Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2011

Knicke in der Außenhaut

28.02.2011. Die FR würde gern in Frank Gehrys New Yorker Appartmenthaus wohnen und aus dem Fenster gucken. Der Tagesspiegel bringt eine eindrucksvolle Reportage aus der Stadt Benghasi, deren Bürger versuchen, politische Gefangene zu befreien. Die Welt liest die Dissertation des Dr. Gysi. Gabriele Goettle bringt in der taz eine Reportage über geschädigte Kleinanleger. Braucht man die Frauenquote doch?, fragt die FAZ. Außerdem: ein sehr klares Fernsehinterview zu Guttenberg, Links auf die Oscars und auf John Gallianos antisemitischen Ausfall.

Halla, das berühmte Sprungpferd

26.02.2011. In der Welt ist Monika Maron fassungslos über Patrick Bahners' Lob der Sittlichkeit. Die FR fragt, ob sich Militär und Demokratie überhaupt in Einklang bringen lassen. In der SZ hat Khalid-al-Khamissi den Schuldigen für die ägyptische Misere ausgemacht. Es handelt sich überraschenderweise um die Amerikaner. Die FAZ bringt eine große Reportage über die Verfolgung von Christen im Irak. Die NZZ stellt zwei innovative Lyrikverlage vor und schildert, wie der tunesische Diktatorenclan Ben Ali die Kunstschätze des Landes plünderte.

Bürgerliche Karrierebewirtschaftung

25.02.2011. Die FR freut sich, dass die Ägypter mit ihrem Despoten auch eine ganze Reihe anderer Autoritäten abschütteln. Die taz betritt mit der Theatermacherin Shermin Langhoff den neuen deutschen Raum. Die SZ blickt auf eine verheerte akademische Landschaft in Deutschland. In der Welt erklärt Wladyslaw Bartoszewski, warum sich Polen 1944 gegenseitig beraubten. In FR und NZZ diskutieren Theologen das Memorandum Kirche 2011. Im Freitag denkt Konstantin Neven DuMont mit Walter Kohl über den Generationenkonflikt der heute 40- bis 50-Jährigen mit ihren Vätern nach.

Weg vom Sammeln, hin zum Denken

24.02.2011. Was unterscheidet die Durchhaltekraft eines KT zu Guttenberg noch von der Zähigkeit eines Berlusconi?, fragt die SZ. Die FAZ hörte die Operette "Libyen von morgen". Die Zeit fragt, warum sich die konservativen Politiker Europas zu Viktor Orbans Komplizen machen. Die Welt berichtet von Verwerfungen in der ägyptischen Kulturszene. FR und taz stellen Ali Samadi Ahadis Film "The Green Wave" vor.

Vergessen durch Löschen

23.02.2011. Was wollen die Libyer? Jedenfalls keine Demokratie, behauptet die Geo-Reporterin Gabriele Riedle in der Berliner Zeitung. Die Marokkaner setzen auf eine konstitutionelle Monarchie, meint die FAZ. In der FR möchte Joachim Radkau den Umweltschutz nicht dem rigiden Denken der Naturwissenschaftler überlassen. Die Welt sieht einen weinenden neuen Stern am New Yorker Kunsthimmel leuchten. Die Plagiatejäger haben ein neues Opfer, meldet BoingBoing: Saif Gaddafi.

Ich danke Herrn Dr. Guttenberg

22.02.2011. Im Perlentaucher beweist Andre Glucksmann, dass die Tunesier und Ägypter klüger und realistischer sind als alle diplomierten Geopolitiker zusammen. In der FR erzählt Jürgen Todenhöfer, warum es in den vergangenen Tagen Spaß machte, auf dem Tahrir-Platz zu stehen. Die taz berichtet, wie der blinde Anwalt Chen Guangcheng und seine Frau von den chinesischen Behörden schikaniert werden. Eine gewisse Exzentrizität erkennt die Welt im FAZ-Redakteur Patrick Bahners. In der FAZ droht Rechtsprofessor Mathias Rohe, dass er unsere Staatsordnung so lange erklärt, bis sie jeder verstanden hat. FAZ- und SZ-Feuilleton verurteilen heute Karl-Theodor zu Guttenbergs Plagiate aufs Schärfste.

