Heute in den Feuilletons

Das frische schlagende Herz

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
17.04.2009. In der Welt setzt sich Walter Laqueur mit Ernst Noltes Buch über den Islamismus auseinander, das allerdings mehr von den Juden als von den Muslimen zu handeln scheint. Slate plädiert für das Prinzip Perlentaucher. Im Tagesspiegel erklärt Volker Grassmuck die Idee einer Kulturflatrate. Und überall pfeifen ergraute Ex-KollegInnen 30-jährigen  hinterher.

Welt, 17.04.2009

Oh je! Ernst Nolte hat ein neues Buch geschrieben, diesmal über den "Islamismus", den er in eine Reihe mit den anderen Totalitarismen stellt. Allerdings scheint er dabei eher auf Israel und den Zionismus fixiert zu sein, schreibt der Zeithistoriker Walter Laqueur in einer ganzseitigen Besprechung: "Die Konzentration auf diese Themen versperrt ihm den Blick auf die wirklichen Ursachen und Folgen des Islamismus. Das führt unausweichlich zu Fehleinschätzungen. So ist der israelisch-palästinensische Konflikt ein Unglück, und seine baldige Lösung ein hohes Gebot der internationalen Politik, doch mit Theodor Herzl und Chaim Weizmann lässt sich der Islamismus nicht erklären. Die meisten Muslime sind nicht Palästinenser und nicht Araber, sondern leben in Indonesien, Indien, Pakistan, Afghanistan, Zentralasien, Nord- und Zentralafrika."

Weitere Artikel: Peter Dittmar zählt in der Leitglosse eine ganze Reihe von Ausstellungen auf, die wegen Kneifens von Sponsoren abgesagt werden mussten. Stefan Krulle unterhält sich mit dem Bigbandmusiker James Last, der achtzig Jahre alt wird. Besprochen wird eine Ausstellung über die die Künstlerfürsten Stuck, Lenbach und Liebermann in Berlin.

Im Aufmacher auf Seite 1 berichtet Ansgar Graw, das Deutschland wahrscheinlich nicht an der Durban-Nachfolgekonferenz in Genf (mehr hier) teilnehmen wird: "Die Bundesregierung wird mutmaßlich erstmals in ihrer Geschichte eine UN-Veranstaltung boykottieren."

Auf der Forumsseite unterhält sich Margita Feldrapp mit dem Psychologen Michael Ermann über die Traumata der deutschen "Kriegskinder".

Aus den Blogs, 17.04.2009

Viele Journalisten ärgern sich über die Huffington Post, weil sie - ähnlich wie der Perlentaucher - Geschichten aus anderen Medien aufgreift, in einem kurzen Teaser zusammenfasst und dann zum Originalartikel verlinkt, berichtet Jack Shafer in Slate. Er findet das etwas kurzsichtig, denn erstens haben amerikanische Zeitungen lange ein ähnliches Geschäftsmodell gepflegt, zweitens führt die Huffington Post den Zeitungen Leser zu, und drittens "wären die beleidigten Seiten besser beraten, eine Lektion aus diesem Experiment zu lernen: Topjournalisten hören das nicht gerne, aber nicht alle Leser haben die Zeit, über dem 2000-Worte langen Artikel zu brüten, den Sie und Ihr Redakteur handgestrickt haben. Sie wollen den springenden Punkt und sie wollen ihn sofort. So häretisch das klingt, die Huffington Post fügt einen Wert hinzu, wenn sie das wunderschöne Baby, das Sie gerade geboren haben, lebendig häutet und dem eiligen Leser das frische schlagende Herz serviert."

In Netzwertig macht Marcel Weiss folgende Ansage über die kommende Preisentwicklung bei E-Books: "Der langfristig sich auf dem Markt einstellende Preis für E-Books wird wie bei Musikdateien bei Null liegen. Nicht ausschließlich, aber auch Filesharing wird seinen Teil dazu beitragen. Auch Klagen werden dagegen nichts helfen. Es ist die digitale Schwerkraft, gegen die ein Kampf nicht zu gewinnen ist."