Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Mai 2011

Sprengstoff in Seidenpapier

31.05.2011. In der taz erkundet Marlene Streeruwitz die Dialektik von Herr und Magd. In der FR zählen Karlheinz Bohrer und Kurt Scheel die drei Gründe auf, warum der Mainstream ihren Merkur in den letzten Jahren nicht so mochte. In der Welt erzählt Henryk Broder, warum er seit dem 11. September 2001 nicht mehr an Deutschland glaubt. Im Tagesspiegel erzählt Aino Laberenz, Christoph Schlingensiefs Witwe, wie das afrikanische Wellness-Zentrum funktionieren sollte, das er für den deutschen Pavillon in Venedig plante. Die NZZ bedauert das Formtief der russischen Kultur.

Mein Vater hatte 25 Pferde und einen Hirsch

30.05.2011. Die NZZ fragt: War Ingmar Bergman der Sohn seiner Mutter? Die FR ist fassungslos über das Ende der Kunstmesse Art Forum in Berlin. In der taz ist Gabriele-Goettle-Tag: Sie porträtiert einen Schausteller. Wolfgang Michal konstatiert in seinem Blog: Urheber sind wie Parmesan, sie lassen sich gut zerreiben. In der SZ ruft Ralf Bönt in Antwort auf Ursula März in der Zeit: Wer über Frauen schweigen will, soll über Männer reden.

Umgestürzt zu Füßen des roten Riesenrades

28.05.2011. Der Iran will das ganze Internet abschaffen, zumindest in seinen Landesgrenzen, berichtet das Wall Street Journal, Tunesien nur die Pornografie im Netz. Die FR würdigt den Schneider von Ulm. Sehr böse schimpft Georg Diez in seiner SpOn-Kolumne über die öffentlich-rechtlichen Sender. In der Welt verlangt Karl Schlögel das Unmögliche: Berlin soll sich ernst nehmen. Und diese Wippe sein lassen.

Massenkompatibel und zeitgemäß

27.05.2011. Im FAZ-Feuilleton nennt Cem Özdemir den FAZ-Feuilletonchef wichtig, klug und längst überfällig. In der Welt fürchtet Philipp Blom um die Errungenschaften der Aufklärung. Müssen uns die Regierungen vor dem Internet schützen, oder muss man nicht eher das Internet vor den Regierungen schützen?, fragt die Wirtschaftswoche mit Jeff Jarvis. Die New York Times meldet: Facebook geht in seiner Übernahme des Internets einen Schritt weiter und wird jetzt auch ein Musikdienst

Der Meese-Hitler scheint okay zu sein

26.05.2011. Im Freitag staunt Dietrich Kuhlbrodt: Warum darf Lars von Trier nicht, was Jonathan Meese darf? In der taz informiert Slavoj Zizek: Die Revolutionäre in Arabien wollen Kapitalismus plus. Die SZ wird beim Abschied Christian Thielemanns aus München melancholisch, aber dieser nicht. Die FAZ rät nach DSK: Mit Frauenquote wär' das nicht passiert. Und gelobt sei Santo Giovanni di Lorenzo: Die Zeit bringt Dutzende Seiten zu religiösen Fragen. Aufmacher: Woran glauben die Sachsen?

Eine Ecke für den shiny junk

25.05.2011. "Ich bleibe dabei", ruft Bernard-Henri Levy in seinem Blog und besteht auf der Unschuldsvermutung im Fall Dominique Strauss-Kahn. Eine Website für Michael Althen wird eröffnet - mit vielen seiner Texte über Kino. Die taz erzählt vom Zauber des Aufbruchs in Damaskus. Ist der Gesundheitswahn eine Sucht? Die NZZ befürchtet es fast und verteidigt den Alkohol gegen die Reinheitsapostel. Die Molekularküche ist für die Gastronomie, was der Kubismus für die Malerei war, befindet das Smithsonian Magazine. In der SZ warnt der französische Internetaktivist Jeremie Zimmerman vor der gerade in Paris tagenden internationalen Copyrigthmafia. Und die FAZ unterhält sich mit der Biennale-Kuratorin Bice Curiger.

Diese Kultur, so wie wir sie jetzt haben

24.05.2011. Ja, Bob Dylan wird heute siebzig. Es könnte sein, dass ein unsichtbarer Energiestrahl seinen Weg bahnte, meint die Welt. Neunetz fragt nach einer Recherche Stefan Niggemeiers: Wenn die Verleger außer Tickerverschnitten gar keine Inhalte online stellen, wofür wollen sie dann Leistungsschutzrechte? In den Wilden Lesern freut sich Bolano-Übersetzer Heinrich von Berenberg über den Hype um "2666". Die FR kritisiert sehr scharf Tilman Jens' Verteidigung der Odenwaldschule. In der FAZ feiert John Banville den Irland-Besuch der Queen.

