Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Dezember 2009

Sie hat etwas Sorgenfreies

31.12.2009. In der NZZ erzählt Alfred Brendel die unglaubliche Geschichte der britischen Pianistin Joyce Hatto, die die Musikkritiker zu Narren machte. Das Blog Under the Jacaranda Tree übersetzt Reaktionen chinesischer Intellektueller auf das Urteil gegen Liu Xiaobo. In der FR unterhalten sich Timothy Garton Ash und Evan Williams über Gerüchte, Revolutionen und Technologie. Die taz sieht in die Zukunft und erblickt den Popislam, der gar nicht wehtut. Die Welt rühmt die Kühnheit der Theaterautorin Felicia Zeller. Die SZ erklärt, was die iranischen Frauen aus der Revolution gegen den Schah gelernt haben. Und damit wünscht der Perlentaucher: Guten Rutsch!

Schweinebraten zum Frühstück

30.12.2009. In der Zeit rappt  Clemens Meyer das Jahr 2009 in den Orkus, Navid Kermani hat eine optimistische Vision für den Iran, und laut Ulrich Beck kommt es 2010 zu sozialen Unruhen (mindestens aber zu Tarifverhandlungen).  In der FR weiß William Forsythe, dass er nichts weiß. In Island soll eine Informationsfreizone eingerichtet werden, meldet die taz. In der Welt erzählt der Jazzbassist Eberhard Weber, warum er mit einem Kaugummi unterm Schuh doch lieber in die Charite ging.

Ein gewisses Gefühl von Helligkeit

29.12.2009. In der FR erklärt die tschechische Mezzosopranistin Magdalena Kozena den feinen Unterschied zwischen Romantik und Barock. Für die FAZ liest Viktor Jerofejew  einen Roman des hochrangigen Funktionärs Jurjewitsch Surkow. Die linke taz lässt sich von einem Theologen die Grenzen zulässiger Religionskritik ziehen.

Große Kaliber

28.12.2009. In der NZZ beschreibt Najem Wali den jüngsten Skandal um den arabischen Booker-Preis. In der SZ sieht sich Richard Powers nach Entschlüsselung seines Genoms zum Risikomanagement verpflichtet. Die FAZ fragt sich, warum der Bürgerrechtler Liu Xiaobo so still und heimlich verurteilt wurde. In der taz besucht Gabriele Goettle die Erfurter Tiertafel, und Ma Jian sieht seine Regierung einen gefährlichen Tiger reiten.

Ich muss jetzt erst einmal schlafen

24.12.2009. Der Prozess gegen Liu Xiaobo dient dem chinesischen Regime dazu, die Grenzen des Dissenses neu festzulegen, meint die New York Times. Die SZ bekräftigt ihre Minderheitenposition gegenüber der Achse des Guten. In der NZZ ruft Fatih Akin: keine Angst vor Freiheit! In der FR erinnert sich Arno Widmann an seine letzte Begegnung mit Rudi Dutschke vor dreißig Jahren. Suhrkamp kommt nach Berlin, weil dort die klugen Leute sind, sagt Ulla Berkewicz in der Berliner Zeitung. Die Welt bringt eine Weihnachtsgeschichte von Sibylle Lewitscharoff. Und damit wünscht auch der Perlentaucher: Frohe Weihnachten!

Das ist doch eine großartige Geschichte!

23.12.2009. Im Freitag beschwört Alexander Kluge die Entstehung des Netzes aus dem Geist der Quanten. Reuters berichtet, dass der Prozess gegen Liu Xiaobo begonnen hat. Laut CNN wird das Urteil für Freitag erwartet. In der FAZ beschreibt Ernest Wichner den Zustand Rumäniens zwanzig Jahre nach 89 als unberechenbar. Die FR studiert ein Killer-App für das Iphone. Die FAZ bringt außerdem nochmal eine ganze Seite zum Fall Hans Heinrich Eggebrecht.

