Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

März 2006

Heute in den Feuilletons

31.03.2006. In der SZ kritisiert Ingo Schulze den Mythos Dresden. Die NZZ lobt die Lust des Economist an der pointierten Analyse. Die taz verteidigt ehemalige Kritikerkollegen gegen die Kritik von Kritikerkollegen. Die FAZ porträtiert Thomas Flierl als engagierten Grübler, der ein Herz für die Opfer des Mauerfalls hat. Und Michel Wieviorka deutet die französischen Studentenproteste als Gegenteil von 68.

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30.03.2006. Die Welt berichtet fassungslos über Thomas Flierls Vorschlag an die Gedenkstätte Hohenschönhausen, sie möge "ihr Geschichtsbild doch bitteschön im Dialog mit den MfS-Mitarbeitern" erarbeiten. Auch die SZ meint: Die wahren Stasi-Debatten stehen uns noch bevor. In der Zeit warnt Friedrich Christian Delius vor zuviel Liebe zu Italien. Die FR weiß, wo Volksbühnenästhetik wirklich provoziert: in der Pariser Oper. In der FAZ entwickelt Amos Oz eine Friedensstrategie für Israel.

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29.03.2006. In der SZ sieht der Schriftsteller Jean Rouaud die französischen Studentenproteste als "nostalgisches und fantasmagorisches Remake" der 68-er Zeit. Der Soziologe Alain Touraine erklärt sie dagegen in der FAZ als Reaktion auf eine bonapartistische Politik. In der Berliner Zeitung fragt Richard Wagner: Wie europäisch ist die Ukraine? Die taz stellt den Musiker Qubais Reed Ghazala vor, der mit dem Schatten seiner Hand Platinen zum Singen bringt. Die NZZ hält gemeinsame Antarktis-Expeditionen von Israelis und Palästinensern für sinnlos. Die Welt bringt eines der letzten Interviews mit Stanislaw Lem, der vor zuviel Intelligenz warnt: "Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund."

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28.03.2006. In der Welt behauptet Niall Ferguson mit Blick auf George W. Bush: Ein Präsident in der zweiten Amtszeit ist nicht zwingend eine lahme Ente. In der FAZ bedauern sich die Opfer der alten Bundesrepublik. Die SZ geriet bei einer Ausstellung chinesischer Foto- und Videokunst im Berliner Haus der Kulturen in Vibration. Die taz outet sich als die eigentlich bürgerliche Zeitung.

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27.03.2006. In der Berliner Zeitung outet sich der Schauspieler und Spiralblock-Entreißer Thomas Lawinky als einstiger IM der Stasi. In der Welt diagnostiziert Vaclav Havel bei den Ukrainern postrevolutionäre Ernüchterung. Die NZZ attestiert den Westberlinern eine prekäre Gefühlslage. Die FR erkundet die dürren Leselandschaften Ägyptens. In der SZ erklärt Jens Petersen, wie sich die Ärzte von gutbetuchten Freunden der Hausmusik zu Trötenbläsern und Schilderschwingern gewandelt haben. Und für die taz besucht Gabriele Goettle die Bestattungsunternehmerin Claudia Marschner.

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25.03.2006. "Frankreich ist nach 1945 geblieben, was es war" stellt die Schriftstellerin Cecile Wajsbrot in der Welt fest. In der NZZ fürchtet sich Autor David Albahari vor einem grenzenlosen Europa. In der Berliner Zeitung identifiziert Necla Kelek die türkischen Väter als primäres Integrationshindernis. Im Tagesspiegel erklärt der weißrussische Künstler Artur Klinau, wie einen schlechter Wodka ins Gefängnis bringen kann. Uneinigkeit herrscht über die vierte Berlin Biennale: Die taz fühlte sich wie auf Tauchfahrt in die Eingeweide der Esoterik, die FAZ erlebte Erschütterung und Katharsis, die SZ  Unheimlichkeit und Depression.

