9punkt - Die Debattenrundschau
Laufend Momentaufnahmen, Ganzbilder und Profile
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
07.06.2014. Ein Jahr nach Snowdens Enthüllungen stellt sich die Frage, ob die Bürger ihrer Exekutive noch trauen können. Und der Judikative? In Großbritannien findet der erste Geheimprozess seit Menschengedenken statt: Guardian, Mail Online und Spiegel Online berichten über den "empörenden Anschlag" auf die offene Justiz. In der SZ prangert Horst Herold die Gefahren der Digitalisierung an. Außerdem: Ist der Friedenspreis des deutschen Buchhandels für Jaron Lanier eine Kampfansage an das offene Netz? Und Türken dürfen nichts Schlechtes mehr über den Islam sagen.
Efeu - Die Kulturrundschau
vom
07.06.2014
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Überwachung
Ein Jahr Snowden. In Deutschland gibt es nicht mal die Idee eines positiven Geheimnisverrats, wie sie amerikanische Whistleblower verkörpern, schreibt Georg Diez in seiner Spiegel-Online-Kolumne: "Und in England hat gerade der erste Geheimprozess seit, ja, Jahrhunderten begonnen, "eine direkte Attacke auf die Magna Carta von 1215" nennt es Owen Jones im Guardian: Die Angeklagten in diesem "Terrorismusprozess" hießen AB und CD, das war alles, was die Journalisten schreiben durften." Auch Chris Greenwood berichtet in der Mail Online über diesen "empörenden Anschlag" auf eine offene Justiz.
Und weiteres aus dem misslichen Themenfeld: Eric Schmidt sagt im Gespräch mit dem Spiegel, dass die NSA-Enthüllungen ganz Google "in Aufruhr versetzt und wütend gemacht" gemacht habe, so Spiegel Online in einer Vorabmeldung. Und er versichert: "Es gab keine längerfristigen Vereinbarungen, wir arbeiten nicht zusammen, es gibt keine Genehmigung, auf unsere Infrastruktur zuzugreifen. Das gab es nicht, gibt es nicht und wird es nicht geben." Heißt das, dass die Vereinbarungen kurzfristig getroffen werden?
Ebenfalls bei Spiegel onliine die Meldung: "Vodafone legt Existenz von Abhörleitungen offen."
Das beste in Heribert Prantls pfingstlicher Betrachtung zu einem Jahr Snowden in der SZ ist ein Zitat des legendärden BKA-Chefs Horst Herold, der schon 1980 Folgendes aufschrieb: "Die Grenzenlosigkeit der Informationsverarbeitung wird es gestatten, das Individuum auf seinem gesamten Lebensweg zu begleiten, von ihm laufend Momentaufnahmen, Ganzbilder und Profile seiner Persönlichkeit zu liefern, Lebensformen und Lebensäußerungen zu registrieren, zu beobachten, zu überwachen und die so gewonnenen Daten ohne die Gnade des Vergessens ständig präsent zu halten. Die Gefahren des "großen Bruders" sind nicht mehr bloß Literatur. Sie sind real."
Frank Rieger vom CCC schreibt in der FAZ: "Das Internet ist zwar nicht kaputt, es hat aber seinen einstmaligen emanzipatorischen Glanz endgültig verloren und seine dunkle, unerfreuliche Seite offenbart." In die Politik setzt er kaum noch Hoffnung: "Wie es jedoch gelingen kann, die Demokratie an sich zu reparieren, steht in den Sternen."
Und weiteres aus dem misslichen Themenfeld: Eric Schmidt sagt im Gespräch mit dem Spiegel, dass die NSA-Enthüllungen ganz Google "in Aufruhr versetzt und wütend gemacht" gemacht habe, so Spiegel Online in einer Vorabmeldung. Und er versichert: "Es gab keine längerfristigen Vereinbarungen, wir arbeiten nicht zusammen, es gibt keine Genehmigung, auf unsere Infrastruktur zuzugreifen. Das gab es nicht, gibt es nicht und wird es nicht geben." Heißt das, dass die Vereinbarungen kurzfristig getroffen werden?
Ebenfalls bei Spiegel onliine die Meldung: "Vodafone legt Existenz von Abhörleitungen offen."
Das beste in Heribert Prantls pfingstlicher Betrachtung zu einem Jahr Snowden in der SZ ist ein Zitat des legendärden BKA-Chefs Horst Herold, der schon 1980 Folgendes aufschrieb: "Die Grenzenlosigkeit der Informationsverarbeitung wird es gestatten, das Individuum auf seinem gesamten Lebensweg zu begleiten, von ihm laufend Momentaufnahmen, Ganzbilder und Profile seiner Persönlichkeit zu liefern, Lebensformen und Lebensäußerungen zu registrieren, zu beobachten, zu überwachen und die so gewonnenen Daten ohne die Gnade des Vergessens ständig präsent zu halten. Die Gefahren des "großen Bruders" sind nicht mehr bloß Literatur. Sie sind real."
