Nicht wieder die Fehler von 2004 machen!, ruft Mykola Rjabtschuk in der FAZ und hofft auf eine stärkere Stützung der Ukraine durch die EU. Religion ist für vieles gut, unter anderem zur Diskriminierung von Homosexuellen in einigen Bundesstaaten der USA, berichtet Gawker. Und Marokko will laut Standard jeden bestrafen, der für Frieden mit Israel ist. Die Pianistin Alice Herz-Sommer, die älteste bekannte Holocaust-Überlebende, ist im Alter von 110 Jahren gestorben. Wir binden einen Ausschnitt aus einer Dokumentation über sie ein.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 24.02.2014 finden Sie hier

Europa

Dies ist die dritte ukrainische Revolution nach dem Mauerfall, schreibt Mykola Rjabtschuk in der FAZ und erinnert an die Fehler, die die Bürger der Ukraine nach 2004 machten: "Sie ließen es zu, dass ihre Führer mit den Gesetzen spielten, statt sich an die Gesetze zu halten, und diese gesetzlose, dysfunktionale Demokratie kompromittierte sich selbst in solch einem Maße, dass die Wähler der orangefarbenen Parteien die Führer bestraften, indem sie zu Hause blieben und zusahen, wie die Anhänger Janukowitschs ihn mit einer hauchdünnen Mehrheit zum Präsidenten wählten." Rjabtschuk, der ein Buch über die letzten Jahre in der Ukraine geschrieben hat, fordert ein stärkeres Engagement der EU.

Im Interview mit Barbara Oertel setzt der ukrainische Politologe Andrij Portnov in der taz nicht viele Hoffnungen auf die freigelassene Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko: "Timoschenko hat den Ruf einer Populistin, einer Politikerin, die ständig versucht, mit den Gefühlen und Erwartungen der Bevölkerung zu spielen. So jemanden braucht es jetzt in der Ukraine, angesichts der massiven Wirtschaftskrise, nicht. Nein, es muss ein Politiker her, der sich rational und verantwortungsvoll der Probleme des Landes annimmt. Dazu kommt noch, dass Timoschenko der Ruf vorauseilt, tief in Korruptionsaffären verstrickt zu sein."

Slate bringt Bilder aus der inzwischen von Demonstanten besetzten Villa Janukowitschs.
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Geschichte

Die Pianistin Alice Herz-Sommer ist im Alter von 110 Jahren gestorben. Sie war die älteste bekannte Holocaust-Überlebende. Hier ein zehminütiger Ausschnitt aus Nick Reedents für den Oscar nomierten Dokumentarfilm "The Lady in Number 6: Music Saved My Life" Dokumentarfilm über sie. Mehr auf Nick Reedents Website. In FAZ.Net, gibt's einen Nachruf.

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Kulturpolitik

Julia Voss besuchte für die FAZ eine Münchner Tagung zur Raubkunstproblematik und informiert nebenbei, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters "die Suche nach NS-Raubgütern in Museen, Archiven und Bibliotheken endgültig zur Chefsache erklärt. Zu diesem Zweck solle die Stiftung 'Deutsches Zentrum Kulturgutverluste' ins Leben gerufen werden, unter deren Dach die Magdeburger Koordinierungsstelle mit ihrer Datenbank Lostart.de, die Beratende Kommission für Streitfälle (Limbach-Kommission) sowie die Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung ziehen werden." Die Mittel werden auf 2,7 Millionen Euro im Jahr erhöht.

In der SZ nimmt Heribert Prantl im Fall Gurlitt den bayrischen Justizminister Winfried Bausback in die Zange und wirft den Augsburger Behörden, die zwei Jahre lang die Provenienz der Bilder nicht erforschen ließen, eine Mischung aus Saumseligkeit und Verdunkelung vor.
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Gesellschaft

Sebastian Edathy ist durch die mit seinem Namen verknüpfte Affäre sozial geächtet wurden - seltsamerweise wird hierüber aber kaum diskutiert. Volker Rieble macht immerhin in der Sonntags-FAZ darauf aufmerksam: "Der Rechtsstaat hat .. versagt. Wenn der Staat ein verdachtsarmes Ermittlungsverfahren führt, muss er den solchermaßen Verdächtigten effektiv davor schützen, dass Erkenntnisse aus den Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit geraten, und sei es über politische Kreise."

Gesetzesinitiativen in den amerikanischen Bundesstaaten Kansas und Arizona wollen die Diskriminierung von Homosexuellen erlauben, wenn dies aus religiösen Gründen geschieht, meldet Sarah Hedgecock bei Gawker. Danach soll es künftig erlaubt sein, aus religiösen Gründen Menschen Serviceleistungen oder staatliche Leistungen zu verweigern. Die Begründung ist geradezu machiavellistisch. Rebecca Rose zitiert bei Jezebel den republikanischen Senator Steve Yarbrough, der sagte, "das Gesetz solle die Rechte von Menschen schützen. 'Es geht bei diesem Gesetz nicht um Diskriminierung. Es geht darum, Menschen vor Diskriminierung zu bewahren, die ihren Glauben leben."

Gesetzesinitiativen in den amerikanischen Bundesstaaten Kansas und Arizona wollen die Diskriminierung von Homosexuellen erlauben, wenn dies aus religiösen Gründen geschieht, meldet Sarah Hedgecock bei Gawker. Danach soll es künftig erlaubt sein, aus religiösen Gründen Menschen Serviceleistungen oder staatliche Leistungen zu verweigern. Die Begründung ist geradezu machiavellistisch. Rebecca Rose zitiert bei Jezebel den republikanischen Senator Steve Yarbrough, der sagte, "das Gesetz solle die Rechte von Menschen schützen. 'Es geht bei diesem Gesetz nicht um Diskriminierung. Es geht darum, Menschen vor Diskriminierung zu bewahren, die ihren Glauben leben."
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Politik

In Marokko verschärft sich die antiisraelische Stimmung, schreibt Rainer Wandler für den Standard. Die Regierungspartei und einige Partner wollen einen Gesetzentwurf verabschieden, "wonach jeder bestraft werden soll, der die Normalisierung mit Israel begünstigt: mit zwei bis fünf Jahren Haft sowie Geldstrafen bis zu umgerechnet 10.000 Euro. Außerdem sollen den Schuldigen die staatliche Rente sowie ein Teil der Bürgerrechte aberkannt werden."
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Weiteres

Jürgen Kaube liest für die FAZ Thilos Sarrazins neues Buch "Der neue Tugendterror". Harry Nutt nennt in der FR Sarrazins Buch "zwanghaft rechthaberisch", auch wenn es natürlich richtig sei, dass übertriebene politische Korrektheit der intellektuellen Neugier abträglich ist. Frank Schirrmacher staunt in der Sonntags-FAZ über die Tatsache, dass Facebook seinen Nutzern künftig fünfzig verschiedene geschlechtliche Selbstzuschreibungen erlaubt. Matthias Heine schreibt in der Welt über das langsame Aussterben der Indianersprachen im amerikanischen Westen - nur die Digitalisierung kann sie retten.
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