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24.03.2006. Drastischen Sex beobachtet die NZZ beim Filmfestival in Budapest. Die Welt sieht in Google Earth eine Neugeburt der Geografie. Die FR residiert in der Rubinstein-Suite des Hotels Pod Orlem. Die taz findet den neuen Prince angenehm zeitgenössisch. Die FAZ porträtiert den verhafteten weißrussischen Schriftsteller Andrej Dynko. Die SZ erklärt die für Verbraucher wenig erfreulichen Folgen des neuen Urheberrechts.

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23.03.2006. Die FR bringt einen Text von Andrej Dynko, der zu den verhafteten Oppositionellen Weißrusslands zählt. Die taz erklärt, warum das neue Urheberrecht gegen die neuen Tauschbörsen ohnehin nichts vermag. Die SZ geißelt die Ignoranz der Außenminister gegenüber dem Goethe-Institut. In der Zeit erklärt Alain Touraine, warum die französischen Studenten protestieren. Die NZZ prüft die Güte der Religionen. Die FAZ weiß, welcher türkische Film noch erfolgreicher ist als das "Tal der Wölfe".

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22.03.2006. In der Welt staunt Wolf Biermann über Florian Henckel von Donnersmarcks Stasi-Film "Das Leben der Anderen", der es schafft, der "gesichtslosen Kanaille" ein Gesicht zu geben. Die FAZ lobt die Herzenskälte des Films. Der Tagesspiegel findet ihn hingegen "eifrig auf die Note Eins hin" inszeniert. In der taz spricht der türkische Pädagoge Ahmet Toprak über das schwache Geschlecht der Türkei: die Männer. In der SZ informiert ein weißrussischer Student über die Proteste in Minsk.

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21.03.2006. Die taz entdeckt den vollen Umfang der Klitoris. Die FR erkennt bei Peter Handke auf gespaltene Persönlichkeit. Spiegel Online weiß, wer "Wolfstotem", das erfolgreichste chinesische Buch seit der Mao-Bibel geschrieben hat. In der SZ schwärmt der Autor Thomas Brussig von Florian Henckel von Donnersmarcks DDR-Film "Das Leben der Anderen". Paradoxes Unbehagen bereiten den Feuilletons die französischen Studentenproteste: Revolutionäre, die Unkündbarkeit fordern.

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20.03.2006. Der Autor der Leipziger Buchmesse war Clemens Meyer, der bei den Lesungen aus seinem Roman "Als wir träumten" wie ein Rockstar bestaunt wurde, berichtet die FAZ. Die SZ hat unterdes Mitgefühl mit osteuropäischen Autoren, die nicht dauernd über Europa reden wollen. In der taz singt Klaus Theweleit eine Hymne auf Olli Kahn. Feridun Zaimoglus "Schwarze Jungfrauen" verstören die Kritik. 

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18.03.2006. Für den Tagesspiegel ist Sibylle Tönnies bei den Pariser Studentenprotesten mitgelaufern und wittert eine "Umwälzung der Generationen". Die SZ hält dagegen, dass die französischen Jugendlichen zu 75 Prozent von einem Beamtenstatus träumen. Auch die NZZ findet die französische Lage eher deprimierend. Die FR verteidigt immerhin die französischen Initiativen gegen Google Book Search. Und die Berliner Zeitung mokiert sich über den Einwanderer-Fragebogen der Hessen.

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17.03.2006. In der Welt prophezeit Rupert Murdoch den Untergang der Zeitungen, die das Internet nicht verstehen. In der taz ist die Sache schon gelaufen: Dort revolutionieren Google, Amazon und Microsoft die Medien. Die FR findet Necla Keleks Buch über deutsch-türkische Männer zu literarisch. Die NZZ beschreibt die Krise des amerikanischen Konservatismus. Nach Juri Andruchowytschs Dankesrede für den Leipziger Buchpreis will die SZ künftig auch für Europa bluten. In der FAZ findet der Maler Luc Tuymans die Abgasaktion Santiago Sierras banal.