Heute gibt es Hundesuppe

22.12.2009. Die Welt verliebt sich in schöne Schweine, keineswegs aber in architektonische Visionen der zugigen Mitte Berlins. In Carta plädiert der Schweizer Blogger Ronnie Grob für mehr direkte Demokratie - in Deutschland. In der Achse des Guten fordert Henryk Broder mehr Geld für ehemalige Zwangsarbeiter. In der SZ kritisiert Dirk von Gehlen den bloß kulturkonservativen Umgang mit dem Internet in Deutschland. Die Zeit baut Christoph Schlingensief einen grünen Hügel für sein Festspielhaus in Burkina Faso.

Etwas zum Herumhüpfen

21.12.2009. Die Welt ist entsetzt über die späten Enthüllungen zur Vergangenheit des Musikwissenschaftlers Hans Heinrich Eggebrecht. Die taz hat ein wunderbares Last-Minute-Weihnachtsgeschenk gefunden: Reportagen aus 2.500 Jahren. Aus Anlass des Demjanjuk-Prozesses erinnert der Tagesspiegel an den Aufstand von Sobibor. Ein Gutes hat das Scheitern des Klimagipfels doch, meint die Achse des Guten: Der Sudan bekommt keine Entschädigung für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Die FAZ hört Bach. Ach, und Peter Sloterdijk fordert nach Kopenhagen ein konstruktiv diabolisches Denken.

Fünf Regale voll Lyrik! Dum derra dum!

19.12.2009. In der Welt prangert Juli Zeh unsere selbstgewählte intellektuelle Legasthenie an. Im Tagesspiegel erklärt Stepan Russ-Mohl den Zeitungen: Die Hölle im Netz sind die anderen. Die taz swingt in einem Buchladen in Venice Beach. Die SZ erklärt den Skyscraper Index, an dem sich der Stand einer Wirtschaftskrise ablesen lässt. Die FAZ kritisiert das geringe Interesse der Niederländer für die Massaker in ihren ehemaligen Kolonien.

Denn Ahnenkult ist der wichtigste Kult

18.12.2009. Ahmadinedschad (oder irgend so einer) hat Twitter gekapert. Techcrunch legt eine Nachtschicht ein und analysiert. Was ist, wenn Google auf die Idee kommt, sein Telefon zu verschenken?, fragt Gizmodo. Ilja Braun erklärt in irights.info, wie und warum die VG Wort im Netz eigentlich nicht so richtig funktioniert, außer für die Verlage. Die SZ lässt sich von einem wächsernen Pesttoten in Neapel über die Gegenwart informieren.

Mindestens ein Tag im sogenannten Spalier

17.12.2009. Die Zeit erzählt die haarsträubende Geschichte des einstigen Doyens der Musikwissenschaft Hans-Heinrich Eggebrecht - Jahre nach seinem Tod stellt sich heraus, dass er an der Ermordung von 14.000 Juden auf der Krim beteiligt war. In der Welt fordert Peter Sloterdijk eine Homöotechnik. Ars technica deckt die Kungeleien der Regierung Obama mit den Verwerterindustrien auf. In der NZZ ruft Brigitte Kronauer die Natur an. Die FAZ fragt: Wie antisemitisch ist Godard?

Wenn auch der Böseste nicht verloren ist

16.12.2009. Die SZ bringt eine chinesische Rede Martin Walsers mit einer Hommage auf den Kollegen Mo Yan. Die Welt erklärt Internet-Abstinenz zum Luxusgut. Die Blogs diskutieren über den Vorstoß einiger Springer-Zeitungen, die online nur noch im Bezahlabo zu lesen sind (oder durch die Google-Hintertür).  Die taz bringt ein Dossier zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Die Kritiker sind beeindruckt von James Camerons 3D-Spektakel "Avatar". (Aktualisiert)

Perlt dabei so wunderschön

15.12.2009. Die FR erklärt die Dialektik heutiger Kapitalismuskritik in deutschen Stadttheatern. Man kann Klimaskeptiker sein und trotzdem kein Geld haben, antwortet Novo auf Attacken der FAZ. Im Iran sind zwölf Schwule zum Tode verurteilt worden - aber es entsteht auch eine Schwulenbewegung, melden die Gay City News. In der FAZ schreibt Andreas Maier eine Hommage auf Parastou Forouhar.