Frank Rieger vom CCC schreibt in der FAZ: "Das Internet ist zwar nicht kaputt, es hat aber seinen einstmaligen emanzipatorischen Glanz endgültig verloren und seine dunkle, unerfreuliche Seite offenbart." In die Politik setzt er kaum noch Hoffnung: "Wie es jedoch gelingen kann, die Demokratie an sich zu reparieren, steht in den Sternen."
Religion
Gestern verlinkten wir auf ein unglaubliches Video des ägyptischen Fernsehens, das zeigte, wie eine Frau, die ihren Unglauben bekannte, aus dem Studio geworfen wurde,. Heute interviewt Deniz Yücel in der taz den Internetjournalisten Sedat Kapanoglu, der in der Türkei wegen Verunglimpfung religiöser Werte verurteilt wurde. Es trifft immer häufiger nicht pominente Intellektuelle, erläutert er: "Nach den Gezi-Protesten wurden in Izmir junge Leute wegen ihrer Tweets angeklagt. Und erst in der vorigen Woche wurde der Twitter-User mit dem Nickname "Allah CC" zu 15 Monaten Haft verurteilt - auch er nach Paragraph 216, also wegen "Verunglimpfung religiöser Werte". All das zeigt: Heute kann es jeden treffen."
Ideen

Internet
Tief enttäuscht klingt Jügen Geuters (mehr hier) Spiegel-Online-Kommentar zur Friedenspreisentscheidung für Jaron Lanier. Hier wird ausdrücklich jemand anerkannt, der die Grundideen des Internets - etwa Open Source oder die kooperative Erzeugung von Wissen - aus tiefstem Herzen ablehnt: "Lanier ist eines der sichtbarsten Beispiele für die Figur des gefallenen und enttäuschten Internet-Optimisten. Und genau seinen Weg vom 20-jährigen Wunderkind und Digitalguru zum Internetverächter ist es, was der Buchhandel auszeichnet und hervorheben will."
Die EuGH-Entscheidung gegen Google könnte Menschen dazu verführen, sich ihr Selbstbild je nach Gusto zusammenzustellen und die Folgen ihres Tuns nicht mehr zu reflektieren, meint der Psychologe Serge Tisseron in einem Kommentar für huffpo.fr. Darum sei Pädagogik im Bezug auf das Netz so wichtig: "Zunächst einmal um jeden dazu zu veranlassen, erst nachzudenken, bevor man etwas veröffentlicht. Vergesen wir nicht, dass es zumeist die Surfer selbst sind, die aus Unvorsichtigkeit oder Angeberei die Informationen ins Netz gesetzt haben, sie sie später wieder tilgen wollen. Darum ist es so wichtig, dass dei Kinder lernen, das Netz zu relativieren: Nur wil dort eine bestimmte Information steht, muss sie nicht stimmen, und nicht alle wichtigen Dinge stehen im Netz."
Die EuGH-Entscheidung gegen Google könnte Menschen dazu verführen, sich ihr Selbstbild je nach Gusto zusammenzustellen und die Folgen ihres Tuns nicht mehr zu reflektieren, meint der Psychologe Serge Tisseron in einem Kommentar für huffpo.fr. Darum sei Pädagogik im Bezug auf das Netz so wichtig: "Zunächst einmal um jeden dazu zu veranlassen, erst nachzudenken, bevor man etwas veröffentlicht. Vergesen wir nicht, dass es zumeist die Surfer selbst sind, die aus Unvorsichtigkeit oder Angeberei die Informationen ins Netz gesetzt haben, sie sie später wieder tilgen wollen. Darum ist es so wichtig, dass dei Kinder lernen, das Netz zu relativieren: Nur wil dort eine bestimmte Information steht, muss sie nicht stimmen, und nicht alle wichtigen Dinge stehen im Netz."
Weiteres
Im Aufmacher des Welt-Feuilletons plädiert der CDU-Politiker Volker Kauder für eine Rückbesinnung aufs Christentum und unsere "christlich-abendländische Tradition". In der NZZ schreibt der Theologe Jan-Heiner Tück über die Rede des Papstes in Yad Vashem. Hubert Spiegel bewundert in der Leitkolumne der FAZ den Widerstand prominenter Autoren gegen Amazon, weil der Konzern Verlage wie Hachette und Bonnier (von kleineren ganz zu schweigen) immer unverschämter drückt. Und Mark Siemons porträtiert für die FAZ Taiwans Kulturministerin Lung Ying-tai, die gerade in Berlin ist.
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