9punkt - Die Debattenrundschau
Die Distanzen zwischen den Individuen
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Politik
Medien
Es gibt kaum ein Medium, das eine derart große Gefolgschaft in den sozialen Medien hat wie The Epoch Times, schreiben Brandy Zadrozny und Ben Collins in einer interessanten Recherche für NBC News. Und kaum ein Medium schaltet in sozialen Medien so viele Anzeigen pro Trump wie eben jene Epoch Times. Aber die Epoch Times ist nicht einfach ein weiteres rechtes Blog, sondern internationales Sprachrohr der chinesischen Sekte Falun Gong: "Frühere Anhänger von Falun Gong erzählten NBC News, dass Falun-Gong-Gläubige an einen jüngsten Tag glaube, an dem 'Kommunisten' in eine Art Hölle geschickt werden, was jenen, die der Gemeinde anhängen, erspart bleibt. Trump wird als der Schlüssel-Alliierte im antikommunistischen Kampf angesehen, sagen ehemalige Angestellte der Epoch Times."
Außerdem: Die FAZ bringt auf der Medienseite Stimmen zur Abschaltung Kulturkanals im Hessischen Rundfunk.
Europa
Ideen
Der bekannte Princetoner Populismustheoretiker Jan-Werner Müller sucht nach Autoren, die den Trumpismus intellektuell fundieren und wird tatsächlich bei einigen randständigen Reaktionären und Extremisten fündig. Grundlage ihres Denkens sei der Nationalismus, in einem Land, in dem Nationalismus als unfein galt und nur Patriotismus zählte: "Die Gefahr einer taktischen Kooperation zwischen am gesellschaftlichen Wandel verzweifelnden Wertkonservativen und autoritär gestimmten Rechtspopulisten gibt es allerdings nicht nur in den Vereinigten Staaten. Und sie hat historische Vorläufer, denn sie gemahnt an die unheilige Allianz zwischen Christen und Faschisten in der Zwischenkriegszeit."
Christian Marty erinnert in der NZZ an den Gesellschaftsphilosophen Hellmuth Plessner, dessen Plädoyer für Gesellschaft und gegen "Gemeinschaft" von großer Aktualität sei: "Der zentrale Teil des Argumentationsgangs liegt beim Begriff der Distanz. Im Gegensatz zur Gesellschaft gehe es in der Gemeinschaft primär darum, den Einzelnen ans Kollektiv zu binden, bekundet Plessner nicht nur mit Sicht auf rechtsgerichtete 'Bluts-', sondern auch auf linksgerichtete 'Sachgemeinschaften': Weil Gemeinschaften sich dadurch charakterisierten, dass sie die Distanzen zwischen den Individuen klein hielten, ließen sie diesen wenig Entwicklungsräume. Das sei in Gesellschaften anders, denn da bleibe die Distanz zwischen den Individuen groß, wodurch es für jene viel Spielräume gebe."