Heute in den Feuilletons
Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
März 2013
30.03.2013. Die NZZ beklagt die frostigen Temperaturen in Europa, politisch gesehen. In der taz spricht sich Micha Brumlik sehr deutlich gegen den Boykott von Waren aus dem Westjordanland oder Israel aus. Die FAZ unterhält sich mit Joachim Sartorius über Zypern. Die SZ feiert den revolutionären Tizian: "Endlich darf ein Maler im Dreck wühlen". Und wir wünschen schöne weiße Ostern!
28.03.2013. In der Welt fragt Wolf Biermann, was Helmut Schmidt dazu treibt, das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens zu rechtfertigen. Der Verkauf von Ebooks wächst in Europa, meldet der Buchreport - allerdings fast nur in Großbritannien. Die taz versucht zu erklären, warum es so schwierig ist, netzpolitische Themen populär zu machen. Die FAZ geißelt die Amüsierlust der gottlosen Berliner Theater am Karfreitag. Auch wir bringen ein Karfreitagsliedchen zum Mitpfeifen.
27.03.2013. In der taz reagiert Detlev Claussen auf die Anwürfe des Sinologen Wolfgang Kubin gegen den chinesischen Dissidenten Liao Yiwu. Die Welt bringt ein Dramolett von Bodo Kirchhoff, in dem Franziskus an Franz gerät. Das Blog Uhupardo hat den von El Pais gestrichenen Kommentar des Ökonomie-Professor Juan Torres López, für den Merkel = Hitler ist, übersetzt. Den Briten geht an den Deutschen aber vor allem das pedantische Festhalten an formaler Legalität auf die Nerven, hat die SZ herausgefunden. In der Zeit gratuliert Alexander Fest seinem Autor Georg Klein zum Sechzigsten. Außerdem hat die Zeit eine Suhrkamp-Vision mit degradierter Chefin.
26.03.2013. Die New York Times stellt den Millionär Nick D'Aloisio vor, der eine News App erfunden hat. Bald wird er 18. Das Schild "Swing tanzen verboten", das in der Serie "Unsere Mütter Unsere Väter" eine Rolle spielte, ist eine historische Fälschung, hat das Blog pophistory herausgefunden. queer.de berichtet, dass Länder, in denen lesbische Paare türkischstämmige Kinder adoptieren, Ärger mit Tayyip Erdogan bekommen. Im Tagesspiegel erzählt der Psychologe Ahmad Mansour, wie er in seiner Jugend zum Islamisten gemacht wurde. In der FAZ plädiert Katharina Hacker dringend für Otto Dov Kulkas Buch "Landschaften der Metropole des Todes".
25.03.2013. Die Blogger lecken sich nach der Niederlage beim Thema Leistungsschutzrecht die Wunden. Hat die "Netzgemeinde" versagt? Gabriele Goettle erzählt in der taz von einem Arzt, der ein Immunsystem gegen Pharmawerbung entwickelt. In der NZZ erinnert Hector Abad mit Blick auf Franziskus, den Papst, an die fatale Rolle der Jesuiten in Lateinamerika. Spiegel Online meldet, dass das Land NRW jetzt notleidende Pressekonzerne mit Geldern aus den Zwangsgebühren unterstützen will. Außerdem konnten Superreiche und Journalisten in Baden-Baden und Salzburg die Partie Rattle versus Thielemann verfolgen. Außerdem: Die eigentlich innovative Mode kommt aus Japan.
23.03.2013. Die NZZ lässt sich vom Berliner Verleger Andreas Rötzer erklären, was eingreifendes Verlegen ist. In der taz fordert die Aktivistin Monika Hauser eine Aufarbeitung der Vergewaltigungen durch deutsche Soldaten. In der Welt antwortet Wolfgang Kraushaar seinen Kritikern. In der SZ verteidigt Salman Rushdie noch einmal einen universellen Freiheitsbegriff. Entsetzen herrscht in der Netzöffentlichkeit über das Einknicken der SPD beim Leistungsschutzrecht. Till Kreutzer nennt das Gesetz verfassungswidrig und fordert Bundespräsident Gauck auf, es nicht zu unterzeichnen.
