Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

September 2011

Der Straßenstaub der Wirklichkeit

30.09.2011. Die Welt erklärt die Zunahme schlechter Schauspieler auf den Theaterbühnen. Die FAZ beendet die Ära der Connaisseure. In der FR versichert Dirigent Henrik Nanasi, dass er es auch krachen lassen kann. Die taz sieht das Ende des Eichborn Verlags näherrücken. Die NZZ erzählt vom Leben und Sterben eines roten Blutkörperchens. Und Open Culture kommt dem surrealistischen Genie auf die Spur.

Romane wie Reihenhäuser

29.09.2011. In der NZZ wirft der Friedenspreisträger Boualem Sansal Europa vor, seine demokratischen Ideale verraten zu haben. Im Freitag spottet Oskar Röhler über die Prüderie deutscher Erzähler und George Monbiot geißelt die Geschäftspraktiken der Wissenschaftsjournale. In der Zeit erklärt Umberto Eco den Unterschied zwischen Revolution und Verschwörung. Die taz entdeckt Madame Bovary in einer mexikanischen Mietskaserne. Die SZ erkennt: Der aktuelle Radical Chic will nicht provozieren, nur profitieren. Und die Welt errinert an das große Verbrechen von Babi Jar vor siebzig Jahren.

Härte, Kälte und Gemeinheit

28.09.2011. Der Tagesspiegel trifft den algerischen Friedenspreisträger Boualem Sansal. Die taz vermisst in der großen Ausstellung zu Polen und Deutschland die Putzfrauen und Händler vom Polenmarkt. In der NZZ setzt Island jetzt wieder auf echte Werte. Die FAZ berichtet von Komplikationen bei der Wiedergeburt des Dalai Lama. Und in der FR beschreibt Joseph Vogl die Fähigkeit des Kapitalismus, sich an seinen Krisen zu optimieren.

Das Aufsetzen der Nadel

27.09.2011. In der FR lehrt Navid Kermani: Nackte Realpolitik ist realpolitisch selbstmörderisch. Mit Blick auf Pakistan kann Christopher Hitchens dies in Slate auf jeden Fall bestätigen. Die NZZ spürt den modernen Wurzeln des amerikanischen Fundamentalismus nach. In der Welt bemisst Catherine Hakim das erotische Kapital von Christine Lagarde. Und die FAZ bewundert die Porträts der amerikanischen Künstlerin Taryn Simon

Alles im eigenen Haus

26.09.2011. Die Welt berichtet von einem chinesischen Traum in 385 Marmorquadern. Die SZ feiert die einigende Kraft des global vernetzten Kulturkonsums. Die FAZ warnt vor Facebooks totalitärer Alltagsdatensammelwut. Gabriele Goettle besucht für die taz einen Fachmann für Organtransplantationen. Und in Slate stellt Peter Aspden klar: Wer kulturell auf sich hält, muss fernsehen.

Wir werden bankrottgehen

24.09.2011. Die Welt erklärt, was der Papst meint, wenn er von der "Natur des Menschen" spricht. Nichts Gutes! In der taz hofft der griechische Schriftsteller Giannis Makridakis, dass Gutes aus der Krise seines Landes erwächst. Ohne die EU. In der NZZ erklärt der Zürcher Neurochirurg Arnaldo Benini, wie Krankheit zu Präzision zwingen kann. Die SZ fürchtet, dass Santiago de Compostela jenseits der jährlichen Pilgerscharen und trotz eines kaum fertig zu stellenden neuen Kulturzentrums nicht auf einen Bilbao-Effekt zählen kann.

Es ist keine glückliche Liebe, vorerst nicht

23.09.2011. Die SZ meldet wachsende Verzweiflung bei den Intellektuellen in Ungarn. Die NZZ deutet den Arabischen Frühling als Fortsetzung des antikolonialen Befreiungskampfes. Wie antiisraelisch dieser auch ist, erfährt die FAZ vom algerischen Schriftsteller Boualem Sansal. Die FR erzählt von den Liebesbekundungen deutscher Dichter.