Versonnen, berechnend, zärtlich zugleich

14.12.2009. Die SZ ruft den Fundamentalisten der Aufklärung ins Gewissen: Die Religionsfreiheit war zuerst da. In der Berliner Zeitung konstatiert die Politologin Naika Forouta: 70 Prozent der Musliminnen in Deutschland tragen kein Kopftuch. In der Welt erklärt Monika Maron, warum sie keine Angst vorm Internet hat. FR und FAZ feiern Oliver Reeses Frankfurter "Phädra"-Inszenierung. In der FAZ spricht auch Werner Söllner über seine IM-Zeit. Aufregung im Netz: Google baut ein eigenes Handy.

Von Tätern, Opfern und Nichttätern

12.12.2009. Die FR fragt sich, ob es in Rumänien eigentlich je eine Revolution gegeben hat. In der Welt erklärt der Philosoph Robert Spaemann, wie undemokratisch Demokratie sein kann. Die taz reist mit Popjournalisten nach Palästina. Zeit online diskutiert lebhaft übers Filesharing. In der NYRB ruft Michael Massing zu Google rüber: Gebt was zurück! Im Tagesspiegel glaubt Gerhardt Csejka nicht, dass Werner Söllner mit seinen Berichten an die Securitate jemandem geschadet hat. In den Blogs fragt Richard Wagner, was Eva Demski mit ihrer despektierlichen Bemerkung über deutsch-rumänische Emigranten gemeint hat. Die NZZ fürchtet den Niedergang deutscher Museen. Die FAZ stellt eine Buchreihe über "Werte der deutschen Heimat" vor. In der SZ erklärt Tony Judt die jüdische Identität für eine Fiktion.

Ja, was denn?

11.12.2009. In der SZ prangert Navid Kermani die westliche Spielart des Fundamentalismus an, die sich zum Beispiel im Schweizer Minarettverbot äußert. In der FAZ wendet sich Necla Kelek gegen einen Zeit-Artikel Gerhard Schröders, der mehr Toleranz für den Islam forderte. Die FAZ muss auch feststellen, dass viele Klimaskeptiker Trotzkisten waren. Die FR berichtet über das immer noch ziemlich aktive Gespenst der Securitate. Spiked Online prangert eine Klimaschutzinitiative an, die kleine Afrikaner verhüten will.  

Lügen wie aus früheren Zeiten

10.12.2009. Im Freitag äußert sich Claude Lanzmann bestürzt über das Desinteresse  an antisemitischen Ausschreitungen gegen seinen Film "Warum Israel". Im Tagesspiegel spricht sich der ehemalige DLR-Intendant Ernst Elitz für eine Haushaltsgebühr statt GEZ aus. In der Zeit befasst sich Jürgen Habermas mit Michael Tomasellos "Ursprüngen der menschlichen Kommunikation". In der FR wird Nicholson Baker vor lauter Google ganz blümerant. FAZ und SZ berichten von einer Diskussion rumäniendeutscher Autoren über die Securitate - einer outete sich als Spitzel.

Die Kassenhäuschen von ARD und ZDF

09.12.2009. SZ und FR erzählen die Geschichte der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar, die im Iran festgenommen wurde, weil sie an ihre ermordeten Eltern erinnern wollte. In der taz erklärt Herta Müller, was Literatur in der Unterdrückung bedeuten kann. Laut Ars technica wird die kanadische Musikindustrie verklagt - weil sie es mit den Urheberrechten nicht so genau nahm. In der FR fordert Heinrich August Winkler ein neues Verständnis von Gerechtigkeit bei der SPD. Eine Berliner Diskussion zum Minarettverbot stößt überall auf Kritik.