Die Feigheit vor der Realität

21.02.2011. In der Welt lehnt die ägyptische Frauenrechtlerin Nawal al-Saadawi das Verfassungskomitee ab: Da sitzten nur alte Männer. Die seit Monaten von der Außenwelt abgeschnittene Liu Xia konnte fünf Minuten ins Internet, berichtet die Washington Post. In der NZZ fordert Paul Lendvai die Ungarn auf, endlich die rosarote Brille abzusetzen, wenn sie sich selbst betrachten. Und alle Zeitungen sind sich einig: die Berlinale war schlecht, der Bär für Asghar Farhadis "Nader und Simin" die beste Wahl.

Warum Schlafanzüge?

19.02.2011. In der Welt will Cora Stephan angesichts unseres politischen Personals nur noch eins: aus der Postdemokratie auswandern. In der taz erklärt die Historikerin Hanan Hammad: der Scharia-Paragraf in der ägyptischen Verfassung muss weg. Im Tagesspiegel erzählt Regisseur Andres Veiel, wie er die Liebesszenen in seinem RAF-Film inszenierte. Die SZ informiert uns, was auf das Plagiieren in Dissertationen steht: einjährige Haftstrafe oder Geldstrafe. In der FAZ fragt Thilo Sarrazin, warum Patrick Bahners es nötig hat, die Islamkritiker so herabsetzend zu behandeln.

Lauter Figuren aus dem 19. Jahrhundert

18.02.2011. In der FR spricht Navid Kermani über die "Zärtlichkeit der Massen" in Tunesien und Ägypten. In der Welt fordert die Theaterkritikerin Klara Obermüller eine Entschuldigung von und zu Guttenberg, der in seiner Diss als seine Meinung vertrat, was in Wahrheit ihre Meinung war. Die "Panikmacher" des FAZ-Feuilletonchefs Patrick Bahners sind ein Meisterwerk der (in diesem Fall ausnahmsweise nicht fundamentalistischen) Aufklärung, ruft der SZ-Feuilletonchef Thomas Steinfeld. Die NZZ zählt die Verluste im altägyptischen Museum von Kairo.

Wie es unser Prophet Mohammed gepredigt hat

17.02.2011. Ganz tot ist das Ballett fünfzig Jahre nach John Cranko zwar nicht, aber so richtig lebendig auch nicht mehr, meint die Welt. In der taz und der FAZ bekennen Architekten der ägyptischen Demokratie ihre Liebe zur Scharia. Für die SZ liest Stefan Weidner Khaled Al-Khamissis Roman "Im Taxi". Die Zeit bekämpft zusammen mit ihrem Kollegen Patrick Bahners die Islamkritik von rechts, von links und aus der Mitte.

Das offizielle Lesevergnügen

16.02.2011. Na bitte, Islam und westliche Werte sind doch vereinbar!, ruft Ulrich Beck in der FR. Aber nur wenn es ein westlicher Wert ist, Israel zu hassen, so scheint es nach dem Interview mit dem ägyptischen Autor Khaled al-Khamissi in der SZ. Die Welt wirft dem FAZ-Korrespondenten Jürg Altwegg Antisemitismus vor. Die FAZ wirft Ayaan Hirsi Ali, Henryk Broder und Necla Kelek Krieg bis zum "vollständigen Sieg" gegen die Muslime vor. FAZ und SZ wollen mit einer Klageandrohung verhindern, dass sie zitiert werden, berichtet Spiegel online. So schöne krasse Zitate!

Und unten schreiten Tuba und Pauken

15.02.2011. Scharfe Kritik an Michail Chodorkowski bringt die SZ in der Beilage "Russland heute". Ist aber nur eine Anzeige, auch wenn's nicht so aussieht, berichtet die NZZ. Matthias Spielkamp verfolgt in seinem Blog die windungsreiche Karriere des Begriffs "Qualitätsjournalismus". Die FR geht bewusst in die Knie vor Re Soupault. In der FAZ fragt Necla Kelek: Wie kulturrelativistisch darf eine Justizministerin sein?