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16.03.2006. Der MDR (und zum Teil auch die SZ) dokumentiert Juri Andruchowytschs dramatischen Appell an Europa. In der Welt schildert Viktor Jerofejew die Entmenschlichung in der russischen Armee. Und Sonja Margolina beklagt in der NZZ, dass die russischen Archive wieder zugesperrt werden. In der Zeit bekennt Spike Lee seine Verzweiflung über das New Black Cinema. Im Tagesspiegel fordert Amitai Etzioni eine Veränderung der amerikanischen Außenpolitik. In der FR enthüllt Slavenka Drakulic das Geheimnis hinter Milosevics Streben nach Macht - den Machtdurst seiner Lady Macbeth.

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15.03.2006. Leipzig fängt an. Die Welt freut sich über schreibende Journalisten, die durch ihre Medien kräftig gefördert werden. Die SZ liest mit Frank Schirrmachers "Reproduktions-Enzyklika" "Minimum" ein Paradebeispiel dieser Disziplin. Die FR spürt in der deutschen Literatur einen Trend zur Wirklichkeit auf. Die taz singt "Event, Event, ein Lichtlein brennt." Und Feridun Zaimoglu ist überall: Im Aufmacher der Literaturbeilage der FAZ, und in Berlin, wo sein Theaterstück "Schwarze Jungfrauen" aufgeführt wird. Die Berliner Zeitung porträtiert den Regisseur des Stücks, Neco Celik.

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14.03.2006. Die NZZ attestiert den neuen Entwürfen für das Gebäude der Topografie des Terrors eine deprimierende Mutlosigkeit. Die FR feiert Louise Bourgeois. Die taz porträtiert eine neue türkische Aufsteigerschicht in Deutschland. Die SZ fragt, warum Deutsche, die Polen kritisieren, in polnischen Medien immer gleich als Nazis karikiert werden. Die Welt und der Rest der Welt sind deprimiert über die Echo-Verleihung.

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13.03.2006. Zum Tod Slobodan Milosevics schreiben Richard Swartz in der SZ, Beqe Cufaj in der FAZ, Bora Cosic in der NZZ und im Tagesspiegel. Der Standard bringt den zweiten Teil der Rede von Jürgen Habermas, der eine Menge Forderungen an Europa stellt. Die Berliner Zeitung verfolgte einen Dialog der Kulturen in Kopenhagen, der mehr ein Monolog war.

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11.03.2006. Ralf Dahrendorf geht in der Welt gegen palästinensische Romantik und neuen Antisemitismus an. Die FAZ zweifelt am neuen Mäzenatentum der Großkonzerne. Die NZZ schildert, was sich in der recht lebendigen amerikanischen Theaterszene derzeit tut, und die taz porträtiert einen ihrer wichtigsten Protagonisten. In der SZ rätselt Kulturstaatsminister Bernd Neumann, wie der 'Spend in Germany'-Effekt ausgelöst werden kann.

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10.03.2006. In der Kunst triumphiert das Kollektiv, verkündet die NZZ von der Whitney-Biennale in New York. Im Standard denkt der Intellektuelle Jürgen Habermas über den Bedeutungsverlust der Intellektuellen nach. Der Tagesspiegel verortet das Problem des Theaters nicht in seiner Zügel- sondern in seiner Mutlosigkeit. In der Welt prophezeit Niall Ferguson den Krampf der Kulturen. Und die FAZ befürchtet eine Umerziehung der palästinensischen Gesellschaft.

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09.03.2006. Die aus alter Gewohnheit bürgerliche Zeit will der neuen Bürgerlichkeit nicht recht über den Weg trauen. Die Welt erklärt das neue Urheberrecht für die Theater: Künftig können Autoren Schmerzensgeld einklagen. Schon jetzt werden Kritiker allenfalls in Nebenspielstätten von toten Schwänen gebissen, konstatiert die SZ in einem Artikel über die Lage des Theaters. Die NZZ staunt über die gemorphten Zwitter des Amsterdamer Architekturbüros UN-Studio. Detlev Bucks Film "Knallhart" beeindruckt die Kritik.

