9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Kulturpolitik

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9punkt - Die Debattenrundschau vom 15.03.2024 - Kulturpolitik

Die Rückgabe von Raubkunst aus jüdischem Besitz läuft bekanntlich schleppend. Jetzt haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass die Beratende Kommission, deren Empfehlungen unverbindlich waren, durch ein Schiedsgericht ersetzt werden soll. Doch auch dieser Prozess ist mit Unwägbarkeiten verbunden, fürchtet Andreas Kilb in der FAZ: Und "das eigentliche Problem künftiger Restitutionsregelungen wird in der Erklärung vom Mittwoch nicht einmal gestreift. Etwa siebzigtausend Kunstobjekte aus ehemals jüdischem Besitz, darunter 1.800 Gemälde, sind in der 'Lost Art'-Datenbank für Deutschland aufgeführt. Der Großteil von ihnen befindet sich in Privatsammlungen oder Museen, die von privaten Stiftungen betrieben und von Bund, Ländern oder Kommunen gefördert werden. Eine Rückgabeforderung würde automatisch die Frage aufwerfen, wer die Besitzer für den Verlust ihrer oft gutgläubig erworbenen Kunstwerke entschädigen soll. Darüber jedoch haben sich Claudia Roth, die Kulturminister und die kommunalen Spitzenverbände offenbar keine Gedanken gemacht."
Stichwörter: Raubkunst, Roth, Claudia

9punkt - Die Debattenrundschau vom 14.03.2024 - Kulturpolitik

Es gehörte zu den Post-Documenta-Scharmützeln: Im letzten November sagte das Saarlandmuseum eine Ausstellung der südafrikanischen Künstlerin Candice Breitz ab. Der Grund: Breitz hatte nach den Hamas-Pogromen Israel kritisiert, wie es sich für Künstler aus dem "Globalen Süden" gehört. Die Absage der Ausstellung kam damals nicht gut an. Elke Buhr nahm sie in Monopol als Zeichen, "dass die Freiheit der Debatte dramatisch schrumpft". Und im Saarland ist der Aufruhr immer noch nicht vorbei. Museumsdirektorin Andrea Jahn wurde vor einigen Tagen gegangen. Sie musste die Entscheidung gegen Breitz vertreten - war aber dagegen gewesen, wie geleakte Chat-Protokolle vor einigen Tagen bewiesen. Gegenüber der Künstlerin hatte Jahn ihren Widerwillen vor einer Absage bekannt: "Die Ministerin geht immer noch davon aus, dass ich mit ihr einer Meinung sei, nachdem sie mir jegliche Interviews verboten hat. Ich habe versucht, sie zu erreichen, um ihr mitzuteilen, dass dies nicht der Fall ist!" Gestern kam es bei einer aktuellen Aussprache im Landtag zu einer hitzigen Debatte, berichtet  Johann Kunz auf der Website des Saarländischen Rundfunks. Die CDU warf Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) Führungsversagen vor: "Streichert-Clivot wies den Vorwurf der Lüge vehement zurück. Sie räumte allerdings ein, Jahn habe bei der Absage im November 'durchaus unprofessionell' gehandelt. Die Ausstellung sei fälschlicherweise auf der Website und der Presse angekündigt worden, ohne dass die Künstlerin einen Vertrag erhalten habe." Die Chatprotokolle werden hier zitiert. Auch in den Artnews gibt es einen Bericht.
Stichwörter: Breitz, Candice, Saarland

9punkt - Die Debattenrundschau vom 11.03.2024 - Kulturpolitik

Die Rechtspopulisten um Jaroslaw Kaczynski wüteten nicht nur im polnischen Staatsfernsehen, sondern bekanntlich auch in den Kulturinstitutionen. Der neue Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz nimmt sie jetzt unter die Lupe, berichtet Gabriele Lesser in der taz: "Alle durchlaufen zurzeit ein intensives Audit: Sind die Ausgaben für Betrieb und Personal gerechtfertigt? Oder handelt es sich um verkappte Partei-Institutionen, in denen ehemalige Politiker auf lukrativen Posten die Oppositionszeit überdauern sollen? Welche Aufgaben haben sich Polens Museen und Institute für die nächsten Jahre vorgenommen? Auf einer ersten Pressekonferenz kündigte Sienkiewicz monatliche Fortschrittsberichte an. Doch er beruhigte auch: "Viele polnische Museen, Institute und Festivals haben den Kulturkampf der PiS in den letzten acht Jahren weitgehend unbeschadet überstanden. Bis auf einige spektakuläre Fälle haben wir bereits überall die Anschlussfinanzierung gesichert."
Stichwörter: Polen

