Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juni 2006

Heute in den Feuilletons

30.06.2006. Ein nicht ganz frischer Fisch inspiriert die FAZ zu Meditationen über Vanitasmotive in der jüngsten Kunst. In der taz wagt Diedrich Diederichsen eine grundsätzliche Infragestellung des Film-Projektor-Projektion-Dark-Room-Zusammenhangs sowie seiner gesellschaftlichen Rolle. Die SZ berichtet über Kritik an der Gates-Stiftung, wüsste aber auch nichts Besseres mit seinem Geld anzufangen. Und Juli Zeh entlarvt im SZ-Magazin am Beispiel Angela Merkels die Tricks postfeministischer Frauen. In der FR kritisiert Julian Nida-Rümelin die Föderalismusreform. Die Welt hegt in Bezug auf die europäische Kritik an Google Book Search einen Neidverdacht. Im Tagesspiegel beerdigt Charles Taylor den Dr. Goebbels.

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29.06.2006. In der Zeit erklärt Christian Thielemann den dunklen deutschen Klang: Tjaaa-tjaaa-tjaaa-tjaa-tjaa-tjaa-tjaaa (statt Tjaaa-tjaaa-tjaaa-japp-ta-ta-taa). Der Tagesspiegel stellt die Frage, ob Bill Gates den Hunger in der Welt abschaffen könnte, und Andreas Eschbach meint, er könnte die Welt zumindest verbessern. In der SZ erklärt der iranische Journalist und Soziologe Akbar Ganji, warum das Erdöl der größte Verhinderer von Demokratie ist. Die SZ macht auch einen Vorschlag zur Reform der Berliner Opern, bei der allerdings einer der Chöre verschwinden würde. In der taz kommt Mayo Thompson von der Band The Red Krayola zu der Einsicht: "Amerika ist nur ein anderes Wort für zufällige Karrieren."

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28.06.2006. Die SZ fragt mit Nike Wagner: Braucht Bayreuth wirklich Subventionen? Die NZZ wünscht der Lesekultur in Südafrika alles Gute. Die Welt berichtet, dass die Niederlande eine jüdische Kunstsammlung im Wert von einer Milliarde Euro restituieren müssen. In der FR gratuliert Ulla Unseld-Berkewicz dem Theatermann und -autor Ivan Nagel zum 75. Die Berliner Zeitung beklagt den filmgeschichtlichen Analphabetismus der deutschen Jugend, die FAZ die Unterjüngtheit Deutschlands an und für sich.

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27.06.2006. In der SZ entwickelt Herfried Münkler eine Psychologie des Terrorismus und seiner Bekämpfung. Die taz sucht nach Migration im Theater und findet sie bei Feridun Zaimoglu. In der FAZ bekennt Patrick Modiano seine Liebe zur Stadt Berlin, die er allerdings noch nie besucht hat. In der FR genießt Georg Klein beim Singen der Nationalhymne das Gefühl, ein kommender Toter zu sein. In der Welt wendet Thomas Brussig sein Augenmerk für eine Sekunde vom Fußball ab und staunt: Verdammt, eine Gesundheitsreform, die sich gewaschen hat!

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26.06.2006. Kathrin Passig heißt die Autorin der Stunde. Alle Kritiker des Wettlesens von Klagenfurt mussten bei dem Vortrag ihrer Erzählung "Sie befinden sich hier" herzlich lachen. Die taz weist durch ein ganzseitiges Foto auf der Titelseite diskret darauf hin, dass Passig eine Kolumnenautorin der Wahrheitsseite ist. Die übrigen Texte des Wettlesens stießen nicht auf die gleiche Begeisterung. Die Welt verspürte den Eishauch der Abgeklärtheit. Die FAZ findet: "Aufregend sieht anders aus." Die Welt bringt außerdem ein Interview mit Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der nicht an die Intelligenz der Masse glaubt.

