Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juni 2002

Heute in den Feuilletons

29.06.2002. Die FR beschimpft die deutsche Literaturkritik: Sie sei "eloquent, aber nicht interessiert", besonders nicht an Lyrik. Die FAZ verweigert einen neunzigminütigen Orgasmus. Die SZ interviewt den Kunsthistoriker und Stadtschloss-Feind Tilman Buddensieg, der unser Zeitalter "mutloser Nachempfindungen" beklagt. Die NZZ schreibt Schreibmaschine. Die taz jubelt.

Heute in den Feuilletons

28.06.2002. Das Gekabbel um Walser geht weiter. Hatte die FAZ einen Vorabdruck des Romans "Tod eines Kritikers" befürwortet? FAZ und SZ sind da unterschiedlicher Ansicht. Die FR kritisiert, dass Walser nicht bei Proust in die Schule gegangen ist. Die taz bespricht Jonathan Franzens Roman "Die Korrekturen". Die NZZ berichtet über Anti-Möllemann-Aktionen von Christoph Schlingensief.

Heute in den Feuilletons

27.06.2002. In der FAZ arbeitet Jan-Philipp Reemtsma auf anderthalb Seiten heraus, dass auch die "feine Nase" einer Romanfigur als Beleg für Antisemitismus gelten kann. Ja, die Walser-Debatte ist wieder voll entflammt. In der FR schreibt Ruth Klüger einen offenen Brief an Martin Walser. Andere Themen des Tages: der Verkauf der Berliner Zeitung an den Holtzbrinck-Konzern und Jonathan Franzens Roman "Die Korrekturen", der in der Zeit und der NZZ besprochen wird.

Heute in den Feuilletons

26.06.2002. Das Ereignis des Tages: Martin Walsers neuer Roman "Tod eines Kritikers" erscheint heute - und keiner bespricht ihn. SZ und FR widmen sich dafür dem Lektorat und der Debatte. In der SZ denkt Frank Böckelmann über die Züchtigung des Körpers nach. In der taz erklärt Richard Powers, warum das Erzählen digitalisiert werden wird. Die FR hofft auf einen gebrochenen Kanzler Schröder. FAZ und SZ kommentieren die Aufhebung von Todesurteilen in den USA durch den Supreme Court.

Heute in den Feuilletons

25.06.2002. Die FAZ erzählt von einem deutschen Arzt, der nordkoreanischen Flüchtlingen in China hilft. In der FR fordert der Philosoph Etienne Balibar eine selbstkritische Konzeption des Feindes. In der NZZ fordert der Molekularbiologe Alexander Kekule den Schutz der Menschenrechte für das Genom. Die SZ denkt über amerikanische Kriegsfilme nach. Alle Zeitungen widmen dem Biochemiker Erwin Chargaff lange Nachrufe.

Heute in den Feuilletons

24.06.2002. Die SZ feiert als erste Jonathan Franzens Roman "Die Korrekturen" und hält den Vergleich mit den größten amerikanischen Autoren für gerechtfertigt. Die NZZ bringt einen langen Hintergrundartikel zur Vergangenheitsbewältigung in Rumänien. In der taz präpariert Gabriele Goettle einen Berliner Taxidermisten. Die FR befasst sich mit den Intellektuellen und der Macht. Die FAZ empfiehlt Ning Jings Film "I Love Beijing".

Heute in den Feuilletons

22.06.2002. Die SZ sorgt sich um den Männerüberschuss in Asien. Die NZZ beschreibt den größten Tauschmarkt Argentiniens. In der FR ermuntert Slavoj Zizek die Leser, ihr traumatisches Nichts anzunehmen.  In der taz erklärt Timothy Garton Ash die Deutschen zu Marktführern im Geschäft der Geschichtsaufarbeitung. Die FAZ erzählt, wie man sich in den USA vor den Folgen eines nuklearen Terrorschlags schützen will: mit Kalium-Jod-Tabletten.

Heute in den Feuilletons

21.06.2002. Die FAZ hat schon Steven Spielbergs neuen Film "Minority Report" gesehen und ist überrascht und begeistert. Die NZZ meldet: Ingmar Bergman dreht eine Fortstzung der "Szenen einer Ehe". Die taz erklärt, wie die Multiplex-Kinos unser Sehen veränderten. Die FR gibt zu: Auch Frankfurt ist im Niedergang. Die SZ rät: Schämen Sie sich ruhig.

