Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juni 2009

Verstörte Labelmitarbeiter

30.06.2009. Irgendwie geht's heute überall um die Kulturindustrien und die Kämpfe ums Copyright. Die FR macht pragmatische Vorschläge für eine Durchsetzung des E-Books, die dem physischen Buch nicht schadet. Außerdem berichtet sie über eine Petition gegen die Gema. In Carta ruft Popproduzent Tim Renner eine Alternative zur Popkomm aus. Der Tagesspiegel  beschreibt die Kultur des Mash Up, die der Musikindustrie mehr Kopfzerbrechen bereiten sollte als Raubkopien. In der FAZ fordert Hubert Burda ein Leistungsschutzrecht. Und eine Gewinnbeteiligung an Google. Und eine Überwachung von Geschäftsmodellen. Und Transparenz. Die NZZ entlässt die Filmredaktion.

Verlagspiraten

29.06.2009. Die Enttäuschung war einhellig: Die Literatur des Bachmann-Wettbewerbs war allzu kompatibel. Fehlervermeidung war die Devise, meint die NZZ, und jung war die Literatur auch nicht, sekundiert die SZ. In der FAZ sieht Diedrich Diederichsen Michael Jackson als Inbild spätkapitalistischer Selbstdisziplinierungszwänge. Die Blogs greifen den Casus Heidenreich auf. Wer enteignet die Autoren?

Das Koks war versalzen

27.06.2009. Die Deutschen sollten endlich begreifen, dass die Finanzkrise auch sie trifft, meint Niall Ferguson in der Welt. In der nachtkritik antwortet Christoph Schlingensief auf Kritik an seinem Plan, ein Opernhaus in Burkina Faso zu bauen. Ansonsten widmen sich die Feuilletons ausgiebig dem verstorbenen Michael Jackson.

Two things to say about him

26.06.2009. Michael Jackson ist tot. Wir bringen erste Reaktionen aus amerikanischen Blogs und der New York Times und ein wunderschönes altes Video. Außerdem: In der FR erklärt die iranisch-deutsche Filmemacherin und Autorin Siba Shakib ihre Erleichterung darüber, dass Hussein Mussawi nicht einfach an die Macht gekommen ist. Die taz erklärt, was die Isländer mit "Aldrei for eg sudur" meinen. Die SZ hat schon Stefan Krohmers "Dutschke"-Film gesehen.

Die Ursache liegt in der Zukunft

25.06.2009. Navid Kermani ist in den Iran gereist und berichtet für die Zeit als Augenzeuge. Auch der Autor Mahmud Doulatabadi äußert sich in der Zeit. In der FR bringt Kader Abdolah eine Hommage auf die Jugend seines Landes dar. In der SZ kritisiert Tony Judt die israelische Siedlungspolitik. Die Welt berichtet über die Festnahme des chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo. Ebenfalls in der Welt klagt der Büchner-Preisträger Josef Winkler über Klagenfurt - die einzige Großstadt in Mitteleuropa, die sich keine Stadtbibliothek leistet.

Einen Polizisten neben jede Zwiebel

24.06.2009. In der taz erklärt der Filmemacher Mohsen Makhmalbaf, warum sich die iranischen Unruhen nicht mehr hauptsächlich gegen Achmadinedschad, sondern gegen Khamenei richten. Die Welt fragt, was eine Neuregelung der Honorare für Übersetzer diesen und der Literatur bringen wird. John Scalzi erklärt in seinem Blog, warum Debütautoren selten unter dreißig sind. Die FR liest Monika Marons neues Buch als Therapieversuch gegen den ostdeutschen Selbsthass.

Die Bilder suchen sich gerade neue Herren

23.06.2009. Die FR berichtet über Reaktionen iranischer Filmemacher auf die Ereignisse im Iran. Auch der Neda-Film beschäftigt die Feuilletons. Für Anne Applebaum findet im Iran keine Twitter Revolution statt, sondern eine der Menschenrechtler, wie sie bei Slate betont. Die SZ warnt vor dem neuesten Streich der Pirate Bay, einer Anonymisierungssoftware namens Ipredator, die fünf Euro monatlich kosten soll. Die NZZ fragt, warum in Ägypten auf einmal so viele israelische Bücher übesetzt werden. Laut Welt ist Jazz noch nicht tot.