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24.06.2006. Die taz versucht auf vier Seiten, die Macht des "Medienmachermenschen" Frank Schirrmacher zu verstehen. Die FAZ kommentiert den Abgang des Medienmachermenschen Sabine Christiansen. Die Welt spricht mit Ernst Nolte über Faschismus, Bolschewismus und Islamismus. Die SZ gibt Einblicke ins Paradies der Raubkopierer, das schwedische Pirate Bay. Der Tagesspiegel reist ins Padua des Nordens, nach Zamosc.

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23.06.2006. Die SZ fragt sich, wie ein Internet mit 100 Gigabits aussehen könnte. Und die NZZ fragt, was Zeitungen damit verdienen können. Laut Jürgen Habermas, der im Tagesspiegel zitiert wird, taugt das Netz aber nur, wenn es sich mit etablierten Medien auseinandersetzt. Die Welt wundert sich über Rekordumsätze auf dem Kunstmarkt.

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22.06.2006. Das neue Pariser Museum für die Arts premiers ist für die SZ schlicht eine Weltsensation. Die Welt vernimmt ebendort den Ruf der Wildnis. Die Zeit hat den Beweis: Das einzige, was Feridun Zaimoglu abgeschrieben hat, sind die Tonbänder, auf denen seine Mutter ihre Geschichte erzählt. Die FAZ berichtet über neue Initiativen der Länder zu einer Fusion der Kulturstiftungen der Länder und des Bundes. In der taz freut sich sogar Gregor Gysi über den neuen Patriotismus. Alle erinnern an Billy Wilder, der heute hundert Jahre alt geworden wäre. Zum Beispiel Volker Schlöndorff im Tagesspiegel.

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21.06.2006. Aus Anlass des Klagenfurter Wettlesens meditiert Clemens Meyer in der taz über den Sinn von Literaturpreisen: "Ich brauche das Klagenfurt-Geld, und zwar jeden Pfennig." Die Welt feiert das neue Stück von Tom Stoppard. In der Berliner Zeitung fragt sich Michael Schindhelm, wie er in der Berliner Opernstiftung 220 Stellen streichen soll. Die SZ lobt die Berliner Pläne fürs Mauergedenken. Die FAZ meint, die Freiheit von den Herrinnen der öffentlichen Meinung kann berauschend sein. Und Marlene Streeruwitz. Sieht die Wahrheit. Über Handke. Andersgelb. In der FR.

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20.06.2006. In der SZ spricht der marokkanische Autor Mahi Binebine über die unheimliche und anhaltende Anziehungskraft Europas auf afrikanische Bootsflüchtlinge. Die taz entwickelt anhand möglicher Rauchverbote eine Dialektik moralischer Standards. Die FR hat den grassierenden Patriotismus schon satt. In der FAZ kritisiert Daniel Kehlmann die Gruppe 47 und stellt sich  in die würdige Tradition Goethes und Schillers.

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19.06.2006. In der Welt erzählt Ralf König, warum es ihn juckte, einen Comic über einen Mufti zu zeichnen, der sich in einen schwulen Lover verliebt. In der SZ erklärt Thomas Brussig, warum der neue Patriotismus ein guter Patriotismus ist. Die taz berichtet über drastischen Hörerschwund bei Jugendradios und die Rettung im Internet. In der FAZ ruft die Geisteswissenschaflerin Mirjam Schaub die gesamte Kollegenschaft zum Streik auf. Im Standard diagnostiziert Andre Glucksmann die Somalisierung der Weltgesellschaft.

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17.06.2006. Die NZZ nimmt in einem ausführlichen Gespräch Peter Handke in die Zange, der aber immer noch keinen Zusammenhang zwischen Milosevic und dem Massaker von Srebrenica sehen will. In der Berliner Zeitung beneidet der Schriftsteller Laszlo Darvasi den Fußball um seine klaren Gewinner. Die taz feiert Frank Schulz' neuen Roman "Das Ouzo-Orakel" mit echten Menschen. Die FAZ beklagt die erbärmliche Jugendliteratur zur Jugendgewalt. FR und Welt tummeln sich auf der Art Basel.

