9punkt - Die Debattenrundschau

Angeblich neutrale Webseiten

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
25.05.2018. Heute tritt das DSGVO in Kraft. Das Internet fragt sich, ob man jetzt auch seine Telefonbücher abgeben soll. In der NZZ beschreibt Isolde Charim, wie die Neue Rechte den muslimischen Antisemitismus für sich nutzt. Die IrInnen stimmen heute über eine Liberalisierung der Abtreibung statt - Zeit online berichtet über die Aktivitäten amerikanischer Abtreibungsgegner vor dem Referendum.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 25.05.2018 finden Sie hier

Internet

Lächeln Sie, ab heute sind Sie
besser geschützt, titelt Libération,
am Tag an dem das "Règlement
général pour la protection des
données" in Kraft tritt.

Auch in Frankreich tritt heute die DSGVO in Kraft. Amaelle Guiton berichtet in Libération recht positiv: "Viele Beobachte denken über die langfristige Effekte und fragen sich, ob das Gesetz den großen amerikanischen Plattformen wirklich etwas entgegensetzen kann. Aber im Moment ist es immerhin die Europäische Union, die den Takt vorgibt."

Bei Twitter wird unterdessen gefragt, ob man seine Telefonbücher jetzt auch abgeben soll. Und: "Ich bräuchte die Zustimmung aller Kontakte im Telefonbuch meines Kontaktes."

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Gesellschaft

Neben rechten, linken oder muslimischen Antisemitismus gesellt sich neuerdings eine weitere perfide Form des Rassismus schreibt die Philosophin Isolde Charim in der NZZ mit Blick auf Marine Le Pen oder HC Strache, die öffentlich dem Antisemitismus abschwören: "Der neue Anti-Antisemitismus bietet den Rechten einen doppelten Mehrwert: Er dient ihnen dazu, sich von den Altlasten, vom Geruch des alten Faschismus, reinzuwaschen. Und er dient ihnen zugleich dazu, ihren neuen Rassismus 'sauber' zu machen - indem sie ihn 'legitimieren': Sie munitionieren ihre Vorurteile nicht nur mit realen Problemen, sondern auch mit den Vorurteilen der anderen - dem 'importierten' Antisemitismus - auf. Sie überlassen den Muslimen die 'Drecksarbeit' des Antisemitismus - so bleiben die authentischen Franzosen, die authentischen Österreicher unschuldig."

Die Klage von zwei Lehrerinnen auf Entschädigung, weil sie wegen ihres Kopftuchs von Berliner Schulen nicht eingestellt wurden, wurde abgewiesen, meldet Spiegel Online. Noch im Referandariat dürfen Juristinnen und Lehrerinnen Kopftuch tragen, danach ist ihnen allerdings keine vollumfängliche Berufstätigkeit gestattet, schreibt Fatina Keilani daraufhin im Tagesspiegel und fordert eine klare Haltung von der Bundesregierung - ohne jedoch zu sagen, welche: "Kann man bei einer Grundschullehrerin mit Kopftuch sicher sein, dass sie den Schülern den Unterrichtsstoff beibringt, ohne zugleich subkutan zu vermitteln, dass man als gute Muslima sein Haar verhüllen muss? Kann man nicht.Und sollten nicht gerade Grundschulen völlig frei sein von allem religiösen Konfliktstoff? Schön wär's, aber sie sind es auch jetzt nicht." Die nächste Frage wäre: Soll man dann überhaupt keine Anstrengungen mehr machen?
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Politik

Ausweichend habe der chinesische Premierminister Li Keqiang während des Kanzlerinnenbesuchs auf eine Pressefrage zu Liu Xia reagiert, berichtet dpa, hier im Dlf: "Ohne konkret auf eine Frage nach dem Schicksal der unter Hausarrest stehenden Fotografin und Dichterin einzugehen, sagte der chinesische Regierungschef in Peking, beide Seiten sprächen auch über Einzelfälle. Man versuche, mit Respekt Problemfelder aufzuzeigen und 'mit gegenseitigem Verständnis zu angemessenen Lösungen zu kommen'."

