Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

März 2009

Mahlender blauer Schmerz

31.03.2009. Mit der Globalisierung ist es gar nicht so weit her, wie ihre Hohepriester meinen, stellt die FR fest. Der Tagesspiegel beleuchtet den Kulturkampf zwischen Bloggern und Journalisten. Nach dem Brockhaus gibt auch Microsoft seine Enzyklopädie Encarta auf, meldet techcrunch. Und in der FAZ stöhnt Urs Widmer: So einer wie Steinbrück ist in der Schweiz undenkbar.

Stenografen statt Watchdogs

30.03.2009. In der SZ erklärt die Bloggerin Arianna Huffington, warum das Internet dem Journalismus ganz gut tut. Carta fragt sich, was in den Musiklobbyisten Marek Lieberberg gefahren ist, der in der SZ den Perlentaucher attackierte. Im Perlentaucher antwortet Wolfgang Kraushaar auf Götz Aly. Und alle waren beim Symposion über den Jürgen Habermas der deutschen Lyrik.

Obwohl wir doch nur Tiere sind

28.03.2009. In der taz wendet sich der  Doch-Nicht-Verfassungsrichter Horst Dreier gegen die Dampfmichel in den Feuilletons und ihre Einstellung zur Selbstbestimmung. In der Berliner Zeitung warnt Timothy Garton Ash vor der roten Erika. In der Welt erklärt Rolando Villazon, warum er gerne auch mal einen Spitzenton von Händel singt. Die Blogs fragen sich, warum die Mainstreammedien nichts gegen die Internetzensur der Bundesregierung unternehmen. Die FR sucht nach Überbleibseln der DDR in der Literatur.

Mein Humus ist weg

27.03.2009. In Amerika schrumpfen nicht nur die Zeitungen, sondern auch die Vielfalt ihrer Themen, berichtet die NZZ. Die taz sucht nach Geschäftsmodellen, die Google moralisch überlegen sind. Die FAZ wirft einen sorgenvollen Blick auf den kommenden G 20-Gipfel. Der Streit um Open Access geht weiter. Der Verkauf von Holtzbrinck an Holtzbrinck führt zu erfreuten Reaktionen in den Zeitungen.

Bitte nehmen Sie Ihre Dose

26.03.2009. Die NZZ stieß in Brüssel auf ein Frauengebirge mit Brustwarzen, die sich öffnen lassen wie Gartentüren. Warum gibt's Horst Köhlers Rede nicht auf Youtube?, beschwert sich Carta. Die SZ hat herausgefunden, wie man mit Schwarzgeld der Kunst (oder zumindest ihren Auktionatoren) dienen kann. In der Zeit kritisiert Ai Weiwei die Ideologie der Freiheit, mit der die USA die Welt ins Verderben führt.

Kollektiv zusammengezuckt

25.03.2009. In der FAZ beklagt der Schweizer Autor Thomas Hürlimann den schlechten Oberförsterstil des Peer Steinbrück. Die SZ hat bei Ulrich Wickert recherchiert: Es gibt kein Problem mit dem chinesischen Dienst der Deutschen Welle. Im Perlentaucher wird der "Heidelberger Appell" auseinandergenommen: Open Access ist nicht Teil des Problems mit dem Internet, sondern Teil der Lösung.

In Spanien im Straßengraben

24.03.2009. In verschiedenen Zeitungen wird ein Aufruf annonciert, der gegen die Enteignung von Autoren und Verlegern durch Google und Open Access plädiert. Die SZ fragt, was Jammer-Wessis wie Maxim Biller noch mit diesem Achtziger-Jahre-Individualismus wollen. Die Welt wandelt über den Platz des Himmlischen Friedens und stellt fest, dass die chinesische Jugend nichts über die Geschehnisse vor 20 Jahren weiß. Der Tagesspiegel porträtiert die polnische "Geisterfahrer-Poetin" Dorota Maslowska.

Humorfrei und stahlgrau

23.03.2009. Viel Wagner, viel Krebs, viel Zeige deine Wunde, viel bitter Erfahrenes: Christoph Schlingensiefs "Mea Culpa"-Abend hat die Kritik aufgewühlt, oder naja, zumindest beeindruckt. Immateriblog polemisiert gegen die taz-Attacke auf "Open Access". Im Perlentaucher antwortet Götz Aly auf die Kritiker seines 68er-Buchs. Gawker schimpft auf die amerikanischen Zeitungen, die von Google ein besseres Ranking in den Suchergebnissen wollen.

Der Totengräber sagt, da war nichts

21.03.2009. Frankfurt ist enorm geistesarm, glaubt Ulla Unseld-Berkewicz, glaubt ein Suhrkamp-Autor in der FR. In der taz findet es Micha Brumlik weder islamophob noch rassistisch, den Einfluss einer totalitären Ideologie auf muslimische Immigranten zu untersuchen. Die Welt möchte, dass Google in die Künstlersozialkasse zahlt. In der NZZ erzählt Ismail Kadare, warum er in die Kommunistische Partei Albaniens eintrat. Die SZ verzweifelt über die Top Ten der deutschen Politik-Blogs.