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16.06.2006. In der FAZ bekennt Dunja Melcic ihre Angst vor einer Rückkehr zur nationalistischen Ära Milosevic in Serbien. In der Welt geißelt Klaus Maria Brandauer den Unsinn des Regietheaters. Die NZZ will nicht recht an die Verheißungen des Bürgerjournalismus glauben. Die taz weiß, was dubstep ist. Die SZ bringt eine Übersetzung von Jaron Laniers Essay "Digital Maoism".

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15.06.2006. In der Berliner Zeitung erklärt Professor Rosa von Praunheim, warum er seine Studenten so gern ins Gefängnis steckt. Die Welt erinnert an den Berliner Mäzen James Simon. Die NZZ kann Busta Rhymes zwar immer noch nicht leiden, findet seine neue CD aber großartig. Die taz meldet: Bei Liberation rollt ein historischer Kopf, nämlich der von Serge July. Die anderen Zeitungen feiern Fronleichnam.

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14.06.2006. In der Zeit will Günter Grass Peter Handke keinen Geniebonus gewähren. Dort fragt auch die Architektin Zaha Hadid: "Müssen Häuser auf der Erde stehen?" In der WeltAngriff beschreibt Wojciech Kuczok die polnische Liebe zum misslungenen Angriff. Die SZ begrüßt den Richtigmacher Matthias Hartmann als neuen Intendanten der Wiener Burg. Die NZZ sorgt sich um die ästhetische Erziehung deutscher Schüler. Die taz berichtet vom üblen Schicksal des Bauern Fu Xiancai, der es wagte, den Drei-Schluchten-Staudamm zu kritisieren. Und die FR schwört auf Justine Electra.

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13.06.2006. Peter Sloterdijk vermisst in der taz linke Zornbankhäuser. Die SZ bewundert kickende Roboter beim Robocup. In der FAZ protestiert Monika Maron gegen die Herablassung, mit der die Schriftstellerin Emine Özdamar von den deutschen Feuilletons behandelt wird. Alle trauern um György Ligeti. Am schönsten die SZ.

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12.06.2006. Die taz zitiert Ludwig Harig: "O abgetropfter Ball! O eingeschlenztes Leder! / Der fußerzeugten Kunst begleicht und opfert jeder / Tribut und Obulus im hirnverzückten Schrei." In der SZ erklärt Zafer Senocak, warum das hier mit der Integration nicht klappt: Die Deutschen erwarten von dem anderen die Aufgabe seiner Herkunftsmerkmale. Die FAZ schildert einen Fall, bei dem es dennoch klappte. Die FR freut sich über eine Godard-Ausstellung in Paris.

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10.06.2006. Die FAZ löst das Rätsel der Parallelen zwischen zwei Romanen von Feridun Zaimoglu und Emine Sevgi Özdamar. Die taz stellt die Debatte um diese Romane in den Kontext der Migrantenliteratur. Die Welt wundert sich, dass die Feuilletons beim Streit um den Heine-Preis für Peter Handke nie über die Sache selbst reden. Die SZ porträtiert den Chronisten der Studentenrevolte Gerd Koenen. Außerdem erklärt sie, was es mit dem Bürgerjournalismus auf sich hat. In der NZZ erklärt Bahman Nirumand den Erfolg des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Die taz schildert, wie Ahmadinedschad den Antisemitismus im Iran verbreitet.

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09.06.2006. Peter Handke hat auf den Heine-Preis nun verzichtet. Die SZ zieht eine bittere Bilanz der Affäre, die FAZ eine nicht ganz so bittere. Die NZZ lässt sich auf dem Pariser Marche Aligre über die Vorteile bestimmter Apfelsorten aufklären. Die FR wendet sich gegen eine Neudefiniton des Nationalgefühls. In der taz erklärt Green Gartside, warum er Christopher Norris lieber liest, statt mit ihm in einem sozialistischen Chor klassische Musik zu singen.