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.03.2024 - Kulturpolitik

Vor einigen Tagen wurde eine Neufassung der "Washingtoner Prinzipien" unterschrieben, die mit einer Verpflichtung auf "Best Practices" die Rückgabe von Raubkunst verbessern soll. Der Historiker Julien Reitzenstein macht in der taz jedoch darauf aufmerksam, dass Kommunen sich oft nicht daran gebunden fühlen - und viele geraubte Kunstwerke befinden sich im Besitz kommunaler Museen. Und wie wird es erst, wenn die AfD auf kommunaler oder auch Landesebene mitregiert? Daraus sollte der Bund Konsequenzen ziehen, meint Reitzenstein: "Der gegenwärtige Koalitionsvertrag sieht die Schaffung eines Raubkunstgesetzes vor. Dessen Schaffung hat jedoch die zuständige Kulturstaatsministerin Claudia Roth jüngst abgelehnt. Gleichwohl sollte sie die Chance wahrnehmen, Bund, Länder und Gemeinden zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien nebst der neuen Best Practices in Form eines verbindlichen Gesetzes nun hinter sich zu versammeln."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 07.03.2024 - Kulturpolitik

Bei der Aufgabe, NS-Raubkunst an ihre ursprünglichen Besitzer zurückzugeben, versagt Deutschland bisher, unter anderem wegen des hinhaltenden Widerstands der Museen. Darum forderte der Präsident der Beratenden Kommission für NS-Raubkunst im letzten Jahr mehr Kompetenzen für seine Kommission  (unsere Resümees). Nun wurden die Washingtoner Prinzipien mit den "Best Principles" reformiert, was unter anderem eine einseitige Anrufbarkeit der Kommission und den Zugang von Provenienzforscher zu allen wichtigen Dokumenten bedeutet. Deutschland hat dem am Dienstag zugestimmt. Seltsam, dass kein hochrangiger Vertreter der deutschen Regierung da war, wundert sich Jörg Häntzschel in der SZ. "Fürchtete der Bund, sich international zu blamieren - oder wollte er die Länder vor vollendete Tatsachen stellen, bevor er am nächsten Mittwoch mit diesen darüber verhandeln wird?"
Stichwörter: Raubkunst, NS-Raubkunst

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.03.2024 - Kulturpolitik

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Der Architekturhistoriker Philipp Oswalt enthüllte die rechte Gesinnung des Bankiers Ehrhardt Bödecker, einer der Großspender des Schlosswiederaufbaus. (Unsere Resümees) In einem Gastbeitrag auf Zeit Online, der auf seinem aktuellen Buch "Bauen am nationalen Haus. Architektur als Identitätspolitik" beruht, zeigt Oswalt auf Grundlage eigener Recherchen auf, dass es sich bei Bödecker nicht um eine Ausnahme handelte: "Es sind vor allem die Kontakte zu rechtsradikalen Politikern, zu einer rechtsextremen Vereinigung in Hamburg und zu einem zentralen publizistischen Organ der sogenannten Neuen Rechten, welche die Verbindung des Vereins in rechtsradikale Milieus aufzeigen. Einer der Politiker ist Dieter Lieberwirth, er hatte im Förderverein anfangs selbst eine Funktion: Lieberwirth gehörte 1992/93 dem fünfköpfigen Gründungsvorstand des Vereins als einer der beiden Stellvertreter des ersten Vereinsvorsitzenden Wilhelm von Boddien an. Dieter Lieberwirth war damals Politiker der Partei Die Republikaner und zuvor schon als Sympathisant der NPD öffentlich in Erscheinung getreten."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 04.03.2024 - Kulturpolitik

Sehr vorsichtig hat der spanische Kulturminister Ernest Urtasun vom linksalternativen Wahlbündnis Sumar eine Dekolonisierung der ihm unterstehenden Museen angekündigt, berichtet Rainer Wandler in der taz: "Es gehe darum, 'Räume für den Dialog und Austausch zu schaffen, die es ermöglichen, den kolonialen Rahmen zu überwinden'." Aber die spanische Rechts sträubt sich: "Spanien, das vom 15. bis zum 20. Jahrhundert große Teile von Süd-, Mittel- und Nordamerika sein eigen nannte, hat für die Rechte eine zivilisatorische Funktion übernommen. Das, was Urtasun Kolonien nennt, seien schließlich 'Vizekönigreiche' gewesen, dem Mutterland gleichgestellt. 'Die Menschen, die dort lebten, hatten' - so der Abgeordnete Joaquín Robles López von der rechtsextremen Partei Vox - 'die gleichen Rechte'. Der angebliche Beweis: Spanien habe 27 Universitäten in Lateinamerika eröffnet und Kathedralen gebaut."