22.03.2013. Die SPD ist beim Thema Leistungsschutzrecht eingeknickt und wird das Gesetz heute im Bundesrat wohl passieren lassen. Der FAZ ist es eine winzige Meldung wert. Die FR sorgt sich um das "geistige Eigentum". Ohnmächtiger Aufschrei im Netz. In der taz kritisiert der Historiker Ulrich Herbert die ZDF-Serie "Unsere Mütter Unsere Väter", die von der Liebe der Deutschen zu Hitler so gar nichts zeigt. Die NZZ befasst sich mit der amerikanischen Debatte um Roosevelt und die Juden.
21.03.2013. Im Freitag gibt die Kulturjournalistin Agnes Szabo einen bestürzenden Einblick in die Gleichschaltung der ungarischen Kulturszene. Jungle World liefert den geschichtspolitischen Hintergrund dazu, der ebenso deprimierend ist. Nach jahrelangem beredtem Schweigen und kurz bevor es durch ist, bringen die Zeitungen doch noch Pro-und-Contras zum Leistungsschutzrecht, so die Zeit und die FAZ. SZ und FAZ sind konsterniert darüber, dass Suhrkamp-Miteigner Hans Barlach erneut vor Gericht Recht bekommen hat.
20.03.2013. #UMUV! So langsam gibt es auch Gegenstimmen zur Wehrmachtsschmonzette im ZDF, deren Hashtag eigentlich #UUUU lauten müsste ("Unsere Urgroßmütter unsere Urgroßväter"). Ekkehard Knörer dreht im Cargo-Blog durch: Haben Fernsehkritiker, anders als Filmkritiker denn gar keine Kriterien? In der taz spottet Jan Feddersen: "Mann, das haben wir ja nicht gewusst!, Mensch, wie verhängnisvoll!" Und Tilman Krause meldet in der Welt gehorsamst: "Unser Mütter, unsere Väter" durchgeführt, äh: angesehen."
19.03.2013. Der Tagesspiegel schaut mit Maurizio Pollini ins Laboratorium der Komponisten. Rue89 erklärt, warum Bernard-Henri Lévy jetzt nicht mehr nach Libyen darf. In der taz ist Najem Wali verzweifelt über den Irak im Zustand der Selbstverwaltung. Die NZZ erklärt, warum Google News nicht so gut funktioniert, wie es sollte. In der FAZ betrachtet Botho Strauß Govaert Flincks "Susanna und die beiden Alten". Alle gratulieren Philip Roth zum Achtzigsten.
18.03.2013. Die NZZ möchte das Roma-Problem als Armutsproblem und nicht als ein ethnisches behandelt sehen. Außerdem würdigt sie den frischgekürten Pritzker-Preisträger Toyo Ito. Dezeen bringt eine Menge Bilder von seinen Entwürfen. Warum kommen in der Serie "Borgen", die einen illusionslosen Blick auf Dänemark werfen will, Karikaturenstreit und Islamdebatte gar nicht vor?, fragen Jens-Martin Eriksen und Frederik Stjernfelt im Perlentaucher. Richard Herzinger geißelt in seinem Blog die Stigmatisierung der Gottlosen durch den neuen Papst. In der FR gibt Hans-Ulrich Wehler eine Wahlempfehlung für Peer Steinbrück.
16.03.2013. Die Gleichung "68 = Antizionismus = linker Antisemitismus" geht nicht auf, rechnet die taz vor. Die NZZ beschwört die Gunst des Augenblicks. Lukas Foerster fordert von Kinos die Einhaltung musealer Grundprinzipien. Die FAZ wünscht sich einen Gorbatschow des Kapitalismus. Isabelle Huppert bestreitet, eine intellektuelle Schauspielerin zu sein. Die Welt beklagt die Putinisierung Ungarns. Frankfurt ist keine romantische Stadt, findet die FR. Die SZ vermisst bei der Biennale im Emirat Sharjah Exzesse, Drogen und Queer Art.