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08.06.2006. Die Zeit verteidigt Peter Handke im Print und kritisiert ihn exklusiv online. Die Presse erklärt die Funktion der Österreicher in der deutschen Literatur. In der NZZ wundert sich Ian Buruma über das anhaltende Faible vor allem linker Intellektueller für Despoten und Autokraten. Die SZ erzählt, dass der Mossad sich erst auf Drängen Fritz Bauers und Simon Wiesenthals auf die Suche nach Adolf Eichmanns machte. Der FAZ fröstelt im Literaturmuseum der Moderne. Die Welt findet, dass der Alltag in der Darstellung der DDR-Vergangenheit sehr wohl eine Rolle spielt. In der taz seufzt Richard Schröder angesichts all unserer Vergangenheitsbewältigung: "Auf was Fröhliches kommt in Deutschland niemand."

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07.06.2006. Die SZ begutachtet "Moorhexen, selbstgenäht" beim Leipziger Wave-Gothic-Treffen. In der Welt wehrt sich Matthias Matussek gegen den Vorwurf, Nationalist zu sein. Die FAZ betrachtet als Vorhut der Badelatschentouristen die Picasso-Ausstellung in Madrid. Und Handke ist immer noch nicht vorbei: Die FR hält die Handkespaltung für unüberwindbar. In der SZ erinnert Julian Nida-Rümelin daran, dass der Heine-Preis nur von Politikern vergeben werden darf.

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06.06.2006. Die FAZ begeht das 20. Jubiläum des Historikerstreits und veröffentlicht einen Brief Golo Manns zu der Angelegenheit. Die taz plädiert für Handke und warnt vor eigenartig gekleideten isralischen Spionen. Die SZ durchschreitet "diesen Raum, dieses Glas, dieses Licht" des neuen Literaturmuseums in Marbach. Die NZZ hält locker mit der Bibliothek des Privatmanns Werner Oechslin dagegen - 50.000 Bände in einem Gebäude von Mario Botta.

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03.06.2006. Im Tagesspiegel fordert Bora Cosic Gerechtigkeit für Serbien, statt für Handke. In der Berliner Zeitung erklärt der Antiwerbungsaktivist Kalle Lasn, was "Mental Environmentalism" ist. In der Welt singt Thomas Brussig ein Loblied auf den letzten Rumpelfüßler des deutschen Fußballs: Gerald Asamoah. Die taz fragt: Warum verdrängte Freud die Sexualität der Aale?

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02.06.2006. Noch ist die Schlacht um Peter Handke nicht zu Ende. Frank Schirrmacher will Literaturpreise und -kritiker in der FAZ vor der Politik bewahren. Sigrid Löffler und Jean-Pierre Lefebvre treten in der SZ aus der Heine-Jury aus. Die Welt versucht zu schlichten, die taz betont, dass Handke nicht für alle Serben spricht. Nur die NZZ zeigt sich unberührt und solidarisiert sich nicht mit Handke, sondern den Roma von Istanbul. Die SZ macht außerdem einen Ausflug nach Kinshasa, die Hauptstadt des Kongo.

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01.06.2006. Handke und kein Ende. In der SZ sieht der Dichter selbst keinen Unterschied zwischen serbischen und muslimischen Verbrechen im Bosnienkrieg. In der FAZ springt Botho Strauß ihm bei und fordert generellen Freispruch für Genies. In der FR warnt Handke-Verlegerin Ulla Berkewicz-Unseld vor einem drohenden Bankrott unserer Kultur, sollte Handke den Heine-Preis nicht bekommen. Außerdem: Götz Aly fordert in der Zeit eine Prise Nolte bei der Einordnung des Nationalsozialismus. In der taz untersuchen Zafer Zenocak und Ilija Trojanow den Stand der Integration in Deutschland.