Und doch ohne große Worte

14.02.2011. Viel Berlinale: Die Welt fühlt sich durch Wim Wenders' 3D-Hommage an Pina Bausch wohlig in die alte BRD versetzt. Die taz fand Michail Chodorkowski in Cyril Tuschis Film unerwartet heiter. Die SZ zieht eine zwiespältige Bilanz der Ära Dieter Dorn am Bayerischen Staatsschauspiel. Die FAZ beobachtet die Sympathie der Chinesen für die Ägypter

Ein von ungezählten Menschen geteiltes Glück

12.02.2011. Die SZ beobachtet glückstrunkene Ägypter auf dem Tahrir-Platz: "Nach all dem Tränengas, den Gummigeschossen und den Wasserwerfern haben wir es geschafft!'" Allerdings fragt sie auch, wann denn der Kinderfaschismus im Prenzlauer Berg überwunden wird. Die FR bringt Jafar Panahis Offenen Brief an die Berlinale. Im taz-Interview spricht Regisseur Andres Veiel über seinen heute gezeigten Film "Wer, wenn nicht wir", über die RAF und den Treibsatz der Geschichte. Außerdem werden die Neokonservativen rehabilitiert.  In der Welt weist Paul Lendvai darauf hin, dass in Ungarn vor allem die jungen Akademiker antisemitisch sind. Die NZZ besucht das Newark des Philipp Roth.

Vielsprachiger Megaaustausch

11.02.2011. Die taz ist heute grün statt rot. Und Alexander Kluge rät zu einem konstruktiven Akt der Solidarität für Jafar Panahi. In der Welt schreibt Andrzej Stasiuk über finstere polnische Reaktionen auf Jan Gross' Buch über Antisemitismus im Nachkriegspolen.  Im Blog der New York Review of Books erzählt Yasmine El Rashidi, wie sie Mubaraks Rede und die Reaktion der Ägypter erlebte. Mehrere Feuilletons lesen Daniel Domscheit-Bergs Abrechnung Julian Assange.

Ich lehne den Tod strikt ab

10.02.2011. In der FAZ erklärt die israelische Schriftstellerin Hadara Lazar, warum ihr Land angesichts der ägyptischen Unruhen zwischen Sympathie ud Furcht schwankt. In der taz sieht Bahman Nirumand keine Parallele zwischen Iran 79 und Ägypten 11. Die Zeit bringt zwei ägyptische Autoren, einen patriotischen und einen armeefreundlichen. Außerdem freut sie sich auf die Berlinale, wo mit Schönheit und Konsequenz die schwermütigsten Themen transzendiert werden. 

Nur die Arroganz ist geblieben

09.02.2011. In der Welt wirft Boualem Sansal einen eher pessimistischen Blick auf die Unruhen in Ägypten. Die FR berichtet über den Prozess gegen die Autorin Pinar Selek in Istanbul. Die FAZ interviewt  Mohammed Waheed, den Vizepräsidenten der ersten muslimischen Demokratie auf den Malediven. Außerdem attackiert die FAZ die antitotalitären französischen Intellektuellen. Die SZ ist angewidert vom Auftritt der Sportmoderatorin Monica Lierhaus bei der "Goldenen Kamera".  Und wir fragen uns: Wie überzeugend ist Meryl Streep als Maggie Thatcher?

Kein Terminkalender-Reflex-Geseier

08.02.2011. Es ist vor allem eine Revolte der arabischen Jugend, sagt Boualem Sansal im taz-Interview. In der FR fordert Tariq Ramadan Demokratie in Ägypten. Die NZZ beobachtet nicht ohne Amüsement die Windungen staatsfrommer arabischer Medien. Für die FAZ berichtet der Schriftsteller Michael Roes aus dem Jemen. Zu Ehren von Thomas Bernhard bringt die Welt ein Dramolett Benjamin von Stuckrad-Barres Netzwertig fragt, was zwei große Qualitätszeitungen ernstlich gegen den News-Aggregator commentarist.de haben könnten.Und Monika Maron wendet sich in ihrer Lessingrede gegen den Begriff des "Fundamentalismus der Aufklärung".