Weiteres: Selten war Amerika in so viele Gruppen und Identitäten zersplittert wie jetzt, meint der Philosoph William Egginton in der NZZ und erinnert an die Botschaft der Unabhängigkeitserklärung.
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Stichwörter: Liu Xia

Europa

Heute stimmen die IrInnen über die Liberalisierung von Abtreibung ab. Ralf Sotschek weist in der taz auf einen interessanten Nebenaspekt des Wahlkampfs hin: "Google hat vor gut zwei Wochen jegliche Stimmwerbung per Anzeige verboten. Auch Facebook unterband Anzeigen von ausländischen Organisationen für ein Ja oder Nein beim Volksentscheid. Beide Unternehmen wollten verhindern, dass ihnen wie bei den US-Wahlen Einflussnahme vorgeworfen wird. In Irland waren nämlich - vor allem auf Seiten der Abtreibungsgegner - undurchsichtig finanzierte Anzeigen und angeblich neutrale Webseiten geschaltet worden, die alles andere als neutral waren."

Besonders amerikanische Abtreibungsgegner hämmern dennoch über alle zur Verfügung stehenden Internetkanäle auf die Iren ein, berichtet Jochen Bittner in Zeit online. Und "auch jene irischen Abtreibungsgegner, die sich gegen Einfluss aus Übersee verwahren, haben Netz-Profis aus dem Ausland angeheuert - und zwar prominente. Das Dubliner Life Institute hat den ehemaligen Chef der Online-Kampagne für den Brexit beauftragt, die Argumente gegen eine Liberalisierung gezielt an die Internetnutzer zu bringen."

Die Linke muss ihre Skepsis gegenüber dem Nationalstaat überwinden, meint im Welt-Gespräch mit Johannes Altmeyer der Politologe und Referatsleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung Michael Brönig. Er plädiert neben einem "vernünftigen Patriotismus" für eine "vernünftige Europäisierung": "Wir müssen den Nationalstaaten die Möglichkeiten geben, aus Globalisierungsschritten aussteigen zu können, wenn es dafür keine demokratischen Mehrheiten gibt. Das gilt für ökonomische, aber auch sicherheitspolitische Regeln. Auch im 21. Jahrhundert ist oft nicht zu viel Staat das Problem, sondern zu wenig. Deswegen sollten wir den Nationalstaat auf globaler Ebene nicht überwinden, sondern stärken. Dasselbe benötigen wir auch auf europäischer Ebene. In vielen Bereichen Europas brauchen wir eine vertiefte Zusammenarbeit. An anderen Stellen brauchen wir aber mehr nationale Wahlmöglichkeiten."
 
In der SZ fordert der Soziologe Vassilis Tsianos eine Europäisierung der Migrations- und Flüchtlingspolitik, etwa durch ein europaweit vereinheitlichtes Asylverfahren und eine EU-Agentur für Migration und Asyl: "Innerhalb der Europäischen Union müssen wir wegkommen vom fremdbestimmten Zuweisungssystem der Asylsuchenden, das durch die Dublin-Regelung und die Eurodac-Registrierung entstanden ist. Das derzeit aktuelle Verschiebesystem bringt ein unfaires, starkes Ungleichgewicht in der Verteilung von Menschen und Asylanträgen mit sich. Für eine grundlegende Neukonzeption brauchen Geflüchtete ein Mitspracherecht, wohin sie umgesiedelt werden sollen."
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Kulturpolitik

Neben der gelungenen Rassismus-Ausstellung im Dresdner Hygienemuseum lobt Christian Schröder im Tagesspiegel auch deren Vorbereitung, in der man sich der Herausforderung stellte, rassistische Stereotype nicht weiter zu reproduzieren: "Weil alle mit der Ausstellung beschäftigten Wissenschaftler weiß sind, wurde während der Vorbereitungen ein Beirat gegründet, dem auch schwarze Aktivisten und Künstler angehören."
 
Außerdem: Die Diskussion über die "Einheitswippe" geht in die nächste Runde, meldet Reinhart Bünger im Tagesspiegel. Der Preis für die Grundstücksfläche sei noch unbestimmt, es stehen offenbar auch neue Diskussionen über den Standort an.
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Stichwörter: Einheitswippe, Rassismus

Medien

Klaus Ott bringt die Leser der SZ auf den neuesten Stand in den juristischen Auseinandersetzungen um das Institut für Rundfunktechnik, das den Öffentlich-Rechtlichen gehört und sich durch Nachlässigkeit um glatte 200 Millionen Euro betrogen sieht - 140 Millionen wären durch Prozesse noch einzutreiben. Ott endet mit einem frommen Wunsch: "Was die Anstalten dort sparen, wird ihnen dann aber wohl beim Rundfunkbeitrag der Bürger abgezogen."
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