Das musste im Fernsehen dann gepixelt werden

23.05.2011. Die FR staunt am Beispiel Lady Gagas: So solide können die Absätze von Stilettos sein. Die NZZ erzählt, wie der Schriftsteller Javier Sicilia in Mexiko die "Selbstverteidigung der Zivilgesellschaft" gegen die Mafia organisiert. An der Überraschung des Westens über die arabischen Revolten sind sein Orientalismus und seine Fixierung auf den Islam schuld, meint die SZ. Carta spottet über das Netzwerk Recherche. Das Blog Netzwertig fürchtet die Rückeroberung des Netzes durch die Kräfte der Beharrung. Allgemein recht zufrieden ist man mit dem Festival von Cannes.

Schauspielen ist nicht verboten

21.05.2011. In der FAZ beklagt V.S. Naipaul den Verfall der Fiktion in Roman und Film. Die NZZ befürchtet mit dem Fall Domininique Strauss-Kahn die moralische Talibanisierung Europas. Die Welt empört sich über die Herablassung, mit der die Literaturkritik den Büchnerpreis für F.C. Delius kommentierte.  SZ und taz berichten aus Cannes von den mutigen Werken der mit Berufsverboten belegten iranischen Regisseure Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof. Die FR rätselt über Sitten und Gebräuche der Kelten.

Integrationspflichtvergessenheit

20.05.2011. Ein Leben zwischenzuspeichern, verbraucht erstaunlich wenig Speicherkapazität, erzählt Peter Glaser in der NZZ. Stefan Niggemeier hat die 376 täglichen Artikel von stern.de durchgezählt, fand aber nur neun, die tatsächlich von stern.de sind. In seinem stern.de-Blog erklärt Hans-Martin Tillack, warum das Netzwerk Recherche einen Fehler machte, als es Carsten Maschmeyer einlud. Die Totalverbannung Lars von Triers aus Cannes löst mittelbetroffene Kommentare aus.

Morgenländische Erotik

19.05.2011. Die Büchner-Preisentscheidung für F.C. Delius stößt auf geteilte Reaktionen. FAZ und SZ schätzen den Autor, aber nicht den Preis für den Autor. Aber die Welt ist sehr zufrieden. Gawker zitiert die bizarren Nazibekenntnisse Lars von Triers. Die Freischreiber dokumentieren, wie sich die Medien im Zeitalter des Leistungsschutzes die Rechte der Autoren vorstellen. Der Freitag staunt: Auch die Grünen haben ihre Wagenknecht, sie heißt Reinhard Loske. In der Zeit entwickelt Klaus Harpprecht schlüpfrige Fantasien zum Fall DSK.

Bei denen gibt es kein moralisches Zwielicht

18.05.2011. Der Tagesspiegel staunt über das "unvergleichliche Traumateam" Veit und Thomas Harlan Im Blog der New York Review of Books fragt Yasmine El Rashidi: "Warum brennen die Kirchen in Ägypten?" In Carta macht Manfred Bissinger einen Vorschlag zur Rettung des Journalimus im digitalen Zeitalter: mehr Geld verlangen. In der FAZ antwortet der Migrationsforscher Klaus J. Bade auf eine Attacke Necla Keleks. Der SZ graut vor Unternehmen und Kulturbetrieb, die nicht mal Lippenbekenntnisse für Ai Weiwei zustande bringen.In The Daily Beast plädiert Bernard-Henri Levy gegen eine Vorverurteilung Dominique Strauss-Kahns.

Mutierende Mikroben, explodierende Sonnen

17.05.2011. Die NZZ fährt begeistert Rolltreppe im neuen Antwerpener Museum aan de Stroom von Neutelings & Riedijk. In der taz erklärt die chinesische Schriftstellerin Zhang Yihe: Wenn wir Ai Weiwei verteidigen, verteidigen wir auch uns. Die SZ lernt: Der Dirigent Fritz Busch wurde nicht von NS-Parteibonzen vertrieben, sondern von den lieben Künstlerkollegen. In Cannes sind FAZ und SZ ergriffen von Terrence Malicks "Tree of Life", FR und Welt gähnen, die taz musste draußen bleiben.

