9punkt - Die Debattenrundschau
Embedded vom Schreibtischstuhl aus
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Internet
"Die Ökonomie des Teilens, in der Kinder inzwischen großwerden", macht Jaron Lanier große Sorgen, erklärt er im Interview mit der Welt. "Sie erwarten nichts mehr, keine Sicherheiten, sondern nur noch Sonderangebote. Manchmal erinnert mich das Leben heute an Szenen wie von H.G. Wells. Es gibt zwei Klassen: die einen schaffen Sonderangebote des Sharing und verdienen dabei Millionen, die anderen müssen auf über diese Sharingdienste angebotenen Sofas schlafen."
Uwe Justus Wenzel versucht sich derweil in der NZZ einen Reim auf die Theorien Laniers zu machen, der morgen für seine kritischen Positionen zum Internet den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhält. "Konzerne zerschlagen möchte Lanier, der für Microsoft Research tätig ist, gewiss nicht; der Computerfreak, der er geblieben ist, scheint aber - ernüchtert, doch noch immer zukunftsfroh - auf eine Umverteilung der Macht im Internet zu hoffen." Zurecht verweist Wenzel nochmal auf Florian Cramers kritische Einwendungen zu Lanier im Blog des Merkur.
Fünf Monate nach dem EuGH-Urteil, nach dem Internet-Suchmaschinen unter bestimmten Umständen Links aus ihren Suchergebnissen entfernen müssen, hat Google einen Transparenzbericht vorgelegt, in dem über die eingegangenen, bewilligten und abgelehnten Anträge auf Löschung informiert wird. Kurt Sagatz und Christian Tretbar präsentieren im Tagesspiegel die Ergebnisse und stellen unter anderem fest, dass die Löschquote in den einzelnen EU-Ländern stark voneinander abweicht: "Bei der Prüfung der Ersuchen hat Google nach eigenen Angaben die Datenschutzrechte der Einzelpersonen gegen das öffentliche Interesse an der Information abgewogen... "Der Europäische Gerichtshof hat uns die Aufgabe übertragen, über die Löschanträge zu entscheiden. Wir sind mit der Situation, dass wir als Richter fungieren müssen, alles andere als glücklich", sagte ein Google-Sprecher dem Tagesspiegel."
Politik
Außerdem: Wer Militäreinsätze oder Waffenlieferung befürwortet, lässt sich für die Interessen der USA einspannen, mahnt Oskar Lafontaine in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel.
Überwachung
Gesellschaft
In der taz berichtet Sabine am Ordre vom Prozess gegen einen deutschen Isis-Kämpfer, der nicht so richtig zum Zuge kam: "In einer Art Crashkurs sei er an Pistolen und Sturmgewehren ausgebildet worden. Bei der ersten Operation aber, an der "tausend Kämpfer" teilgenommen hätten, mussten er und die anderen Europäer ganz hinten stehen. "Die Tschetschenen und Araber haben uns nicht viel zugetraut." Diese seien nicht davon aus gegangen, "dass wir ihnen viel helfen können". Bei zwei weiteren Einsätzen sei es ähnlich gewesen."
Geschichte

Kranke Sträflinge, aufgenommen von A. W. Schtscherbak im Lazarett von Sachalin.
Hannelore Schlaffer berichtet in der NZZ von einer Ausstellung zu Tschechows Bericht über das Straflager Sachalin in Marbach. Gezeigt werden Fotos, die Tschechow von Fotografen anfertigen ließ, die er aber nicht veröffentlichte. "Dem vom grellen Licht der neuen Medien geblendeten Auge des heutigen Betrachters mag die Patina, der Braunton der alten Fotos eher wohltun als es erschrecken. Eine Dramatik, wie sie der überreizte moderne Betrachter erwartet, war denn auch die Absicht der Bilder nie gewesen. Sie hatten der Bestätigung der Wahrheit dessen dienen sollen, worauf Tschechow aufmerksam machen wollte. Die Bilder haben dieselbe Funktion wie die Statistik, zu der er seine Zuflucht nahm: Sie sollten das Leid möglichst objektiv und glaubhaft darstellen."