Du bist nicht die einzige Crackhure im Laden

22.09.2011. In der FR  intoniert Baby Dee ihre Lieblingsliturgien. In der Zeit kann  Daniel Richter mit den Inneneinrichtungstendenzen der Malerei gut leben. In der Jüdischen Allgemeinen warnt Gary Shteyngart: Für das moderne Nomadentum braucht es Humor. Im Freitag erinnert Lukas Bärfuss die Ökonomen an das zweite Gesetz der Thermodynamik. Die Welt stößt auf verzerrte Geschichtsbilder in deutschen Schulbüchern. Und die FAZ berichtet vom Tod des Bloggers, Carta-Gründers und Perlentaucher-Autors Robin Meyer Lucht.

Seit er Babst worn is

21.09.2011. Die Welt erkennt in den Piraten die Partei der Nochnichtbesserverdienenden. Die taz fürchtet sich vor dem neuen islamistischen Machtkartell in der Türkei. Vor dem Papstbesuch geißelt die FR Benedikt für seinen unseligen Vorgänger Pius XII. In der NZZ erinnert Timothy Snyder an die multikulturellen Heere, die bei Wien auf beiden Seiten gekämpft haben. Und in der FAZ beklagt Martin Mosebach die Opfer der Gruppe 47.

Das könnte ihnen auch gefallen

20.09.2011. In der Welt plädiert Zygmunt Bauman für die Anerkennung des palästinensischen Staates. Die FAZ grübelt, wie die Berliner Piraten jetzt die Server ihrer Wähler werden können. In der NZZ warnt Miriam Meckel: Die Algorithmen von Amazon und Google können tödlich sein. In der taz graust es Kurt Scheel vor Legoland-Denken, Luis Sepulveda spricht über die Studentenproteste in Chile. Die SZ feiert Josef Bierbichlers saftigen Debütroman "Mittelreich". Und in der arte-Mediathek kann man das Philip-Roth-Porträt sehen.

Herzlos, sinnlos und ohne Trost

19.09.2011. Die SZ stürzt mit Schostakowitsch in Zürich in eine grelle Depression - und ist begeistert. Welt und taz begrüßen Leander Haußmanns Rückkehr ans Theater. In der FR gibt Rafik Schami nicht mehr viel auf Syriens Despoten Bashar al-Assad. Die FAZ hält fest, dass Erwin Rommel ein Günstling und Emporkömmling der Nazis, kein Mann des Widerstands war. Und die NZZ trauert um die bröckelnde Schönheit Rügens

Tuttlingen, ach was: Bopfingen

17.09.2011. In der Welt prangert György Dalos Ungarns Hasskultur an. Oskar Roehler spottet in derselben Zeitung über die Provinzialität der Gruppe 47. Die FAZ bereitet uns auf die Zukunft vor, in der Fortschritt nicht mehr individueller Erkenntnis entspringt. Außerdem fragt sie: Wenn die Tagesschau-App unzulässig ist, warum sollte die ARD dann damit Geld verdienen müssen? Die NZZ sichtet bunte Hühner auf der Kunstbiennale von Lyon. Und die taz geht vor Crazy Bitch in a Cave in die Knie.

Milieuschutz, Bestandschutz, Mieterschutz, Quartierschutz

16.09.2011. Was ist mit Google Plus? Die Statistiken weisen nach unten, meldet TechCrunch, während Slate Mark Zuckerbergs Kopiertalente preist. In The Daily Beast klagt Benny Morris: Israel geht's schlecht - und wer profitiert? Berlin! Laut turi2 muss Gruner und Jahr seine freien Journalisten frei lassen. Die Welt betrachtet die Zürcher Hochhausausstellung und hat keine guten Nachrichten aus New York. Die NZZ schildert den vom chinesischen Regime veranstalteten Erinnerungskult um die japanische Besatzung. Und FR/Berliner Zeitung murren: Die linken Parteien in Berlin sind die Avantgarde des Stillstands.