Eine Art VG Snippet

16.05.2011. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat im Dradio erstmals ihre Pläne für ein Leistungsschutzrecht bekanntgegeben, meldet Carta. Wer zitiert, soll zahlen. Meedia bringt einen Überblick über die Zeitungskrise in Deutschland: Bergab ging's für fast alle, am wenigsten noch für die Überregionalen. Aus Cannes wird  über den Film des Iraners Mohammad Rasoulof "Be omid e didar" berichtet. Und die Berliner Philharmoniker sagen zum schönen Städtchen Salzburg leise Servus.

Das war eine Zeit ohne Kaiser

14.05.2011. Die taz war dabei, als Claus Peymann seinen Kollegen Herbert Fritsch anpöbelte. Es ging um Theater. "Im Kern totalitär": Die Welt ist über den Diskurs der Nachhaltigkeit nachhaltig verstimmt. Carta fragt, wie man im Netz noch über die Artikel anderer sprechen soll, wenn Zeitungskonzerne Zitate mit Rechnungen belegen?  SpOn-Kolumnist Georg Diez ist sehr sauer über die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die FR ist ergriffen von Christoph Marthalers subpolarem Abend in Wien. Die FR erzählt auch, wie Facebook Google anschwärzen wollte. In der FAZ schreibt Bei Ling über die wilden amerikanischen Jahre Ai Weiweis.

Die Dinge vor, auf und hinter der Leinwand

13.05.2011. Die NZZ porträtiert Kämpfer gegen Korruption in Russland und Indien - und Countrymusiker aus Brasilien. Die taz erzählt, wie schwer es Journalisten in Syrien haben. In den Blogs und Zeitungen wird nach dem Eklat um den Kisch-Preis  weiter über die Frage der Wahrhaftigkeit im Journalismus nachgedacht. In der FR schreibt Georg Klein über den Aufstieg seines Heimatclubs FC Augsburg  in die erste Liga. Die Feuilletons trauern um den Filmkritiker Michael Althen, der im Alter von nur 48 Jahren gestorben ist.

Beliebtes Jagdrevier der Attributzler

12.05.2011. Ein Hauch von Kurkonzert: Die taz besuchte einen Kulturabend der Grünen: Die Zeit versichert: Niedere Instinkte liegen ihr fern. Der Freitag beugt sich  über Unsitten des deutschen Journalismus wie szenische Einstiege und Eigenwerbung im Nachrichtenteil. In Cannes lief der neue Woody Allen, in dem neben Carla Bruni auch Hemingway und die Fitzgeralds auftreten. Die FAZ ist außer Atem: Jeder Besucher muss die Leonardo-Ausstellung der Londoner National Gallery in mindestens 30 Minuten durchschritten haben. 

Zum Samtglanz getrocknet

11.05.2011. Die Filmkritik hat sich in Cannes eingerichtet und blickt weitgehend freudig den heute eröffnenden Filmfestspielen entgegen: Gezeigt werden auch zwei mutig an die Croisette geschickte Filme der beiden iranischen Regisseure Jafar Panahi und Mohammed Rasoulof. In der SZ beobachtet der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe eine antikapitalistische Revolution in Europa. In der FR empfiehlt Joachim Radkau die Weisheit des Mittelwegs. Die FAZ präsentiert das chinesische Fräuleinwunder Gao Can. Und die Welt beobachtet ehrfurchtsvoll die Digitalisierung Paul Klees. Weiter für Diskussion sorgt der Henri-Nannen-Preis: Wurde Rene Pfister in der falschen Kategorie nicht ausgezeichnet?

In der Avantgarde-Garage des Bauhaus-Papstes

10.05.2011. Ärger in der Branche: Dem Spiegel-Journalisten Rene Pfister wurde nachträglich der Henri-Nannen-Preis aberkannt. Die Mehrheit der Jury kritisierte den szenischen Einstieg seines Seehofer-Porträts, der den Eindruck erwecke, er sei aus eigener Anschauung geschrieben. Das Hamburger Abendblatt weiß die Details. Der Spiegel ist sauer. Die FR freut sich in ihrer ersten Cannes-Kolumne auf den neuen Film von Terrence Malick. Das Blog Puszta Ranger dokumentiert eine Diskussion der ungarischen Regierungsparteien über Imre Kertesz. Die SZ kritisiert den "Heritage at Risk"-Report des internationalen Denkmalschutzrates Icomos.