15.03.2013. In der NZZ bekennt der Politologe Otto Kallscheuer, dass er sich vom Heiligen Geist etwas mehr Mut bei der Papstwahl gewünscht hätte. Der Tagesspiegel erklärt, was die vatikanischen Riten so netzkompatibel macht. Auf der Leipziger Buchmesse wird der Name des Teufels Amazon gemieden, berichtet die SZ. Mit der Verleihung des Leipziger Buchpreises an David Wagner sind alle einverstanden. Die FAZ empfiehlt einen generationenübergreifenden Fernsehsonntag.
14.03.2013. Als Bildungsrevolution feiert die Zeit die wachsende Zahl der im Netz zugänglichen Hochschulvorlesungen. Die Blogs reagieren bestürzt auf das angekündigte Ende des Google Reader. Die taz klagt über die spezifisch deutsche Hysterie gegenüber Googles Datenbrille. In der Welt pocht Henryk Broder auf Pornografie. Der Freitag untersucht die Rückkehr des Politischen in der deutschen Literatur. Die SZ bewundert die Ausdauer der Protagonisten von 1968. Und die FAZ spricht mit Simon Rattle über seinen Rücktritt und Mozarts 'Zauberflöte'.
13.03.2013. "Vorsicht Buch!" ruft die FAZ gemeinsam mit der Buchbranche zu Beginn der Leipziger Buchmesse. Die taz interviewt Klaus-Michael Bogdal, der heute den Leipziger Preis zur Europäischen Verständigung erhält. Anne Applebaum empfiehlt einen Klacks Crème fraiche. Im Tagesspiegel spricht die Linguistin Manana Tandaschwili über die Lage der Frauen in Georgien. In der NZZ macht der Theologe Jan-Heiner Tück Vorschläge zur Schwächung des Papstes. Die SZ blickt in den Abgrund, der die Kardinäle anstarrt, wenn sie ihre Zettel in die Urne stecken. Und Anna Wintour wird jetzt Modepäpstin bei Condé Nast, meldet die New York Times.
12.03.2013. Was soll mit dem Erbe des großen Film-Essayisten Chris Marker geschehen?, fragt die Welt. Im Design Observer bringt David Brook einen Riesen-Essay über die atemberaubende Entwicklung der Stadt Schanghai. Wir verlinken auf die Dokumentation des ORF über die Nazivergangenheit der Wiener Philharmoniker, die 75 Jahre nach dem "Anschluss" ihre Archive öffnen. Die SZ findet Anthony Hopkins' Latexkinn im "Hitchcock"-Film schmerzhaft offensichtlich.
11.03.2013. Hans Christoph Buch berichtet für den Tagesspiegel aus einem demoralisierten Kuba. Das Literaturcafé testet den Ebookreader Tolino. Im Deutschlandfunk rechnet Sabine Pamperrien mit den China-Verteidigern Helmut Schmidt und Tilman Spengler ab. In der FR erinnert sich Amos Oz an den Kibbuz. Die NZZ besucht die zweitbeste Schweiz der Welt. Die LA Times empfiehlt 3D-Drucker bei Kopfverletzungen. Dezeen empfiehlt 3D-Drucker für Nylonkleider.
09.03.2013. In der Welt bespricht Necla Kelek das Buch Semiya Simseks über den Mord an ihrem Vater und die traumatisierenden Pannen bei den Ermittlungen zu den NSU-Morden. In der taz jongliert Chefapokalyptiker Harald Welzer mit Europa-, Klima-, Finanzkrise. Ebenso Vizechefapokalptiker Wolfgang Streeck in der FR. Überchefapokalyptiker Frank Schirrmacher hatte wohl frei, und darum erzählt in der FAZ Andrzej Stasiuk etwas von seiner Großmutter. Und in der Abendzeitung macht Joseph von Westphalen aus Mangel Kunst.
08.03.2013. Der Buchreport fragt, was die Fusion von Penguin und Randomhouse, die gemeinsam fünfzig Prozent der amerikanischen Belletritik herausbringen, für den Buchhandel heißen wird. Die Blogs diskutieren über einen Zeit-Artikel zu Schwarzkopien in der Kinobranche, den die Zeit gerade online gestellt und dann gleich wieder gesperrt hat. Die Schweizer Medienwoche konstatiert, dass Journalisten Teil der Eliten sind, über die sie eigentlich mit Distanz berichten sollten. Die FAZ fragt: Was passiert mit all dem Geld, das den Banken zugesteckt wird, das sie aber nicht weitergeben?