Heute in den Feuilletons

20.06.2002. In der Zeit kritisiert Elias Khoury die arabische Zensur. In der FAZ ärgert sich Thomas Mann über den High-brow-Sudler Martin Heidegger. Die NZZ beschreibt die Europäische Universität in Sankt Petersburg. Die FR trauert um die letzte Großnische der Kultur: Berlin. In der taz erklärt der Theatermacher Matthias Lilienthal seine hysterische Sehnsucht nach Realität. In der SZ geißelt Wolf Lepenies den eigentlichen Skandal der Pisa-Studie: schlechte Schüler sind arme Schüler.

Heute in den Feuilletons

19.06.2002. Die FAZ schildert die Verfeinerung der Propaganda für Selbstmordattentäter. Die NZZ berichtet über eine neue Kopftuch-Debatte in der Türkei. Die SZ will kein Schulsystem a la DDR. Die taz hat auf einer Fachtagung den Diskussionen der Pynchonites gelauscht. In der FR bedauert Györgi Dalos den Grafen Matyas Esterhazy. Außerdem bringen wir hier Reaktionen zum Beschluss der FAZ, ihre Berliner Seiten einzustellen.

Heute in den Feuilletons

18.06.2002. In der FAZ ärgert sich Istvan Eörsi über die Nachsicht mit Spitzeln. Die NZZ berichtet über einen Historikerstreit in Israel. In der FR machen sich Thomas Hettche und Alissa Walser Gedanken über die Mainuferbebauung. Die SZ ist gegen konservative Bildungspolitik, weil man da nichts erlebt.

Heute in den Feuilletons

17.06.2002. Die FAZ prophezeit Badematten, die Haare fressen. Die SZ analysiert die inneren Konfikte der Palästinenser. Die NZZ begleitet Theo Angelopoulos bei den Dreharbeiten zu seinem neuen Film. Und alle kommentieren die Bundesfilmpreise.

Heute in den Feuilletons

15.06.2002. Na, das ist ja ein schönes Wochenende. Allgemeines Wundenlecken und posttraumatisches Rationalisieren in sämtlichen Titeln. Der Betrieb erschrickt über sich selbst: In der FAZ schimpft Roger de Weck über den Medienbetrieb, in der NZZ schimpft Martin Meyer über den Sensationsdrang des Kulturjournalismus. Die SZ bringt ein ganzes Dossier über die Kritik. Die taz untersucht den "sekundären Antisemismus". In der FR wittert Michael Rutschky Verbotskultur.

Heute in den Feuilletons

14.06.2002. In der SZ denkt Michael Brenner noch einmal über die Walser- und die Möllemann-Affäre nach, ebenso Heinz Bude in der FR. Die NZZ konstatiert: Eine europäische Identität gibt's nicht wirklich. FAZ und taz besprechen die neue Platte von Tocotronic. In der FAZ bekennt sich Harald Schmidt zur FDP.

Heute in den Feuilletons

13.06.2002. In der Zeit warnt Arundhati Roy vor einem radioaktiven Kaninchen namens Kaschmir. In der FAZ äußert sich Jürgen Habermas nach einer philosophischen Rundreise optimistisch über den Iran. In der SZ erinnert sich Georg Klein an den ersten Menschen, den er Geige spielen sah. Die NZZ macht sich (wie die FAZ) Sorgen um das Frankfurter Theater am Turm. Die FR bringt ein Plädoyer für den DDR-Autor Fritz Rudolph Fries.

Heute in den Feuilletons

12.06.2002. Die SZ beklagt eine "Kultur der Brutalität" in der deutschen Publizistik, die bis zu Luther zurückreicht. Sowohl SZ als auch FAZ gehen auf eine österreichische Klein-Walser-Affäre ein, deren Kontrahenten Karl-Markus Gauß und Luc Bondy heißen. Die taz fragt: Wie gehen Kaurismäki und Nokia zusammen? Für die FR ist der Weltmarkt eine Kampfzone. Die NZZ beschreibt, wie im Namen der Political Correctness jetzt sogar die Klassiker zensiert werden.

Heute in den Feuilletons

11.06.2002. In der SZ kritisiert der iranische Theologe Mohammed Schabestari die Reformunfähigkeit des Islams. Außerdem plädiert Adriano Sofri gegen Antizionismus. In der FAZ verdirbt uns Jeremy Rifkin den Geschmack auf Steaks. Die taz findet die Documenta lehrreich und unterhaltsam. In der FR warnt der Terrorismusforscher Walter Laqueur vor nuklearem Terrorismus. Die NZZ ist begeistert vom jungen türkischen Theater.