Sei es im Kühlschrank oder im Kopf

09.05.2011. Der Welt schwindelt: Die Berliner Philharmoniker feiern mit Christian Thielemann und Richard Strauss den fünften Jahrestag des Anschlusses der Stadt Wien. In der FAZ beklagt Necla Kelek eine Einseitigkeit der Migrationsforschung in Deutschland und ihrer Funktionäre. Was würden wir sagen, wenn die Irakis George W. Bush umgebracht und seine Leiche im Atlantik versenkt hätten?, fragt Noam Chomsky in Guernica. Bin Laden war sowieso schon tot, gibt Gilles Kepel in der New York Times zu bedenken. In der taz diskutieren Juli Zeh und der oberste Volkszähler Gert G. Wagner über die Volkszählung.

Im Unwägbaren des Jetzt

07.05.2011. In der Welt fragt Burkhard Spinnen: Was wird im Zeitalter des Ebooks aus dem Cover? Einmal nicht kritisch ist Islamkritikerkritiker Patrick Bahners gegenüber der Jungen Welt. In der taz erklärt der geoutete und dann geoutsourcte Kirchenlehrer David Berger, wie Religion am besten funktioniert: Lügen, Wissen, Schweigen. Die NZZ beobachtet eine "geradezu gespenstische" Renaissance des Chores im deutschen Theater. Mashable zeigt, wie sich die Nachricht vom Tod Osama bin Ladens zuerst auf Twitter verbreitete.

Mit Kindergeschrei beim Wippen

06.05.2011. Jeremy Bernstein erinnert im Blog der NYRB an James Abbott, der Abbottabad nach sich selbst benannte und dann eines der schlechtesten Gedichte englischer Sprache dazu verfasste. Gawker rät ab von SaferHouse, der Wikileaks-Konkurrenz von Rupert Murdoch. Die Welt erklärt, warum die FAZ Osama Usama schreibt. Und: die niederländische Künstlerin Nadia Plesner darf jetzt hungernde Kinder mit Louis-Vuitton-Taschen malen.

Die Klänge sterben jedes Mal anders

05.05.2011. Die taz unterhält sich mit Irena Grudzinska-Gross und Jan Tomasz Gross über das Verhalten der Polen im Holocaust. In der FR mag Germanist Manfred Schneider den Krieg gegen den Terrorismus nur als Krieg der Bilder sehen. Die SZ-Redakteure möchten, dass die Zeitung keine Artikel mehr kostenlos online stellt. Die Zeit staunt sehr: Otto Sander wird siebzig. In der Jungle World spricht Pierre Boulez über seine Methode. Und die FAZ fragt: Warum soll man die Pekinger Aufklärungsaustellung schließen? Es geht ja sowieso keiner hin.

Negatives ethisches Vorzeichen

04.05.2011. SZ und FAZ sind sich einig: Man soll sich über den Tod Osama bin Ladens nicht freuen. Christopher Hitchens in Slate kann sein stilles Vergnügen in Slate dennoch nicht verhehlen: Er war gar kein Guerillero, sondern der verwöhnte Klient eines Schurkenstaats. Und er hat lange genug gelebt, um erfahren zu müssen, dass die Araber sein Phantom in ihrer Demokratiebewegung abgeschüttelt haben, notiert Thomas Friedman in der NY Times. Das ist doch ein Grund zur Freude, meint auch Jörg Lau in seinem Blog. In der FR reagieren die Autoren des Buchs "Das Amt" auf drastische Kritik aus dem Münchner Institut für Zeitgeschichte.

Osama bin Laden died on Walpurgisnacht

03.05.2011. "We caught him while he was at home in bed", ruft Anne Applebaum in Slate. Salman Rushdie stellt in The Daily Beast Fragen nach der Rolle Pakistans. Für Bernard-Henri Levy in La regle du jeu ist die Aktion gegen bin Laden auch ein Erfolg des Afghanistan-Kriegs. Spiegel Online klagt: Das war "Gerechtigkeit auf Amerikanisch!" War dies eines Rechtsstaats würdig?, fragt auch Henryk Broder in der Welt. In der taz plädiert Claus Leggewie für Mitbeteiligung von Bürgern, außer vielleicht bei Windrädern.

Sogenannte Mörderhirsche

02.05.2011. In der NZZ schreibt György Dalos über das Problem der ungarischen Regierung mit der nicht zu steuernden Außenwahrnehmung.  Die FAZ porträtiert den bekanntesten türkischen Popstar Tarkan. In der SZ staunt Horst Bredekamp über die verschlungenen Wege der sexuellen Auslese. Für die taz besucht Gabriele Goettle einen Fachmann für Wohnungauflösungen. Wir sammeln erste Links zum Tod Osama bin Ladens.