Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

August 2006

Heute in den Feuilletons

31.08.2006. Die SZ empfiehlt deutschen Lokalpolitikern eine Reise nach New York, das für die nächsten vier Jahre 865 Millionen Dollar für Kulturbauprojekte einplant. In der FAZ empfiehlt Hans Magnus Enzensberger eine Abschaffung der Gewerkschaften im Kulturbetrieb. Der Perlentaucher fragt, warum sich Wikipedia mit Substanz aus dem Netz vollsaugt, aber nicht das kleinste bisschen Google Juice zurückkgibt. Alle würdigen Nagib Mahfus, der eine arabische Auffassung der Moderne entwickelte. Spiegel Online meldet die Freilassung des iranischen Philophen Ramin Jahanbegloo.

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30.08.2006. Die taz kommt nach einer postkonfessionalen Lektüre von "Katz und Maus" zur Erkenntnis, dass Grass dort den V-Effekt als Sicherheitsmaßnahme eingesetzt habe. Der Eklat beim Weimarer Kunstfest, wo Hermann Schäfer eine Buchenwald-Gedenkrede ganz ohne Buchenwald hielt, macht weiter von sich reden. Im Tagesspiegel erklärt Hans Werner Henze, was er an seinem Leben ein bisschen schade findet. Die Welt berichtet über den Plan für ein rumänisches Holocaust-Mahnmal.

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29.08.2006. Die Verfilmung von Patrick Süskinds Roman "Das Parfum" läuft zwar erst in ferner Zukunft an, aber die Zeitungen sind jetzt schon voll. In der FAZ erklärt Produzent Bernd Eichinger den spezifischen Heroismus dieses Filmprojekts. Die SZ gähnt aber schon: Weltliteraturverfilmung! Die Welt feiert das neue Album von Outkast als das zauberhafteste der Saison. In der SZ kritisiert der ehemalige Direktor des deutsch-russischen Museums in Berlin-Karlshorst Peter Jahn die Vetriebenenausstellung "Erzwungene Wege", die die sowjetischen Opfer vergesse. Der Tagesspiegel verabschiedet den Senatsbaudirektor Hans Stimmann, der sich sein Leben lang an der Berliner Traufhöhe festhielt.

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28.08.2006. Die SZ rechnet mit dem Musikbetrieb ab, der kaum Neues bietet, und erledigt die Musikkritik, die nur mehr "geschmacksorientierte Interpretationskritik" sei, gleich mit. In der FAZ streiten Herwig Birg und Albrecht Müller über die Relevanz demografischer Prognosen. Die Welt staunt über die schieren Ausmaße des Cirque du soleil. Die FR findet: das Heilige Römische Reich ist auch in zwei Ausstellungen nicht wiederzubeleben. In der taz porträtiert Gabriele Goettle die Rechtsanwältin Katja Herrlich, die sich gegen den Rechtsextremismus engagiert.

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26.08.2006. In der NZZ sieht György Konrad die Möglichkeit eines zweiten Holocaust über Israel heraufziehen. In der Welt erklärt Grass-Verleger Gerhard Steidl, warum er die Aufmachung des Grass-Interviews in der FAZ "ziemlich infam" fand. Die FAZ liest Grass' Buch als "Roman zum Leben" des Autors. Die taz zeigt sich beeindruckt von John Updikes aktuellem Roman "Terrorist". Die FR besucht New Orleans ein Jahr nach "Katrina" und triff auf ein surreales Bild. Der Tagesspiegel bilanziert die Arbeit des Berliner Kultursenators Thomas Flierl. Die SZ schreitet durch zwei Ausstellungen über die Geschichte des Deutschen Römerreichs: "Über Jahrhunderte wollten die deutschen Eliten Römer sein - was für ein Traum!"

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25.08.2006. In der FAZ schreibt Stefan Chwin eine Verteidigung des immer schon zweideutigen Günter Grass. Die FAZ erklärt auch, dass sie sich in punkto Veröffentlichungszeitpunkt für das Interview mit Grass vereinbarungsgemäß verhalten hat. In der SZ konstatiert Sonja Margolina eine Abkehr der russischen Intellektuellen vom Westen. Die NZZ beklagt die immer schärfere Verfolgung von Journalisten in der Türkei. SZ und Welt gehen vor zehn unfassbaren Liedern von Bob Dylan in die Knie.