Die Lage kann sich verbessern

22.06.2009. Die New York Times schildert, wie Twitter in den letzten Tagen die Medien auf Trab hielt. Und in der britischen Times schildert Blogger Andrew Sullivan sein durch Twitter vermitteltes Gefühl der Verbundenheit mit den Aufständischen von Teheran. Der Freitag erhebt Vorwürfe gegen den serbischen Dienst der Deutschen Welle, der mit Milosevic-Medien kooperiert haben soll. FAZ, Welt und SZ sind beeindruckt vom Akropolismuseum in Athen.

Demenz herankriecht wie ein Gas

20.06.2009. In der Welt weiß Henryk Broder, warum gerade die Deutschen qualifiziert sind, den Israelis Benimm beizubringen. In der NZZ fragt Martin Pollack die Rechnitzer: Wo liegen die Opfer des Massakers vom März 1945? Die FR hält fest: Jörg Fauser war ein zarter Mann. Im Iran sterben die Künstler aus, berichtet die taz. Die chinesischen Medien dürfen nur zurückhaltend über den Iran berichten, meldet die Huffington Post. Die SZ fürchtet: Raubkopien führen zu Menschenhandel. Die FAZ erzählt, wie man eine Frau heiraten und neben einem Mann aufwachen kann.

Die republikanische Geste

19.06.2009. In The Daily Dish erklärt Andrew Sullivan, warum er die iranische Demokratiebewegung so leidenschaftlich unterstützt. Die Welt bringt einen Artikel Ramin Jahanbegloos, der die Proteste im Iran als den politischen Kampf des republikanischen Iran gegen seine klerikale Oligarchie sieht. In der Jungle World legt Christian Engström von der Persian Bay dar, warum er eine Begrenzung des Urheberrechts auf fünf Jahre für ausreichend hält. Die deutschen Blogger sind empört über das nun verabschiedete Internetzensurgesetz von Ursula von der Leyen. Die Feuilletons trauern um Ralf Dahrendorf.

Draußen bleiben, Protest fortsetzen

18.06.2009. Die Feuilletons blicken weiter gespannt auf Teheran. In der FAZ erklärt eine iranische Journalistin klar, dass es der Jugend im Land nicht ums Kopftuch geht, sondern um Leben, Freude, Freiheit. Die Welt porträtiert Hussein Mussawi als schlau und authentisch. Die SZ untersucht, wie sich Revolution und Diktatur im Netz organisieren. Die Zeit besucht die gebeutelte New York Times. Und alle feiern Habermas 8.0: "Ein genialer Einfall der Öffentlichkeit." Die Blogs verteidigen die Freiheit gegen Herfried Münkler.

#IranElection

17.06.2009. Die amerikanischen Blogs sind nach wie vor völlig fasziniert von den Protesten im Iran und der Rolle, die Twitter darin spielt. "Der Iran twittert Morgenluft", freut sich auch die Welt. Die deutschen Blogs rechnen nach dem Internetzensurgesetz der großen Koalition vor allem mit der SPD ab. In der FR legt Calixto Bieito die Quellen seiner Inspiration offen: Es ist eine katholische Welt. Die taz fragt: Warum dürfen Atheisten nicht auf Nahverkehrsbussen werben? Die FAZ bringt eine Fatwa: Wahlbetrug verstößt auch gegen die Scharia!

Kulturelle Nuklearexplosion

16.06.2009. Die Demokratiebewegung im Iran ist weiter Thema Nummer eins, auch in den Feuilletons. Navid Kermani sieht in der SZ die Fernsehdebatte zwischen Ahmadinedschad und Mussawi als Auslöser der Ereignisse, Abbas Maroufi vertritt im Tagesspiegel eine ähnliche Ansicht. Die in den USA lebende Autorin Gina B. Nahai sieht in der FAZ den point of no return für das Regime nahen.  In der Welt bekennt Said allerdings seine Skepsis über den angeblichen Reformer Mussawi. SZ und NZZ feiern außerdem Peter Sellars' bahnbrechende "Othello"-Inszenierung in Wien. 