Ihre Hoheit, Madame la Banque

08.12.2009. In der Welt empfiehlt Wolf Lepenies gegen die Krise einen guten Balzac. Marek Janowski soll das neue Berliner Superorchester leiten, aber er will gar nicht, meldet der Tagesspiegel. Die Blogs reiten auf der Google Wave mit Echtzeitsuche ins All. Die Berliner Zeitung berichtet: Bertelsmann wird jetzt Buchhändler. In der taz reicht Südkorea Nordkorea die Medikamente. FR und FAZ bringen Herta Müllers Nobelvorlesung: "Hast du ein Taschentuch, fragte die Mutter jeden Morgen am Haustor..."

I love my new boobs

07.12.2009. In der Kulturpolitik werden die Messer gewetzt, fürchtet Christina Weiss in der Welt anlässlich der geplanten Abschaffung des Deutschen Symphonieorchesters. Auch die SZ ist empört. Carta meldet: Wer einen Computer, aber keinen Fernseher hat, wird künftig die volle GEZ-Gebühr bezahlen müssen. Die FR porträtiert das größte Medienunternehmen der USA: Comcast. Im Christian Science Monitor kommentiert Ayaan Hirsi Ali das Schweizer Minarettverbot.

Alles ist Licht

05.12.2009. Die Berliner Zeitungen arbeiten sich an einer traurigen Sensation ab: Das Deutsche Symphonieorchester soll unter dem Dach des Rundfunksinfonieorchesters eingeschmolzen werden. Die taz badete in Licht - und zwar ausgerechnet in Wolfsburg. Die Welt ist froh über ein Urteil, das die Leser elektronischer Bücher in Bibliotheken zwingt, weiterhin handschriftlich zu exzerpieren. In der FR bekennt der FR-Verleger Neven Dumont, dass ihm Google nicht behagt. Die SZ geht d'accord mit Wired: Dem Internet ein Friedensnobelpreis.

Wohlwollender Blick auf ein Desaster

04.12.2009. Cory Doctorow erklärt im Harvard Business Manager, wie er Geld verdient, indem er seine Bücher kostenlos ins Netz stellt. Die Welt annonciert den nächsten Bestseller: Rolf Bauerdicks Roman "Wie die Madonna auf den Mond kam". Microsoft wird Zeitungen keine Inhalte abkaufen, um Google auszustechen, meldet die Financial Times. Die FR lotet den stärksten Ausdruck von Freiheit aus. Im  Blog Mobylives erfahren wir, dass Roberto Bolano ein Lichtenberg-Verehrer war. Und Google hat jetzt ein Wörterbuch.

Vom Text des Korans besessen

03.12.2009. Das Stadtschloss kann gebaut werden. Die Welt ist froh, denn der Entwurf ist gut. Arianna Huffington attackiert in einer langen Rede Rupert Murdoch. Wie macht man aus Buchstabensuppe eine Deutsche Digitale Bibliothek?, fragt die SZ. In der NZZ fragt Hamed Abdel-Samad, warum der Islam nicht zur Moderne findet. Die Zeit rettet die Welt, wird aber ganz grün dabei.

Die Subjektivitäten selbst werden subsumiert

02.12.2009. Laut Tagesspiegel fordert Bernd Neumann ein amerikanisches Gesetz gegen Google Books. In der Welt kritisiert Tariq Ramadan das Schweizer Minarettverbot, aber auch das schüchterne Auftreten der Schweizer Muslime. Die FAZ bringt eine Liebeserklärung an Peter Doherty, auch wenn er über das Deutschlandlied nicht richtig informiert war. Und die SZ scheint versuchten Mord an Juden schon viel weniger befremdlich zu finden, wenn er surrealistisch gemeint ist.

Wie sonst nur noch in Transnistrien

01.12.2009. Die NZZ sieht das Schweizer Minarett-Verbot auch als Blamage für den Journalismus. Im Tagesspiegel schreibt der Historiker Hamed Abdel-Samad: "Die Muslime sind zu empfindlich." In der FAZ erklärt Jürg Altwegg, warum er sich bei der Abstimmung enthielt. In der taz wirft Beate Klarsfeld den Deutschen mangelnde Aufarbeitung ihrer Geschichte vor.  In der FR erklärt Toni Negri, was an der Demokratie faschistisch ist.