Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2008

Giftig hellblaue Muster

29.02.2008. Kronleuchter, Säulen, der Bundespräsident: Martin Walser las in Weimar aus seinem Roman über Goethe. Das deutsche Feuilleton zerfließt vor Rührung, das Schweizer nicht so. Don Alphonso liest zoomer.de. Und zoomer.de liest Don Alphonso. Die FAZ wundert sich: Russland eröffnet Institute für Demokratie, allerdings in Paris und New York. Dass es das Europa-Institut in Petersburg schließt, wundert die Welt dagegen nicht. Die FR hört hintergründig verdorbene Tracks auf der neuen CD von Erykah Badu. Die NZZ staunt über den Einfluss politischer Blogs in Amerika.

Mensch selbst ist das Monströse

28.02.2008. Sehr 19. Jahrhundert findet in der taz Klaus Theweleit das wütende Einfordern literarischer Qualität durch die deutsche Literaturkritik. Von einem anderen Stern ist für die NZZ Julian Schnabels Film "Schmetterling und Taucherglocke". Die FAZ feiert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen. In der SZ erklärt der Dichter Peter Rühmkorf das Grundgesetz der Kunst. Im Perlentaucher beschreibt der Schriftsteller Ulf Erdmann Ziegler den zeitgeschichtlichen Ort seiner Werkstatt. Die Zeit berichtet von Ohrfeigen für die russische Presse.

Atemberaubende Bespielung der Breitwand

27.02.2008. Die Welt bangt um das Schicksal eines Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, dessen Briefe neunzig Jahre danach in einem Blog veröffentlicht werden. Die NZZ staunt über die präzise kalkulierte Intensität des neuen Films des Coen-Brüder. Die FR erklärt, warum die Russen Putin so schätzen: 7,7 Prozent Wachstum. Die FAZ macht sich trotzdem Sorgen über russische Jugendliche, die sich Alkohol-Cocktails spritzen. In der SZ fragt der Popdesigner Peter Saville, welche Bilder man dieser bildersatten Welt noch hinzufügen kann. Die taz lernt mit Hannah Arendt politisch limitiert denken. Na endlich!

Des Pudels Kern ist ein schwarzes Loch

26.02.2008. In der taz erklärt Michael Kumpfmüller, wie langweilig Politik ist. Die FR hätte gegen eine Affäre von SPD und Linkspartei nichts einzuwenden. In der Welt erklärt die Soziologin Nilüfer Göle, wie das Kopftuch zum Vehikel der Emanzipation wird. Die Oscars sorgen alles in allem für gebremste Begeisterung.

Das geht nur in dieser Art Schreibe

25.02.2008. In der Welt plädiert Geert Mak für einen EU-Beitritt der Türkei in etwa fünfzig Jahren. In der taz spricht Gabriele Goettle mit einer Hundeexpertin, die den belgischen für den besten Schäferhund hält. wirres.net findet folge-mag.com ein bisschen geleckt. Klaus Theweleit erzählt in der FAZ, dass er von Littell Furchtbares erwartet und dann auch bekommen hat. Im Tagesspiegel spricht Charlotte Roche über ihre Hämorrhoiden.

Verdammt anstrengend

23.02.2008. In der FAZ will Ray Kurzweil ewig leben. Die FAZ druckt auch den neuen, diesmal also nicht antisemitischen Roman von Martin Walser. In der Presse sorgt Götz Alys Buch "Unser Kampf" für Ärger bei Alfred Pfabigan, während die taz Aly gegen seine Kritiker verteidigt. Auch wenn's bei den Oscars anders aussieht - Amerika ist doch auf Gewalt gegründet, meint die SZ. Jonothan Littells Roman"Die Wohlgesinnten" sorgt weiter für kritische Magenkrämpfe.

Müllhaufen aus Pornografie

22.02.2008. Very big Littell-Bewältigung heute in den Feuilletons. Hat er einen bösen Stil oder legt er nur einen pornografischen Müllhaufen vor?, fragt die FR. Auch die SZ sieht Littell als Pornografen. Die FAZ porträtiert den chinesischen Unternehmer-Dichter Huang Nubo. Die Welt schildert die sprachliche Purifizierung in Kroatien. In der NZZ macht sich der kosovarische Journalist Agron Bajrami Sorgen über die Zukunft seines frischgebackenen Landes.

Sexy Androgyne with Spectacular Hair

21.02.2008. In der NZZ schreibt der Autor Jens Christian Gröndahl über die Jugendunruhen in Dänemark. Die Welt fragt, wie Fidel Castro so viele Hollywoodstars schwach machen konnte. Laut Liberation hat jetzt auch Nicolas Sarkozy ein Problem mit Tom Cruise und Scientology. Die New York Times will über amerikanische Tokio-Hotel-Fans gar nicht erst staunen: "Why shouldn?t fans go nuts for a goth-punk boy band?" Und das Blog Beobachtungen zur Medienkonvergenz meint: Vergesst Facebook - Amazon ist das ganz große Ding.