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08.03.2006. In der FR verzichtet Elke Buhr auf die Ehre, als Frau, Gebärmutter und sozialer Kitt dienen zu dürfen. Die NZZ nennt den "Dresden"-Film ein Machwerk ohne sittlichen Ernst. Die taz ortet das Herz der Finsternis der Berliner Republik in der Brust von Friedrich Christian Flick. In der Welt erinnert Hans Christoph Buch daran, wie Mobutu 30 Jahre lang den Kongo ausbeutete. In der Berliner Zeitung schwärmt Detlev Buck von Neukölln. Die SZ entdeckt Popautoren mit gesellschaftskritischem Potenzial - leider alle schon tot. Die FAZ war bei einer Diskussion über alte Medien und das Internet.

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07.03.2006. Die Kommentare zu den Oscars sind irgendwie lau, nur die Welt ist richtig zufrieden. Die Welt hat außerdem über türkische Zeitungen in Deutschland recherchiert. Und in der SZ staunt Oliver Storz über den britischen Soldaten im "Dresden"-Spektakel, der mit Bauchschuss über die Kriegsschuldfrage diskutiert, während er mit seinem Mädel tanzt.

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06.03.2006. In der FAZ kritisiert Robert Gernhardt die Ängstlichkeit der westlichen Zeitungen, die es nicht wagten, die dänischen Mohammed-Karikaturen abzudrucken. Die taz sah in Paris "Nutten der Finsternis" defilieren. In der Welt beschimpft Arnulf Baring den Dresden-Zweiteiler des ZDF als "ängstlichen Kompromiss". Kritikergott Stadelmaier zeigt sich in der FAZ gnädig mit Thomas Ostermeiers Inszenierung von Eugene O'Neills "Elektra", die der Tagesspiegel allenfalls "Spiralblockfreunden" empfehlen möchte. Außerdem verlinken wir auf die Oscars.

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04.03.2006. Andre Glucksmann erklärt in Le Monde (und auf deutsch im Perlentaucher), warum Spott über Mohammed nicht dasselbe ist wie Spott über den Holocaust. Die taz wendet sich gegen das Manifest der Zwölf zum Karikaturenstreit. Fast nur Autorenfilme sind für die Oscars nominiert, bemerken Welt und SZ. In der FR erklärt Ang Lee Taiwan für schwulenfreundlicher als die USA. Die FAZ bringt zwei Seiten über den Fernsehfilm "Dresden".

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03.03.2006. Die NZZ porträtiert den Autor Daniel de Roulet, der einst das Chalet des Axel Caesar Springer in den Schweizer Bergen anzündete. In der FAZ erzählt Paula Fox, wie sie einmal in Deutschland herzlos lachen musste. In der SZ findet Arthur Schlesinger drastische Vergleiche für das Versagen der Regierung Bush in der Katrina-Katastrophe. Die taz annonciert einen Strukturwandel der popmusikalischen Öffentlichkeit.

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02.03.2006. Die FR fragt: "Was ist los mit Suhrkamp?" Die FAZ fragt: "Was ist los mit dem deutschen Fußball?". Die Zeit fragt: "Was ist los mit Frank Schirrmacher?" In der taz macht sich Christian Semler Sorgen wegen einer allgemein um sich greifenden Lebensplanlosigkeit. Die Welt veröffentlicht ein Manifest von Autoren gegen den "kulturellen Relativismus".

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01.03.2006. Die FAZ klagt: Die jungen Lyriker sterben aus. Zumindest in den großen Verlagen. In der SZ schreibt Georg Klein: "Wir jedoch sind die Götter unserer Hühner" - und schlachten sie ab. Die Berliner Zeitung beobachtete Claudia Roth bei einer Diskusion über "Das Tal der Wölfe" und fand sie missionarischer als den Film. In der NZZ lässt Wolfgang Sofsky seine soziologischen Fantasien spielen - mit Millionen von Toten.