Sieh an, ein waidwundes sterbendes Rehkitz

20.03.2009. Die NZZ wundert sich über den Umgang der deutschen Presse mit dem Thema Rechtsextremismus. In der FR erklärt der Romancier Alfred Neven-Dumont, warum er nebenbei noch Zeitungen macht. Und Niall Ferguson sagt die Reihenfolge der aus der Krise folgenden Revolten an. Die taz räumt mit Mythen des Internets auf: Open Access in der Wissenschaft sei teurer als die Zeitschriften der Konzerne. Die FAZ räumt mit Sasha Waltz auf: Kitsch-Verdacht. In der Welt fordert Grand Master Flash mehr Respekt vor alten Werten.

Außerdem graupelt es

19.03.2009. Die FAZ fragt: Ist noch ein Kraut gegen die Google Buchsuche gewachsen? Und eines gegen Grace Jones? Die taz weiß, warum die Journalisten nicht vor der Finanzkrise warnten: sie waren einfach nicht kompetent. In der Zeit verbreitet Roger Norrington Bad Vibrations. Die Blogs stricken Pullover für Legehennen. Die Welt ist froh: Christian Ströbeles Aktion "Waffen für El Salvador" hat's doch noch gebracht.

Wenn man nicht so viel drauf dekoriert

18.03.2009. Die taz ist erleichtert: Zumindest zur Inspiration für Elfriede Jelineks neues Stück hat die Finanzkrise getaugt. Der Amoklauf ist ein relativ neues Phänomen, meint die Historikerin Dagmar Ellerbrock in der FR. In der Welt zweifelt die israelische Historikerin Rachel Elior an der Existenz der Essener (während die Existenz der Bochumer nach wie vor als gesichert gilt). Die SZ schaudert über das schlechte Verhalten der Broker, die uns alle in die Krise führten. Die FAZ freut sich über Jil Sander: Sie entwirft wieder.

Gottverlassene sandige Fläche

17.03.2009. In der Welt schreibt Karl Schlögel über die polnischen "Ameisenhändler", die vor zwanzig Jahren die Welt veränderten. In der FAZ ruft Thomas Hettche: Noch ist Frankfurt nicht verloren. In Slate polemisiert Christopher Hitchens gegen Fareed Zakarias Traum von den "moderaten Taliban". Die SZ erzählt von der polnischen Empörung über den amerikanischen Film "Defiance". In der taz geißelt Necla Kelek die Identifikation der Begriffe Rassismus und Islamfeindlichkeit durch Muslimverbände.

Der großartigste Hut der Kunstgeschichte

16.03.2009. Die Welt fragt: War Vermeer in Wirklichkeit seine Tochter? Die FR seufzt: Hätten wir Bogdan Bogdanovic nur früher gekannt - dann hätten wir bessere Mahnmale. Die taz hat in Leipzig herausgefunden: Es sind die 11- bis 17-jährigen Mädchen, die den Buchmarkt bestimmen. Respekt, Respekt, sagt die vereinte Theaterkritik zu Christian Petzolds Debüt als Theaterregisseur am Deutschen Theater.

Die anderen sind einfach jünger

14.03.2009. In der NZZ blickt Hugo Hamilton dem deprimierten irischen Tiger in die Augen. Die FAZ reist ins noch deprimiertere Island. Die New York Times zeigt in einer Videodokumentation, wie die Taliban die Schülerinnen im Swat-Tal aus den Schulen vertreiben. In der FR spricht Sibylle Lewitscharoff über enttäuschte Liebe. Die Welt erkennt in Köln eine Stadt der Melancholie. Die SZ sah Britney Spears hell strahlen und niedrig springen. 

Fußleisten bereits abgefallen

13.03.2009. In der NZZ hofft Christoph Schlingensief auf ein Treffen mit Luis Bunuel. Spiegel Online erzählt, wie der baden-württembergische Innenminister und mit ihm die gesamte Öffentlichkeit auf eine Internet-Fälschung hereinfielen. Die taz fürchtet, dass die Buchlobbyisten, die in Leipzig den "eskalierenden Fortschritt" beklagen, die Fehler der Musikindustrie wiederholen. Die SZ schildert, wie der Buchhandel auf das Internet reagiert: mit taktiler Unordnung.

Furcht und Hochmut

12.03.2009. In der FR rät der Literaturwissenschaftler Roland Reuß zur Enteignung von Google. Denen geht's aber sowieso nicht mehr so gut, meint Gawker. In der Welt fürchtet Wolfgang Sofsky: Es gibt kein Mittel gegen Amok. Die SZ beschreibt den Verfall der amerikanischen Suburbs. Die Zeit hat herausgefunden: Unsere Städte gehören mehr oder weniger den Amerikanern. Die FAZ zeiht den Papst des Feuilletonismus!