Keine Ahnung von Armut

15.06.2009. Die Wahlen im Iran beschäftigen alle Zeitungen. In der taz erkennt Bahman Nirumand ganz klar auf Wahlbetrug. Ähnlich sieht es Katajun Amirpur in der FR. Der Geist einer solchen Bewegung aber ist schwer wieder in die Flasche zurückzustopfen, konstatiert die Welt. In der FAZ schildert der slowakische Schriftsteller Michael Hvorecky die Krise in seinem Land. Und in der NZZ spricht der Schriftsteller Yu Hua über die Freiheit in einem Land, in dem man über alles herziehen darf, nur nicht über die Regierung.

Hinreißend gutes Aussehen

13.06.2009. In der taz bekennt Daniel Richter, wie peinlich es ihm wäre, sich zu verweigern. In der NZZ lüftet Sebastian Horsley das Geheimnis ewigen Glücks. In der FR sieht Shulamit Aloni Israel auf dem Weg zur totalitären Ethnokratie. Die FAZ sorgt sich um die Theater in NRW. Die SZ erinnert daran, wie überfordert die Westdeutschen geistig von der Widervereinigung waren. Und in Carta plädiert Wolfgang Michal dafür, die Piratenpartei als neue soziale Bewegung ernst zu nehmen.

Unerbittlich heißherzig

12.06.2009. Die SZ druckt den entsetzlichen Bericht der Soon Ok Lee über ihre Haft im nordkoreanischen Gulag. Feuert die Bosse!, ruft Naomi Klein in der FR. Die Jungle World beobachtet, wie sich Irans religiöse Machteliten gegenseitig zerfleischen. Wählt nicht Steinmeier!, ruft Thomas Strobl in der FAZ. Die NZZ lässt sich von der japanischen Abstiegsliteratur nicht deprimieren. Die Welt lernt beim Computerspielen: Nur wer die Regeln ignoriert, überlebt. Und alle trauern um Jürgen Gosch.

Es gießt und gießt

11.06.2009. Die taz zeigt, dass Zwangsehen auch für Männer ein Problem sind. In Spiegel Online erläutert Andreas Popp von der Piratenpartei seine politischen Ziele. In Berliner Zeitung und Tagesspiegel machen sich iranische Intellektuelle Hoffnung auf die Reformkandidaten. Im Tagesspiegel erklärt der 68er Klaus Hartung, warum für ihn die Aktenfunde zu Karl-Heinz Kurras eine Fußnote sind. Die NZZ denkt über das Ende der Filmkritik in den Zeitungen nach. Und die Welt verabschiedet den Mythos Kalifornien. Die Kollegen der süddeutscheren Zeitungen sind für Fronleichnamsprozessionen freigestellt.

Aber sie schießen mit der Schrotflinte

10.06.2009. In der Zeit bedauert Ayaan Hirsi Ali, dass Barack Obama in Kairo den Königen, Scheichs und Präsidenten der islamischen Welt nicht deutlicher die Leviten gelesen hat. In der taz fragt Ilija Trojanow: Waren die alliierten Bombardierungen der französischen Städte ein Kriegsverbrechen? Der SZ ist die inflationäre Produktivität der deutschen Theater unheimlich. Leben wir wirklich im Kapitalismus?, fragt Peter Sloterdijk in der FAZ: "Voll ausgebaute Steuerstaaten reklamieren jedes Jahr die Hälfte aller Wirtschaftserfolge."

Die is so blond so

09.06.2009. Der säkulare Kulturkampf zwischen Print und Netz geht weiter. Deutsche Verlage haben eine Resolution gegen geistigen Diebstahl lanciert. Don Alphonso hat herausgefunden, was die Verleger damit eigentlich meinen. Jürgen Neffe sieht unterdes in Spiegel Online ein goldenes Zeitalter des Journalismus heraufdämmern. Außerdem: Die SZ wundert sich über den Erfolg der Piratenpartei bei den Europawahlen. In der Welt wendet sich der Medienwissenschaftler Martin Andree gegen den Drogenbericht der Bundesregierung, der erstmals die Verheerungen der Internetsucht beklagt.