G,B,C! G,B,Des-C! G,B,C. B,G

20.02.2008. In der NZZ beschreibt Norberto Fuentes, wie Fidel Castro der letzte sowjetische Held wurde. Die FAZ weiß, für wann Castro sich einen Nachfolger wünschte: "Nach meinem Tod natürlich, falls ich einmal sterben sollte." In der FR erkundet der Schriftsteller Burkhard Spinnen den Symbolgehalt des Falls Zumwinkel. In der SZ betrachtet Slavenka Drakulic die kosovarische Unabhänigigkeit mit gemischten Gefühlen. In Slate erinnert Christopher Hitchens daran, dass fast keine westliche Zeitung die Mohammend-Karikaturen druckte.

Ohne Ordnungsverstöße oder Schießereien

19.02.2008. Mandelstam ade: Die NZZ beschreibt die Entsorgung der Avantgarde in Russland. Zoomer.de spaltet die Blogosphäre und treibt auch den Platzhirsch Spiegel Online um.  Der Rap hat jetzt auch einen Mann des Ostens. Die taz stellt ihn vor. In der FAZ erzählt der kosovarische Schriftsteller Beqe Cufaj, wie er unabhängig wurde.

Tausendmal püriert

18.02.2008. Die NZZ fragt: Was ist Liberal Fascism? Die Blogs diskutieren über Holtzbrincks neuesten Coup zoomer.de: Ein Sieg der Schwarmintelligenz oder doch mehr Klickibuntidabei? In der Welt plädiert der Gewinner des Goldenen Bären Jose Padilha für eine Legalisierung von Drogen. Die taz vermisst in Götz Alys 68er-Buch Sex, Musik, Kultur und Alltag. Die FAZ sah "Persepolis" in Teheran. Die Berlinale-Bären schockieren nur mild.

Jahrmarktnazihorrorkitsch

16.02.2008. In der FAZ beschreibt Peter Zilahy, wie er sich aus Kohle in einen Diamanten verwandelte. Die NZZ erinnert an die Toten in Lateinamerikas linker Vergangenheit. Ansonsten diskutieren die Feuilletons heftig Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten": Die Welt spürt darin menschliche Elementargewalt wirken. In der SZ sieht Georg Klein dagegen das Böse die Schwindsucht bekommen. Und der Tagesspiegel denkt sich lieber mit Primo Levis luziden Nüchternheit in Täterseelen.

Mao, Mao, warum hast du uns verlassen?

15.02.2008. Die FAZ erinnert an die antisemitischen Säuberungen in Polen 1968. Außerdem sieht Hans Christoph Buch schwarz für Afrika. Claus Peymanns Strategie des Wandels durch Anbiederung an das Teheraner Regime ist nicht aufgegeangen, meint der Tagesspiegel. Die taz beklagt regressive Tendenzen in der neueren Soulmusik. Jungle World erinnert an die Mao-Idolatrie der 68er

Rund hundert Gauner

14.02.2008. Die Welt fragt: Wie definiert man nach dem Ende des Brockhaus den Wissensstand einer Epoche? Die FR ruft: Lebt wohl ihr geliebten Schweinslederschinken! Für die SZ kämpft der Brockhaus ein letztes Rückzugsgefecht eines universellen Kulturbegriffes. Die Zeit bringt eine Satire von Beppe Grillo, der Italien von den Deutschen retten lassen will und eine Reportage von Navid Kermani aus Kaschmir. Alle kommentieren das drastische Entschädigungsurteil gegen Maxim Biller.

Brockhaus ist am Ende. Punkt

13.02.2008. Thomas Knüwer kommentiert in seinem Blog Indiskretion Ehrensache die letzte Zuckung des Brockhaus. Die Welt auch. Der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang R. Langenbucher sieht bei Message die sich abzeichnende Online-Kooperation zwischen Zeitungen und Öffentlich-Rechtlichen als Sündenfall. Stefan Niggemeier kabbelt sich mit Henryk Broder und umgekehrt. In der NZZ spricht Vladimir Sorokin über die Opritschniks in Putins Russland. Die anderen Zeitungen kommentieren die Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan: "Hört nicht auf ihn!"

Schnecken-Porridge, schwarzer Pudding

12.02.2008. Die Welt weiß, warum die Cinema for Peace-Gala bei der Berlinale eher eine Cinema for Peace with Putin-Gala war. Die FAZ findet: Borges war ein Internet, in das man sich versenken kann. Die taz fragt, ob es Künstler-Künstler heute überhaupt noch geben kann, wo das Leben so teuer ist. Die NZZ lernt Creative Writing mit Martin Amis - für 3.240 Pfund. Die SZ fand die Sammlung Bührle nicht ausreichend gesichert, teilt es aber jetzt erst mit.

Wie ein Vieh im Schlachthof

11.02.2008. Claus Peymanns Inszenierung von Shakespeares Richard III. stößt auf wenig Begeisterung: "lauwarmes Fußbad-Theater". In der taz erzählt der deutschtürkische Journalist Deniz Yücel, warum die Türken bis heute von Solingen und Mölln traumatisiert sind. Der Perlentaucher bringt den ersten Vorabdruck aus Götz Alys neuem Buch "Unser Kampf": Wie die Kursbuch-Herausgeber sich der Argumentationshilfe eines Nazis versicherten, um Maos Kulturrevolution zu feiern.

