Wird Israel auf den
iranischen Angriff antworten? Und wenn ja, wie? Und wird sich daraus ein Flächenbrand entwickeln, der die ganze Region, vielleicht sogar die ganze Welt an den Abgrund führt? Im
Interview mit der
FR schließt der französische Islamwissenschaftler
Olivier Roy das aus: "Der Iran ist durch seine Stellvertreter und durch die Revolutionswächter militärisch stark. Aber er wird die Armee nicht außerhalb des Irans einsetzen, weil das einen starken
Protest in der Bevölkerung auslösen würde. Der Iran kann sich also selbst verteidigen, aber nicht, wenn er in einen echten Territorialkrieg im Nahen Osten verwickelt wird. Russland und China werden vielleicht etwas Unterstützung leisten, aber nicht mehr als das. Und das Wichtigste: Die arabischen Staaten werden sich nicht auf einen Krieg einlassen, weder gegen Israel noch gegen den Iran."
In der
taz glaubt Klaus Hillenbrand nicht, dass Israel den Iran angreifen wird, einfach, weil es das nicht nötig habe. Und auch der Iran würde keinen Krieg führen, den er nicht gewinnen kann, schon gar nicht für die Palästinenser: "Vor allem möchte das Mullah-Regime mit seinen Satelliten von den jemenitischen Huthis über die libanesische Hisbollah bis zur palästinensisch-sunnitischen Hamas die
eigene Rolle als Regionalmacht ausbauen, um damit den arabischen Raum dominieren zu können. Genau deshalb drohen die Palästinenser wieder
zu Objekten herabzusinken, denen man für ihren Terror herzlich zugeneigt ist, deren Tod man aber billigend in Kauf nimmt. Zugleich führen die iranischen Ansprüche dazu, dass Staaten auf der Arabischen Halbinsel näher an Israel heranrücken, weil sie nicht von Teheran dominiert werden möchten. Insofern hat der Iran mit dem Angriff auf Israel das Gegenteil dessen bewirkt, was in seinem Interesse steht."
Im
Daily Mail (ausgerechnet)
sieht das Andrew Neil ähnlich. Anders als Hillenbrand glaubt er allerdings nicht, dass die Israelis den
iranischen Angriff unbeantwortet lassen werden. Und warum sollten sie auch, fragt er: "Wenn so viele Zerstörungswaffen auf Großbritannien niederregnen würden, würden wir dann auf diejenigen hören, die zur Vorsicht mahnen, nachdenklich nicken und zustimmen, dass es wahrscheinlich für alle Beteiligten das Beste wäre, wenn wir einfach die
Hände in den Schoß legen würden? Ich behaupte, dass jede britische Regierung, die sich darauf einlassen würde, schnell
aus dem Amt gejagt würde." Doch mahnt auch er zu Vorsicht: "Wie und wann Israel darauf reagiert, ist seine Sache. Es muss nur das Gesamtbild im Auge behalten. Es kann dem Iran nicht ohne Verbündete entgegentreten."
In der
Welt skizziert der Historiker
Michael Wolffsohn einen "
neuen Nahen Osten": Israel könne sich im aktuellen Krieg auf die informelle, amerikanisch gesteuerte
Anti-
Iran-
Allianz verlassen, bestehend aus Saudi-Arabien, Bahrain, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch Länder wie Ägypten, Jordanien, Marokko, Mauretanien und der Suden haben Frieden mit Israel geschlossen: "Das bedeutet, dass die Mehrheit der arabischen Welt den
Expansionsgelüsten des Iran widersteht - und nicht nur Israel allein. Hinter dem niederschmetternd kriegerischen Iran-Hamas-Israel-Krieg ist also ein neuer Naher Osten erkennbar. Abgesehen von Irans Stellvertretern im Libanon, Syrien, Irak, Jemen und Gaza besteht faktisch ein
israelisch-
arabischer Frieden. Es gibt aus Sicht der meisten arabischen Regierungen allerdings einen entscheidenden '
Störfaktor', nämlich das Schicksal der Palästinenser. Das entfaltet erhebliche politische und psychologische Wirksamkeit in der arabischen Welt." Wolffsohn glaubt daher: "Einen
Staat '
Palästina' dürfte es mittelfristig, vielleicht sogar relativ bald geben."
"Die einzige Option für irgendeine Art von Lösung ist in erster Linie, dass
Netanjahu abgelöst wird", meint der französische Arabist
Gilles Kepel, der gerade das Buch "Holocaustes" veröffentlicht hat, im Interview mit der
FAZ zum Nahostkonflikt. Dass sich in der
arabischen Welt so viele auf die Seite der Hamas stellen, die den Terrorismus am 11. September noch verurteilt haben, beunruhigt ihn weniger als die Vorliebe
westlicher Akademikerkreise für die Hamas: "Wissen Sie, ich bin alt genug, um miterlebt zu haben, wie stark die öffentliche Meinung und die großen Stimmen der sogenannten Zivilgesellschaften in dieser Region schwanken. Ich nehme das mit einer gewissen Gelassenheit zur Kenntnis. Auch weil die öffentliche Meinung in den meisten arabischen Ländern nicht frei ist." Gleichzeitig ist er "verzweifelt", dass an westlichen Universitäten "das Wissen über die Region nahezu
durch Ideologie ersetzt wurde. Ich habe selbst in Sciences Po im großen Amphitheater Emile Boutny unterrichtet - damals hatte mich der IS mit dem Tod bedroht. Am Eingang standen meine Sicherheitsleute. Heute ist derselbe Ort in 'Amphitheater Gaza' umbenannt worden."
"Was sind schon
Menschenrechte wert, wenn unsere Energiepreise oder die
Lieferketten gefährdet sind", fragt in der
SZ die Journalistin
Natalie Amiri, die eine "
Doppelmoral" der Politik in Deutschland und den USA gegenüber dem Iran diagnostiziert: "Der Islamischen Republik, die in Washington gebrandmarkt und sanktioniert ist, wird dennoch der illegale Ölverkauf an China erlaubt. Indem man wegsieht, lässt man zu, dass dem Regime in Teheran Milliarden in die Kassen gespült werden. Nicht in den Staatshaushalt, sondern auf die
Konten der Revolutionsgarde - die mit diesem Geld wiederum ihre Ableger-Organisationen in der Region bezahlt. Islamistische Terroristen, die die Vernichtung Israels im Fokus haben.
Pendeldiplomatie für alle: Auch Israel bekommt, trotz öffentlicher Aufrufe zur Mäßigung in Gaza, weiterhin Massen an Waffen geliefert. Das iranische Regime amüsiert sich vermutlich prächtig, wie sehr hier Worte und Handeln auseinanderklaffen, und freut sich über die konsequenzfreie Politik des Westens."