Aus dem Netz gefischt

11.03.2009. Die FAZ muss eine Richtigstellung zu einem Artikel über den Perlentaucher bringen. Der Tagesspiegel bringt ein Gespräch mit Karl Schlögel, der heute mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet wird. Navid Kermani erklärt im Blog von Eren Güvercin, warum er den Begriff des Dialogs der Kulturen für genauso sinnlos hält wie den des Kampfs der Kulturen. In der SZ fragt die Autorin Katharina Hagena: Kann man ein E-Book scheiben?

Ein Haar von Gottes Haupt

10.03.2009. In der FR erklärt Salman Rushdie, warum er immer die ganze Welt in seine Bücher packt. Die taz fragt: Wenn 25 Prozent aller UN-Resolutionen von Israel handeln, finden dann 25 Prozent des Weltunrechts in Israel statt? Die Welt fragt sich, warum es so wenige globale Bestseller-Autoren gibt. Und die Berliner Zeitung meldet: Während die Medien der Welt darben, investieren die Chinesen fünf Millarden Euro zur Verbesserung ihres Images.

Wir beliefern keine Blogs

09.03.2009. Die FAZ überzeugt die FR von der Sinnlosigkeit staatlicher Interventionen in der Krise. Das Blog Carta ist traurig, denn es muss ohne ein PR-Bild von Nikolaus Brender auskommen. Die taz erlebte Slavoj Zizek bei einem Vortrag in Berlin als Leibhaftigen. Die SZ lässt sich auch von der Meldung, dass Nicolas Sarkozy Briefmarken sammelt, nicht über den Niedergang der Philatelie täuschen. Die Welt testet Sonys E-Book. Alle Feuilletons feiern ein Wiedersehen mit der "Trilogie des Wiedersehens".

0,8 Prozent des ganzen Trümmerberges

07.03.2009. In der NZZ erzählt Karl Schlögel, wie er seinen Studenten den Stalinismus nahebringt. Die FAZ macht sich ein Bild von der Lage am Kölner Stadtarchiv - sie ist desolat. In der SZ rechnet Ingo Schulze mit den Siegern der Geschichte ab. Die taz stellt zum Tag der Frau fest: 88 Prozent aller Männer haben Angst vor Frauen.

Sehen Sie diese Boje, Herr Kunert?

06.03.2009. In der FR erinnert sich Günter Kunert an Uwe Johnson. Die Achse des Guten deckt auf, wie das ZDF seinen Politikern die Reverenz erweist. Die Berliner Zeitung schildert die traurige Lage der Männer im chinesischen Volk der Mosuo, wo die Frauen herrschen. Die SZ bringt einen Nachruf auf Rüsselsheim. In The Daily Beast begrüßt George Clooney den Haftbefehl gegen Omar al-Bashir.

Kaputtverblödet

05.03.2009. In der NZZ betrauert der dänische Autor Christian Groendahl die ungeheuchelte Solidität elektrischer Apparate aus der vordigitalen Zeit. In der FR erklären Chamisso-Preisträger, wie sie deutsch lernten. In der Welt fragt der Washington Post-Journalist Walter Pincus: Was tun, wenn man 19 Pulitzer-Preise gewinnt und 140.000 Auflage verliert? In der Zeit meint Eva Menasse: Das einzige was an Kärnten noch lecker ist, sind die Knödel.

Die sogenannten Nahesteher

04.03.2009. In der Welt fürchtet der Kulturtheoretiker Hans-Jürgen Heinrichs, dass Suhrkamp seine Aura nicht mit nach Berlin nehmen kann. In der FR wettert Christopher Hitchens gegen den israelischen Rechtspopulisten Avigdor Lieberman. Im Kölner Stadtanzeiger bestreitet der Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, dass das Internet oberflächlich macht. Die FAZ erblickt in den zusammengekniffenen Augen Clint Eastwoods die Möglichkeit der Veränderung.

Es ist auch eine Inhaltekrise

03.03.2009. Die Kulturwissenschaftlerin Mithu M. Sanyal erklärt in der taz den Unterschied zwischen Vulva und Vagina. Berliner Zeitung und SZ schreiben über den neuen Prozess gegen Michail Chodorkowski, dem nochmal 22 Jahre Lager drohen. Die FR beschreibt den Sieg der kleinen über die großen Verlage in den USA.

Zack, ich bin Muslim

02.03.2009. In der taz beklagt der Islamwissenschaftler Jamal Malik die Islamisierung der Muslime - durch die Deutschen. Die FR wünscht dem Dramatiker Albert Ostermaier einen Lektor an den Hals. Pop ist Mist, behauptet Helge Schneider in der Berliner Zeitung. In der NZZ warnt Emir Kusturica vor dem reinen Gift Hollywoods. In der FAZ verteidigt der Anwalt Gunnar Schnabel das Recht jüdischer Erben, alle Rechtsmittel auszuschöpfen, um geraubte Kunst zurückzuerhalten.