Wasser, Haselnussöl und Salz

15.09.2011. In der New York Review of Books verrät George Soros, was geschehen muss, damit der Euro eine Zukunft hat. Techcrunch bringt empörte Stimmen über die Entlassung des Chefs von... Techcrunch. Der Freitag berichtet über geheimnisvolle Zwangshandlungen in der Gattung der Kulturjournalisten. Die FAZ bringt eine Hymne auf Alice Schwarzer und einen deprimierten Artikel Gil Yarons über die Lage Israels. Die linke Zeit findet: Berlin ist bürgerlich geworden. Und wo ist Michel Houellebecq?

Du bist schon wieder in der Zeitung

14.09.2011. Kann Crowdsourcing auch die Erzählweisen fiktionaler Geschichten verändern?, fragt Mashable. Die taz macht sich Gedanken über die Zukunft des Theaters. Die NZZ verliebt sich in den morbiden Charme Palermos. In der SZ meint der FDP-Politiker Helmut Schäfer, dass man sich nicht mit Vorwänden wie einem Friedensvertrag mit Israel von der Gründung eines Palästinenserstaates abhalten lassen soll. Und Ferran Adria erklärt, warum er sein Restaurant El Bulli aufgab: Der Erfolg wurde einfach unerträglich.

Deutsche Wertarbeit

13.09.2011. Die NZZ betrachtet besorgt unser Krankheitsbild, das Axel Honneth vorgelegt hat. In der FAZ beklagt Frank Rieger die deutsche Sicherheitsmanie. Die taz kratzt sich den Kopf vor einem RAF-Roman-Rhizom. Die SZ gähnt. Nur ein Iraner freut sich: Die Grüne Bewegung lebt, ruft Dawud Gholamasad in der FR.

Schmerzenskult

12.09.2011. Die NZZ untersucht die Rolle von Blogs in China. Und Wilhelm Genazino nimmt sich Zeit und denkt nach über Langeweile. Die Welt staunt über Roger Willemsens tiefe Einsichten zum 11. September. Laut Buchreport plant Amazon eine Flatrate für E-Books. Die Kritiker sind zufrieden mit dem Filmjahrgang in Venedig, aber sie fragen auch: Was wird aus dem Festival? Und Spiegel Online fragt mit Günther Jauch, ob die Amerikaner den 11. September überhaupt verstehen können.

Das war zum Lachen

10.09.2011. Die NZZ porträtiert zwei wenig bekannte Künstler: den französischen Dichter Valery Larbaud und den italienischen Komponisten Giacinto Scelsi. Die FR sieht in Sibylle Lewitscharoffs neuem Roman "Blumenberg" Löwe neben Rebhuhn liegen. Die SZ bewundert in Venedig einen "Faust" in russischem Rhythmus. Die FAZ schwebt und fliegt mit Anne-Sophie Mutter durch Wolfgang Rihms "Lichtes Spiel". In der Welt erklärt Tom Segev, warum er sich immer noch über Günter Grass ärgert.

Zeit der Angst

09.09.2011. Fast alle Feuilletons bringen Texte zum 11. September. In der Welt beklagen  Paul Theroux und Mark Lilla, dass sich die Amerikaner seitdem aus ihrer Depression nicht lösen konnten. Marcia Pally freut sich im Tagesspiegel, dass es auch Evangelikale gibt, die sich gegen Islamophopbie wenden. Die FAZ besucht Ground Zero. In der SZ bespricht Hanns Zischler Corinna Belz' Filmporträt über Gerhard Richter. Boingboing erzählt die Geschichte des Erfinders von Ebook und Project Gutenberg, Michael Stern Hart, der im Alter von 64 Jahren gestorben ist.

Ich sehe den Autor, ich sehe die Überschrift

08.09.2011. taz und Welt (und eigentlich auch alle anderen) erliegen dem traurigen Charme  Aki Kaurismäkis. Der Tagesspiegel hat den Venedig-Sieger schon gekürt. Der Freitag bringt eine Sonderausgabe zum 11. September: Hamed Abdel-Samad beleuchtet darin die Rolle der Medien im Arabischen Frühling. Michael Arrington twittert: "My life feels very strange to me." Und die Zeit beklagt 1. den Kapitalismus, 2. den Totalitarismus der Mittelklasse, 3. das Ende der Kindheit und 4. alles bloß Materielle für nur 4 Euro an führenden Bahnhofskiosken.