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24.08.2006. In der Zeit rufen 15 Frauen zu einem neuen Feminismus auf. Die Berliner Zeitung besucht die Ausstellung mit Holocaust-Karikaturen in Teheran. Im Tagesspiegel polemisiert der Anwalt Peter Raue gegen die Rückgabe von Kirchners "Straßenszene" an die Erben. Berlins Kultursenator Thomas Flierl antwortet ihm. Die FAZ stellt chinesische Schönheiten vor. In der SZ erklärt Wolfgang Sofsky, warum normale Zeiten gefährliche Zeiten sind. In der taz spricht Filmregisseur Matthias Glasner über seinen Vergewaltiger-Film "Der freie Wille".

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23.08.2006. Die NZZ erzählt, wie der Geheimdienst GPU Michail Scholochow zum sowjetischen Großschriftsteller machte. Die Welt sieht den Volkstribun Spike Lee mit einem Dokumentarfilm über den Hurrikan Katrina zu alter Form auflaufen. Die SZ berichtet über das muntere Spitzelspiel von Zbigniew Herbert mit dem polnischen Geheimdienst.  

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22.08.2006. In der Welt bittet Wolfgang Sofsky nunmehr um Schweigen in der Sache Grass. Die anderen halten sich schon dran. In der SZ kritisiert der Autor Yitzhak Laor die israelische Armee, aber auch die Friedensbewegung. Die NZZ ist nicht zufrieden mit der Vorauswahl für den Deutschen Buchpreis. Die taz fragt: Wozu Musikkritik im Zeitalter der allgemeinen Herunterladbarkeit?

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21.08.2006. In der FAZ kritisiert Louis Begley sehr scharf das Schweigen des Günter Grass. Die NZZ wundert sich: In London heißen die Bibliotheken jetzt "Idea Stores". Die SZ ist noch ganz atemlos vor Staunen über die Schönheit, das Durcheinander, die Ungerechtigkeit der Stadt Bombay. In der Welt erinnert sich Ivo Pogorelich an den Tod seiner Frau.

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19.08.2006. Die Berliner Zeitung benennt das Dilemma der Grassisten. Die NZZ hat Thomas Pynchon auf den Seiten von amazon.com herumgeistern sehen. Die taz plädiert für Desintegration. Die SZ verheddert sich im Grass'schen Metapherngestrüpp. In der Welt findet Daniel Jonah Goldhagen, eine Uno-Truppe im Libanon ist auch keine Lösung. In der FAZ fragt Herfried Münkler, wie man in einem asymmetrischen Krieg verhältnismäßig reagieren kann.

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18.08.2006. Die Debatte um Grass geht weiter: Ivan Nagel äußert in der SZ Verständnis für Grass' Zögern. Die Welt sieht in Grass einen frühen Taliban. In der FR geißelt John Irving das deutsche Feuilleton. Aber es gibt auch andere Themen: In der NZZ warnt der israelische Soziologe Natan Sznaider das friedliebende europäische Publium: "Selbstzerstörerische Grausamkeit und mörderischer Kampf um Identität gehören nicht einer vergangenen Welt an." In der FAZ legt Florian Illies ein klares Bekenntnis zum Toaster seiner Kindheit ab. Die taz schildert, wie sich Pornografie und Kunst aus Gründen des Kapitalismus durchdringen.

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17.08.2006. Die Grass-Bewältigung geht weiter - selbst im Time Magazine (hier ein altes Grass-Titelbild von 1970). Der Zeit ist Grass' antibürgerlicher Reflex unheimlich. In der SZ beklagen Eva Menasse und Michael Kumpfmüller ein Methusaelm-Komplott, das den Blick auf die eigentlichen Probleme verstellt. Aber Heinz Bude ist weiter fasziniert von der Einzigartigkeit der Flakhelfergeneration. In der FR ruft Durs Grünbein: "Das glaube ich nicht." Die NZZ ist schon bei einem ganz anderen schönen, leeren Bild von Männlichkeit angelangt - in Peter Steins Inszenierung von Shakespeares "Troilus und Cressida". Und die FAZ erträumt sich eine "Ring"-Inszenierung durch Lars von Trier.