Wo das historische Zentrum der Stadt liegt, dürfte selbst den meisten Berlinern nicht so recht klar sein, irgendwo zwischen Stadtschloss, Rotem Rathaus und Molkennmarkt, eine recht zugige Gegend, die man mit seinem Elektrorad möglichst schnell durchquert. Auch Hans Stimmann, ehemaliger Baustadtrat Berlins, der einige Jahre lang hätte Einfluss nehmen können, konstatiert in der FAZ: "So viel ist seit der Konstituierung des Ersten Gesamt-Berliner Abgeordnetenhauses vor 33 Jahren in den Debatten über die Zukunft der Stadtmitte klar geworden: Die Teilung hat im ehemaligen Ost- und Westberlin zu einem Gedächtnis- und Identitätsverlust des historischen Ganzen geführt."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 01.03.2024 - Kulturpolitik

Joe Chialo gibt zwar mehr Geld für Kultur aus als sein Vorgänger Klaus Lederer, aber viel haben die Berliner Museen nicht davon, weiß Boris Pofalla in der Welt: Das betrifft auch die größten Museen in der Stadt. Sie sind Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, für deren Unterhalt vor allem der Bund sorgt - Berlin trägt zum 370 Millionen Jahresbudget der Stiftung um die 47 Millionen Euro bei. Insgesamt sind es laut einer Münchner Beratungsfirma aber mindestens 66 Millionen Euro und 400 Stellen zu wenig. Und so herrscht Sparzwang. Die neunzehn Einrichtungen der Staatlichen Museen teilen sich eine einzige Pressestelle - und einen Ausstellungsetat von 4,8 Millionen Euro, wozu die Eintrittsgelder zwei Drittel beitragen - Summen also, die immer erst kurzfristig feststehen. Dieses Geld ist wohlgemerkt für alle gemeinsam vorgesehen: die sechs Häuser der Museumsinsel und die Neue Nationalgalerie, die Gemäldegalerie, den Hamburger Bahnhof, die Sammlung Berggruen… Das ist nichts anderes als ein Witz." Stattdessen fließt das Geld in überteuerte Prestigebauten, so Pofalla weiter: "Es ist, als würde man in Berlin exklusive Sportwagen sammeln, ohne Geld für Benzin zu haben."

Laut einen vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste durchgeführten Bericht liegen in 39 Museen und anderen Institutionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 19.000 Objekte aus Namibia, meldet Jörg Häntzschel in der SZ: "Dass in den Museen so viele namibische Objekte liegen, sei erstaunlich, so Larissa Förster, eine der Leiterinnen des Projekts, 'besonders wenn man sie mit den Beständen des namibischen Nationalmuseums vergleicht', das nur 1600 Objekte besitzt. 'Ich hatte nur mit ein paar tausend Objekten gerechnet', sagt sie. Tatsächlich ist die Zahl aber nur ein Annäherungswert. In praktisch allen deutschen Museen liegen viele Objekte, die nie oder falsch inventarisiert wurden, und andere, die in den Inventaren erscheinen, aber inzwischen verloren oder kaputt gegangen sind oder im Krieg zerstört wurden. Außerdem haben etliche weitere Museen kleinere Namibia-Bestände."
Stichwörter: Namibia, Kulturbudget, Chialo, Joe

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.02.2024 - Kulturpolitik

Nein, der deutsche Kulturbetrieb hat kein Problem mit Antisemitismus, da ist sich Deniz Yücel in der Welt sicher. Die Künstler, die für den Berlinale-Eklat sorgten "sind ebenso internationale Namen wie die Protagonisten der übrigen deutschen Debatten um Antisemitismus im Kulturbetrieb, die es nicht erst seit dem 7. Oktober gibt, die sich seither aber in kurzen Abständen wiederholen", betont er. Stattdessen tue sich die deutsche Öffentlichkeit eher schwer, andere Meinungen auszuhalten und sich der Diskussion zu stellen: "Wenn es ein spezifisch deutsches Problem gibt, dann ein anderes: die wachsende Unfähigkeit, andere Meinungen auszuhalten, ohne gleich nach der (Diskurs-)Polizei zu rufen; das schwindende Bewusstsein dafür, dass die Freiheit des Wortes auch die Freiheit des dummen Wortes umfasst, beispielsweise des saudummen Wortes, das Massaker der Hamas vom 7. Oktober sei eine Folge der israelischen Besatzung des Gaza-Streifens, die es seit 2005 nicht mehr gibt."
Stichwörter: 7. Oktober, Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.02.2024 - Kulturpolitik

Boykotte - ob von Israelkritikern oder -verteidigern - bringen doch nichts, vor allem unterdrücken sie jede Debatte, meinen Saba-Nur Cheema und Meron Mendel in der FAZ und fordern etwas mehr Mut von den Kulturinstitutionen: "Sie sind massivem Druck einerseits von der Politik und andererseits von Aktivisten ausgesetzt. Deshalb sollten sie Boykottforderungen ablehnen, egal aus welcher Richtung sie kommen. Wenn sie einknicken, hat dies nicht nur Konsequenzen für die jeweilige Institution, sondern für unsere Demokratie, die sich dadurch auszeichnet, dass Kontroversität nicht nur zugelassen, sondern ausdrücklich erwünscht ist."
Stichwörter: Israelkritik