Verlockend schwarz und glänzend

09.02.2008. In der Berliner Zeitung spricht Andzrej Wajda über seinen Katyn-Film. Die FR begrüßt P.T. Andersons Film "There Will Be Blood" als erstes Meisterwerk der Berlinale. In der SZ macht sich Robert Kagan Sorgen über Russland und Europa. In der Welt sieht Niall Ferguson die Demokratie auf dem Rückzug. In der FAZ schreibt Necla Kelek: "Wir dürfen die Gewalttätigkeit von jungen Migranten nicht kleinreden."

Der Akt geht weiter

08.02.2008. In der FAZ erklärt Jorge Semprun, warum er Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten" so bewundert. Außerdem kritisiert der britische Philosoph John Gray die grüne Position zur Klimakrise als illusorisch. Die NZZ beklagt die politische Krise Italiens und die Welt die Krise in den deutsch-italienischen Kulturbeziehungen. Der Tagesspiegel kritisiert die FAZ-Inszenierung um Littells Roman "Die Wohlgesinnten". In der taz lernen wir: Green Porno, das sind Kurzfilme fürs Handy über Tiere, die Sex haben. Und die sind von und mit Isabella Rossellini.

Platt wie leere Briefumschläge

07.02.2008. In der nachtkritik erklärt Roman Pawlowski, wie die Kaczynskis das polnische Theater politisiert haben. In der taz skizziert Adam Krzeminski, was wir über die Polen nicht wissen. Die SZ berichtet über eine Klage gegen Jan T. Gross' Buch "Angst". In Spiegel online kritisiert Theaterintendant Ulrich Khuon den grenzenlosen Kulturbegriff deutscher Feuilletons. In der NZZ überlegt der Schriftsteller Meja Mwangi, wer für die Gewalt in Kenia verantwortlich ist. Ein bisschen pervers fühlt sich Jeanne Moreau in der Zeit.

In Pest blätterte der Putz

06.02.2008. Robert Menasse fragt in der Presse: Was ist jüdisch in den "Jüdischen Porträts" von Herlinde Koelbl? Focus Online greift einen Bericht der New York Times über eine muslimische Initiative gegen Mohammed-Porträts in Wikipedia auf. In der SZ legt Budapest sein schönes Haupt unter die Klinge der Zeit, zumindet laut Andrzej Stasiuk. Die NZZ fragt: Warum ist Tariq Ramadan gegen das Gastland Israel bei der Turiner Buchmesse? Die Berliner Zeitung fragt: Waren die 68er wie die 33er?

Die Leser gaben an der Ostfront auf

05.02.2008. Die Presse kritisiert die inszenatorischen Riesenmaschinerie der FAZ um Jonathan Littells Roman die "Wohlgesinnten". In der Achse des Guten kritisiert Richard Wagner die Kosovo-Politik der EU. In der NZZ schildert der Amsterdamer Schriftsteller Abdelkader Benali die Ermüdung der niederländischen Muslime angesichts immer neuer Debatten über den Islam. In der FAZ kritisiert der Islamwissenschaftler Tilman Nagel die Absolutheitsansprüche des "Scharia-Islams".

One-Trick-Pony

04.02.2008. Inszenierung der Woche: ganz klar Ibsens "Wildente" in Michael Thalheimers Inszenierung, groß besprochen, wenn auch nicht einhellig. Die Blogs fragen: "Microhoo - Microwho?" und zitieren auch eine empörte Reaktion von Google selbst, das die Freiheit im Internet in Gefahr sieht, zumindest die eigene. In der NZZ erzählt Bora Cosic, wie in Jugoslawien in den Fünfzigern die Realität abhanden kam.

Groß und kalt

02.02.2008. Die FAZ bringt das nächste ganz große Ding - den Vorabdruck von Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten", samt Leseraum im Internet und Verständnishilfestellung von führenden Experten. In der FR spricht Philip Roth über seine Arbeit als Schuster. In der NZZ ruft der Althistoriker Christian Meier den Homer-Thesen Raoul Schrotts entgegen: Wir sind Kinder des Okzidents. Die SZ sieht Italien in Klientelismus versinken. In der taz fordert Geert Mak Personenschutz für Ayaan Hirsi Ali.

Ja, wir haben gepennt

01.02.2008. Im Guardian warnt Timothy Garton Ash vor dem außer Kontrolle geratenden britischen Schnüfflerstaat. Die taz berichtet, dass Juli Zeh Verfassungsbeschwerde gegen den von Otto Schily propagierten biometrischen Reisepass eingelegt hat. In der FR erklärt Götz Aly, dass es keinen Grund gibt, auf '68 stolz zu sein. Die NZZ besucht die Avantgarde der Verderbtheit: Neapel. Und die SZ prophezeit das Ende der USA.