07.03.2013. Die Zeitungen versuchen Beppe Grillo und seinen "Grillini" auf die Spur zu kommen: Ein Blogger ist er schon mal nicht, meint der Autor Giuliano Santoro in der Jungle World. Eher schon ein Clown, meint Dario Fo in der Zeit. Auf jeden Fall sind die Italiener aber geistesgestört findet Peter Stein, ebenfalls in der Zeit. Auch in der SZ ist Italien Thema. In der FAZ hält Marina Weisband ihren Trollen den Spiegel vor. In der NZZ schreibt Héctor Abad den Nachruf auf Hugo Chavez. In der Welt stellt Oliver Sacks klar, dass es auch wissenschaftlich wertvolle Halluzinationen gibt.
06.03.2013. Hugo Chavez ist tot. Wir verlinken auf Texte von Enrique Krauze, Christopher Hitchens und anderen. In der FAZ beschreitet Ulrich Holbein den zweihundert Kilometer langen Jean-Paul-Wanderweg. Außerdem schreibt der JU-Netzpolitiker Henrik Bröckelmann gegen Leistungsschutzrecht. Die SZ erinnert an ihren Mitbegründer und Streiflicht-Erfinder Franz Josef Schöningh, der ein eifrigerer Nazi war, als man bisher wusste.
05.03.2013. Die taz hat das Problem der Seligen: Die Liebe zu Wagners Musik macht blind für den Fall Wagner - dank Barenboim (und Wagner natürlich). In der SZ feiert der Historiker Lutz Klinkhammer den Wahlerfolg Beppe Grillos als Sensation. In der FAZ wehrt sich Ulrich Enzensberger gegen Vorwürfe Wolfgang Kraushaars in seinem Buch über "München 1970". Alle Zeitungen schreiben über Milo Raus Reinszenierung putinistischer Prozesse in Moskau. Das Blog Farhoo fragt: Fallen sprechende Links künftig unter das Leistungsschutzrecht?
04.03.2013. In der NZZ beklagt Petros Markaris den dramatischen Niedergang Athens. Die taz klärt, dass auch die afrikanische Kolonialismuskritik ohne europäische Förderung nur halb so gut funktionieren würde. In der New Republic interveniert Yochai Benkler für Bradley Manning - im Interesse der New York Times. In der FAZ beschreibt der EU-Politiker Martin Schulz das "europäische Blame Game", das immer nur die nationalen Politiker gut aussehen lässt. Im Culturmag wirft Wolfram Schütte einen illusionslosen Blick auf die FR. Und Michael Seemann beklagt in seinem Blog das journalistische Totalversagen beim Thema Leistungsschutzrecht.
02.03.2013. SZ, taz, NZZ, Zeit online - alle ärgern sich über das Leistungsschutzrecht. Nur die FAZ verteidigt es als immerhin sinnvolle Verhandlungsbasis. Carta wittert eine Springer-LSR-Verschwörung auf Seiten der Opposition. Shereen El Feki mahnt in der FAZ: keine gesellschaftliche Freiheit ohne sexuelle Freiheit. Die NZZ fordert, den unflätigen Beppe Grillo nicht mit seinen gebildeten Wählern zu verwechseln. Allgemein große Begeisterung über David Bowies neues Album. Und die FR meint: Amazon ist dem historischen Marktplatz ähnlicher als die innerstädtischen Fußgängerzonen.
01.03.2013. Leider, leider kann die taz der FR nicht so richtig zur Übernahme durch die FAZ gratulieren. Gegenwartstexte müssen kryptisch sein, ruft Diedrich Diederichsen in der Jungle World. Welt und FAZ denken anlässlich des Streits über den Umzug der Berliner Gemäldegalerie über den Sinn von Kunstmuseen nach. Die SZ weiß, warum die Italiener Beppe Grillo wählten. Die Welt besucht die Tillmans-Retrospektive.