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16.08.2006. Grass grassiert: In der taz meint Claus Leggewie, er habe kontraphobisch reagiert. In der FR plädiert der Historiker Hans Mommsen für das "Recht des einzelnen auf eine private Bewältigung des umfassenden Wertezerfalls". Die Zeit kritisiert vor allem den "windelweichen Verhüllungsstil der Interviewer". Die Berliner Zeitung meldet: Wenn nur jemand hätte recherchieren wollen - die einschlägigen Dokumente liegen seit Jahrzehnten in den Dokumentationsstellen bereit. Der Tagesspiegel weiß jetzt, warum Grass die Rechtschreibreform ablehnte - aus Angst vorm Doppel-S. Die SZ recherchiert zum Mediencoup - ohne Ergebnis. Die FAZ hat den Grass bewältigt und meldet: Nun hat sich auch Gabriel Garcia Marquez daneben benommen.

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15.08.2006. Krass, Grass! Die Vergangenheit des Autors ist noch längst nicht bewältigt. Die Berliner Zeitung findet eine brechtianische Formel: "Der Wegweiser aber geht den Weg nicht." Die Welt wird streng: "Der kleine Flakhelfer war der ideale Kandidat für die moralische Lufthoheit des 'besseren Deutschland'." In der FAZ bekennt Erich Loest: "Ich bin seit Tagen sehr aufgeregt." Die FR meint: Grass' Bekenntnisimpuls erlahmte am Rigorismus der Linken. Und in Spiegel Online stellt Henryk Broder klar: Grass war auch vorher schon keine moralische Instanz mehr.

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14.08.2006. Alle schreiben über Grass. In der FR fürchtet Wilhelm von Sternburg, genau das war seine Absicht. Die taz glaubt, der ersehnte Nobelpreis habe ein früheres Bekenntnis verhindert. NZZ und SZ nervt die Dickfelligkeit, mit der Grass noch im Bekenner-Interview über Amerikaner, Adenauer und Paul Celan urteilt. Für die Welt ist er einer, der aus seinem Fehler gelernt habe wie wenig andere. In der FAZ fragt Hans-Ulrich Wehler: Warum nur so spät?

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12.08.2006. In der FAZ löst Günter Grass mit einem Geständnis ein mittleres Erdbeben aus: Er war Mitglied der Waffen-SS. FAZ und Tagesspiegel kommentieren dies auch schon schockiert. In der SZ stellt der israelische Schriftsteller Abraham B. Jehoschua klar, dass die Hisbollah nicht für die Sache der Palästinenser kämpft. Die taz übt scharfe Kritik an der Ausstellung des Zentrums gegen Verteibung. Zum fünfzigsten Todestag von Bert Brecht wundert sich die NZZ, warum Frauen dieser Inkarnation eines Macho nie den Laufpass gegeben haben, in der Welt erinnert sich Falk Richter an seine erste Brecht-Inszenierung in Atlanta. Die FR schreibt zum Achtzigsten Fidel Castros, dem die Gnade des frühen Todes nicht zuteil geworden sei.

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11.08.2006. Die FAZ erkennt in der Ausstellung "Erzwungene Wege" keine Umdeutung der Geschichte. Die SZ auch nicht, dafür aber eine "geschmeidigere Strategie". Ebenfalls in der SZ macht Ulrich Beck auf die europäische Dimension des demografischen Problems aufmerksam. Die NZZ staunt über die glockenförmig gestauchten Pumpärmel eines in Paris ausgestellten Kleides von Cristobal Balenciaga. Navid Kermani erklärt in der FR, warum er den Aufruf zur sofortigen Waffenruhe im Libanon unterschrieben hat. In Spiegel Online beschuldigt Ralph Giordano den Schriftsteller Jostein Gaarder des Antisemitismus.

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10.08.2006. Welt und FAZ beruhigen ihre Leser über Wesen und Wirkung des Web 2.0 und des Laienjournalismus. Die Berliner Zeitung überträgt einen Auszug aus Jostein Gaarders Anklage gegen Israel. In der taz charakterisiert der Soziologe Jean-Claude Kaufmann den "armen Esser". In der FAZ erklärt der Theologe Klaus Berger, wer im Nahostkonflikt der Sack ist und wer der Esel. Die SZ befasst sich mit neuen Moscheebauten in Deutschland.

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09.08.2006. In der taz kritisiert Tjark Kunstreich die Ignoranz der Europäer gegenüber der "klerikalfaschistischen Bedrohung" durch den Islamismus. Und Ilja Trojanow kritisiert die "Ihr habt angefangen"-Rhetorik Israels. Im Tagesspiegel empfiehlt Rainer Moritz zur Beruhigung Adalbert Stifters nahezu handlungslosen Roman "Witiko". Die SZ möchte, dass sich Europa am WWW, dem weltweiten Wolkenkratzerboom beteiligt. Die FAZ zeigt sich zugleich beeindruckt und irritiert vom venezolanischen "Sistema Nacional de Orquestas".