Das sagen wir so nicht

08.06.2009. Die FR steht bei der Biennale mehr auf slowakischen Charme als auf Deutsch sprechende Katzen. In der NZZ rühmt Aleksandar Hemon die Schönheit der englischen Sprache. Wo landen eigentlich die 100 Millionen Euro, die Kulturminister Bernd Neumann der Kultur versprochen hat, fragt die Berliner Zeitung. Die Piraten sind ins Europäische Parlament eingezogen, meldet Heise. In der FAZ fordert ein Vertreter der Musikindustrie die Kultur-Flatrate, um sich eine "angemessene" Vergütung zu sichern.

Die Goldklumpen sind im Schlammstrom

06.06.2009. In der Berliner Zeitung hält uns Adam Krzeminski eine verdiente Standpauke zu den Europawahlen. Und der Rechtsmediziner Michael Tsokos erzählt aus seinem Alltag: zwei bis drei faule Leichen wöchentlich. Im Tagesspiegel erklärt Nikolaus Merck von nachtkritik, wie sich Kritik durchs Netz verändert. In der FAZ erklärt die iranische Frauenrechtlerin Parvin Ardalan, wie ermüdend es ist, wenn Mantellängen nicht von der Mode diktiert werden. Die ersten Reaktionen auf die 53. Biennale in Venedig sind meist unschlüssig bis enttäuscht.

Vergesst diesen gewöhnlichen Tag

05.06.2009. Graydon Carter von Vanity Fair hat herausgefunden, wie Zeitungen trotz Internet ihre Auflage explodieren lassen können. Und das bizarrste: Das Rezept ist alt. In der Welt schreibt Hans-Christoph Buch über die missliche Lage der Uiguren. In der FR macht Niall Ferguson Paul Krugman fertig. Die FAZ erzählt, wie Ai Weiwei mit seinem Blog  das chinesische Schweigen über das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens bricht

Des Nachts streift er im Verborgenen umher

04.06.2009. In der Welt sieht der Schriftsteller Yu Hua neue Unruhen auf China zukommen: das Kapitel Tiananmen ist noch nicht abgeschlossen. Ähnlich sieht es Li Dawei in der SZ. Der Freitag, FR und die Blogs kommentieren die chinesischen Interenetsperren aus Anlass des Jubiläums. In der FAZ kommentiert Rafael Chirbes die spanische Immobilienkrise. Die Zeit baut ein Haus aus den Knochen von Rosa L.

4000 Gewehre zur Großen Halle des Volkes

03.06.2009. Das Blog Liza's Welt wundert sich über das Schweigen der Weltöffentlichkeit zu den Vorwürfen gegen Sri Lanka. Die taz schreibt die Geschichte des 2. Juni nicht um. In Huffington Post hält Bernard-Henri Levy an seiner Kritik an Faruk Hosni fest. Die SZ konstatiert: Wikipedia funktioniert. Die Blogosphäre nicht. In der FAZ fragt sich Meinhard Miegel, wie man mit Mitteln, die gar nicht vorhanden sind, die Welt retten will. Die FR bringt einen Text von Ma Jian zum Massaker am Tiananmen-Platz. In der Welt begründet der Chefhistoriker des Vatikans, warum der Vatikan im Falle Galilei im Recht war.

Luxus essen Seele auf

02.06.2009. Die NZZ entdeckt die Recessionista. Die FR besucht das Herge-Museum in Louvain-la-Neuve, die FAZ das Magritte-Museum in Brüssel. Carta meint: Die Gründe für die Legitimierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten sind weggefallen. Robert Wilsons Baden-Badener "Freischütz"-Inszenierung mit Kostümen von Viktor und Rolf löst zwiespältige Reaktionen aus.