Heute in den Feuilletons

10.06.2002. In der FAZ polemisiert Karlheinz Bohrer gegen Jürgen Habermas' "antifaschistischen Windmühlenkampf". Die SZ richtet eine Brandrede gegen den "Starrsinn verbohrter alter Männer" im deutschen Theater. Die taz interviewt Richard Sennett. Die NZZ sucht nach Künstlern in Afghanistan. In der FR denkt Nathan Sznaider über Antisemitismus und internationale Moral nach.

Heute in den Feuilletons

08.06.2002. In der SZ empfiehlt Ilse Aichinger einen sparsamen Umgang mit dem Wort "Antisemitismus". Die taz betrachtet Walser im Lichte der "body politics". Die FAZ resümiert französische Debatten über den 11. September. In der FR erzählt Matthias Politycki einen obszönen Intellektuellenwitz. Die NZZ und alle anderen Zeitungen bereiten uns auf die Documenta vor.

Heute in den Feuilletons

07.06.2002. Von Walser zur Antisemitismusdebatte: In der NZZ fordert Robert Schindels eine Diskussion über Tabus. In der SZ macht Jürgen Habermas den Anfang und erklärt: Was sich als Tabuverletzung ausgibt, ist Regression. In der FR stellt Micha Brumlik fest: Judenhass ist wieder zum anerkannten Bestandteil der politischen Kultur geworden. Die FAZ berichtet, wie der Nahost-Konflikt Amerika hysterisiert.

Heute in den Feuilletons

06.06.2002. Auf zum letzten Gefecht. Die Zeit betont, dass Andre Ehrl-König zu 15 Prozent aus Fritz J. Raddatz besteht. Die FAZ erklärt noch mal, warum sie die Debatte lanciert hat und wiederholt den Antisemitismusvorwurf. Die NZZ kritisiert sowohl Walser als auch die FAZ. Alle Zeitungen begrüßen die Entscheidung des Suhrkamp Verlags, Martin Walsers Roman "Tod eines Kritikers" nun zu drucken.

Heute in den Feuilletons

05.06.2002. Der Streit um Walser geht weiter. In der SZ findet Joachim Kaiser "keinerlei Antisemitismus" in seinem Roman "Tod eines Kritikers" und lobt statt dessen den "herzlichen Walser-Sound". Die taz schildert die Zerreißprobe im Hause Suhrkamp. Die FAZ sieht dessen Zukunft durch den Stiftungsrat aber bestens bestellt. Die FR legt den "performativen Kern" des Massakers von Erfurt frei. Die NZZ gedenkt der Trockenhaube.

Heute in den Feuilletons

04.06.2002. Die SZ beklagt das "Extrem der Skandalisierung" in der Walser-Affäre. Die FR sieht die Kritik auf dem Weg in ein fiktionales Genre. In der taz analysiert Richard Chaim Schneider das "Mantra der FDP". In der FAZ entwirft Salman Rushdie düstere Perspektiven für den Kaschmir-Konflikt. Und auich die NZZ fürchtet die Atomwaffen in der Region.

Heute in den Feuilletons

03.06.2002. Die SZ geißelt (auf der Medienseite) das inzestuöse Feuilleton: "Der Vorgang ist degoutant..." Die taz bringt einen anonymen Text, der annonciert, dass die Walser-Affäre der FAZ schaden werde. Die FAZ bringt Hans-Magnus Enzensbergers Rede zum Ludwig-Börne-Preis, den er an Gabriele Goettle weiterreichte. Die FR sieht in Enzensbergers Börne-Rede eine Anspielung auf die Walser-Affäre. In der NZZ erklärt der indonesische Autor Pramoedya Ananta Toer, warum er schreibt: um der Wahrheit willen.

Heute in den Feuilletons

01.06.2002. Die FAZ fühlt sich bestätigt: Nicht nur sie selbst, sondern fast alle anderen Kritiker auch fänden Martin Walsers Roman "Tod eines Kritikers" antisemitisch. Aber die NZZ findet den Roman vor allem schlecht. Die taz auch. Die FR vermutet nicht so hehre Gründe hinter der Attacke der FAZ. Die SZ enthüllt, wie Martin Walser auf den Namen Ehrl-König kam - durch einen Verriss eines seiner Bücher von Friedrich Sieburg im Jahr 1960.