Dimettiti!

07.02.2011. Die SZ fragt: Wer hat Cyril Tuschis Film über Michail Chodorkowskij geklaut, der in fünf Tagen auf der Berlinale laufen soll? Alle sind begeistert von der tiefernsten und hochkomischen Szenencollage "Zwischenfälle" am Burgtheater und feiern Andrea Breth und ihre Schauspieler. Die taz fordert zusammen mit vielen anderen Medien die Freilassung der iranischen Filmemacher Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof. Die NZZ erklärt den Unterschied zwischen den ägyptischen Muslimbrüdern und ihrem Ableger im Gaza-Streifen, der Hamas. Und zwei Meldungen aus den Blogs: Rivva verabschiedet sich. Aol kauft die Huffington Post.

Diesmal nicht mit der Flex

05.02.2011. In der FR stellt der ägyptische Schriftsteller Khaled Alkhamissi klar: Diese Revolution ist der ägyptischen Jugend zu verdanken und niemandem sonst. Die NZZ erkundet den Stand der Keramikkunst in Japan. Die FAZ bringt eine Beilage zur Berlinale und porträtiert den iranischen Regisseur Mohammed Rasoulof, der wie Jafar Panahi im Gefängnis sitzt. Die taz fragt: Wird Nicole Krauss verrissen, weil sie so schön, begabt und berühmt ist? Elfriede Jelineks "Winterreise" in Hamburg findet vereinzelte Befürworter. 

Die Notwendigkeit von Kulturradikalismus

04.02.2011. In den Zeitungen viele pessimistische Blicke auf die Unruhen in Ägypten. Michael Wolffsohn fürchtet im Tagesspiegel, dass es in Ägypen wie im Iran oder im Gaza-Streifen laufen wird. Gunnar Heinsohn sagt das "große Töten" in der FAZ erst noch an. Die New York Times und der Boston Globe bringen große Bilder. Die NZZ sucht nach den Ursachen der aktuellen Kreiskymanie in Österreich.

Ein Mumienkopf bricht eben leicht ab

03.02.2011. Hamed Abdel-Samad meint in der Jungle World: Die Muslimbrüder habe mit den Protesten in Ägypten nichts zu tun. Die FAZ geißelt die unfähige Ägypten-Berichterstattung von ARD und ZDF. Im Guardian fürchtet Timothy Garton Ash: Der richtige Vergleich könnte nicht Europa 89, sondern Iran 79 sein. Die FR macht sich Sorgen um ägyptische Kunstschätze. Techcrunch studiert die Antwort der NY Times auf Rupert Murdochs Ipad-Zeitung The Daily. Die taz fragt, warum die Schwulenbewegung bis in die Neunziger zum Thema sexueller Missbrauch geschwiegen hat.

Mit der Waffe des Künstlers

02.02.2011. In der taz feiert der Politologe Amr Hamzawy das neue Ägypten. In der FR erklärt Moshe Arens, warum Israel am besten mit Diktaturen kann. Die Welt beobachtet 2000 Heavy-Metal-Fans beim Nachmittagsbier am Pool. In der SZ erklärt Walter Burkert, warum Jesus kein Vegetarier war. Die FAZ stellt arabische Rapper vor.

Das bunte Geflüster

01.02.2011. Eine Nachricht an die Demonstranten in Ägypten: Dank Google kann man jetzt auch telefonisch twittern. Die Berliner Zeitung recherchiert über das Elend des Kulturprekariats und den relativen Wohlstand seiner Verwalter. Die New Republic ärgert sich über die im Netz und den Medien gefeierte Detroiter Desaster-Ästhetik. In der FR warnt der Nahostexperte Daniel Gerlach davor, die islamistische Gefahr zum "Argument für alles" zu machen. Das Medienblog DWDl.de wundert sich sehr doch sehr über die aktuelle Schwerpunktsetzung der Öffentlich-Rechtlichen. Die NY Times thematisiert den klaffenden Gender Gap bei der Wikipedia. Die SZ unternimmt einen Streifzug durch die Opernlandschaft der neuen Länder. Sie ist blühend!