Abgedämpfter denn je

07.09.2011. Al Qaida hat verloren - und zwar in Tripolis, meint Bernard-Henri Levy in La regle du jeu. Urheberrechte werden in Brüssel weiter verschärft, Schutzfristen auf Musik sollen auf siebzig Jahre ausgedehnt werden, und niemand merkt's, außer irights.info. Wo bleibt die Trennung von Staat und Kirche in der Madonnenausstellung von Dresden?, fragt die FR.  Egal, seufzt die FAZ im Farbenrausch. im Tagesspiegel spricht Tahar Ben Jelloun über den arabischen Frühling.

Wohliges Babyhautgefühl

06.09.2011. Christopher Hitchens rät in Slate gegen allzu viel Differenzierung im Falle Al Qaidas. In der FR erteilt Björk musikpädagogische Ratschläge: Nimm ein Sharpsichord und fang an. Die Welt hat herausgefunden: Die beiden gerade in Dresden ausgestellten Raffael-Madonnen waren nie ein Paar. Die Schuldenkrise konfrontiert uns unausweichlich mit unserem Niedergang, meint die SZ. Die NZZ guckt südkoreanische Fernsehserien.

Sinnlose Gründe

05.09.2011. Laut Spiegel Online entschuldigt sich Tom Segev bei Günter Grass für eine falsche Zahl in seinem Haaretz-Interview, die auch Segev nicht erkannte und korrigierte. In Slate fragt Anne Applebaum zehn Jahre nach dem 11. September: War der Aufstieg Chinas und Russlands der Preis für den Krieg gegen den Terror? In der Welt wehrt sich der britische Kolumnist Charles Moore gegen die Umarmung Frank Schirrmachers. Die SZ bringt einen Vortrag Elias Khourys, der die Rolle der Islamisten in den demokratisierten Ländern Arabiens nicht so dramatisch sieht.

Die Zeit der wiederholten Einmaligkeit

03.09.2011. In der NZZ erklärt Oleg Jurjew, warum die Blockade Leningrads nur in der Sprache der Leningrader Avantgarde beschrieben werden konnte. Die taz lernt in Montreal, dass nichts so elitär ist wie die Ökostadt. In der Welt liest Ralph Giordano Arno Lustigers Buch über den "Rettungswiderstand" in den von den Nazis besetzten Ländern. In der SZ bekundet Khaled al-Khamissi seine Freude darüber, dass die Ägypter nun endlich gegen Israel protestieren. Die Jerusalem Post meldet, dass Deutschland die Durban 3-Konferenz boykottiert. Die FAZ berichtet über Todesdrohungen gegen französische Journalisten, die in der Affäre Bettencourt recherchierten.

Grenzgenial

02.09.2011. Die Welt erklärt Günter Grass: Deutsche Kriegsgefangene wurden in der Sowjetunion nicht liquidiert. In der taz prophezeit "The Wire"-Autor David Simon: Ein Aufstand naht. Die NZZ analysiert Damenhandtaschen. Netzpolitik hält fest, dass nicht Wikileaks, sondern Journalisten vom Guardian und Freitag das Passwort für die unredigierten Depeschen öffentlich gemacht haben. Die FAZ verabschiedet sich vom deutschen Alleinrichtigmachungsanspruch.

Na logo! Da kiekste! Ick sach dir!

01.09.2011. Der Freitag beobachtet die Dreharbeiten zu David Cronenbergs Film über Freud, Jung und Spielrein im Wiener Cafe Sperl. Die Sparlampe lügt und ihre Propagandisten auch, stellt die taz fest. Brillant findet die FAZ Ai Weiweis Analyse von Peking als "Stadt der Gewalt". In der SZ kritisiert der Historiker Peter Jahn Günter Grass, der in Haaretz behauptet hat, sechs Millionen deutsche Kriegsgefangene seien von den Sowjets liquidiert worden. Die Zeit sieht unsere Demokratie abgeschafft.