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08.08.2006. Die SZ betrachtet schon die Ausstellung "Erzwungene Wege" des Zentrums gegen Vertreibungen und findet eigentlich nichts Rechtes daran auszusetzen. Auch die FAZ hat sich die Ausstellung angesehen. In der NZZ begutachtet der Historiker Christoph Jahr dagegen noch einmal die Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums und kommt zu einem vernichtenden Ergebnis. Die taz singt eine Hymne auf das Online-Magazin openDemocracy.

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07.08.2006. In der FAZ erzählt Thomas Hürlimann, wie er erst über die Klostermauer springen musste, um die Schweizer und deutsche Literatur mit seinen Werken bereichern zu können. In der taz entlarvt der Psychoanalytiker Martin Altmeyer das irrationale Kalkül des Terrorismus. In der SZ entwirft Navid Kermani die Vision einer interessengeleiteten Politik des Westens gegenüber Israel. Die NZZ singt eine Hymne auf die cinemas d'art et d'essai in Paris.

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05.08.2006. In der FAZ schreibt Werner Spies über Arno Breker: "Der Weg zu Breker lenkt uns auf den Friedhof der Geschichte." In der Berliner Zeitung macht Campino Pläne für die nächsten 1000 Jahre. Außerdem schreibt der Filmregisseur Amos Gitai über das Dilemma der israelischen Linken. In der Welt beschreibt Ilja Trojanow die Welt der bulgarischen Mafia. Die SZ teilt Oliver Stones Sympathie für die unteren Schichten.

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04.08.2006. Im Tagesspiegel stellen sich Abbas Beydoun und Moshe Zimmermann Fragen über die Hisbollah im Libanon. Die NZZ erzählt, wie in den USA ein Buch ganz ohne Talkshow-Auftritt, Presse-Echo und Werbung und ganz allein durchs Internet zum Bestseller wurde. Außerdem fragt die NZZ, ob der Fall Monica Ali ein Fall Salman Rushdie ist. Die SZ hätte die Bayreuther Aufführungen lieber konzertant: die Inszenierungen nerven. Die taz meint: Fidel mag gehen, der Fidelismus bleibt. Die Welt zitiert Pedro Almodovars Theorie des runden Popos.

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03.08.2006. Die Ambitionslosigkeit des Bayreuther "Rings" bedrückt die Zeit wie ein schweres Dampfbügeleisen. Die FAZ schreibt eine Art Nachruf auf Fidel Castro. Die FR erklärt: "That's Architainment". Die NZZ sammelt arabische Stimmen zum neuen Nahostkonflikt.

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02.08.2006. Dieser Bayreuther "Ring" wird als Thielemann-"Ring", und nicht als Dorst-"Ring" in die Geschichte eingehen, und damit als erster Dirigenten-"Ring" seit dem Furtwängler-"Ring", meint der Tagesspiegel. Auch Joachim Kaiser sieht Christian Thielemann in der SZ als Herrn und Herrscher dieses "Rings". In der Welt seufzt Musikkritiker Mathias Döpfner: Der Versuch, kein Regietheater zu machen, kann auch scheitern. Die FAZ betrachtet in Berlin eine unverstümmelte "Nachtwache", die allerdings nicht von Rembrandt stammt. Und in der taz erklärt der Historiker Peter Longerich, warum die Deutschen vom Holocaust mehr wussten, als sie später zugaben.

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01.08.2006. Wir bitte um Pardon für die Verspätung! Ein kaputtes Stromaggregat hat uns nägelkauend vor dem toten Redaktionssystem sitzen lassen. Jetzt aber: die Feuilletons von heute. In der Welt erklärt Marek Halter, warum er vor der iranischen Atombombe keine Angst hat. In der SZ erklärt Avi Primor, warum die Hassreden Ahmadinedschads gegen Israel eher die Araber nervös machen sollten. In der FR erklärt der Jurist Knut Ipsen die völkerrechtliche Situation im Libanon. In Spiegel online macht Zeruya Shalev die Hisbollah verantwortlich für die Toten von Kana. Die taz klagt über ein "gleichgeschaltetes" Salzburg. Die FAZ beobachtet, wie die katholische Vergebungslehre in die hohe Politik Italiens einzieht.